Albert Einstein
(1879-1955)
1. Aussagen zu Menschenverstand, Lebenssinn, Moral und Fortschritt
"Wenige sind imstande, von den Vorurteilen der Umgebung abweichende Meinungen gelassen auszusprechen; die meisten sind sogar unfähig, überhaupt zu solchen Meinungen zu gelangen." [1, Aphorismen für Leo Baeck] (1953)
"Große Geister haben stets heftige Gegnerschaft in den Mittelmäßigen gefunden. Diese letzteren können es nicht verstehen, wenn ein Mensch sich nicht gedankenlos ererbten Vorurteilen unterwirft, sondern ehrlich und mutig seine Intelligenz gebraucht und die Pflicht erfüllt, die Ergebnisse seines Denkens in klarer Form auszusprechen." [5, S. 323] (über Bertrand Russell, 1940)
"Ich selber habe mich nicht gescheut, meine Überzeugung bei jeder sich darbietenden Gelegenheit offen auszusprechen, wie ich es für meine Pflicht halte. Aber die einzelne Stimme verschwindet in dem Gebrüll der Menge - es ist immer so gewesen." [5, S. 518] (1950)
"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem selbst ein Schaf sein." [1, Aphorismen für Leo Baeck] (1953)
"Schon immer beruhten die meisten menschlichen Handlungen auf Angst oder Unwissenheit." - vgl. Originaltext: "Fear and stupidity have been always the basis of most human actions." [16, AEA 60-609/610] (1954)
"Dem Streben, Weisheit und Macht zu vereinigen, war nur selten und nur auf kurze Zeit Erfolg beschieden." [1, Aphorismen für Leo Baeck] (1953)
"Der wahre Wert eines Menschen ist in erster Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom Ich gelangt ist." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Was ein Mensch für seine Gemeinschaft wert ist, hängt in erster Linie davon ab, inwieweit sein Fühlen, Denken und Handeln auf die Förderung des Daseins anderer Menschen gerichtet ist." [1, Gemeinschaft und Persönlichkeit] (1932)
"Eine gesunde Gesellschaft ist also ebenso an Selbständigkeit der Individuen geknüpft wie an deren innige soziale Verbundenheit." [1, Gemeinschaft und Persönlichkeit] (1932)
"Das hohe Schicksal dieses Einzelnen aber ist freiwilliges Dienen und nicht etwa herrschen oder sich sonst wie zur Geltung bringen." [16, 28-493 S. 3] (1939)
"Nicht auf Personen kommt es an,
sondern auf Werke im Dienste der Gemeinschaft."
[5, S. 114] (1929)
"Nach dem Sinn oder Zweck des eigenen Daseins sowie des Daseins der Geschöpfe überhaupt zu fragen, ist mir von einem objektiven Standpunkt aus, stets sinnlos erschienen." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Die banalen Ziele menschlichen Strebens: Besitz, äußerer Erfolg, Luxus, erschienen mir seit meinen jungen Jahren verächtlich. Auch glaube ich, daß ein schlichtes und anspruchsloses äußeres Leben für jeden gut ist, für Körper und Geist." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Wer sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen als sinnlos empfindet, der ist nicht nur unglücklich, sondern auch kaum lebensfähig." [1, Vom Sinn des Lebens], s. a. [16, 36-797] (vor 1934)
"Vernünftiges Handeln in der menschlichen Sphäre ist nur möglich, wenn man die Gedanken, Motive und Befürchtungen des anderen zu verstehen versucht, so dass man sich in seine Lage zu versetzen weiß." [5, S. 450] (1947)
"Ich brauche nicht zu betonen, wie sehr ich alles Streben nach Wahrheit und Wissen achte und schätze. Aber ich glaube nicht, dass der Mangel an moralischen und ethischen Werten durch rein intellektuelle Bemühungen aufgewogen werden kann." [5, S. 553] (1951)
"Wenn es sich um Wahrheit und Gerechtigkeit handelt, gibt es nicht die Unterscheidung zwischen kleinen und großen Problemen. Denn die allgemeinsten Gesichtspunkte, die das Handeln der Menschen betreffen, sind unteilbar. Wer es in kleinen Dingen mit der Wahrheit nicht ernst nimmt, dem kann man auch in großen Dingen nicht vertrauen. - Diese Unteilbarkeit gilt aber nicht nur für das Moralische, sondern auch für das Politische; denn die kleinen Probleme können nur richtig erfasst werden, wenn sie in ihrer Abhängigkeit von den großen Problemen verstanden werden." [5, S. 636] (1955)
"Das Moralische ist [...] keine göttliche, sondern eine rein menschliche Angelegenheit." [1, Die Religiosität der Forschung] (vor 1934)
"In grundsätzlichen Fragen der Moral hilft Schulbildung nicht viel." [5, S. 611] (1955)
"Schopenhauers Spruch »Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will«, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfüllt und ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten des Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz. Dieses Bewusstsein mildert in wohltuender Weise das leicht lähmend wirkende Verantwortungsgefühl und macht, dass wir uns selbst und die anderen nicht gar zu ernst nehmen; es führt zu einer Lebensauffassung, die auch besonders dem Humor sein Recht lässt." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"[Es] sprießen aus der menschlichen Gesellschaft nur dann wertvolle Leistungen hervor, wenn sie genügend gelockert ist, um dem Einzelnen freie Gestaltung seiner Fähigkeiten zu ermöglichen." [16, 28-281] (1934)
"Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild sein, wenn's nicht anders geht, ein abschreckendes." [1, Erziehung und Erzieher] (um 1932)
"Nur das Beispiel großer und reiner Persönlichkeit kann zu edlen Auffassungen und Taten führen. Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch." [1, Vom Reichtum] (vor 1934)
"Weisheit ist nicht das Ergebnis von Schulbildung, sondern des lebenslangen Versuchs, sie zu erwerben." [16, 59-495] (Brief an J. Dispentiere, 1944)
"Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen." (aus einem Nachruf des Journalisten William Miller in Life magazine 2. Mai 1955)
"Was uns der Erfindergeist der Menschen in den letzten hundert Jahren geschenkt hat, vermöchte das Leben sorglos und glücklich zu gestalten, wenn die organisatorische Entwicklung mit der technischen hätte Schritt halten können. So aber nimmt sich das mühsam Errungene in der Hand unserer Generation aus wie ein Rasiermesser in der Hand eines dreijährigen Kindes. Der Besitz von wunderbaren Produktionsmitteln brachte nicht Freiheit, sondern Sorge und Hunger. ... Der Widerstand gegen den unbedingt notwendigen Fortschritt liegt in unglücklichen Traditionen der Völker, die durch den Erziehungsapparat wie eine Erbkrankheit von Generation zu Generation fortgeschleppt werden." (Quelle fraglich)
"Vollkommenheit der Mittel und Verworrenheit der Ziele scheinen mir unsere Zeit zu charakterisieren. Wenn wir Sicherheit, Wohlergehen und freie Entfaltung der Fähigkeiten aller Menschen ehrlich und leidenschaftlich wünschen, so wird es uns an Mitteln nicht mangeln, uns einem solchen Zustand zu nähern. Wenn auch nur ein kleiner Teil der Menschheit von solchen Zielen erfüllt ist, wird er für die Dauer sich als überlegen erweisen." [16, 28-557 S. 3] (1941)
2. Aussagen zu Erfahrung, Erkenntnis und Logik
"Erfahrung ist die Summe der Erfahrungen, die man lieber nicht gemacht hätte. Und doch ist es eine gute Sache, wenn man diese Schule hinter sich hat." [5, S. 76]
"Die Kinder benutzen nicht die Lebenserfahrungen der Eltern; die Nationen kehren sich nicht um die Geschichte. Die schlechten Erfahrungen müssen immer wieder aufs Neue gemacht werden." [5, S. 76] (1923)
"Es ist kaum zu glauben, wie wenig die Menschen selbst aus den härtesten Erfahrungen lernen." [3, S. 88] (1948)
"Die Schule soll stets danach trachten, dass der junge Mensch sie als harmonische Persönlichkeit verlasse, nicht als Spezialist. [...] Stets soll die Entwicklung der allgemeinen Fähigkeiten selbständigen Denkens, Urteilens und Arbeitens im Vordergrunde stehen, nicht die Erwerbung von Spezialkenntnissen." [Allgemeines über Erziehung] (1936)
"Das Streben nach Wahrheit und Erkenntnis gehört zum Schönsten, dessen der Mensch fähig ist, wenn auch der Stolz auf dieses Streben meist im Munde derjenigen ist, die am wenigsten von solchem Streben erfüllt sind." [16, 28-587] (1943)
"Wie herrlich auch die Erkenntnis der Wahrheit als solche sein mag, als Führerin ist sie so ohnmächtig, dass sie nicht einmal die Berechtigung und den Wert des Strebens nach eben dieser Erkenntnis der Wahrheit zu begründen vermag. Hier liegt also die Grenze der rein rationalen Erfassung unseres Daseins." [16, 28-493 S. 2] (Das Ziel, 1939)
"Es lässt sich schwer sagen, was Wahrheit ist, aber manchmal ist es so einfach, eine Lüge aufzudecken." [16, 60-483]
"Es ist eigentlich wie ein Wunder, dass der moderne Lehrbetrieb die heilige Neugier des Forschens noch nicht ganz erdrosselt hat; denn dies delikate Pflänzchen bedarf neben Anregung hauptsächlich der Freiheit; ohne diese geht es unweigerlich zugrunde." [7, Autobiographisches S. 6] (1946)
"Freude am Schauen und Begreifen ist die schönste Gabe der Natur." [1, Aphorismen für Leo Baeck] (1953)
"Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers, die Freude am Schaffen und am Erkennen zu erwecken." [1, Lehrer und Schüler] (1931), s. a. [16, 28-145]
"Nur wer nicht sucht, ist vor Irrtum sicher." [11, S. 126] (etwa 1945)
"Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Wer aber erfolgreiche Schritte auf diesem Gebiete intensiv erlebt, der wird von einer tiefen Verehrung für die in dem Seienden sich manifestierende Vernunft ergriffen. Er gelangt auf dem Wege des Begreifens zu einer weitgehenden Befreiung von den Fesseln des persönlichen Wünschens und Hoffens und zur demütigen Einstellung des Gemüts gegenüber der in ihren letzten Tiefen dem Menschen unzugänglichen Größe der im Seienden verkörperten Vernunft. Diese Einstellung aber scheint mir im höchsten Sinne des Wortes eine religiöse zu sein." [16, 28-521, S. 1=5] (1941)
"Für mich ist das Streben nach Erkenntnis eines von denjenigen selbständigen Zielen, ohne welche für den denkenden Menschen eine bewusste Bejahung des Daseins nicht möglich erscheint." [1, Zur Erniedrigung des wissenschaftlichen Menschen] (1950), s. a. [16, 28-882]
"Es liegt im Wesen des Erkenntnisstrebens, dass es sowohl die weitgehende Bewältigung der Erfahrungsmannigfaltigkeit als auch Einfachheit und Sparsamkeit der Grundhypothesen anstrebt. Die endliche Vereinbarkeit dieser Ziele ist bei dem primitiven Zustand unseres Forschens eine Sache des Glaubens. Ohne solchen Glauben wäre für mich die Überzeugung vom selbständigen Werte der Erkenntnis nicht kräftig und unerschütterlich." [1, Zur Erniedrigung des wissenschaftlichen Menschen] (1950), s. a. [16, 28-882]
Einsteins philosophische Ansicht: "[Das Wertvolle aus Kants Lehre] steckt in dem Satz: Das Wirkliche ist uns nicht gegeben, sondern aufgegeben (nach Art eines Rätsels)." [7, S. 505]
"Ohne den Glauben daran, dass es grundsätzlich möglich ist, die Wirklichkeit durch unsere logischen Konstruktionen begreiflich zu machen, ohne den Glauben an die innere Harmonie unserer Welt, könnte es keine Naturwissenschaft geben. Dieser Glaube ist und bleibt das Grundmotiv jedes schöpferischen Gedankens in der Naturwissenschaft." [10, S. 195] (1938)
"Der Glaube an eine vom wahrnehmenden Subjekt unabhängige Außenwelt liegt aller Naturwissenschaft zugrunde. Da die Sinneswahrnehmungen jedoch nur indirekt Kunde von dieser Außenwelt bzw. vom »Physikalisch-Realen« geben, so kann dieses nur auf spekulativem Weg von uns erfasst werden." [1, Maxwells Einfluss auf die Entwicklung der Auffassung des Physikalisch-Realen] (1931)
"Wissenschaft ist der Versuch, der
chaotischen Mannigfaltigkeit der Sinneserlebnisse ein logisch einheitliches
gedankliches System zuzuordnen. In diesem System sollen die einzelnen Erlebnisse
derart ihr gedanklich-theoretisches Korrelat finden, dass die Zuordnung
eindeutig und überzeugend erscheint.
Sinnen-Erlebnisse finden wir vor. Sie sind das unverrückbar Gegebene. Das
Gedankliche aber, was uns zu dessen Erfassung dient, ist Menschenwerk, Ergebnis
eines äußerst mühevollen Anpassungsprozesses, hypothetisch, niemals völlig
gesichert, stets gefährdet und in Frage gestellt." [16, 1-135 S. 1] (Das
Fundament der Physik, 1940)
"Die Entwicklung der abendländischen Naturwissenschaft beruht auf zwei großen Leistungen: Der Erfindung des formal logischen Systems (in der euklidischen Geometrie) durch die griechischen Philosophen, und auf der Entdeckung der Möglichkeit, durch systematisches Experimentieren kausale Beziehungen herzustellen." [11, S. 149] (1953)
"Ziel der Wissenschaft ist einerseits die möglichst vollständige begriffliche Erfassung und Verknüpfung der Sinneserlebnisse in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit, zweitens aber die Erreichung dieses Ziels unter Verwendung eines Minimums von primären Begriffen und Relationen." [16, 122-858 S. 4] (1935)
"Die Wissenschaft sucht Beziehungen aufzufinden, die als unabhängig vom forschenden Menschen existierend gedacht werden. Dies schließt nicht aus, dass der Mensch selbst Gegenstand jener Beziehungen sein mag oder (in der Mathematik), dass von uns geschaffene Begriffe, die keinen Anspruch auf Beziehungen zu einer "Außenwelt" machen, Gegenstand wissenschaftlicher Aussagen sein können. Wissenschaftliche Aussagen und Gesetze sind von solchem Charakter, dass wir sie als wahr oder falsch, als zutreffend oder nicht zutreffend bezeichnen können; unsere Reaktion ist - grob gesprochen - "Ja" oder "Nein". " [16, 1-160 S. 1] (Vorwort zu Philipp Frank, 'Relativity - A Richer Truth', 1949)
"Physik ist diejenige Gruppe von Erfahrungswissenschaften, die ihre Begriffe auf das Messen gründet, und deren Begriffe und Sätze sich mathematisch konstruieren lassen." [16, 1-135 S. 1] (1940)
"Insofern sich die Sätze der
Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern
sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit. ...
Der von der Axiomatik erzielte Fortschritt besteht nämlich darin, dass durch
sie das Logisch-Formale vom sachlichen bzw. anschaulichen Gehalt sauber getrennt
wurde; nur das Logisch-Formale bildet gemäß der Axiomatik den Gegenstand der
Mathematik, nicht aber der mit dem Logisch-Formalen verknüpfte anschauliche
oder sonstige Inhalt." [1, Geometrie und Erfahrung] (1921)
"Logisches Denken ist notwendig deduktiv, auf hypothetische Begriffe und Axiome gegründet. Wie dürfen wir hoffen, letztere so wählen zu können, dass wir auf ihre Bewährung ihrer Konsequenzen an den Erscheinungen hoffen dürfen? Der günstigste Fall liegt offenbar dann vor, wenn die neuen Grundhypothesen durch die Erlebniswelt selbst oder durch Bewährung von theoretischen Bemühungen an der Erlebniswelt nahe gelegt werden." [16, 122-858 S. 18] (Physik und Realität, 1935)
"Durch bloßes logisches Denken vermögen wir keinerlei Wissen über die Erfahrungswelt zu erlangen; alles Wissen über die Wirklichkeit geht von der Erfahrung aus und mündet in ihr. Rein logisch gewonnene Sätze sind mit Rücksicht auf das Reale völlig leer." [1, Zur Methodik der theoretischen Physik] (1930)
"Das Erfinden ist kein Werk des logischen Denkens, wenn auch sein Endprodukt an die logische Gestalt gebunden ist." [6, S. 10]
"Nach meiner Überzeugung muss man sogar viel mehr behaupten: die in unserem Denken und in unseren sprachlichen Äußerungen auftretenden Begriffe sind alle - logisch betrachtet - freie Schöpfungen des Denkens und können nicht aus den Sinnen-Erlebnissen induktiv gewonnen werden. Dies ist nur deshalb nicht so leicht zu bemerken, weil wir gewisse Begriffe und Begriffsverknüpfungen (Aussagen) gewohnheitsmäßig so fest mit gewissen Sinnerlebnissen verbinden, dass wir uns der Kluft nicht bewusst werden, die logisch unüberbrückbar die Welt der sinnlichen Erlebnisse von der Welt der Begriffe und Aussagen trennt." [1, B. Russell und das philosophische Denken], s. a. [16, 1-139 S. 4] (1944)
"Damit Denken nicht in »Metaphysik« bzw. in leeres Gerede ausarte, ist nur notwendig, dass genügend viele Sätze des Begriffssystems mit Sinneserlebnissen hinreichend verbunden seien und dass das Begriffssystem im Hinblick auf seine Aufgabe, das sinnlich Erlebte zu ordnen und übersehbar zu machen, möglichst Einheitlichkeit und Sparsamkeit zeige. Im Übrigen aber ist das »System« ein (logisch) freies Spiel mit Symbolen nach (logisch) willkürlich gegebenen Spielregeln. Die alles gilt in gleicher Weise für das Denken des Alltags und für das mehr bewusst systematisch gestaltete Denken in den Wissenschaften." [1, B. Russell und das philosophische Denken] (1944)
Zur näheren Erläuterung schrieb Einstein an Max von Laue: "Die Bemerkung über Begriffe, und im besonderen über die 'erlebnisnahen', ist durchaus nicht so gemeint, dass ich die genetische Bedingtheit der Begriffe durch Erlebnisse leugnen wollte. Was ich meine, ist nur, dass Begriffe aus dem Rohmaterial der Erfahrung nicht durch einen logischen Prozess ableitbar sind." [14, S. 44]
"Es gibt keine induktive Methode, welche zu den Grundbegriffen der Physik führen könnte." [16, 122-858 S. 18] (Physik und Realität, 1935)
"Ein logisches Begriffssystem ist insofern Physik, als seine Begriffe und Aussagen zur Welt der Erlebnisse in zwangsläufiger Weise in Beziehung gebracht sind. Wer ein solches System aufzustellen versucht, findet in der Willkür (embarras de richesse) ein gefährliches Hindernis. Deshalb sucht er seine Begriffe so direkt und zwangsläufig wie möglich mit der Erlebniswelt zu verknüpfen. Seine Attitude ist dann empiristisch. Der Weg ist fruchtbar, aber immer anfechtbar, weil der Einzelbegriff und die Einzelaussage doch nur in Verbindung mit dem Ganzen etwas mit dem Empirisch-Gegebenen Konfrontierbares aussagen. Er erkennt dann, dass es keinen logischen Weg vom Empirisch-Gegebenen zu jener Begriffswelt gibt. Seine Attitude wird dann eher rationalistisch, weil er die logische Selbständigkeit des Systems erkennt. Die Gefahr bei dieser Einstellung liegt darin, dass man beim Suchen nach dem System jeden Kontakt mit der Erlebniswelt verlieren kann. Ein Schwanken zwischen diesen Extremen erscheint mir unvermeidlich." [7, S. 504], s. a. [12, S. 39]
"Eine Stunde mit einem hübschen Mädchen vergeht wie eine Minute, aber eine Minute auf einem heißen Ofen scheint eine Stunde zu dauern." (kurze Erklärung der Relativität für Laien) [11, S. 154] - Diese Erklärung, die Einstein seiner Sekretärin als Abhilfe gegen Belagerung durch Journalisten gab, lautet im Original (Dukas' Englisch): "An hour sitting with a pretty girl on a park bench passes like a minute, but a minute sitting on a hot stove seems like an hour." [16]
3. Aussagen zu Denken, Begriffen und Wissenschaft
"Unser Handeln sei getragen von dem stets lebendigen Bewusstsein, dass die Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Tun nicht frei sind, sondern ebenso kausal gebunden wie die Gestirne in ihren Bewegungen." [16, 28-194] (1932)
"Es ist mir nicht zweifelhaft, dass unser Denken zum größten Teil ohne Verwendung von Zeichen (Worte) vor sich geht und dazu noch weitgehend unbewusst. Denn wie sollten wir sonst manchmal dazu kommen, uns über ein Erlebnis ganz spontan zu »wundern«? Dies »sich wundern« scheint dann aufzutreten, wenn ein Erlebnis mit einer in uns hinreichend fixierten Begriffswelt in Konflikt kommt." [7, Autobiographisches S. 3] (1946)
"Was ist eigentlich "Denken"? Wenn beim Empfangen von Sinneseindrücken Erinnerungsbilder auftauchen, so ist das noch nicht "Denken". Wenn solche Bilder Serien bilden, deren jedes Glied ein anderes wachruft, so ist dies auch noch kein "Denken". Wenn aber ein gewisses Bild in vielen solchen Reihen wiederkehrt, so wird es eben durch seine Wiederkehr zu einem ordnenden Element für solche Reihen, indem es an sich zusammenhangslose Reihen verknüpft. Ein solches Element wird zum Werkzeug, zum Begriff. Ich denke mir, dass der Übergang vom freien Assoziieren oder "Träumen" zum Denken charakterisiert ist durch die mehr oder minder dominierende Rolle, die der "Begriff" dabei spielt. Es ist an sich nicht nötig, dass ein Begriff mit einem sinnlich wahrnehmbaren und reproduzierenden Zeichen (Wort) verknüpft sei; ist er es aber, so wird dadurch Denken mitteilbar." [7, Autobiographisches S. 2 - 3]
"Inhalt erlangen die Begriffe erst dadurch, dass sie - wenn auch noch so mittelbar - mit den Sinneserlebnissen verknüpft sind. Diese Verknüpfung aber kann keine logische Untersuchung aufdecken; sie kann nur erlebt werden. Und doch bestimmt gerade diese Verknüpfung den Erkenntniswert der Begriffssysteme." [1, Das Raum-, Äther- und Feldproblem der Physik] (1930)
"Andererseits aber haben jene Begriffe und Relationen, insbesondere die Setzungen realer Objekte, überhaupt einer 'realen Welt', nur insoweit Berechtigung, als sie mit Sinneserlebnissen verknüpft sind, zwischen welchen sie gedankliche Verknüpfungen schaffen." [16, 122-858, S. 2] (Physik und Realität, 1935)
"Dass die Gesamtheit der
Sinnen-Erlebnisse so beschaffen ist, dass sie durch das Denken (Operieren mit
Begriffen und Schaffung und Anwendung bestimmter funktioneller Verknüpfungen
zwischen diesen sowie Zuordnung der Sinneserlebnisse zu den Begriffen) geordnet
werden können, ist eine Tatsache, über die wir nur staunen, die wir aber
niemals werden begreifen können. Man kann sagen: Das ewig Unbegreifliche an der
Welt ist ihre Begreiflichkeit. Dass die Setzung einer realen Außenwelt ohne
jene Begreiflichkeit sinnlos wäre, ist eine der großen Erkenntnisse Immanuel
Kants.
Wenn hier von Begreiflichkeit die Rede ist, so ist dieser Ausdruck hier zunächst
in seiner bescheidensten Bedeutung gemeint. Er bedeutet: durch Schaffung
allgemeiner Begriffe und Beziehungen zwischen diesen Begriffen untereinander
sowie durch irgendwie festgelegte Beziehungen zwischen Begriffen und
Sinnen-Erlebnissen zwischen letzteren irgendeine Ordnung herstellen. In diesem
Sinne ist die Welt unserer Sinnen-Erlebnisse begreifbar, und dass sie es ist,
ist ein Wunder." [16, 122-858, S. 2] (Physik und Realität, 1935)
"Die Verknüpfung der elementaren Begriffe des Alltagsdenkens mit Komplexen von Sinnen-Erlebnissen ist nur intuitiv erfassbar und wissenschaftlicher (logischer) Fixierung unzugänglich." [16, 122-858, S. 3] (Physik und Realität, 1935)
"Es gibt in der Physik keinen Begriff, dessen Verwendung a priori nötig oder berechtigt wäre. Ein Begriff erhält seine Daseinsberechtigung nur durch seine klare und eindeutige Verknüpfung mit Erlebnissen bzw. mit physikalischen Erfahrungstatsachen. Es werden in der Relativitätstheorie die Begriffe absolute Gleichzeitigkeit, absolute Geschwindigkeit, absolute Beschleunigung verworfen, weil sich ihre eindeutige Verbindung mit der Erlebniswelt als unmöglich herausstellt. Dasselbe Schicksal trifft die Begriffe 'Ebene', gerade Linie etc., auf welche die euklidische Geometrie gegründet ist. Jedem physikalischen Begriff muss eine solche Definition gegeben werden, dass auf Grund dieser Definition das Zutreffen oder Nichtzutreffen desselben im konkreten Fall prinzipiell entschieden werden kann." [3, S. 20] (1920)
"Begriffe, welche sich bei der Ordnung der Dinge als nützlich erwiesen haben, erlangen über uns leicht eine solche Autorität, dass wir ihres irdischen Ursprungs vergessen und sie als unabänderliche Gegebenheiten hinnehmen. Sie werden dann zu 'Denkgewohnheiten', 'Gegebenen a priori' usw. gestempelt. Der Weg des wissenschaftlichen Fortschritts wird durch solche Irrtümer oft für längere Zeit ungangbar gemacht." [8] (Nachruf auf Ernst Mach, 1916)
"... Aber die meisten Menschen haben eben einen heiligen Respekt vor Worten, die sie nicht begreifen können, und betrachten es als ein Zeichen der Oberflächlichkeit eines Autors, wenn sie ihn begreifen können." [3, S. 90]
"Die wissenschaftliche Begriffsbildung und Methodik unterscheidet sich von der des Alltags lediglich durch größere Schärfe der Begriffe und Schlüsse, durch sorgfältigere und systematischere Auswahl des Erfahrungsmaterials sowie durch Sparsamkeit im logischen Sinne. Hierunter sei das Bestreben verstanden, alle Begriffe und Relationen auf möglichst wenige logisch voneinander unabhängige zurückzuführen (Grundbegriffe und Axiome)." [16, 1-135 S. 1] (Das Fundament der Physik, 1940)
"Die Wissenschaft sucht, allgemeine Regeln aufzustellen, die den gegenseitigen Zusammenhang der Dinge und Ereignisse in Raum und Zeit bestimmen. Für diese Regeln beziehungsweise Naturgesetze wird allgemeine und ausnahmslose Gültigkeit gefordert - nicht bewiesen. Es ist zunächst nur ein Programm, und der Glaube in seine prinzipielle Durchführbarkeit ist nur durch Teilerfolge begründet. [..] Die Tatsache, dass wir aufgrund solcher Gesetze den zeitlichen Verlauf von Erscheinungen auf gewissen Gebieten mit großer Genauigkeit und Sicherheit vorherzusagen vermögen, sitzt tief im Bewusstsein des modernen Menschen, selbst wenn er vom Inhalt jener Gesetze sehr wenig erfasst hat." [2, Naturwissenschaft und Religion II] (1941)
"Ziel der Wissenschaft ist einerseits die möglichst vollständige begriffliche Erfassung und Verknüpfung der Sinneserlebnisse in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit, zweitens aber die Erreichung dieses Ziels unter Verwendung eines Minimums von primären Begriffen und Relationen." [16, 122-858 S. 4] (1935)
"Wohl ist es Ziel der Wissenschaft, Regeln aufzufinden, welche Tatsachen zu verknüpfen und vorauszusagen gestatten. Aber die ist nicht alles, was sie erstrebt. Sie sucht auch die gefundenen Zusammenhänge auf eine möglichst geringe Zahl voneinander unabhängiger Begriffselemente zu reduzieren. Bei diesem Streben nach rationaler Vereinigung des Mannigfaltigen erlebt sie ihre größten Erfolge, wenngleich sie gerade bei diesem Streben sich am meisten in Gefahr begibt, Illusionen zum Opfer zu fallen. Wer aber erfolgreiche Schritte auf diesem Gebiet intensiv erlebt, der wird von einer tiefen Verehrung für die in dem Seienden sich manifestierende Vernunft ergriffen." [16, 28-521, S. 1=5] (1941)
"Es scheint, dass die menschliche Vernunft die Formen erst selbständig konstruieren muss, ehe wir sie in den Dingen nachweisen können. Aus Keplers wunderbarem Lebenswerk erkennen wir besonders schön, dass aus bloßer Empirie allein die Erkenntnis nicht erblühen kann, sondern nur aus dem Vergleich von Erdachtem mit dem Beobachteten." [1, Johannes Kepler] (09.11.1930)
"Eine Theorie ist desto eindrucksvoller, je größer die Einfachheit ihrer Prämissen ist, je verschiedenartigere Dinge sie verknüpft, und je weiter ihr Anwendungsbereich ist." [7, Autobiographisches, S. 12]
"Die Physik ist ihrem Wesen nach eine konkrete und anschauliche Wissenschaft. Die Mathematik gibt uns nur die Mittel in die Hand, um die Gesetze auszudrücken, wonach die Erscheinungen sich vollziehen." [3, S. 7]
"Je mehr der Mensch von der gesetzmäßigen Ordnung der Ereignisse durchdrungen ist, um so fester wird seine Überzeugung, dass neben dieser gesetzmäßigen Ordnung für andersartige Ursachen kein Platz mehr ist. Er erkennt weder einen menschlichen noch einen göttlichen Willen als unabhängige Ursache von Naturereignissen an. Die Naturwissenschaft kann freilich niemals die Lehre von einem in Naturereignisse eingreifenden persönlichen Gott widerlegen, denn diese Lehre kann stets in jenen Gebieten Zuflucht suchen, in denen wissenschaftliche Erkenntnis bis jetzt noch nicht Fuß zu fassen vermochte." [2, Naturwissenschaft und Religion II] (1941)
"Es ist richtig, dass die Ergebnisse der Forschung den Menschen nicht veredeln und bereichern, wohl aber das Streben nach dem Verstehen, die produktive und rezeptive geistige Arbeit." [1, Gut und Böse] (um 1930)
"Wissenschaft ist ein mächtiges Werkzeug. Wie es gebraucht wird, ob zum Heile oder zum Fluche des Menschen, hängt vom Menschen ab, nicht vom Werkzeug. Mit einem Messer kann man töten oder dem Leben dienen." (möglicherweise aus einer Zusammenfassung von Einsteins Ansprache an Studenten in Pasadena, 16.02.1931)
"Wissenschaftliche Forschung kann durch Förderung des kausalen Denkens und Überschauens den Aberglauben vermindern." [1, Über wissenschaftliche Wahrheit] (1922)
4. Aussagen zu Glaube, Gesellschaft und Krieg
"Meine Überzeugungen sind denjenigen Spinozas verwandt: Bewunderung für die Schönheit und Glaube an die logische Einfachheit der Ordnung und Harmonie, welche wir demütig und nur unvollkommen fassen können." [11, S. 187]
Einstein erklärt seine Formulierung
"Das ewig Unbegreifliche an der Natur ist ihre Begreiflichkeit" mit
folgenden Worten (an seinen Freund M. Solovine):
"Sie finden es merkwürdig, dass ich die Begreiflichkeit der Welt (soweit
wir berechtigt sind, von einer solchen zu sprechen) als Wunder oder ewiges
Geheimnis empfinde. Nun, a priori sollte man doch eine chaotische Welt erwarten,
die durch Denken in keiner Weise fassbar ist. Man könnte (ja sollte) erwarten,
dass die Welt nur insoweit sich als gesetzlich erweise, als wir ordnend
eingreifen. Es wäre eine Art Ordnung wie die alphabetische Ordnung der Worte
einer Sprache. Die Art der Ordnung, die dagegen z. B. durch Newtons
Gravitationstheorie geschaffen wird, ist von ganz anderem Charakter. Wenn auch
die Axiome der Theorie vom Menschen gesetzt sind, so setzt doch der Erfolg eines
solchen Beginnens eine hochgradige Ordnung der objektiven Welt voraus, die a
priori zu erwarten man keinerlei Berechtigung hatte. Hier liegt das ‚Wunder',
das sich mit der Entwicklung unserer Kenntnisse immer mehr verstärkt." [3,
S. 114] (1952)
"Wer von der kausalen Gesetzmäßigkeit allen Geschehens durchdrungen ist, für den ist die Idee eines Wesens, welches in den Gang des Weltgeschehens eingreift, ganz unmöglich - vorausgesetzt allerdings, dass er es mit der Hypothese der Kausalität wirklich ernst meint. Die Furcht-Religion hat bei ihm keinen Platz, aber ebensowenig die soziale bzw. moralische Religion. Ein Gott, der belohnt und bestraft, ist für ihn schon darum undenkbar, weil der Mensch nach äußerer und innerer gesetzlicher Notwendigkeit handelt, vom Standpunkt Gottes aus also nicht verantwortlich wäre, sowenig wie ein lebloser Gegenstand für die von ihm ausgeführten Bewegungen. Man hat deshalb schon der Wissenschaft vorgeworfen, dass sie die Moral untergrabe, jedoch gewiss mit Unrecht. Das ethische Verhalten des Menschen ist wirksam auf Mitgefühl, Erziehung und soziale Bindung zu gründen und bedarf keiner religiösen Grundlage. Es stünde traurig um die Menschen, wenn sie durch Furcht vor Strafe und Hoffnung auf Belohnung nach dem Tode gebändigt werden müssten." [1, Religion und Wissenschaft] (Nov. 1930)
"Einen Gott, der die Objekte seines Schaffens belohnt und bestraft, der überhaupt einen Willen hat nach Art desjenigen, den wir an uns selbst erleben, kann ich mir nicht einbilden. Auch ein Individuum, das seinen körperlichen Tod überdauert, mag und kann ich mir nicht denken; mögen schwache Seelen aus Angst oder lächerlichem Egoismus solche Gedanken nähren." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Jene mit tiefem Gefühl verbundene
Überzeugung von einer überlegenen Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt
offenbart, bildet meinen Gottesbegriff; man kann ihn also in der üblichen
Ausdrucksweise als 'pantheistisch' (Spinoza) bezeichnen. Konfessionelle
Traditionen kann ich nur historisch und psychologisch betrachten; ich habe zu
ihnen keine andere Beziehung. [...]
Ich kann mir keinen persönlichen Gott denken, der die Handlungen der einzelnen
Geschöpfe direkt beeinflusste oder über seine Kreaturen zu Gericht säße.
[...]
Meine Religiosität besteht in einer demütigen Bewunderung des unendlich überlegenen
Geistes, der sich in dem wenigen offenbart, was wir mit unserer schwachen und
hinfälligen Vernunft von der Wirklichkeit zu erkennen vermögen. Moral ist eine
höchst wichtige Sache, aber für uns, nicht für Gott." [4, S. 9/10] s. a.
[14, S. 33/34] (Brief an M. M. Schayer, 1927; s. a. 'Briefe', Diogenes, Zürich)
"Ich bin nicht der Meinung, dass man im Kampf um eine bessere Welt den Namen Gottes ins Spiel bringen sollte. Das ist, wie mir scheint, mit der Integrität eines modernen, gebildeten Menschen nicht vereinbar. Überdies zeigt die Geschichte, dass jede Partei glaubt oder andere davon zu überzeugen sucht, dass Gott auf ihrer Seite stehe. Dadurch werden rationales Verständnis und Verhalten nur noch erschwert. Unablässige, ehrliche Erziehungsarbeit für eine moralisch fundierte, tolerante Geisteshaltung ist der einzige Weg zu einem glücklicheren Leben." [5, S. 591] (1953)
"Toleranz ist das menschenfreundliche Verständnis für Eigenschaften, Auffassungen und Handlungen anderer Individuen, die der eigenen Gewohnheit, der eigenen Überzeugung und dem eigenen Geschmack fremd sind." [16, 28-281 S. 1] (1934)
"Ein Mensch ist ein räumlich und zeitlich beschränktes Stück des Ganzen, was wir "Universum" nennen. Er erlebt sich und sein Fühlen als abgegrenzt gegenüber dem Rest, eine optische Täuschung seines Bewusstseins. Das Streben nach Befreiung von dieser Fesselung ist der einzige Gegenstand wirklicher Religion. Nicht das Nähren der Illusion, sondern nur ihre Überwindung gibt uns das erreichbare Maß inneren Friedens." [16, 60-425] (1950)
"Alles, was von den Menschen getan und erdacht wird, gilt der Befriedigung gefühlter Bedürfnisse sowie der Stillung von Schmerzen. Dies muss man sich immer vor Augen halten, wenn man geistige Bewegungen und ihre Entwicklung verstehen will. Denn Fühlen und Sehnen sind der Motor alles menschlichen Strebens und Erzeugens, mag sich auch letzteres uns noch so erhaben darstellen." [1, Religion und Wissenschaft] (1930)
"Es liegt die Idee zugrunde, dass der Mensch zu einem würdigen und harmonischen Dasein nur dann gelangen kann, wenn er sich von dem Streben nach Wunsch-Erfüllungen materieller Art innerhalb der uns von der Natur gesteckten Grenzen zu befreien imstande ist. Es ist das Streben nach Erhöhung des geistigen Niveaus der Gesellschaft." [16, 28-1052] (1954)
[Hohes Ziel:] "Freie und selbstverantwortliche Entfaltung des Individuums, damit es seine Kräfte froh und freiwillig in den Dienst der Gemeinschaft aller Menschen stelle. Da ist kein Platz für Vergottung einer Nation, einer Klasse oder gar eines Individuums." [16, 28-493 S. 3] (1939)
"Mein politisches Ideal ist das demokratische. Jeder soll als Person respektiert und keiner vergöttert sein. Eine Ironie des Schicksals, dass die anderen Menschen mir selbst viel zuviel Bewunderung und Verehrung entgegengebracht haben, ohne meine Schuld und ohne mein Verdienst." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Ein autokratisches System des Zwanges degeneriert nach meiner Überzeugung in kurzer Zeit. Denn Gewalt zieht stets Minderwertige an, und es ist nach meiner Überzeugung Gesetz, dass geniale Tyrannen Schurken als Nachfolger haben." [1, Wie ich die Welt sehe] (um 1930)
"Wenn der wissenschaftliche Mensch unserer Tage Zeit und Mut fände, seine Situation uns seine Aufgabe ruhig und kritisch zu erwägen und entsprechend zu handeln, so würden die Aussichten auf eine vernünftige und befriedigende Lösung der gegenwärtigen gefahrvollen internationalen Situation wesentlich verbessert werden." [1, Zur Erniedrigung des wissenschaftlichen Menschen] (1950)
"Die geistigen Arbeiter [..] können durch Aufklärung dazu beitragen, dass fähige Staatsmänner nicht durch rückständige Meinungen und Vorurteile in ihrer Arbeit gehemmt werden." [5, S. 403] (1946)
"Meine Beteiligung bei der Erzeugung der Atombombe bestand in einer einzigen Handlung: ich unterzeichnete einen Brief an Präsident Roosevelt, in dem die Notwendigkeit betont wurde, Experimente im Großen anzustellen zur Untersuchung der Möglichkeit der Herstellung einer Atombombe. Ich war mir der furchtbaren Gefahr wohl bewusst, welche das Gelingen dieses Unternehmens für die Menschheit bedeutete. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschen am selben Problem mit Aussicht auf Erfolg arbeiten dürften, hat mich zu diesem Schritt gezwungen. Es blieb mir nichts anderes übrig, obwohl ich stets ein überzeugter Pazifist gewesen bin. Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord." [5, S. 581] (1952)
"Die Majorität der Dummen ist unüberwindbar und für alle Zeiten gesichert. Der Schrecken ihrer Tyrannei ist indessen gemildert durch Mangel an Konsequenz." [1, Aphorismen für Leo Baeck] (1953)
"Es ist ein glückliches Schicksal, wenn man bis zum letzen Schnaufer durch die Arbeit fasziniert wird. Sonst würde man zu sehr leiden unter der Dummheit und Tollheit der Menschen, wie sie sich hauptsächlich in der Politik äußert." (aus: Brief an Michele Besso, 24. Juli 1949)
"Eine Verbesserung der Bedingungen auf der Welt ist im wesentlichen nicht von wissenschaftlicher Kenntnis, sondern vielmehr von der Erfüllung humaner Traditionen und Ideale abhängig." [11, S. 149] (1952)
"Wissenschaft ohne Religion ist lahm. Religion ohne Wissenschaft ist blind." [2, Naturwissenschaft und Religion II] (1941)
"Je weiter die geistige Entwicklung des Menschen vorschreitet, in desto höherem Grade scheint mir zuzutreffen, dass der Weg zu wahrer Religiosität nicht über Daseinsfurcht, Todesfurcht und blinden Glauben sondern über das Streben nach vernünftiger Erkenntnis führt." [16, 28-521, S. 2=6] (1941)
"Politik ist durch beständig verjüngte Illusion beseeltes Pendeln zwischen Anarchie und Tyrannei." 16, 28-389] (1937)
"Wir müssen unsere Kinder gegen Militarismus impfen, in dem wir sie im Geiste des Pazifismus erziehen." [13] (Interview, 1931), vgl. [5, S. 142]
"Jeder Krieg fügt ein weiteres Glied an die Kette des Übels, die den Fortschritt der Menschlichkeit verhindert. Doch eine Handvoll Wehrdienstverweigerer kann den allgemeinen Prozess gegen den Krieg dramatisieren." [13] (Interview, 1931), vgl. [5, S. 142]
"Die Menschen müssen weiterhin kämpfen, aber nur, wofür zu kämpfen lohnt: und das sind nicht imaginäre Grenzen, Rassenvorurteile oder Bereicherungsgelüste, die sich die Fahne des Patriotismus umhängen. Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse." [13] (Interview, 1931), vgl. [5, S. 142]
"Der Weg zur internationalen Sicherheit führt über den bedingungslosen Verzicht der Staaten auf einen Teil ihrer Handlungsfreiheit beziehungsweise Souveränität, und es dürfte unbezweifelbar sein, dass es einen anderen Weg zu dieser Sicherheit nicht gibt." [13] (1932)
"Liebe Nachwelt! Wenn Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir sind bzw. gewesen sind, so soll Euch der Teufel holen." [11, S. 268] (1936; s. a. "Briefe", Diogenes, Zürich)
5. Einsteins Glaubensbekenntnis
Ende August 1932 schrieb Einstein in Caputh "Mein Glaubensbekenntnis" und sprach es Anfang September, im Auftrag und zu Gunsten der Deutschen Liga für Menschenrechte, auf Schallplatte.
Tonaufnahme (des letzten Abschnitts)
"Zu den Menschen zu gehören, die ihre besten Kräfte der Betrachtung und Erforschung objektiver, nicht zeitgebundener Dinge widmen dürfen und können, bedeutet eine besondere Gnade. Wie froh und dankbar bin ich, dass ich dieser Gnade teilhaftig geworden bin, die weitgehend vom persönlichen Schicksal und vom Verhalten der Nebenmenschen unabhängig macht. Aber diese Unabhängigkeit darf uns nicht blind machen gegen die Erkenntnis der Pflichten, die uns unaufhörlich an die frühere, gegenwärtige und zukünftige Menschheit binden.
Seltsam erscheint unsere Lage auf dieser Erde. Jeder von uns erscheint da unfreiwillig und ungebeten zu kurzem Aufenthalt, ohne zu wissen warum und wozu. Im täglichen Leben fühlen wir nur, dass der Mensch um anderer willen da ist: solcher, die wir lieben, und zahlreicher anderer ihm schicksalsverbundener Wesen. Oft bedrückt mich der Gedanke, in welchem Maße mein Leben auf der Arbeit meiner Mitmenschen aufgebaut ist, und ich weiß, wie viel ich ihnen schulde.
Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens. Schopenhauers Wort: "Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will" begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind. Diese Erkenntnis von der Unfreiheit des Willens schützt mich davor, mich selbst und die Mitmenschen als handelnde und urteilende Individuen allzu ernst zu nehmen und den guten Humor zu verlieren. [...]
Nach Wohlleben und Luxus strebte ich nie und habe sogar ein gut Teil Verachtung dafür. Meine Leidenschaft für soziale Gerechtigkeit hat mich oft in Konflikt mit den Menschen gebracht, ebenso meine Abneigung gegen jede Bindung und Abhängigkeit, die mir nicht absolut notwendig erschien. Ich achte stets das Individuum und hege eine unüberwindliche Abneigung gegen Gewalt und gegen Vereinsmeierei. Aus allen diesen Motiven bin ich leidenschaftlicher Pazifist und Antimilitarist, lehne jeden Nationalismus ab, auch wenn er sich nur als Patriotismus gebärdet.
Aus Stellung und Besitz entspringende Vorrechte sind mir immer ungerecht und verderblich erschienen, ebenso ein übertriebener Personenkultus. Ich bekenne mich zum Ideal der Demokratie, trotzdem mir die Nachteile demokratischer Staatsform wohlbekannt sind. Sozialer Ausgleich und wirtschaftlicher Schutz des Individuums erschienen mir stets als wichtige Ziele der staatlichen Gemeinschaft.
Ich bin zwar im täglichen Leben ein
typischer Einspänner, aber das Bewusstsein, der unsichtbaren Gemeinschaft
derjenigen anzugehören, die nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit
streben, hat das Gefühl der Vereinsamung nicht aufkommen lassen.
Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des
Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und
Wissenschaft zugrunde. Wer dies nicht erlebt hat, erscheint mir wenn nicht wie
ein Toter, so doch wie ein Blinder. Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein
für unseren Geist Unerreichbares verborgen sei, dessen Schönheit und
Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, - das ist
Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös. Es ist mir genug, diese
Geheimnisse zu ahnen und zu versuchen, von der erhabenen Struktur des Seienden
in Demut ein mattes Abbild geistig zu erfassen."
6. Verschiedenes
"Es scheint hart, dem Herrgott in seine Karten zu kucken. Aber dass er würfelt kann ich keinen Augenblick glauben."
"Für mich ist jede Tötung von Menschen gemeiner Mord, auch wenn es der Staat im Großen tut."
"Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig."
"Ich halte es lieber mit meinem Landsmann Jesus Christus. Leiden ist mir eben wirklich lieber als Gewalt üben."
"Mach Dir keine Sorgen wegen Deiner Schwierigkeiten mit der Mathematik. Ich kann Dir versichern, dass meine noch größer sind." - Antwort an ein kleines Mädchen, das in der Schule Probleme mit der Mathematik hatte
"Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen, und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst."
"Eine gute wissenschaftliche Theorie sollte einer Bardame erklärbar sein."
„Je mehr eine Kultur begreift, dass ihr aktuelles Weltbild eine Fiktion ist, desto höher ist ihr wissenschaftliches Niveau.“
"Es ist die wichtigste Kunst des Lehrers, die Freude am Schaffen und am Erkennen zu erwecken."
"Nationalismus ist eine Kinderkrankheit, sozusagen die Masern der Menschheit."
"Wenn jemand Freude daran hat bei Musik in Reih' und Glied zu marschieren, dann verachte ich ihn schon deswegen, weil er sein Gehirn nur wegen eines Irrtums bekommen hat; ein Rückenmark hätte gereicht."
"Handle niemals gegen das Gewissen, selbst wenn der Staat es fordert."
"Sehet im Studium nie eine Pflicht, sondern die beneidenswerte Gelegenheit, die befreiende Schönheit auf dem Gebiet des Geistes kennen zu lernen zu Eurer eigenen Freude und zugunsten der Gemeinschaft, der Euer späteres Wirken gehört."
"Es gibt weder große Entwicklungen noch wahre Fortschritte auf dieser Erde, so lange noch ein unglückliches Kind auf ihr lebt."
"Es ist die hohe Bestimmung des Menschen, mehr zu dienen als zu herrschen."
"Welche eine triste Epoche, in der es leichter ist, ein Atom zu spalten als ein Vorurteil."
"Die Rüstungsindustrie ist in der Tat eine der größten Gefährdungen der Menschheit."
"Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten werden die Menschen mit Stöcken und Steinen kämpfen."
"Das Denken der Zukunft muss Kriege unmöglich machen."
"Nur ein für andere gelebtes Leben ist lebenswert."
"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."
"Frieden kann nicht mit Gewalt, sondern nur durch Verständnis gewonnen werden".
Die Minderheit der jeweils Herrschenden hat vor allem die Schule, die Presse und meistens auch die religiösen Organisationen in ihrer Hand. Durch diese Mittel beherrscht und leitet sie die Gefühle der großen Masse und macht diese zu ihrem willenlosen Werkzeuge.
"Das Unbegreiflichste am Universum ist, dass es begreifbar ist."
"Zeit ist, was verhindert, dass alles auf einmal passiert."
„Der drahtlose Telegraph ist nicht schwer zu verstehen. Der normale Telegraph ist wie eine lange Katze. Man zieht in New York am Schwanz und es miaut in Los Angeles. Der drahtlose Telegraph funktioniert genauso, nur ohne Katze.“
"Es gibt zwei Arten, sein Leben zu leben: entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles eines. Ich glaube an Letzteres."
"Versuch nicht, ein Mann des Erfolgs zu werden. Werde lieber ein Mann von Wert!"
"Wir brauchen eine wesentlich neue Denkungsart, wenn die Menschheit am Leben bleiben soll."
„Warum bringt uns diese großartige angewandte Wissenschaft, die Arbeit spart und das Leben leichter macht, so wenig Glück? Die einfache Antwort: Weil wir noch nicht gelernt haben, sie vernünftig zu nutzen.“
"Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt unwiderstehlich zum Mißbrauch. Kann sich jemand Moses, Jesus oder Gandhi bewaffnet mit Carnegies Geldsack vorstellen?"
"Das Lehren sollte so sein, daß das Dargebotene als wertvolles Geschenk und nicht als eine harte Pflicht empfunden wird."
"Das Problem des modernen Menschen ist nicht die Atombombe, sondern sein Herz"
„Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit dem Radius Null – und das nennen sie dann ihren Standpunkt."
"Der, der weiß, dass er nichts weiß, weiß immer noch
mehr als der, der nicht weiß, dass er nichts weiß."
"Die Herrschaft der Dummen ist unüberwindlich, weil es so viele sind und ihre Stimmen genauso zählen wie unsere."
"Kein Ziel ist hoch genug, um unehrenhaftes Verfahren zu rechtfertigen."
"Liebe Nachwelt! Wenn
Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet,
als wir sind bzw. gewesen sind, so soll Euch der Teufel holen."
„Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben; keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr…“