Folgendes ist der Stammbaum Jesu; - des Messias, zum Beweis, dass er ein Nachkomme Davids und Abrahams ist. Abraham war der Vater Isaaks, Isaak der Vater Jakobs, Jakob der Vater des Juda und seiner Brüder. Juda war der Vater des Perez und des Serah; ihre Mutter hieß Thamar. Perez war der Vater Hezrons, Hezron der Vater Rams. Ram war der Vater Aminadabs, Aminadab der Vater Nahsons, Nahson der Vater Salmons. Salmon war der Vater des Boas, dessen Mutter Rahab hieß. Boas war der Vater Jobeds; seine Mutter hieß Ruth. Jobed war der Vater des Isai. Isai war der Vater des Königs David. David war der Vater des Salomo; die Mutter war die Frau des Uria. Salomo war der Vater des Rehabeam, Rehabeam der Vater des Abia, Abia der Vater des Asa. Asa war der Vater Josaphats, Josaphat der Vater Jorams, Joram der Vater des Ussia. Ussia war der Vater Jothams, Jotham der Vater des Ahas, Ahas der Vater des Hiskia. Hiskia war der Vater des Manasse, Manasse der Vater des Amos, Amos der Vater des Josia. Josia war der Vater des Jojakim und seiner Brüder; sie lebten zur Zeit der Babylonischen Gefangenschaft. Nach der Babylonischen Gefangenschaft wurde Jojakim der Vater des Sealthiel. Sealthiel war der Vater Serubabels. Serubabel war der Vater Abihuds, Abihud der Vater Eljakims, Eljakim der Vater Asors. Asor war der Vater Zadoks, Zadok der Vater Achims, Achim der Vater Eliuds. Eliud war der Vater Eleasars, Eleasar der Vater Matthans, Matthan der Vater Jakobs. Jakob war der Vater des Joseph; und Joseph war der Mann der Maria; aus seinem Samen gebar sie Jesus, den Messias. Wie man sieht, hat der Stammbaum von Abraham bis David vierzehn Glieder, von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft ebenfalls vierzehn und von der Babylonischen Gefangenschaft bis auf den Messias nochmals vierzehn. Die Menschwerdung des Messias hatte folgenden Verlauf: Seine Mutter Maria war mit Joseph verlobt. Vor ihrer Heirat stellte es sich jedoch heraus, dass sie unter Mitwirkung eines heiligen Geistes in Hoffnung war. Joseph war ein gottesfürchtiger Mann und wollte sie nicht der öffentlichen Schande preisgeben. Er entschloss sich daher, die Verlobung in aller Stille aufzuheben. Als er über die Ausführung seines Entschlusses nachdachte, gewahrte er im Zustand des Hellsehens einen Geisterboten des Herrn. Dieser sagte zu ihm: "Joseph, Sohn Davids, nimm ohne Bedenken Maria zur Frau! Denn die in ihr erfolgte Zeugung geschah unter Mitwirkung eines heiligen Geistes. Doch der Sohn, den sie gebären wird, ist von deinem Samen; darum sollst du ihm auch den Namen geben und ihn 'Jesus' (Erlöser) nennen. Denn er ist es, der sein Volk von der Sünde des Abfalls erlösen wird." Dies alles ist geschehen, damit auch hier die Worte in Erfüllung gingen, die der Herr durch den Propheten Jesaja hatte verkünden lassen: "Siehe, die junge Frau wird in Hoffnung kommen und. einen Sohn gebären, den man 'Immanuel' nennen wird", was in der Übersetzung 'Gott mit uns' bedeutet. Als die Erscheinung vorüber war, führte Joseph den Auftrag aus, den ihm der Bote des Herrn überbracht hatte. Er nahm Maria zur Frau. Er hatte solange keinen Geschlechtsverkehr mit ihr, bis sie den ersten Sohn geboren hatte, der aus seinem Samen gezeugt worden war, und dem er den Namen "Jesus" gab. Die Geburt Jesu erfolgte zu Bethlehem im Lande Judäa unter der Regierung des Königs Herodes. Da kamen Magier aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: "Wo ist derjenige geboren worden, der zum König der Juden bestimmt ist? Wir haben nämlich seinen Stern vor uns aufsteigen sehen und sind ihm hierher gefolgt, um ihm unsere Huldigung zu bezeigen." Bei dieser Kunde erschrak der König Herodes und ganz Jerusalem mit ihm. Er ließ alle Oberpriester und Schriftgelehrten des Volkes versammeln und suchte von ihnen zu erfahren, wo der König geboren werden solle, der vom Herrn zum Erlöser gesalbt sei. Sie gaben ihm zur Antwort: "Zu Bethlehem im Lande Judäa. Denn so steht es beim Propheten geschrieben: 'Du, Bethlehem im Lande Judäa, bist nicht die unbedeutendste unter Judas Fürstenstädten; denn aus dir wird ein König hervorgehen, der mein Volk Israel als Hirte führen wird.'" Hierauf rief Herodes die Magier heimlich zu sich und ließ sich von ihnen die Zeit ganz genau angeben, wann ihnen der Stern erschienen sei. Dann schickte er sie nach Bethlehem und gab ihnen die Weisung: "Gehet hin und forschet mit aller Sorgfalt nach dem Kinde. Sobald ihr es gefunden habt, teilt es mir sofort mit, damit auch ich komme, um ihm zu huldigen." Darauf verabschiedeten sie sich vom König und machten sich auf den Weg. Und siehe da, der Stern, den sie früher hatten aufsteigen sehen, ging wieder als Führer vor ihnen her bis zu der Stelle, wo sich das Kind befand. Da blieb er stehen. Als sie den Stern stillstehen sahen, empfanden sie eine unaussprechliche Freude. Sie traten in die Behausung ein und trafen darin das Kind mit seiner Mutter Maria. Sie fielen vor ihm nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und gaben ihm als Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe. Durch eine Geisterkundgebung erhielten sie die Weisung, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren. Sie gingen daher auf einem andern Weg in ihre Heimat zurück. Als sie fort waren, erblickte Joseph im Zustand des Hellsehens einen Geisterboten des Herrn. Dieser sagte zu ihm: "Auf! Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten! Bleibe dort, bis ich dir weiteren Bescheid gebe. Herodes will nämlich das Kind suchen lassen, um es zu töten." Als die Erscheinung geschwunden war, nahm Joseph noch während der Nacht Mutter und Kind und floh nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tode des Herodes. So erfüllte sich auch hier das Wort, das der Herr durch den Propheten hatte verkünden lassen: "Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen." Als nun Herodes sah, dass er von den Magiern getäuscht worden war, geriet er in große Aufregung. Er sandte seine Leute aus und ließ in Bethlehem, sowie in der ganzen Umgebung des Ortes, alle Kinder umbringen, die zwei Jahre und darunter alt waren, entsprechend den genauen Zeitangaben, die er sich von den Magiern hatte machen lassen. So erfüllte sich auch hier das Wort, das der Herr durch den Propheten Jeremia vorausverkünden ließ: "Ein Geschrei hörte man in Rama, lautes Weinen, Jammern und Weheklagen. Rachel weint um ihre Kinder und ist untröstlich, weil sie nicht mehr am Leben sind." Nach dem Tode des Herodes erschien dem Joseph in Ägypten ein Geisterbote des Herrn, den er hellsehend wahrnahm und der zu ihm sagte: "Auf! Nimm das Kind und seine Mutter und ziehe in das Land Israel; denn die sind tot, die dem Kinde nach dem Leben trachteten." Da stand Joseph auf, nahm Mutter und Kind und kehrte in das Land Israel zurück. Als er jedoch erfuhr dass Archelaus anstelle seines Vaters Herodes König in Judäa sei, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Infolge einer Weisung, die ihm durch eine Geisterkundgebung zuteil geworden war, begab er sich in die Landschaft Galiläa. Dort ließ er sich in einer Stadt namens Nazareth nieder. So ging das Prophetenwort in Erfüllung: "Er wird ein Nazarener genannt werden." Es kam die Zeit, wo Johannes der Täufer auftrat. Er predigte in der armen Gebirgsgegend von Judäa. Seine Mahnung lautete: "Ändert eure Gesinnung; denn die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes steht nahe bevor!" Auf ihn bezieht sich nämlich das Wort des Propheten Jesaja: "Man hört in der armen Gebirgsgegend die Stimme eines Mannes, der ruft: 'Bereitet dem Herrn den Weg zu euch; bringet die Pfade in Ordnung, auf denen er kommt.'" Johannes trug ein Gewand von Kamelhaaren und einen Ledergürtel um seine Hüften. Seine Nahrung bestand in Heuschrecken und wildem Honig. Aus Jerusalem und Judäa und der Gegend um den Jordan strömte alles zu ihm hinaus. Die Leute ließen sich von ihm im Jordan taufen; dadurch wollten sie sich öffentlich zum Glauben an seine Lehre und als Sünder bekennen. Da bemerkte er, wie viele Pharisäer und Saduzäer sich als Gegner seiner Taufe bei ihm einfanden. Ihnen trat er mit den Worten entgegen: "Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch in den Wahn versetzt, als könntet ihr dem bevorstehenden Strafgericht entrinnen? Auch ihr habt eure Gesinnung zu ändern und dies durch entsprechende Taten zu beweisen. Sucht euer Gewissen ja nicht damit zu beruhigen, dass ihr sagt: 'Wir haben Abraham zum Vater.' Denn ich versichere euch: Gott kann aus den Felsen, die ihr da sehet, dem Abraham Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird samt der Wurzel ausgehauen und ins Feuer geworfen. Ich kann euch als äußeres Zeichen eurer Gesinnungsänderung nur in Wasser untertauchen. Aber nach mir kommt einer, der mehr Macht hat als ich. Im Vergleich zu ihm bin ich nicht einmal wert, ihm die Sandalen von den Füßen zu lösen. Dieser wird euch in die Kraftwellen eines heiligen Geistes und in Feuer untertauchen. Er hat seine Wurfschaufel in der Hand und wird seine Tenne gründlich reinigen. Die Getreidekörner wird er auf seinen Speicher schütten, die Spreu aber in einem Feuer verbrennen, das nicht eher erlischt, als bis alle Spreu verbrannt ist." Eines Tages kam auch Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Der aber wollte es ihm wehren und sagte: "Ich müsste von dir getauft werden - und du kommst zu mir?" Doch Jesus entgegnete ihm: "Lasst es ruhig zu! Denn es geziemt uns beiden, alles zu erfüllen, was recht ist in den Augen Gottes." Da gab Johannes nach. Während Jesus untergetaucht wurde, leuchtete ein gewaltiger Lichtschein aus dem Wasser hervor, so dass alle Anwesenden in Furcht gerieten. Als die Taufe zu Ende war, stieg Jesus sofort aus dem Wasser heraus. Da tat sich der Himmel auf, und Jesus sah, wie der Geist Gottes in Gestalt einer Taube hernieder kam und sich auf ihn herabsenkte. Und eine Stimme rief ihm vom Himmel her zu: "Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen hatte." Hierauf würde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, um vom Teufel versucht zu werden. Er fastete dort vierzig Tage und vierzig Nächte. Schließlich war er dem Verhungern nahe. Nun trat der Versucher an ihn heran und sagte: "Bist du ein Sohn Gottes, so sprich das Wort, durch das diese Steine zu Brot werden." Er aber erwiderte: "Es steht geschrieben: 'Nicht das Leben, das nur durch den Genuss der irdischen Speise erhalten wird, soll der Mensch sich zu bewahren suchen, sondern jenes Leben, das auf der Beobachtung jedes Gebotes beruht, das Gott verkünden lässt.'" Hierauf nahm ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: "Bist du ein Sohn Gottes, so stürze dich hinab! Denn es steht geschrieben: 'Er wird seinen Geisterboten deinetwegen den Auftrag geben, dich auf den Händen zu tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.'" Jesus gab ihm zur Antwort: "Es steht aber auch geschrieben. 'Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.'" - Nochmals nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg, zeigte ihm alle Reiche des Weltalls mit ihrer Herrlichkeit und sprach zu ihm: "Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich als deinen Herrn anerkennst." Da rief ihm Jesus die Worte zu: "Geh mir aus den Augen, Satan! Denn es steht geschrieben: "Nur den Herrn, deinen Gott, sollst du als deinen Herrn anerkennen und ihm allein dienen.'" Nun verließ ihn der Teufel. Und siehe, Geisterboten Gottes kamen zu Jesus und brachten ihm Speise.MT 4: Als Jesus erfuhr, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er verlegte seinen Wohnsitz von Nazareth nach Kapernaum. Diese Stadt liegt am See, im Grenzgebiet von Sebulon und Nephtali. So ging das Wort des Propheten Jesaja in Erfüllung: "Das Land Sebulon und das Land Nephtali, das an den See grenzt, das Land jenseits des Jordan, das Galiläa der Heiden, das Volk, das in Finsternis sitzt, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die da wohnen im Lande und Schatten des geistigen Todes der Trennung von Gott, ist ein Licht aufgegangen." Von jetzt an begann Jesus seine Lehrtätigkeit. Seine Predigt enthielt die Mahnung: "Ändert eure Gesinnung! Denn die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes steht nahe bevor." Als er eines Tages dem Ufer des Galiläischen Sees entlang ging, sah er zwei Brüder, die im See ihr Netz auswarfen. Denn sie waren Fischer. Der eine davon war Simon, der auch Petrus genannt wird, der andre sein Bruder Andreas. Jesus sagte zu ihnen: "Kommt, gehet mit mir! Ich will euch zu Menschenfischern machen." Da ließen sie sogleich ihre Netze im Stich und gingen mit ihm. Beim Weitergehen traf er zwei andere Brüder: Jakobus, den Sohn des Zebedäus und seinen Bruder Johannes. Sie saßen bei ihrem Vater im Boot und flickten ihre Netze. Jesus rief sie zu sich. Sofort verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten ihm. Jesus zog dann in ganz Galiläa umher, lehrte in den dortigen Synagogen, verkündigte die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes und heilte alle unter dem Volke vorkommenden Krankheiten und Gebrechen. Sein Ruf verbreitete sich über ganz Syrien. Man brachte alle zu ihm, die an den verschiedensten Krankheiten litten und mit sonstigen schmerzhaften Übeln behaftet waren; auch von bösen Geistern Besessene; unter diesen waren auch solche, die infolge ihrer Besessenheit die Fallsucht hatten oder vollständig gelähmt waren; und er heilte sie. Daher folgten ihm große Scharen aus Galiläa und dem Gebiet der Zehn Städte, sowie aus Jerusalem, Judäa und dem Ostjordanlande. Als Jesus dieser Scharen ansichtig wurde, bestieg er den nächsten Hügel und setzte sich dort nieder. Seine Jünger nahmen an seiner Seite Platz. Dann begann er seine Belehrungen und hielt ihnen folgende Predigt: "Glücklich zu preisen sind die, deren Geist sich bettelarm vor Gott fühlt; denn die Geisterwelt Gottes tritt mit ihnen in Verbindung." "Glücklich zu preisen sind die Sanftmütigen; denn sie werden den ihnen zukommenden Anteil an irdischem Glück genießen." "Glücklich zu preisen sind die, welche über die Gottentfremdung der Welt trauern; denn sie sollen getröstet werden." "Glücklich zu preisen sind die, welche das sehnlichste Verlangen haben, Gott wohlgefällig zu werden; denn ihr Verlangen wird gestillt werden." "Glücklich zu preisen sind die Barmherzigen; denn sie werden auch für sich Barmherzigkeit erlangen." "Glücklich zu preisen sind, deren Herz rein ist; denn sie werden in ihrem Leben die Nähe Gottes fühlen." "Glücklich zu preisen sind, die den Frieden bringen; denn sie werden Kinder Gottes heißen." "Glücklich zu preisen sind, die um des Rechten willen verfolgt werden; denn die Geisterwelt Gottes tritt mit ihnen in Verbindung." "Glücklich zu preisen seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und euch alles Schlechte nachsagt, weil ihr das Rechte tut. Freuet euch und jubelt; denn euer Lohn im Jenseits wird groß sein. Auf gleiche Weise hat man auch die Werkzeuge Gottes verfolgt, die vor euch lebten." "Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz schal würde, womit könnte man es wieder zu Salz machen? Es wäre dann weiter nichts mehr wert, als dass es auf die Straße geworfen und von den Leuten zertreten würde." "Ihr seid das Licht der Welt. Liegt eine Stadt, vom Sonnenlicht umstrahlt, auf der Spitze eines Berges, so kann sie nicht verborgen bleiben. Wenn man ein Licht anzündet, so stellt man es nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet es allen Hausbewohnern. So soll auch euer Licht den Menschen eine Leuchte sein. Sie sollen eure guten Werke sehen und dadurch veranlasst werden, euren himmlischen Vater zu ehren und zu preisen." "Denkt ja nicht, dass ich gekommen sei, um das abzuschaffen, was das Gesetz und die Propheten lehren. Nein, ich bin nicht gekommen, um abzuschaffen, sondern um zu erfüllen. Und ich versichere euch mit aller Bestimmtheit: Bis zu dem Augenblick, wo das Himmelsgewölbe und die Erde die jetzige Daseinsform verlieren, wird am Gesetz nicht der kleinste Buchstabe und nicht ein einziges Strichlein geändert werden. Alles muss vorher erfüllt sein. Wer also ein einziges von diesen Geboten - und wäre es das kleinste - aufhebt und die Menschheit die Aufhebung lehrt, der wird als der Geringste im Jenseits gelten. Wer aber alles erfüllt und die Menschheit entsprechend lehrt, der wird im Jenseits groß dastehen. Ich sage euch jedoch: Solange es mit eurem Rechttun nicht besser bestellt ist als mit dem der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr mit der Geisterwelt Gottes nicht in Verbindung kommen." "Ihr habt gehört, dass den Urvätern gesagt wurde: 'Du sollst nicht töten'; ferner: Wer tötet, soll dem Strafurteil verfallen'. Ich dagegen lehre euch: Wer seinem Bruder ohne Grund zürnt, soll schon dem Strafurteil verfallen. Und wer zu seinem Bruder sagt: 'Du Narr', der soll vor den hohen Rat gestellt werden. Und wer ihn 'du von Gott Verstoßner' schimpft, der soll der Feuerhölle verfallen." "Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar, gehe zuerst hin und versöhne dich mit deinem Bruder und dann komm und opfere deine Gabe. Zeige dem, der Grund zu einer Klage gegen dich hat, ohne Säumen deinen guten Willen, solange dir der Weg zur Versöhnung mit ihm offen steht; sonst möchte dem Gegner dich vielleicht vor den Richter bringen, und der Richter dich dem Gerichtsdiener zur Strafvollstreckung übergeben. Du würdest dann ins Gefängnis geworfen; und ich kann dir versichern, dass du dort nicht mehr herauskommen würdest, bis du den letzten Pfennig bezahlt hättest." Ihr kennt das Gebot: 'Du sollst nicht ehebrechen!' - Ich aber lehre euch, dass jeder, der die Frau eines andern auch nur mit dem Verlangen anschaut, geschlechtlich mit ihr zu verkehren, in seinem Herzen den Ehebruch bereits begangen hat. - Wenn daher dein bestes Auge dir Anlass zu dieser Sünde ist, so reiß es aus und wirf es von dir. Denn es ist besser für Dich, dass eins deiner Glieder verloren gehe, als dass dein ganzer Leib in die Hölle komme." "Eine andere Bestimmung lautet: 'Wer sich von seiner Frau scheiden will, soll ihr einen Scheidebrief geben'. Ich dagegen sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn, weil sie sich mit einem andern vergangen hat, - der ist schuld, dass sie die Buhlerin eines andern wird." "Ihr habt ferner gehört, dass zu den Urvätern gesagt wurde: 'Ein eidliches Versprechen darfst du nicht brechen, sondern musst das halten, was du unter Anrufung des Herrn versprochen hast.' Ich aber lehre euch: Ihr dürft eure Versprechen überhaupt nicht durch einen Eidschwur bekräftigen; nicht durch einen Schwur bei dem Himmel; denn er ist der Thron Gottes; nicht durch einen Schwur bei der Erde; denn sie ist seiner Füße Schemel; nicht durch einen Schwur bei Jerusalem; denn sie ist die Stadt des großen Königs. Nicht einmal bei deinem Haupte sollst du einen solchen Schwur leisten; denn du vermagst kein einziges deiner Haupthaare weiß oder schwarz zu machen. Aber euer einmal gegebenes Ja-Wort soll auch ein Ja-Wort bleiben und darf nicht in ein "Nein" umgeändert werden; denn Leute, die ihr Wort nicht halten, haben ein überreiches Maß an Unannehmlichkeiten von dem zu erwarten, dem sie durch ihren Wortbruch Mühsal bereitet haben. Wenn ihr auch gehört habt, dass man den Satz geltend machte: 'Aug um Auge, - Zahn um Zahn!' - so lehre ich euch jedoch, demjenigen nicht feindlich entgegenzutreten, dem ihr durch euren Wortbruch selbst Mühsal bereitet habt; sondern wenn dich ein solcher auf die eine Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin. Und will er mit dir wegen deines Gewandes, das du ihm versprochen hattest, einen Prozess führen, dann überlasse ihm auch den versprochenen Mantel. Und zwingt er dich, eine Meile weit sein Gepäck zu tragen, wie es vereinbart war, dann begleite ihn lieber noch zwei weitere Meilen. Wer dich um das Versprochene bittet, dem gib es; und wer zu dir kommt, um das zugesagte Darlehn in Empfang zu nehmen, dem kehre nicht den Rücken." "Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: 'Du sollst dich dessen liebevoll annehmen, der dir nahe steht, aber dich um den nicht kümmern, der dir nicht wohlgesinnt ist!' - Ich aber sage euch: Nehmt euch auch derer liebevoll an, die euch nicht wohlgesinnt sind; sprecht vernünftig mit denen, die Verwünschungen gegen euch ausstoßen; tut auch denen Gutes, die sich um euch nicht kümmern und betet für die, welche euch beleidigen und verfolgen! Dadurch werdet ihr euch als Kinder eures himmlischen Vaters erweisen. Denn auch er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gottesfürchtige und Gottlose. Wenn ihr nämlich nur die liebet, die euch lieben, welchen besonderen Lohn könnt ihr dafür beanspruchen? Tun dies nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Freunde grüßt, was tut ihr da Besonderes? Machen es die Ungläubigen nicht ebenso? Eure Liebe soll daher alle umfassen, wie ja auch die Liebe eures himmlischen Vaters sich auf alle erstreckt." "Achtet darauf, dass ihr eure Almosenspenden nicht so augenfällig verabreicht, um ja von den Leuten gesehen zu werden. Sonst habt ihr keinen Lohn davon bei eurem himmlischen Vater. Wenn du daher Almosen geben willst, so lass es nicht vor dir her ausposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und an den verkehrsreichen Plätzen zu tun pflegen, um bei den Menschen Anerkennung zu finden. Ich versichere euch: Sie haben damit bereits ihren Lohn. Wenn du Almosen gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte tut, damit deine Mildtätigkeit verborgen bleibt; und dein Vater, der auch das sieht, was im Geheimen geschieht, wird es dir lohnen. Und wenn du betest, sollst du es nicht machen, wie die Heuchler. Diese stellen sich bei ihrem Beten gern in die Synagogen und an die Straßenkreuzungen, um ja von den Leuten gesehen zu werden. Ich sage euch: Sie haben damit bereits ihren Lohn. Du aber geh zum Beten in deine Kammer, schließe die Türe zu und bete zu deinem Vater still für dich; und dein Vater, der auch das sieht, was im Verborgenen geschieht, wird es dir vergelten. Beim Beten sollt ihr nicht gedankenlos plappern, wie die Götzendiener. Denn diese meinen Erhörung zu finden, wenn sie viele Worte machen. Ahmt sie also nicht nach! Euer Vater weiß ja, was ihr nötig habt, bevor ihr noch euren Mund zum Gebet öffnet. Folgendermaßen nun sollt ihr beten: "Unser Vater im Himmel! Geheiligt werde dein Name! Dein Geisterreich komme zu uns! Dein Wille geschehe im Jenseits und im Diesseits! Gib uns heute unser Brot für morgen! Vergib uns unsere Verfehlungen, wie auch wir denen vergeben, die sich gegen uns verfehlt haben! Und sei du, o Herr, doch unser Führer in den Versuchungen, und befreie uns von dem Bösen! - Sobald ihr nämlich euren Mitmenschen ihre Verfehlungen vergebet, wird euer himmlischer Vater auch euch Verzeihung gewähren. Wenn ihr aber den Mitmenschen nicht verzeiht, dann wird euer Vater auch eure Sünden nicht verzeihen." "Wenn ihr fastet, sollt ihr kein verhärmtes Gesicht machen, wie die Heuchler; denn diese schauen dabei vergrämt drein, damit die Leute ihnen das Fasten anmerken sollen. Ich sage euch: Sie haben damit schon ihren Lohn. Wenn du fastest, dann salbe dir das Haupt und wasche dein Gesicht, damit die Leute dein Fasten nicht merken. Nur dein Vater soll es im Geheimen sehen; und er, der auch die geheimsten Taten kennt, wird es dir vergelten. Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo keine Diebe einbrechen und stehlen können. Denn wo deine Schätze sind, da wird auch dein Herz sein. "Die Leuchte des Leibes ist das Auge. Wenn nun dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Leib für dich von Licht umgeben sein. Ist dein Auge aber schlimm erkrankt, dann ist dein ganzer Leib für dich in Dunkel gehüllt. Wenn also das, was dir innerlich als Licht dienen soll, in Finsternis gehüllt ist, wie groß muss dann die geistige Finsternis bei dir sein!" "Kein Knecht kann gleichzeitig zwei Herren dienen. Denn er wird entweder den einen vernachlässigen und die Dienste des andern verrichten, oder zu dem einen halten und den andern geringschätzig beiseite setzen. Ihr könnt nicht Knechte Gottes und gleichzeitig Sklaven des Geldes sein." "Darum sage ich euch: Machet euch keine Sorgen wegen eures Lebensunterhaltes, noch auch wegen der für den Körper nötigen Kleidung. Ist nicht das Leben wertvoller als die Nahrung und der Körper wertvoller als die Kleidung? Sehet euch die Vögel des Himmels an! Sie säen nicht und ernten nicht und speichern keine Vorräte auf. Und doch gibt ihnen euer himmlischer Vater ihre Nahrung. Seid ihr denn nicht ebensoviel wert als sie? Wer von euch ist imstande, mit all seinen Sorgen die für ihn festgesetzte Lebenszeit auch nur um eine Spanne zu verlängern? Und warum macht ihr euch um die Kleidung Sorgen? Betrachtet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht und spinnen nicht; und doch kann ich euch sagen, dass Salomo in seiner vollen Pracht nicht so herrlich gekleidet gewesen, wie eine von ihnen. Wenn nun Gott die Blume auf dem Felde, die heute blüht und morgen in den Ofen geworfen wird, so herrlich kleidet, wird er das nicht in gleicher Weise bei euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgenvollen Herzens fragen: Was sollen wir essen? oder: Was sollen wir trinken? oder: Was sollen wir anziehen? Das alles sind Dinge, um die sich nur diejenigen aufregen, die keinen Glauben und kein Gottvertrauen besitzen. Euer himmlischer Vater weiß doch, dass ihr das alles nötig habt. Strebet also zuerst danach, auf den Weg zu Gott zu kommen und das zu tun, was ihm wohlgefällig ist. Dann wird euch alles andere als Zugabe dazu gewährt werden. So machet euch denn keine Sorgen um das 'Morgen'. Denn das 'Morgen' wird seine eigenen Sorgen mit sich bringen. Das 'Heute' hat an seiner eigenen Mühsal schwer genug zu tragen." "Verurteilt andere nicht, damit ihr nicht selbst verurteilt werdet! Denn dasselbe Urteil, das ihr über andere fällt, wird auch über euch gefällt werden, und mit demselben Maße, mit dem ihr bei andern messet, wird auch bei euch gemessen werden. Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, und den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht! Oder wie darfst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge ziehen, während der Balken in deinem eigenen Auge steckt? Du Heuchler! Ziehe zuerst aus deinem Auge den Balken; dann magst du sehen, wie du aus deines Bruders Auge den Splitter ziehst. Gebt das Heilige nicht den Hunden preis und werfet eure Perlen nicht den Schweinen vor; sonst könnten diese sie zwischen ihren Füßen zermalmen und sich dann gegen euch wenden und euch zerreißen." "Bittet um die Erkenntnis, und sie wird euch gegeben werden; suchet Gott, und ihr werdet ihn finden; klopft an das Tor des Geisterreiches Gottes, und es wird euch geöffnet werden. Denn jeder, der um die Erkenntnis bittet, empfängt sie; wer Gott sucht, der findet ihn, und wer an das Tor des Geisterreiches Gottes anklopft, dem wird es geöffnet. Oder findet sich jemand unter euch, der seinem Sohn einen Stein gäbe, wenn dieser ihn um Brot bittet? Oder der ihm eine Schlange reichte, wenn jener um einen Fisch gebeten hat? Wenn nun ihr als sündhafte Menschen dennoch die Gesinnung habt, euren Kindern nur gute Gaben zu verabreichen, um wie viel mehr wird euer himmlischer Vater nur Gutes denen geben, die ihn darum bitten. - In allem behandelt eure Mitmenschen so, wie ihr wünscht, dass sie euch behandeln möchten. Das ist der ganze Inhalt der Lehre, die in dem Gesetz und den Propheten enthalten ist." "Tretet ein durch die enge Pforte! Denn der Weg, der zum Tor des Verderbens führt, ist breit und mit großen Reigenplätzen versehen, und viele sind's, die auf ihm dahinziehen. Wie schmal und unbequem dagegen ist der Pfad, der zur engen Pforte des Lebens führt, und nur wenige sind es, die ihn finden." "Haltet euch fern von der Verbindung mit den bösen Geistern! Diese kommen in Schafskleidern zu euch, inwendig aber sind sie raubgierige Wölfe. An ihren Taten werdet ihr sie erkennen. Kann man etwa Trauben von Dornbüschen lesen und Feigen von Disteln ernten? So bringt jeder gesunde Baum gute Früchte, und ein verdorbener Baum schlechte Früchte. Ein gesunder Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein verdorbener Baum keine guten. Ein Baum, der keine guten Früchte bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. Also an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Nicht jeder, der 'Herr, Herr' zu mir sagt, wird in das Himmelreich eingehen, sondern nur, wer den Willen meine? himmlischen Vaters tut. Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht unter Anrufung deines Namens gegessen und getrunken? Haben wir nicht in deinem Namen als Werkzeuge der Geisterwelt geredet? Haben wir nicht unter Benutzung deines Namens böse Geister ausgetrieben? Haben wir nicht in der Kraft deines Namens viele Wunder gewirkt? Dann werde ich ihnen offen erklären: Ich habe euch niemals gekannt; hinweg von mir, ihr Übeltäter!" "Jeder, der diese meine Worte hört und danach handelt, gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Felsen gebaut hatte. Da strömte der Platzregen, und es kamen Wasserströme, es wehten die Stürme und stießen gegen das Haus; doch es stürzte nicht ein; denn sein Fundament stand auf Felsen. - Und jeder, der diese meine Worte zwar hört, aber nicht danach, handelt, gleicht einem Toren, der sein Haus auf Sand gebaut hatte. Es strömte der Platzregen, es kamen die Wasserfluten, es wehten die Stürme und stießen gegen das Haus. Da stürzte es unter gewaltigem Krachen zusammen." Als Jesus diese Predigt beendigt hatte, war das Volk über seine Worte außer sich vor Staunen. Denn er predigte wie einer, der über eine höhere Macht verfügt und ganz anders als ihre Schriftgelehrten. Dann stieg er von der Anhöhe herab, und eine große Volksmenge folgte ihm. Da begegnete ihm ein Aussätziger, warf sich vor ihm nieder und flehte: "Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen." Jesus streckte seine Hand aus, berührte ihn und sprach: "Ich will, sei rein!" Da wurde er sofort von seinem Aussatz befreit. Jesus aber gab ihm die Weisung: "Hüte dich, jemand etwas davon zu sagen, sondern gehe hin und stelle dich dem Priester vor und opfere die Gabe, die Mose zum Zeugnis der erfolgten Reinigung für sie bestimmt hat." Hierauf kam er nach Kapernaum. Es trat ein Hauptmann mit einer Bitte an ihn heran: "Herr", - sagte er - "mein Bursche liegt zu Hause gelähmt und hat schreckliche Schmerzen." Jesus antwortete ihm: "Ich werde selbst kommen und ihn heilen." Der Hauptmann entgegnete: "Herr, ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach kommst; sprich nur ein Wort, so wird mein Bursche gesund werden. Ich bin ja auch ein Mann, der Vorgesetzten untersteht und habe Soldaten, die mir unterstellt sind. Sage ich zu einem: Gehe hin! so geht er; und zu einem andern: Komm her! so kommt er: und zu meinem Burschen: Tu dies! so tut er's." Als Jesus diese Worte hörte, war er sehr erstaunt und sagte zu denen, die ihn begleiteten: "Ich sage euch, dass ich in Israel noch bei keinem einen solchen Glauben gefunden habe. Und ich gebe euch die Versicherung, dass viele von Osten und Westen kommen und sich mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zum Mahle niedersetzen werden. Aber die Kinder des Reiches werden draußen bleiben und in die Finsternis verwiesen werden. Dort wird lautes Jammern und Zähneknirschen sein." Dann wandte sich Jesus mit den Worten an den Hauptmann: "Gehe heim! Wie du geglaubt hast, soll dir geschehen!" Und sein Bursche wurde in derselben Stunde gesund. Denn als der Hauptmann nach Hause kam, stellte er fest, dass sein Knecht in derselben Stunde geheilt worden war. Von dort ging Jesus in das Haus des Petrus, wo er dessen Schwiegermutter krank vorfand. Sie lag zu Bett und hatte hohes Fieber. Er fasste sie bei der Hand, und das Fieber wich. Sie stand auf und bediente ihn. Am Abend brachte man viele Besessene zu ihm. Ein Wort von ihm genügte, und die Geister fuhren aus ihnen aus. Auch heilte er alle, die mit sonst einem Leiden behaftet waren. So erfüllten sich die Worte des Propheten Jesaja: "Er ist es, der unsere Schwächen hinwegnahm und unsere Krankheiten beseitigte." Als sich Jesus dann wieder von einer großen Volksmenge umdrängt sah, befahl er, an das jenseitige Ufer des Sees zu fahren. Da trat ein Schriftgelehrter zu ihm und redete ihn mit den Worten an: "Meister! Ich will dir folgen, wohin du auch gehen magst." Jesus gab ihm zur Antwort: "Die Füchse haben Höhlen und die Vogel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat nicht soviel Eigentum, dass sein Haupt darauf ruhen könnte." - Ein anderer von seinen Anhängern sagte zu ihm: "Herr, erlaube mir, zuerst hinzugehen und meinen Vater zu begraben." Jesus erwiderte ihm: "Gehe du mit mir und lass die geistig Toten ihre geistig Toten begraben!" Jesus bestieg dann ein Boot, und seine Jünger stiegen mit ihm ein. Da erhob sich auf dem See ein gewaltiger Sturm, so dass die Wellen in das Boot schlugen. Er selbst aber schlief. Da traten die Jünger an ihn heran und weckten ihn mit den Ruf: "Herr, hilf uns - wir gehen unter!" Er aber gab ihnen zur Antwort: "Warum seid ihr gleich so verzagt, ihr Kleingläubigen?" Dann stand er auf und drohte dem Sturm und der See; da wurde es ganz still. Die Leute aber sprachen einander ihr Erstaunen aus. "Was ist das für ein Mann," sagten sie - "ihm gehorcht sogar der Sturm und die See?" Jetzt kam er an das jenseitige Ufer in das Gebiet der Gadarener. Dort traten ihm zwei Besessene entgegen. Sie kamen eben aus den Grabkammern heraus. Es waren so gemeingefährliche Menschen, dass niemand es wagte, diesen Weg zu gehen. Bei seinem Anblick schrieen sie laut: "Was willst du von uns, Sohn Gottes? Bist du hierher gekommen, um uns vor der Zeit zu quälen?" Zufällig weidete in ziemlich weiter Entfernung von ihnen eine große Herde Schweine. Da richteten die bösen Geister die Bitte an ihn: "Wenn du uns austreiben willst, so gestatte uns, in jene Schweineherde zu fahren." Er gab ihnen zur Antwort: "Fahret in sie hinein!" Da traten sie aus den Besessenen aus und fuhren in die Schweine. Die ganze Herde stürmte nun den Abhang hinunter in den See hinein und ertrank in den Wellen. Die Hirten flohen und gelangten in die Stadt. Dort erzählten sie alles, auch das, was sich mit den Besessenen zugetragen hatte. Da ging die ganze Bevölkerung Jesus entgegen. Als sie ihn traf, bat sie ihn dringend, doch ihr Gebiet zu verlassen. Infolgedessen bestieg er ein Boot, fuhr damit über den See und gelangte nach Kapernaum in sein Heim. Dort brachte man ihm einen Gelähmten, der auf einem Bette lag. Als Jesus das gläubige Vertrauen der Leute sah, sagte er zu dem Gelähmten: "Sei guten Mutes, mein Sohn, deine Sünden werden dir vergeben." Da dachten einige Schriftgelehrten bei sich: "Der lästert Gott!" Jesus sah ihre Gedanken und sagte: "Warum denkt ihr Böses in eurem Herzen? Was ist denn leichter, - zu sagen: 'deine Sünden werden dir vergeben' - oder zu sagen: 'steh auf und geh umher'? Nun aber sollt ihr sehen, dass der Menschensohn Vollmacht hat, auf Erden Sünden zu vergeben." "Steh auf!" - sagte er zu dem Gelähmten, - "Nimm dein Bettzeug und geh heim!" Da stand dieser auf und ging nach Hause. Als die Volksmenge das sah, geriet sie in Furcht und pries Gott, der den Menschen solche Macht gegeben hatte. Als Jesus dann seine Wohnung verließ, kam er an der Zollstätte vorbei und sah einen Zöllner namens Matthäus dort sitzen. Er wandte sich mit den Worten an ihn: "Komm mit mir!" Da stand dieser auf und ging mit. Während er nachher in dessen Hause zu Tische lag, kamen viele Zöllner und sonstige Leute, die in üblem Rufe standen, und nahmen mit Jesus und seinen Jüngern am Mahle teil. Als die Pharisäer dies sahen, fragten sie seine Jünger: "Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und öffentlichen Sündern?" Jesus hörte das und sagte: "Die Gesunden haben keinen Arzt nötig, sondern die Kranken. Gehet hin und lernet das Wort verstehen: 'Barmherzigkeit verlange ich von euch und nicht Schlachtopfer.' Denn ich bin nicht gekommen, um Gottestreue zu Gott zurückzurufen, sondern von Gott Abgefallene." Damals kamen die Jünger des Johannes zu ihm und richteten die Frage an ihn: "Warum fasten wir und die Pharisäer so viel, während deine Jünger überhaupt nicht fasten?" Jesus gab ihnen zur Antwort: "Man kann doch den Hochzeitsgästen nicht gut zumuten, zu fasten, solange der Bräutigam noch in ihrer Mitte weilt. Es werden jedoch Tage kommen, wo der Bräutigam von ihnen genommen ist; dann werden sie noch genug Fasttage haben. Niemand setzt ein Stück neues Tuch auf ein altes Kleid. Denn der eingesetzte Flicken reißt doch von dem Kleide wieder ab, und es entsteht ein noch schlimmerer Riss. Auch füllt man neuen Wein nicht in alte Schläuche; sonst sprengt der neue Wein die Schläuche auseinander. Wein und Schläuche sind dann verloren. Jungen Wein füllt man in neue Schläuche. Dann bleiben beide erhalten." Während dieser Rede war ein Vorsteher an ihn herangetreten. Dieser warf sich nun vor ihm auf die Knie und flehte ihn an: "Ach, meine Tochter ist soeben gestorben. So komm doch und lege deine Hand auf sie, dann wird sie wieder zum Leben kommen." Jesus stand auf und folgte ihm. Auch seine Jünger gingen mit. In diesem Augenblick kam eine Frau, die schon zwölf Jahre am Blutfluss litt, von hinten an ihn heran und berührte die Quaste seines Mantels. Denn sie sagte sich: "Wenn ich nur seinen Mantel berühre, so wird mir geholfen sein." Jesus wandte sich um und sah sie. "Sei getrost, meine Tochter!" -sprach er - "Dein gläubiges Vertrauen hat dir Heilung gebracht." Und von dieser Stunde an trat nach und nach die vollständige Gesundung ein. Als Jesus in das Haus des Vorstehers kam, traf er dort Flötenspieler und eine lärmende Menge an. "Entfernt euch von hier!" - sagte er - "Denn das Mädchen ist nicht tot, sondern schläft." Da verlachten sie ihn. Man schaffte die Menge hinaus. Da trat er zu der "Toten" und fasste sie bei der Hand. Sofort stand das Mädchen auf. Die Kunde hiervon verbreitete sich in jener ganzen Gegend. Während Jesus von dort weiter ging, folgten ihm zwei Blinde, die ihm zuriefen: "Sohn Davids, erbarme dich unser!" Als er in seiner Wohnung angekommen war, kamen auch die Blinden dorthin. Jesus richtete die Frage an sie: "Habt ihr zu mir das Vertrauen, dass ich euch helfen kann?" Sie antworteten: "Ja, Herr!" Da berührte er ihre Augen und sagte: "Gemäß eurem Vertrauen soll euch geschehen!" Und sie wurden sehend. Jesus gab ihnen aber die strenge Weisung, dass niemand etwas davon erfahren dürfe. Sobald sie jedoch draußen waren erzählten sie davon in der ganzen Gegend. Kaum waren sie fort, da brachte man ihm einen Menschen, der infolge von Besessenheit stumm war. Jesus trieb den bösen Geist aus, und der Stumme konnte reden. Die Volksmenge kam nicht aus dem Staunen und sagte: "So etwas hat man noch niemals in Israel erlebt." Die Pharisäer aber sagten: "Im Bunde mit dem Obersten der Teufel treibt er die bösen Geister aus." So wanderte Jesus durch alle Städte und Dörfer, lehrte dort in den Synagogen, indem er die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes predigte, und heute alle Krankheiten und Gebrechen. Wenn er jedoch die Volksscharen ansah, fühlte er jedesmal tiefes Mitleid mit ihnen. Denn sie waren geistig abgehetzt und verwahrlost, wie Schafe, die keinen Hirten haben. Darum pflegte er zu seinen Jüngern zu sagen: "Das Erntefeld ist groß, aber klein die Zahl der Arbeiter. Bittet daher den Herrn der Ernte, er möge Arbeiter auf sein Erntefeld senden." Eines Tages rief er zwölf von seinen Jüngern zu sich und gab ihnen die Vollmacht, unreine Geister auszutreiben und alle Krankheiten und Gebrechen zu heilen. Die Namen dieser zwölf Apostel sind: Zunächst Simon, der auch Petrus genannt wird, und sein Bruder Andreas; dann Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und dessen Bruder Johannes; Phillippus und Bartholomäus; Thomas und der Zöllner Matthäus; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Lebbäus mit dem Beinamen Thaddäus; Simon der Kananäer, und Judas Ischariot, derselbe, der ihn später verriet. Die Zwölf sandte Jesus aus und gab ihnen folgende Weisung: "Betretet nicht die Wege, die zu der heidnischen Bevölkerung führen und besuchet keine samaritische Stadt. Gehet vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Auf eurer Wanderung sollt ihr davon predigen, dass die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes nahe bevorsteht. Heilt Kranke, erweckt Tote, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus. Unentgeltlich habt ihr es empfangen, unentgeltlich sollt ihr es weitergeben. Sucht nicht Gold, Silber oder Geldmünzen in eure Börse zu bekommen. Nehmt keinen Reisesack mit auf den Weg; auch nicht zwei Unterkleider; keine Schuhe und keinen Stab. Denn der Arbeiter ist seines Unterhaltes wert. Wenn ihr in eine Stadt oder in ein Dorf kommt, so prüfet, ob jemand darin für eure Botschaft reif ist. Bleibt dann bei ihm, bis ihr weiter ziehet. Beim Eintritt in sein Haus gebrauchet den Gruß: 'Friede sei diesem Hause!' Und wenn das Haus ihn verdient, dann soll euer Friedenswunsch bei ihm in Erfüllung gehen. Ist es aber dessen nicht wert, so soll euer Friedenswunsch seinen Segen auf euch selbst zurückstrahlen. Wo sich aber überhaupt keiner findet, der euch aufnehmen und euch anhören will, da verlasset den Ort und schüttelt den Staub von euren Füßen. Fürwahr, dem Volk von Sodom und Gomorrha wird es am Tage des Gerichtes erträglicher ergehen, als einem solchen Ort." "Ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ganz ohne Falsch wie die Tauben." "Nehmet euch aber vor den Menschen in acht. Denn sie werden euch vor die Gerichtshöfe stellen und euch in ihren Synagogen geißeln. Auch vor Stadthalter werdet ihr um meinetwillen geführt werden, um vor ihnen und den Heiden Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Wenn man euch an sie ausliefert, dann macht euch keine Sorgen darüber, wie oder was ihr reden sollt. Denn es werden euch in jener Stunde die rechten Worte eingegeben werden. Ihr seid es ja nicht, die dann reden werden, sondern ein Geist eures Vaters ist es, der durch euch redet. - Es wird der Bruder den Bruder zur Hinrichtung ausliefern, der Vater sein Kind; Kinder werden gegen die Eltern auftreten und schuld an ihrem Tode sein. Ihr werdet von allen um meines Namens willen gehasst werden. Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet werden. Verfolgt man euch in die eine Stadt, dann flüchtet in die nächste. Treibt man euch auch aus dieser hinaus, dann fliehet nach einer dritten. Denn ich versichere euch, dass ihr bis zu dem Tage, wo der Menschensohn kommt, noch nicht in allen Städten Israels gewesen sein werdet." "Der Jünger steht nicht über dem Meister und der Knecht nicht über seinem Herrn. Der Jünger muss zufrieden sein, wenn es ihm ergeht wie seinem Meister, und der Knecht, wenn er das Schicksal seines Herrn an sich erfährt. Rufen sie dem Hausherrn 'Beelzebub' zu, wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen so nennen. Doch fürchtet euch nicht vor ihnen. Denn nichts ist so verborgen, es kommt an den Tag, und nichts so geheim, es kommt zur Kenntnis der Öffentlichkeit. Was ich euch im Dunkel der Nacht anvertraue, das verkündet am helllichten Tage; und was ihr von mir unter vier Augen erfahret, das machet auf den Dächern bekannt." "Fürchtet euch nicht vor denen, die wohl den Leib, aber nicht die Seele töten können. Fürchtet euch nur vor dem, der die Macht hat, Seele und Leib dem Verderben der Hölle zu überliefern. Verkauft man nicht zwei Sperlinge für ein paar Pfennige. Und doch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch sind selbst alle Haare eures Hauptes gezählt. Darum seid ohne Furcht! Ihr seid doch nicht weniger wert als ein Haufen Sperlinge? Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem himmlischen Vater bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem himmlischen Vater verleugnen." "Denket nicht, dass ich gekommen sei, um mit Gewalt Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um bloß Frieden zu bringen, sondern auch das Schwert. Denn mein Erscheinen ist dazu angetan, Zwiespalt hervorzurufen zwischen Sohn und Vater, zwischen Tochter und Mutter, zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter. Feindschaft wird dem Menschen bei den eigenen Hausgenossen wegen mir entstehen. Wer Vater und Mutter mir vorzieht, ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mir vorzieht, ist meiner nicht wert. Wer das für ihn bestimmte Kreuz nicht tragen und mir nicht nachfolgen will, ist meiner nicht wert. Wer nach irdischem Wohlleben trachtet, wird das Leben des Geistes verlieren, und wer das irdische Wohlleben um meinetwillen dran gibt, wird das geistige finden. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Menschen, durch den Gottes Geister sich kundgeben, deswegen bei sich aufnimmt, weil er in ihm ein Werkzeug Gottes erblickt, der wird auch denselben Lohn empfangen, der einem Werkzeug Gottes zukommt; und wer einen gottesfürchtigen Menschen wegen seiner Gottesfurcht aufnimmt, wird auch den Lohn erhalten, der einem Gottesfürchtigen zukommt. Und wer einem von denen, die als die Geringsten angesehen werden, auch nur einen Trunk Wassers reicht, weil er in ihm meinen Jünger sieht, dem soll es fürwahr nicht unbelohnt bleiben." Diese Mahnungen gab Jesus seinen zwölf Aposteln mit auf den Weg. Er selbst ging dann von dort aus in die verschiedenen Orte, um die Lehre der Heilsbotschaft zu predigen. Johannes hörte im Gefängnis von dem Wirken Jesu. Er sandte zwei von seinen Jüngern und ließ ihn fragen: "Bist du es, der da kommen soll oder haben wir einen andern zu erwarten?" Jesus gab ihnen zur Antwort: "Geht und berichtet dem Johannes, was ihr hier seht und hört: Blinde erhalten das Augenlicht wieder, Lahme können wieder gehen, Aussätzige werden rein, Taube haben ihr Gehör wieder, Tote kommen zum Leben und Arme nehmen die Heilsbotschaft an; und glücklich zu preisen ist, wer sich durch nichts von mir trennen lässt." Als diese sich wieder entfernt hatten, begann Jesus zum Volke über Johannes zu reden. "Was wolltet ihr sehen, als ihr damals in die Wüste hinausgezogen seid? Etwa ein Schilfrohr, das vom Winde hin und her geweht wird? Oder wozu seid ihr hinausgezogen? Wolltet ihr einen Menschen in prunkvollen Gewändern sehen? Leute, die prunkvolle Gewänder tragen, sind in den Palästen der Könige. - Oder was wolltet ihr da draußen sehen? Ein Werkzeug Gottes? Ja, ich sage euch: Er ist ein besonders großes Werkzeug Gottes. Denn er ist es, von dem geschrieben steht: 'Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her; er soll dir den Weg bereiten.' Ich kann euch bezeugen, dass unter denen, die vom Weibe geboren wurden, keiner aufgetreten ist, der größer war als Johannes der Täufer. Und doch ist der, welcher nach ihm kam, in der Geisterwelt Gottes größer als er. Zwar unterdrückt man seit dem Tage, wo Johannes der Täufer auftrat, bis auf diese Stunde mit Gewalt die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes, und die, welche die äußere Macht dazu haben, reißen den Glauben an eine solche Verbindung aus dem Herzen des Volkes. Und doch hatten schon vor Johannes alle die, welche als Werkzeuge Gottes sprachen, sowie das Mosaische Gesetz selbst, jene Verbindung bereits vorherverkündet. Und wenn ihr es annehmen wollt: Johannes ist Elia, der wiederkommen sollte. Wer das rechte Verständnis für meine Worte besitzt, der merke sie sich." "Mit wem soll ich nun dieses Volk da vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf öffentlichen Plätzen sitzen und miteinander das Lied singen: 'Wir haben euch gepfiffen, doch ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder angestimmt; doch ihr habt nicht getrauert.' Denn Johannes kam und aß nicht die gewöhnliche Speise und trank nicht die gewöhnlichen Getränke. Da sagten sie von ihm: Er ist vom Teufel besessen. Dann kam der Menschensohn. Er isst und trinkt wie andere Menschen. Und nun sagen sie ihm nach: Seht diesen Fresser und Weinsäufer, diesen Freund der Zöllner und Dirnen! Und doch hat sich die von beiden gepredigte Weisheitslehre an ihren Früchten als die richtige erwiesen." Gegen die Städte, die Zeugen seiner meisten Wundertaten gewesen waren, aber trotzdem ihre Gesinnung nicht geändert hatten, richtete er folgende Drohung: "Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Bethsaida! Wenn in Tyrus und Sidon die Wunder geschehen wären, die in euren Mauern gewirkt wurden, sie hätten sich längst in Sack und Asche bekehrt. Darum sage ich euch: Es wird Tyrus und Sidon am Tage der Abrechnung erträglicher ergehen als euch. Und du Kapernaum, das du durch jene Wunder himmelhoch erhöht wurdest - bis zur Hölle musst du hinunter! Denn wenn in Sodom die Wunder geschehen wären, die in dir gewirkt wurden, es stände wohl heute noch. Darum sage ich euch: Den Bewohnern des Gebietes von Sodom wird es am Tage der Abrechnung erträglicher ergehen als dir." Da brach Jesus in die Worte aus: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies alles vor den sogenannten Weisen und Klugen verborgen hieltest und es denen offenbartest, die für Toren gelten. Ja, Vater, so pflegtest du es stets zu tun." "Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden; und niemand kennt den Sohn so genau, wie der Vater und niemand den Vater so genau, wie der Sohn, und der, dem der Sohn es zu enthüllen für gut findet. Kommet zu mir alle, die ihr müde und bedrückt seid: Ich will euch Erquickung bringen. Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir. Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Dann werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht." Jesus wanderte einmal an einem Sabbat durch Kornfelder. Seine Jünger hatten Hunger und begannen Ähren abzupflücken und die Körner zu essen. Dies sahen die Pharisäer und hielten es ihm vor. "Siehe", - sagten sie - "deine Jünger tun da etwas, was man am Sabbat nicht tun darf." Er gab ihnen zur Antwort: "Ist euch nicht bekannt, was David tat, als er und seine Begleiter Hunger hatten? Wie er damals ins Heiligtum ging und die Schaubrote aß, die weder er noch seine Begleiter essen durften, sondern nur die Priester? Ist euch ferner nicht aus dem Gesetze bekannt, dass die Priester am Sabbat im Heiligtum den Sabbat entheiligen und sich dadurch doch nicht versündigen? Ich sage euch aber: Hier steht einer der größer ist als das Heiligtum. Wenn ihr die Bedeutung der Worte verständet: 'Barmherzigkeit verlange ich und keine Schlachtopfer' - dann hättet ihr diese Unschuldigen nicht verurteilt. Denn der Menschensohn ist auch Herr über den Sabbat." Von dort ging er weiter und trat in die Synagoge des Ortes. Darin traf er einen Mann, der einen erstorbenen Arm hatte. Nun richteten sie an ihn die Frage: "Darf man am Sabbat heilen?" Sie wollten nämlich einen Grund zur Anklage gegen ihn finden. Er entgegnete ihnen: "Wenn einer von euch ein einziges Schaf besäße und dies fiele ihm am Sabbat in die Grube, würde er dann nicht seine ganze Kraft anstrengen um es heraus zu ziehen? Ist denn ein Mensch nicht soviel wert als ein Schaf? Folglich darf man auch am Sabbat Gutes tun." Hierauf sagte er zu jenem Manne: "Strecke deinen Arm aus!" Er tat es. Da war sein Arm wieder hergestellt und so gesund wie der andere. Die Pharisäer entfernten sich und beratschlagten, auf welche Weise sie Jesus umbringen könnten. Jesus wusste dies und verließ diese Gegend. Die Leute folgten ihm in großen Scharen. Alle, die krank waren, heilte er. Doch gebot er ihnen, in der Öffentlichkeit darüber zu schweigen. So wurde das Wort des Propheten Jesaja erfüllt: "Siehe, das ist mein Knecht, den ich mir erwählt habe, mein Geliebter, an dem mein Herz hängt! Ich will ihm meine Geisterwelt zur Verfügung stellen. Er wird den Völkern verkünden, dass der Tag der Entscheidung für sie gekommen ist. Er wird nicht zanken und nicht schreien; niemand wird seine Stimme auf den Straßen hören. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen, bis er in endgültiger Entscheidung den Sieg errungen hat. Auf seinen Namen werden die Völker ihre Hoffnung setzen." Eines Tages brachte man einen Besessenen zu ihm, der blind und stumm war. Er heilte ihn, so dass der vorher Blinde und Stumme sehen und sprechen konnte. Da geriet die Volksmenge außer sich vor Staunen und sagte: "Sollte dieser schließlich nicht doch noch der Sohn Davids sein?" Die Pharisäer hörten dies und entgegneten: "Nur im Bunde mit Beelzebub, dem Obersten der Teufel, treibt dieser die bösen Geister aus." Jesus kannte ihre Gedanken und wandte sich an sie mit den Worten: "Jedes Reich, das in sich selbst uneins ist, wird verwüstet; und keine Staat, kein Haus kann Bestand haben, wenn darin einer gegen den andern ist. Und wenn ein Teufel den andern austriebe, dann würde in Satans Reich Zwiespalt herrschen. Wie könnte es dann Bestand haben? Und wenn ich im Bunde mit Beelzebub die bösen Geister austreibe, mit wessen Hilfe treiben denn eure eigenen Leute sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber mit Hilfe eines Geistes Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja die Geisterwelt Gottes tatsächlich schon zu euch gekommen. Oder wie könnte jemand in das Haus eines Starken eindringen und ihm sein Eigentum rauben, ohne vorher den Starken gefesselt zu haben. Denn erst dann kann er sein Haus ausplündern. Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut. Darum sage ich euch: Für jede Sünde und Lästerung wird den Menschen Begnadigung gewährt. Aber für die Lästerung der Geisterwelt Gottes gibt es keine Begnadigung. Und wenn jemand ein Wort gegen den Menschensohn spricht, wird ihm dafür Begnadigung zuteil. Wer aber etwas wider die heilige Geisterwelt sagt, der hat weder in diesem noch in dem folgenden Zeitalter Begnadigung zu erwarten. Entweder erklärt ihr den Baum für gut, und dann müsst ihr auch seine Früchte für gut ansehen; oder ihr erklärt den Baum für verdorben, dann müsst ihr auch seine Frucht für schlecht halten. Denn an der Frucht erkennt man den Baum. Ihr Schlangenbrut! Wie könntet ihr Gutes reden, da ihr böse seid! Denn wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über. Ein guter Mensch holt aus seinem Vorrat an Gutem nur Gutes hervor, während ein böser Mensch aus seinem Vorrat an Schlechtem nur Böses hervorholen kann. Ich sage euch aber: Für jedes unbegründete Urteil, das die Menschen fällen, werden sie sich am Tage der Rechenschaft verantworten müssen. Denn je nach den Gründen, die du für deine Urteile hattest, wirst Du entweder für unschuldig oder für schuldig erklärt werden." Da entgegneten ihm einige der Schriftgelehrten und Pharisäer: "Meister, wir möchten ein Wunderzeichen von dir sehen." Er erwiderte ihnen: "Ein böses und gottentfremdetes Volk verlangt nach einem Wunderzeichen. Doch es wird ihm kein anderes gegeben werden als das Zeichen, das dem Propheten Jona zuteil wurde. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Riesenfisches gewesen ist, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte in der Tiefe der Unterwelt sein. Die Leute von Ninive werden als Zeugen auftreten, wenn dieses Volk einmal vor dem göttlichen Gericht steht, und werden seine Verurteilung herbeiführen. Denn jene haben sich auf die Predigt des Jona hin bekehrt. Und hier steht doch einer, der größer ist als Jona. Die Königin aus dem Süden wird als Zeugin auftreten, wenn dieses Volk einmal gerichtet wird, und seine Verurteilung bewirken. Denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit eines Salomo zu hören. Und hier steht doch einer, der größer ist als Salomo." "Wenn der böse Geist vom Menschen ausgefahren ist, so irrt er durch trostlose Weltenräume und sucht Ruhe, findet aber keine. Dann sagt er sich: 'Ich will in mein voriges Heim, das ich verließ, wieder zurückkehren.' Wenn er dann hinkommt, findet er es aufgeräumt, schön gefegt und geschmückt. Dann geht er noch sieben andere Geister holen, die schlimmer sind als er selbst. Gelingt es ihnen, dort wieder einzudringen, dann setzen sie sich darin fest; und der letzte Zustand eines solchen Menschen wird noch ärger werden als der erste. Das gleiche Schicksal wird auch diesem übelgesinnten Volk zuteil werden." Während er diese Ansprache an das Volk hielt, waren seine Mutter und seine Brüder angekommen und standen hinter der Volksmenge. Sie suchten nun zu ihm zu gelangen, um mit ihm zu sprechen. "Dahinten steht deine Mutter und deine Brüder", - sagte einer - "die möchten dich sprechen." Er aber antwortete dem, der ihm dies meldete: "Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?" Dann wies er mit der Hand auf seine Jünger mit den Worten: "Seht, diese hier sind mir Mutter und Brüder. Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, ist mir Bruder, Schwester und Mutter." Eines Tages ging Jesus hinaus und setzte sich am Gestade des Sees nieder. Bald hatte sich eine große Volksmenge um ihn geschart. Infolgedessen war er gezwungen, in einem Boot Platz zu nehmen, während die ganze Volksmenge am Ufer stand. Er hielt ihnen nun eine Ansprache, in der er sie über manche Wahrheiten belehrte und dabei die Form des Gleichnisses wählte. Er sprach: "Es ging einmal ein Sämann aus, um zu säen. Beim Säen fielen einige Körner auf den fest getretenen Feldweg. Da flogen Vögel herbei und pickten sie auf. Ein anderer Teil des Samens fiel auf felsige Stellen im Äcker. Dort fand er nicht viel Mutterboden. Zwar schoss er schnell auf, weil er nicht tief in den Boden eindringen konnte. Als aber die Sonnenhitze von Tag zu Tag zunahm, wurde die Saat versengt und verdorrte; denn ihre Wurzel ging nicht tief genug. Ein anderer Teil des Samens fiel unter Distelkeime. Als diese immer größer wurden, erstickten sie die aufgehende Saat. Der übrige Teil des Samens fiel auf guten Ackerboden und trug teils hundertfältige, teils sechzigfältige, teils dreißigfältige Frucht. - Wem das rechte Verständnis für meine Worte gegeben ist, der merke sie sich." Da wandten sich die Jünger an Jesus mit der Frage: "Warum redest du in Gleichnissen zum Volke?" Er antwortete: "Euch ist die Gabe verliehen worden, das geheimnisvolle Wirken der Geisterwelt Gottes zu verstehen, jenen aber nicht. Wer nun an einer solchen Gabe festhält, dem wird sie noch vermehrt, so dass er sie in überreichem Maße besitzt. Wer aber nicht daran festhält, dem wird auch noch die Gabe genommen, die er zuerst besaß. Der Grund, weshalb ich in Gleichnissen zu ihnen rede, ist folgender: Dies sind Leute, deren Bestimmung es ist, zu sehen und doch nicht zu sehen; zu hören und doch nicht zu hören und nichts zu verstehen, sich daher auch nicht zu bekehren. An ihnen geht der Ausspruch des Propheten Jesaja in Erfüllung, der da lautet: 'Gehe hin und sage diesem Volke: Ihr sollt hinhören und doch nichts verstehen, hinschauen und doch nichts erkennen; denn das Herz dieses Volkes ist unempfänglich. Ihre geistigen Ohren sind schwerhörig, und die Augen ihres Geistes haben sie geschlossen. So werden sie nicht imstande sein, recht zu sehen, was sie sehen, und recht zu hören, was sie hören und in ihrem Herzen nicht zur Erkenntnis gelangen, so dass sie sich bekehren und ich sie heilen könnte.' - Aber ihr seid glücklich zu preisen, weil eure Augen recht sehen und eure Ohren recht hören. Denn ich sage euch: Viele Propheten und gottestreue Menschen wünschten das zu sehen, was ihr jetzt seht, und sahen es nicht; und zu hören, was ihr jetzt hört, und hörten es nicht. Ihr sollt daher die Erklärung des Gleichnisses vom Sämann von mir vernehmen: An jeden, der die Wahrheit über das Jenseits hört, sie aber nicht tiefer in sich eindringen lässt, tritt das Böse heran und nimmt schnell das weg, was in sein Herz gestreut wurde. Bei ihm ist der Same auf den festgetretenen Feldweg gefallen. - Dem felsigen Boden, auf den der Same fiel, gleicht jener, der das Wort der Wahrheit hört und es für den Augenblick auch mit Freuden aufnimmt. Doch es schlägt in ihm keine Wurzel, da er bloß ein Augenblicksmensch ist. Tritt wegen der Annahme der Wahrheit eine Bedrängnis oder eine Verfolgung an ihn heran, so bringt ihn dies sofort zu Fall. - Der Same, der unter die Distelkeime fiel, ist das Sinnbild eines Menschen, der die Wahrheit hört, bei dem aber die zeitlichen Sorgen und die Anhänglichkeit an den irdischen Besitz die Wahrheit überwuchern, so dass sie ohne Frucht bleibt. - Der Same endlich, der auf guten Boden fiel, ist das Bild eines Menschen, der das Wort der Wahrheit nicht nur hört und in sich aufnimmt, sondern auch danach handelt und dadurch Frucht hervorbringt, und zwar der eine hundertfältige, ein anderer sechzigfältige und ein dritter dreißigfältige." Ein zweites Gleichnis trug er ihnen vor: "Mit der Wahrheit über das Jenseits geht es ähnlich, wie bei einem Manne, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während alles schlief, kam sein Feind, säte Unkrautsamen zwischen das Getreide und entfernte sich. Als nun die Saat aufging und Fruchtkeime ansetzte, da kam auch das Unkraut zum Vorschein. Da gingen die Knechte zu ihrem Herrn und sagten: 'Herr, hast du nicht guten Samen auf den Acker gesät? Woher kommt denn das Unkraut?' Jener antwortete: 'Das hat ein Feind getan.' Da fragten ihn die Knechte: 'Willst du, dass wir hingehen und es ausreißen und auf einen Haufen werfen?' Er aber entgegnete: 'Nein! Denn ihr würdet beim Entfernen des Unkrautes auch Getreide mit ausreißen. Lasst beides ruhig miteinander wachsen bis zur Ernte. Kommt die Erntezeit, dann werde ich den Schnittern sagen: Leset zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel und verbrennt es. Die Getreidekörner aber traget auf meinen Speicher.'" Ein anderes Gleichnis trug er ihnen vor: "Die Wahrheit über das Jenseits ist einem Senfkorn gleich, das einer nahm und auf seinen Acker säte. Es ist zwar das kleinste von allen Samenkörnern. Ist es jedoch ausgewachsen, so überragt es alle andern Gartengewächse und wird zu einem Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten." Ein anderes Gleichnis war dies: "Die Wahrheit über das Jenseits ist einem Sauerteig gleich, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis alles ganz durchsäuert war." Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zum Volk. Er hielt überhaupt keine Predigt, ohne sie durch Gleichnisse zu erläutern. So erfüllte sich das Wort des Propheten: "Ich will in Gleichnissen reden und so die Geheimnisse enthüllen, die seit Grundlegung des Weltalls verborgen waren." Hierauf entließ er das Volk und ging in seine Wohnung. Dort wandten sich seine Jünger mit der Bitte an ihn: "Erkläre uns doch das Gleichnis von dem Unkraut auf dem Acker!" Er gab folgende Antwort: "Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist das Weltall; der gute Same sind die Anhänger des Reiches Gottes; das Unkraut sind die Anhänger des Bösen; der Feind, der das Unkraut säte, ist der Teufel; der Augenblick der Ernte ist das Ende einer Zeitperiode; die Schnitter sind die Boten Gottes. Wie nun das Unkraut zusammengetragen und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende einer jeden Zeitperiode geschehen. Der Menschensohn wird seine Geisterboten aussenden. Sie werden alles, was zur Sünde verleitet und alle Übeltäter aus seinem Reiche auslesen und in den Feuerofen des Leidens werfen; da wird Heulen und Zähneknirschen sein. Dann werden die Gottestreuen im Reiche ihres Vaters leuchten wie die Sonne. Wer das rechte Verständnis für meine Worte hat, der merke sich diese Lehre." "Die Wahrheit über das Jenseits ist mit einem Schatz zu vergleichen, der in einem Acker vergraben liegt. Den fand jemand und grub ihn wieder ein. Dann ging er in seiner Freude über den Fund nach Hause, verkaufte sein ganzes Besitztum und kaufte sich diesen Acker." "Einer, der die Wahrheit über das Jenseits vernimmt, muss es machen, wie ein Kaufmann, der kostbare Perlen zu erwerben suchte. Als er eine besonders kostbare Perle entdeckt hatte, ging er hin und verkaufte alles, was er besaß und kaufte die Perle." "Ferner geht es im Jenseits ähnlich zu, wie bei einem Fischfang mit dem Schleppnetz. Man wirft das Schleppnetz ins Meer, und Fische jeder Art fangen sich darin. Ist es voll, so zieht man es ans Boot heran. Dann setzt man sich hin und sammelt die schönen Fische in Gefäße, die unbrauchbaren aber wirft man wieder zurück ins Meer. So wird es auch am Ende einer jeden Zeitperiode sein. Die Geisterboten werden ausgehen und die Bösen aus den Gottesfürchtigen heraussondern und sie zurück in den Feuerofen des Leidens werfen. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. - Habt ihr das alles verstanden?" -52 Sie antworteten: "Ja." - Dann fuhr er fort: "Seht, so kann man einen Lehrer, der sich seine Kenntnisse in der Schule der Geisterwelt Gottes erworben hat, mit einem Familienvater vergleichen, der aus seinem reichen Wahrheitsschatz Neues und Altes hervorholt." - - - Nach Beendigung dieser Gleichnisreden ging er von da weiter. Er kam in seine Vaterstadt Nazareth und predigte dort in der Synagoge. Seine Worte machten einen solchen Eindruck auf die Zuhörer, dass einer den andern fragte: "Woher hat dieser all die Weisheit und die Kraft seiner Rede? Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt seine Mutter nicht Maria, und heißen seine Brüder nicht Jakobus, Johannes, Simon und Judas? Leben nicht auch seine Schwestern alle hier in unserm Ort? Woher hat der denn das alles?" So wandten sie sich von ihm ab. Jesus aber sagte zu ihnen: "Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seiner Heimat und in seiner eigenen Familie." Und weil man nicht an ihn glaubte, wirkte er dort auch nicht viele Wunder. Zur selben Zeit drang die Kunde von Jesus zu dem Vierfürsten Herodes. Da sagte dieser zu seinen Hofleuten: "Er ist gewiss Johannes der Täufer, der von den Toten auferstand. Darum sind auch solche Wunderkräfte in ihm wirksam." Herodes hatte nämlich Johannes festnehmen, in Ketten legen und ins Gefängnis werfen lassen. Die Veranlassung dazu gab Herodias, die Frau seines Bruders Philippus. Denn Johannes hatte ihm vorgehalten: "Es ist dir nicht erlaubt, sie zur Frau zu haben." Aus diesem Grund hätte er ihn am liebsten hinrichten lassen; doch er fürchtete sich vor dem Volke. Denn dies hielt Johannes für einen Propheten Gottes. Als nun Herodes Geburtstag feierte, tanzte die Tochter der Herodias vor der Festversammlung. Das gefiel dem Herodes so gut, dass er ihr eidlich versprach, ihr jede Bitte zu gewähren. Ihre Mutter hatte jedoch bereits vorher alles mit ihr abgekartet. "Lass mir" - sagte die Tochter - "das Haupt Johannes des Täufers hierher bringen!" Der König war darüber sehr bestürzt. Aber mit Rücksicht auf seinen Eid und die Gäste gab er den Befehl, die Bitte zu erfüllen. Er schickte Henkersknechte ins Gefängnis und ließ Johannes enthaupten. Das Haupt wurde auf einer Schüssel gebracht und dem Mädchen gegeben. Dies trug es zu seiner Mutter. Den Leichnam holten die Jünger des Johannes ab und begruben ihn. Dann gingen sie zu Jesus und machten ihm über das Vorgefallene Mitteilung. Auf diese Nachricht bestieg Jesus ein Boot und begab sich von dort an einen einsamen Platz, um ganz allein zu sein. Doch die Leute erhielten Kenntnis davon und strömten aus den Städten zu Fuß dorthin. Als er aus seiner Einsamkeit wieder hervorkam, sah er die vielen Menschen vor sich. Da fühlte er Mitleid mit ihnen und heilte ihre Kranken. Inzwischen war es Abend geworden. Nun traten seine Junger zu ihm und sagten: "Diese Gegend hier ist unbewohnt und die Zeit schon vorgerückt. Entlasse daher die Leute, damit sie in die Ortschaften gehen und sich Lebensmittel kaufen." Jesus gab ihnen zur Antwort: "Sie brauchen nicht wegzugehen; ihr könnt ihnen ja zu essen geben." Sie entgegneten: "Wir haben bloß fünf Brote und zwei Fische bei uns." - "Bringet sie her!" sagte er. Dann ließ er die Leute sich auf dem Rasen lagern, nahm die fünf Brote und die beiden Fische, blickte zum Himmel empor, sprach ein Gebet und zerteilte die Brote. Darauf gab er sie seinen Jüngern, und diese teilten sie an die Leute aus. Alle aßen sich satt. Man sammelte die Reste, und es gab zwölf Körbe voll. Von denen, die gegessen hatten, betrug allein die Zahl der Männer, also Frauen und Kinder nicht mitgerechnet, ungefähr fünftausend. Jesus drängte nun seine Jünger, sofort ins Boot zu steigen und vor ihm nach dem jenseitigen Ufer abzufahren. Er selbst wolle inzwischen die Volksmenge entlassen. Als alle fort waren, stieg er die Anhöhe hinauf, um dort in aller Stille zu beten. Es wurde dunkel, und er weilte immer noch an diesem einsamen Platz. Das Boot befand sich schon mitten auf dem See und musste schwer gegen die Wellen ankämpfen. Denn sie hatten Gegenwind. Erst um drei Uhr morgens brach Jesus auf, schritt über die Wasserfläche des Sees dahin und kam auf sie zu. Als die Jünger ihn so über den See schreiten sahen, gerieten sie in Schrecken; denn sie meinten, es sei ein Gespenst. Sie schrieen laut vor Angst. Sofort vernahmen sie Jesu Stimme, der ihnen zurief: "Nur Mut! Ich bin's. Habt keine Furcht!" Da rief Petrus ihm entgegen: "Herr, wenn du es bist, dann lass mich übers Wasser zu dir kommen!" Jesus erwiderte: "Komm!" Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser hin, um zu Jesus zu gelangen. Als er jedoch den Sturm wahrnahm, befiel ihn eine große Angst, und er begann zu sinken. Da schrie er: "Herr, rette mich!" Sogleich streckte Jesus seine Hand aus, zog ihn hoch und sprach: "Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?" Dann stiegen beide in das Boot, und sofort legte sich der Sturm. Die Männer in dem Boot aber warfen sich vor ihm auf die Knie und sagten: "Du bist wahrhaftig ein Sohn Gottes." Nach ihrer Landung gingen sie nach Genezareth. Als die Bewohner dieses Ortes ihn erkannten, schickten sie Boten in die ganze Umgegend, und man brachte alle Kranken zu ihm. Diese baten ihn, nur die Quaste seines Mantels berühren zu dürfen. Und alle, die sie berührten, wurden gesund. Eines Tages kamen Pharisäer und Schriftgelehrte aus Jerusalem zu Jesus und fragten ihn: "Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferungen der Vorfahren? Denn sie waschen sich vor der Mahlzeit nicht die Hände." Er antwortete ihnen: "Warum übertretet ihr denn aus Rücksicht auf eure Überlieferungen die Gebote Gottes? Denn Gott hat geboten: 'Ehre deinen Vater und deine Mutter!' Ferner: 'Wer Vater oder Mutter flucht, soll den Tod erleiden.' Ihr jedoch behauptet: Wer zu seinem Vater oder seiner Mutter sagt: 'Ich will das, was ich dir als Unterstützung schulde, Gott als Gabe für den Tempelschatz weihen' - der braucht seinen Vater und seine Mutter nicht zu ehren. Damit habt ihr das Gebot Gottes euren Überlieferungen zuliebe außer Kraft gesetzt. Ihr Heuchler! Treffend hat ein Geist Gottes durch Jesaja gesagt: 'Dies Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit von mir getrennt. Ihre Art, mich zu verehren, ist töricht. Denn die Lehren ihrer Religion sind Menschensatzungen.'" Dann rief er das Volk näher heran und sagte: "Höret gut zu und behaltet, was ich euch jetzt sage: Nicht alles, was zum Munde hineingeht, steht in Verbindung mit der Gesinnung des Menschen. Aber alles, was aus dem Munde herauskommt, das steht in engster Verbindung mit seiner Gesinnung." Da wandten sich die Junger mit den Worten an ihn: "Weißt du, dass die Pharisäer an deinen Äußerungen Anstoß genommen haben?" Er aber gab ihnen zur Antwort: "Jede Pflanze, die nicht mein himmlischer Vater gepflanzt hat wird ausgerissen werden. Lasst diese Blinden gehen! Sie gehören zu jenen Führern, die selbst den Weg nicht sehen. Wenn aber ein Blinder der Führer eines Blinden ist, werden beide in die Grube fallen." - Da wandte sich Petrus mit der Bitte an ihn: "Erkläre uns jenes Gleichnis!" Er erwiderte: "Seid auch ihr immer noch ohne Verständnis? Begreift ihr denn nicht, dass alles, was in den Mund hineingeht, vom Magen aufgenommen und auf dem natürlichen Wege wieder ausgeschieden wird? Was aber aus dem Munde hervorgeht, das kommt aus dem Herzen und das steht in Verbindung mit der Gesinnung des Menschen. Aus dem Herzen kommen nämlich die bösen Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, Verleumdung und Lästerung; das ist es was mit der Gesinnung des Menschen in Verbindung steht; - aber mit ungewaschenen Händen essen, das hat mit dem Innern des Menschen nichts zu tun." Von dort begab sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon. Da kam eine kanaanäische Frau aus dem angrenzenden Gebiet und rief immer wieder: "Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist arg gequält." Er aber antwortete ihr nicht mit einem einzigen Wort. Nun wandten sich seine Jünger mit der Bitte an ihn: "Fertige sie doch ab! Sie schreit ja dauernd hinter uns her." Er erwiderte: "Ich bin nur zu den verloren gegangenen Schafen vom Hause Israel gesandt." Die Frau aber kam herzu, warf sich vor ihm auf die Knie und flehte: "Herr, hilf mir!" Doch er gab ihr zur Antwort: "Es ist nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es den Hündlein hinzuwerfen." Darauf entgegnete sie: "Gewiss, Herr, das ist richtig! Aber die Hündlein essen ja auch nur von den Brocken, die vom Tisch ihrer Herren fallen." Darauf sagte Jesus zu ihr: "Liebe Frau, dein Glaube ist groß. Dein Wunsch soll in Erfüllung gehen!" Und von dieser Stunde an war ihre Tochter gesund. Von da gelangte Jesus in die Nähe des Galiläischen Meeres. Er stieg auf eine Anhöhe und setzte sich dort nieder. Viele Leute scharten sich um ihn. Sie hatten Lahme, Blinde, Krüppel, Stumme und viele andere Kranke mitgebracht und sie vor seinen Füßen Platz nehmen lassen. Er heilte sie alle. Die Volksmenge kam nicht aus dem Staunen heraus, als sie sah, wie die Stummen zu reden begannen, die Krüppel wieder ihre gesunden Glieder hatten, die Lahmen gehen konnten und die Blinden sehend wurden. Alles pries laut den Gott Israels. Jesus rief nun seine Jünger zu sich und sagte: "Ich habe Mitleid mit den Leuten; denn sie halten schon drei Tage bei mir aus und haben nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig entlassen, sonst könnten sie auf dem Wege ermatten." Die Jünger wandten jedoch dagegen ein: "Woher sollten wir in einer so armen Gegend so viele Brote bekommen, um so viele Menschen satt zu machen?" Da fragte Jesus: "Wie viele Brote habt ihr denn?" Sie antworteten: "Sieben, und ein paar Fische." Da gebot er der Volksmenge, sich auf dem Boden zu lagern. Dann nahm er die sieben Brote und die Fische, sprach ein Gebet, brach die Brote und gab sie seinen Jüngern. Diese teilten sie unter die Leute aus. Und alle aßen sich satt. Die übrig gebliebenen Stücke sammelte man. Es gab sieben Körbe voll. Von denen, die gegessen hatten, betrug allein die Zahl der Männer, also Frauen und Kinder nicht mitgerechnet, etwa viertausend. Dann verabschiedete er die Leute, stieg in sein Boot und fuhr in die Gegend von Magadan. Hier traten Pharisäer und Saduzäer an ihn heran und wollten ihn auf die Probe stellen. Sie drangen in ihn, doch vor ihren Augen ein Wunderzeichen am Himmel zu wirken. Er aber antwortete ihnen: "Ist der Himmel gegen Abend rot, so prophezeit ihr schönes Wetter. Ist er aber am Morgen rot und trüb, so sagt ihr: Heute gibt es Regen. Das Aussehen des Himmels versteht ihr also zu deuten, aber die Kennzeichen für entscheidende Zeitabschnitte versteht ihr nicht. Ein bösartiges Volk, das sich von Gott losgesagt, verlangt ein Wunderzeichen! doch es wird ihm keins gegeben werden als nur das Zeichen, das dem Propheten Jona zuteil wurde." Mit diesen Worten kehrte er ihnen den Rücken und ging weg. Als die Jünger am jenseitigen Ufer landeten, hatten sie vergessen, Brot mitzunehmen. Nun richtete Jesus die Mahnung an sie: "Hütet euch ja vor dem Sauerteig der Pharisäer und Saduzäer!" Da unterhielten sie sich untereinander über diesen Ausspruch Jesu und waren der Ansicht, er habe darauf anspielen wollen, dass sie keine Brote mitgenommen hätten. Jesus wusste, worüber sie sich unterhielten und sagte zu ihnen: "Ihr Kleingläubigen, was macht ihr euch Gedanken darüber, dass ihr kein Brot mitgenommen habt? Besitzet ihr immer noch nicht das rechte Verständnis? Habt ihr schon vergessen, dass mit fünf Broten fünftausend gesättigt wurden, und wie viel Körbe voll ihr nachher noch aufgelesen habt? Könnt ihr euch ferner schon nicht mehr an die sieben Brote erinnern, die für viertausend reichten, und wie viele Körbe voll auch da übrig waren? Wie könnt ihr nur zu der falschen Auffassung kommen, ich hätte gewöhnliches Brot gemeint, als ich vorhin zu euch sagte: 'Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Saduzäer!'" - Jetzt erst verstanden sie, dass er nicht gemeint hatte, sie sollten sich vor dem Sauerteig der Brote hüten, sondern vor der Lehre der Pharisäer und Saduzäer. Jesus kam in die Gegend von Cäsaräa Philippi. Da stellte er an seine Jünger die Frage: "Was meinen die Leute, wer ich als Menschensohn sei?" Sie erwiderten: "Die einen halten dich für Johannes den Täufer, andere für Elia, wieder andere für Jeremia oder sonst einen von den Propheten." Er fragte weiter: "Ihr aber - für wen haltet ihr mich denn?" Da gab Simon Petrus ihm die Antwort: "Du bist der Messias, der Sohn Gottes, des Erretters." Jesus wandte sich zu ihm mit den Worten: "Du bist glücklich zu preisen, Simon, Sohn des Jona, weil nicht dein eigenes menschliches Denken dir dieses Bekenntnis eingab, sondern mein himmlischer Vater. Nun möchte ich auch meinerseits dir etwas sagen: Dein Name ist Kephas; dieses Wort bedeutet Fels. Auf einem solchen Felsen will ich meine Gemeinde aufbauen, und die stärksten Mächte der Finsternis werden nicht imstande sein, die Oberhand über sie zu gewinnen. Ich will dir nämlich den Schlüssel zum Verständnis der Gesetze geben, die im Jenseits herrschen: Wenn du dir im Diesseits eine Fessel anlegst, wirst du die auch im Jenseits zu tragen haben, und wenn du dich im Diesseits von einer Fessel befreiest, wirst du auch im Jenseits davon befreit sein." Dann schärfte er den Jüngern ein, keinem zu sagen, dass er der Messias sei. Von diesem Tage an begann Jesus seine Jünger darüber zu belehren, dass er nach Jerusalem gehen und von Seiten der Ältesten, der Oberpriester und Schriftgelehrten viel leiden müsse und schließlich getötet werde; dass er aber am dritten Tage auferweckt würde. Da nahm ihn Petrus beiseite und begann ihm ernstlich zuzureden. "Herr!" - sagte er - "das möge Gott verhüten! Nimmer darf dir so etwas widerfahren!" Da wandte sich Jesus mit den Worten an Petrus: "Geh mir aus den Augen, Satan! Du willst mich vom rechten Wege abbringen. Denn deine Gedanken entsprechen nicht dem Willen Gottes, sondern nur deinem rein menschlichen Empfinden." Jesus sagte darauf zu seinen Jüngern: "Wer in meine Fußstapfen treten will, der muss auf seine rein menschlichen Wünsche verzichten. Er muss das für ihn bestimmte Kreuz auf sich nehmen. Dann erst kann er mein Nachfolger sein. Denn wer sich nur sein leibliches Wohl zu sichern sucht, wird das geistige verlieren. Denn was könnte es einem Menschen helfen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber sein geistiges Wohl dabei einbüßte? Oder was könnte ein Mensch an irdischem Lösegeld für sein verlorenes geistiges Wohl bezahlen? Denn der Menschensohn wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Geisterboten kommen und dann einem jeden vergelten nach seinem Tun. Ich sage euch: Einige von denen, die hier stehen, werden den irdischen Tod nicht kosten, bevor sie den Menschensohn im Glanze seiner Königswürde haben erscheinen sehen." Sechs Tage später nahm Jesus den Petrus, den Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich und führte sie auf einen sehr hohen Berg, wo sie allein waren. Da wurde seine menschliche Gestalt vor ihren Augen verwandelt. Sein Antlitz leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden hellglänzend wie Schnee. Es erschienen ihnen Mose und Elia und besprachen sich mit ihm. Da sagte Petrus zu Jesus: "Herr, es ist so schön hier! Wenn es dir recht ist, will ich hier drei Zelte aus belaubten Zweigen herrichten: eins für dich, eins für Mose und eins für Elia." Während er noch redete, breitete sich eine hellleuchtende Wolke über sie aus, und eine Stimme rief aus der Wolke: "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen hatte; höret auf ihn!" Als die Jünger dies vernahmen, fielen sie auf ihr Angesicht und gerieten in großen Schrecken. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: "Steht auf und seid ohne Furcht!" Als sie nun ihre Augen aufschlugen, sahen sie sonst niemand als Jesus. Während sie den Berg hinabgingen, gab Jesus ihnen die Weisung: "Saget niemand etwas von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist." Da fragten ihn seine Jünger: "Was sprechen denn die Schriftgelehrten davon, dass Elia zuerst kommen müsse?" Er gab ihnen zur Antwort: "Elia kommt öfters und hilft alles wieder zu Gott zurückzuführen. Und ich kann euch mitteilen, dass Elia schon einmal da gewesen ist; doch sie haben ihn nicht erkannt, sondern taten ihm alles an, was in ihrer Macht stand." Da wurde es den Jüngern klar, dass er mit seinen Worten Johannes den Täufer meinte. "In gleicher Weise" - fuhr Jesus fort - "wird auch der Menschensohn von ihnen zu leiden haben." Kaum waren sie zu der wartenden Volksmenge zurückgekehrt, da trat ein Mann zu ihm, warf sich vor ihm auf die Knie und flehte ihn an: "Herr, erbarme dich meines Sohnes! Er hat die Fallsucht, und es geht ihm sehr schlecht. Oft fällt er ins Feuer und manchmal auch ins Wasser. Ich brachte ihn zu deinen Jüngern; doch sie konnten ihn nicht heilen." Jesus gab ihm zur Antwort: "O diese Menschen, die kein Gottvertrauen und eine ganz verkehrte Einstellung haben! Wie lange muss ich wohl noch bei euch bleiben? Wie lange soll ich noch Geduld mit euch haben? Bringet ihn her zu mir!" Da gab Jesus dem bösen Geist einen strengen Befehl, und dieser fuhr aus dem Knaben aus. Von dieser Stunde an war er gesund. Nachher wandten sich die Jünger an Jesus in einem Augenblick, wo er allein war, und fragten ihn: "Warum konnten wir den Geist nicht austreiben?" Er gab ihnen zur Antwort: "Weil ihr so wenig Gottvertrauen habt. Denn ich versichere euch: Wenn ihr Gottvertrauen hättet, so winzig wie ein Senfkorn, und würdet zu diesem Berge sagen: 'Bewege dich von hier dorthin!' - so würde er sich wegbewegen. Überhaupt nichts würde euch unmöglich sein. - Diese Art Geister kann nur durch Gebet ausgetrieben werden." Als sie dann in Galiläa zusammen von Ort zu Ort zogen, sagte Jesus zu ihnen: "Bald wird der Menschensohn in der Menschen Hände ausgeliefert werden. Sie werden ihn töten, und am dritten Tag wird er auferweckt." Da wurden sie sehr traurig. In Kapernaum traten die Einnehmer der Tempelsteuer an Petrus heran mit der Frage: "Bezahlt euer Meister keine Tempelsteuer?" Er antwortete: "Doch." Als nun Jesus nach Hause gekommen war, kam er ihm mit der Frage zuvor: "Was meinst du, Simon? Von wem lassen sich die Könige der Erde Abgaben oder Steuern zahlen? Von ihren Söhnen oder den Untertanen?" Er erwiderte: "Von den Untertanen." - "Also sind die Söhne steuerfrei" - entgegnete Jesus. - "Damit wir jedoch keinen Anstoß bei ihnen erregen, so gehe an den See und wirf eine Angel aus! Den ersten Fisch, den du herausziehst, nimm und öffne ihm das Maul. Darin wirst du eine Silbermünze finden. Die nimm und gib sie als Abgabe für mich und dich!" Bei dieser Gelegenheit traten die Jünger an Jesus heran mit der Frage: "Wer kann wohl eine höhere Stufe im Jenseits erlangen?" Da rief Jesus ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sprach: "Ich sage euch: Wenn ihr euch nicht ändert und werdet wie die Kinder, könnt ihr keinen Zutritt zu den höheren Stufen des Jenseits finden. Wer aber demütig ist, wie dieses Kind, der wird die höheren Stufen im Jenseits erreichen. Und wer sich eines solchen Kindes - und wäre es auch nur eines einzigen, in Liebe annimmt, um es mir zuzuführen, der nimmt sich meiner an. Wer aber auch nur ein einziges von diesen Kleinen, die bereits zum Glauben an mich gelangt sind, von mir trennt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die tiefste Stelle des Meeres versenkt würde. Wehe der Welt wegen ihrer Verführungen. Wohl müssen solche Verführungen kommen; doch wehe dem Menschen, der sich zum Werkzeug der Verführung macht. Wenn dich daher deine Hand oder dein Fuß vom rechten Wege abzubringen sucht, so haue sie ab und wirf sie von dir! Es ist besser für dich, verstümmelt oder lahm ins geistige Leben einzugehen als mit zwei Händen und zwei Füßen ins höllische Feuer geworfen zu werden. Und wenn dein Auge dich vom rechten Wege abzubringen sucht, so reiß es aus und wirf es von dir! Es ist besser für dich, einäugig ins geistige Leben einzugehen als mit zwei Augen in die Feuer-Hölle geworfen zu werden. Seht zu, dass ihr bei keinem einzigen dieser Kleinen, die ihr gläubiges Vertrauen auf mich setzen, jede Rücksicht in eurem Benehmen geringschätzig beiseite setzet. Denn ich sage euch: Die himmlischen Boten, die um sie sind, können jeder Zeit zum Bericht vor das Angesicht meines himmlischen Vaters treten. Denn der Menschensohn ist gekommen, um das Verlorene zu retten. - Was meint ihr wohl? Wenn ein Mann hundert Schafe besitzt und eins von ihnen sich verirrt, lässt er da nicht neunundneunzig auf den Bergen und geht das verirrte suchen? Und wenn es ihm gelingt, es zu finden - nicht wahr, dann freut er sich mehr darüber als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrten. So ist es auch nicht der Wille eures himmlischen Vaters, dass auch nur eines von diesen Kleinen verloren geht." "Hat dein Bruder ein Unrecht gegen dich begangen, so gehe zu ihm und sprich dich unter vier Augen mit ihm aus. Schenkt er dir Gehör, so hast du deinen Bruder gewonnen. Will er aber nichts von dir wissen, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit er in allem, was vorgebracht wird, das einstimmige Urteil von zwei oder drei Personen vor sich hat. Will er auch auf diese nicht hören, dann sage es der Gemeinde. Wenn er auch auf deren Urteil nichts gibt, dann betrachte ihn als einen Ungläubigen und verstockten Sünder. Ich sage euch: Alle Fesseln, die ihr euch im Diesseits anlegt, habt ihr auch im Jenseits zu tragen, und von allen Fesseln, von denen ihr euch im Diesseits befreiet, werdet ihr auch im Jenseits befreit sein. Ferner sage ich euch: Wenn auch nur zwei von euch auf Erden einmütig um etwas beten, so wird es ihnen von meinem himmlischen Vater gewährt werden. Denn wo auch nur zwei oder drei versammelt sind, um meiner Sache zu dienen, da bin ich mitten unter ihnen." Da trat Petrus zu ihm und stellte die Frage; "Herr, wie oft soll ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich verfehlt? Etwa im ganzen siebenmal?" Jesus entgegnete: "Ich sage dir: Nicht bloß siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. Es geht in diesem Falle im Jenseits ähnlich, wie bei einem irdischen König, der mit seinen Beamten abrechnen wollte. Als er mit der Abrechnung begann, wurde ihm zuerst einer vorgeführt, der ihm vierzig Millionen Mark schuldig war. Weil er diese Schuld nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn samt Weib und Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen und davon die Schuld abzutragen. Da warf sich der Beamte vor ihm nieder und flehte ihn an: 'Herr, habe doch Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen.' Da hatte der Herr Mitleid mit diesem Beamten, schenkte ihm die Freiheit und erließ ihm auch die Schuld. Dieser Beamte traf nun beim Hinausgehen einen seiner Mitbeamten, der ihm vierzig Mark schuldig war. Er ergriff ihn, packte ihn an der Kehle und schrie ihn an: 'Bezahle, was du schuldig bist!' Da warf sich sein Mitbeamter ihm zu Füßen und flehte: 'Habe doch Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen.' Der aber wollte davon nichts wissen, sondern ging hin und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt hätte. Die andern Beamten hatten den Vorfall mit angesehen und waren davon sehr schmerzlich berührt. Sie gingen und berichteten dem Herrn alles, was sich zugetragen hatte. Da ließ sein Herr ihn kommen und empfing ihn mit den Worten: 'Du gemeiner Mensch! Die ganze große Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich darum batest. Hättest du da nicht auch mit deinem Mitbeamten Erbarmen haben müssen, wie ich Erbarmen mit Dir gehabt habe?' In gerechtem Zorn übergab ihn sein Herr den Gerichtsdienern, bis er ihm die ganze Schuld bezahlt hätte. So wird auch mein himmlischer Vater mit jedem von euch verfahren, der seinem Bruder nicht von Herzen vergibt." Nach Beendigung dieser Belehrungen ging Jesus von Galiläa in das Gebiet von Judäa auf der andern Seite des Jordan. Große Volksscharen folgten ihm, und er heilte dort ihre Kranken. Da traten die Pharisäer an ihn heran und wollten ihm eine Falle stellen, indem sie ihm die Frage vorlegten: "Ist es dem Manne gestattet, sich aus einem beliebigen Grunde von seiner Frau zu scheiden?" Seine Antwort lautete: "Wisset ihr nicht, dass der Schöpfer von Anfang an ein Männliches und ein Weibliches als zusammengehörig geschaffen und gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und fest zu dem für ihn bestimmten Weibe halten, und beide werden sein, wie ein einziges Lebewesen. Sie sind also nicht als zwei zu betrachten, sondern als ein unteilbares Ganzes. Was daher Gott paarweise zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen." Sie entgegneten ihm: "Warum hat denn Mose bestimmt, der Frau einen Scheidebrief zu geben und sie dann zu entlassen?" Er erwiderte: "Bloß mit Rücksicht auf eure Herzenshärtigkeit hat Mose gestattet, euch von euren Frauen zu scheiden; aber von Anfang an ist es nicht so gewesen. Ich sage euch daher: Wer sich von seiner Frau scheidet - es sei denn, dass sie sich mit einem andern vergangen hätte - und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch." Da sagten die Jünger zu ihm: "Wenn dies das Rechtsverhältnis zwischen Mann und Frau ist, dann wird es am besten sein, überhaupt nicht zu heiraten." Darauf gab er ihnen zur Antwort: "Was ich euch im folgenden sage, werden nicht alle fassen können, sondern nur die, denen das Verständnis dafür gegeben wurde: Es gibt nämlich Zeugungsunfähige, die als zeugungsunfähig aus dem Mutterleib hervorgegangen sind; und es gibt Zeugungsunfähige, die von den Menschen dazu gemacht wurden; und es gibt Zeugungsunfähige, die sich selbst des Himmelreiches wegen dazu gemacht haben. - Wer das Gesagte fassen kann, der mag es tun." Hierauf brachte man ihm kleine Kinder, damit er ihnen die Hände auflege und über sie bete. Die Jünger fuhren die Leute mit den Kindern hart an. Da wies Jesus sie mit den Worten zurecht: "Lasset die Kinder in Ruhe und hindert sie nicht, zu mir zu kommen. Denn wer so ist, wie sie, dem steht der Zutritt zum Geisterreich Gottes offen." Dann legte er ihnen die Hände auf und ging weiter. Da kam einer zu ihm und fragte ihn: "Meister, nenne mir das Gute, das ich zu tun habe, wenn ich das künftige Leben erlangen will." Er entgegnete: "Was fragst du mich nach dem Guten? Nur einer ist 'Der Gute'. Willst du jedoch ins Leben eingehen, so halte die Gebote." - "Welche Gebote denn?" - fragte jener weiter. Jesus antwortete: "Das Gebot: Du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, nicht falsches Zeugnis ablegen; deinen Vater und deine Mutter ehren und deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Darauf antwortete der Jüngling: "Das alles habe ich von Jugend auf gehalten. Was soll ich also noch außerdem tun?" - "Willst du tun, was dir noch fehlt", - sagte Jesus -"so gehe hin, verkaufe dein Hab und Gut und gib den Erlös den Armen; so wirst du Reichtümer im Jenseits zu erwarten haben. Alsdann komme wieder hierher und werde mein Begleiter!" Als der Jüngling das hörte, ging er traurig weg; denn er besaß ein großes Vermögen. Da wandte sich Jesus an seine Jünger mit den Worten: "Ich sage euch: Für einen Reichen wird es schwer sein, in Verbindung mit dem Geisterreich Gottes zu kommen. Ich wiederhole es: Es ist leichter, dass ein Kamel [Strick] durch ein Nadelöhr hindurchgeht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." Über diese Worte waren die Jünger ganz bestürzt und fragten: "Welcher Reiche kann dann überhaupt noch gerettet werden?" Jesus aber sah sie ernst an und sagte dann: "Bei Menschen ist das allerdings unmöglich, aber bei Gott ist alles möglich." Hierauf wandte sich Petrus an ihn mit den Worten: "Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir gefolgt. Welcher Lohn wird uns nun dafür zuteil werden?" Die Antwort Jesu lautete: "Ich sage euch: Ihr, die ihr mir gefolgt seid, werdet in dem bevorstehenden neuen Leben, wenn der Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzt, gleichfalls auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Und wer Bruder oder Schwester, Vater oder Mutter oder Kinder, Acker oder Häuser verließ, um meiner Sache zu dienen, wird hundertmal Wertvolleres dafür wiedererhalten und das zukünftige Leben erlangen, das nach einem göttlichen Gesetz für ihn bereit gestellt ist. Viele, die zu den Ersten gehörten, werden dabei die Letzten sein, und viele, die bei den Letzten waren, werden sich unter den Ersten befinden." "Nach den Gesetzen des Jenseits geht es ähnlich, wie bei einem Hausvater, der früh morgens ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg zu dingen. Er kam mit ihnen überein, jedem eine Mark für den Tag zu zahlen. Dann schickte er sie in seinen Weinberg. Um neun Uhr morgens ging er wieder aus, traf andere auf dem Markte, die keine Arbeit hatten, und sagte zu ihnen: 'Geht auch ihr in meinen Weinberg. Ich will euch geben, was recht ist.' Auch sie nahmen die Arbeit an. Um zwölf Uhr mittags und um drei Uhr nachmittags ging er wiederum aus und machte es ebenso. Als er um fünf Uhr nachmittags noch einmal hinging, fand er andere Arbeitslose und fragte sie: 'Warum steht ihr hier den ganzen Tag müßig?' Sie gaben ihm zur Antwort: 'Es hat uns niemand gedungen.' Da sagte er zu ihnen: 'Machet schnell, dass ihr in meinen Weinberg kommt.' Als es Abend wurde, sagte der Herr des Weinberges zu seinem Verwalter: 'Rufe die Arbeiter und zahle ihnen den Lohn aus. Fange damit bei den letzten an und höre bei den ersten auf.' Zuerst kamen also die an die Reihe, die um fünf Uhr nachmittags eingestellt worden waren. Jeder von ihnen erhielt eine Mark. Da dachten die, welche zuerst die Arbeit angetreten hatten, sie würden mehr bekommen. Aber auch von ihnen erhielt jeder nur eine Mark. Sie nahmen den Lohn zwar an, murrten aber dabei gegen den Hausvater und sagten: 'Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns im Lohn gleichgestellt, obschon wir doch des ganzen Tages Last und Hitze tragen mussten.' Er aber antwortete einem von ihnen: 'Lieber Freund, ich tue dir nicht Unrecht. Bist du nicht für eine Mark mit mir einig geworden? Nimm den vereinbarten Lohn und gehe deines Weges! Es ist nun einmal mein Wille, dass diesem Letzten ebensoviel gezahlt wird, wie dir. Habe ich etwa nicht das Recht, über mein Geld nach meinem Gutdünken zu verfügen? Oder ist meine Güte in deinen Augen etwas Schlechtes?' - So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein." Nun ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Unterwegs nahm er seine Zwölf beiseite und sagte zu ihnen: "Wir gehen jetzt nach Jerusalem. Dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert werden. Diese werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden zur Verspottung und Geißelung und dann zur Kreuzigung überliefern. Und am dritten Tag wird er wieder auferstehen." Eines Tages trat die Mutter der Söhne des Zebedäus mit ihren Söhnen zu ihm, kniete vor ihm nieder in der Absicht, ihm eine Bitte vorzutragen. Da fragte er sie: "Was wünschest du?" Sie antwortete: "Ordne doch an, dass von diesen meinen beiden Söhnen in deinem Reiche einer zu deiner Rechten und der andere zu deiner Linken sitzen soll." Jesus entgegnete ihr: "Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" - "Wir können es", - war die Antwort. "Meinen Kelch sollt ihr freilich trinken", - entgegnete Jesus - "aber den Platz zu meiner Rechten und Linken habe nicht ich zu vergeben, sondern er wird denen zuteil, für die er von meinem Vater bestimmt ist." Als die übrigen zehn Jünger das hörten, wurden sie über die beiden Brüder unwillig. Jesus aber rief sie näher zu sich und gab ihnen folgende Belehrung: "Ihr wisst, dass die weltlichen Herrscher ihren Völkern ihren Willen aufzwingen, und dass ihre Statthalter sie ihre Macht fühlen lassen. Bei euch darf das nicht vorkommen; sondern wer unter euch zu den Großen gerechnet werden will, muss euer Diener sein, und wer unter euch der Erste zu sein wünscht, muss euer Knecht sein. So ist ja auch der Menschensohn nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um andern zu dienen und sein Leben als Lösegeld für die vielen hinzugeben. Strebet danach, in dem, was euch menschlich niedrig erscheint, zu wachsen und in dem, was euch menschlich groß vorkommt, abzunehmen. Wenn ihr zum Beispiel irgendwo hinkommt und werdet zu Tisch geladen, dann legt euch nicht an die Ehrenplätze. Es könnte ja einer, der vornehmer ist als du, zu Besuch kommen, so dass der Gastgeber an dich mit der Bitte herantreten müsste, weiter nach unten zu rücken. Dann würdest du als der Beschämte dastehen. Wenn du dich aber an dem geringsten Platz niederlässt und es kommt ein Geringerer als du, dann wird der Gastgeber dir sagen: Bitte, rücke weiter hinauf! Das wird dann eine Ehre für dich sein. Als sie Jericho verließen, folgte ihnen eine große Volksmenge. Da saßen zwei Blinde am Wege. Als diese hörten, dass Jesus vorüberkomme, riefen sie laut: "Sohn Davids, erbarme dich unser!" Die Volksmenge rief ihnen drohend zu, sie sollten still sein. Aber sie schrieen um so lauter: "Sohn Davids, erbarme dich unser!" Da blieb Jesus stehen, rief sie zu sich und fragte sie: "Was wollt ihr, dass ich für euch tun soll?" - "Herr", - antworteten sie - "dass unsere Augen sich zum Sehen öffnen." - "Glaubt ihr denn, dass ich das tun kann?" - fragte Jesus. Sie antworteten: "Ja, Herr! und wir möchten ja auch dich so gerne sehen!" Da fühlte Jesus Mitleid mit ihnen. Er berührte ihre Augen, und sofort konnten sie sehen und folgten ihm. Sie näherten sich Jerusalem und kamen nach Bethphage am Ölberg. Hier sandte Jesus zwei von seinen Jüngern weg mit der Weisung: "Geht in das Dorf, das da vor euch liegt! Gleich dort am Eingang werdet ihr eine Eselin mit ihrem Jungen angebunden finden. Machet beide los und bringt sie zu mir! Sollte euch jemand etwas sagen, so gebt ihm zur Antwort: Der Herr braucht sie. Sofort wird er sie euch überlassen." Dadurch sollte das Wort des Propheten in Erfüllung gehen: 'Saget der Tochter Sion: Siehe, dein König kommt in aller Demut zu dir. Er reitet auf einem Esel und zwar auf dem Füllen eines Lasttiers.' Die Jünger gingen hin und führten den Auftrag Jesus aus. Sie brachten die Eselin mit dem Füllen, legten ihre Mäntel auf das Füllen, und Jesus setzte sich darauf. Die meisten aus der Volksmenge breiteten ihre Mäntel auf dem Weg aus. Andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Scharen, die im Zuge vor ihm hergingen und die, welche nachfolgten, riefen: "Hosanna, dem Sohne Davids! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in den Himmelshöhen!" Bei seinem Einzug in Jerusalem geriet die ganze Stadt in Bewegung. Einer fragte den andern: "Wer ist das?" Da antwortete die Volksmenge: "Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa." Jesus ging dann in das Heiligtum Gottes und trieb alle Verkäufer und Käufer hinaus, stieß die Tische der Geldwechsler und die Kästen der Taubenhändler um und sagte zu ihnen: "Mein Haus soll den Namen 'Bethaus' führen; ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht." Man brachte nun Blinde und Lahme zu ihm in den Tempel, und er heilte sie. Die Oberpriester und Schriftgelehrten waren Augenzeugen dieser Wunder und mussten mitanhören, wie die Kinder im Tempel laut, 'Hosanna dem Sohne Davids' riefen. Das erregte ihren Unwillen, und sie wandten sich mit der Frage an Jesus: "Hörst du, was diese rufen?" -"Gewiss höre ich es", entgegnete er. "Aber habt ihr denn noch niemals gelesen: 'Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast du dir Lob bereitet'?" - Mit diesen Worten ließ er sie stehen, ging aus der Stadt und begab sich nach Bethanien, wo er übernachtete. In den frühen Morgenstunden kehrte er in die Stadt zurück. Unterwegs fühlte er Hunger. Da sah er am Wege einen einzelstehenden Feigenbaum. Er ging auf ihn zu, fand aber nichts auf ihm als Blätter. Da sprach er die Worte über ihn: "Das ganze jetzige Zeitalter hindurch soll keine Frucht mehr auf dir wachsen!" Sofort verdorrte der Feigenbaum. Als die Jünger das sahen, staunten sie darüber und sagten: "Wie kommt es, dass der Feigenbaum so plötzlich verdorrte?" Jesus gab ihnen zur Antwort: "Wenn ihr gläubiges Vertrauen habt und nicht zweifelt, so werdet ihr nicht nur dasselbe vollbringen können, was hier an dem Feigenbaum geschehen ist, sondern ihr braucht diesem Berge nur zu sagen: Hebe dich empor und stürze dich ins Meer! so wird es geschehen. Überhaupt alles, was ihr im Gebete erflehet, werdet ihr empfangen, wenn ihr gläubiges Vertrauen habt. Der Feigenbaum sollte euch dafür als Beispiel dienen." Dann ging er in das Innere des Tempels, um seine Ansprachen an das Volk zu halten. Da eilten die Oberpriester und Ältesten des Volkes herbei und stellten ihn mit den Worten zur Rede: "Welche Vollmacht kannst du vorweisen, hier in dieser Weise aufzutreten? Wer gab dir das Recht dazu?" Jesus erwiderte: "Auch ich will euch eine Frage vorlegen - nur eine. Könnt ihr mir diese beantworten, dann werde auch ich euch sagen, mit welchem Recht ich hier in dieser Weise auftrete. Meine Frage lautet: Die Taufe des Johannes - woher stammte sie? Vom Himmel oder von Menschen?" Da überlegten sie bei sich und dachten: "Sagen wir 'vom Himmel', so wird er uns entgegnen: Warum habt ihr denn dem Täufer keinen Glauben geschenkt? Sagen wir aber, 'von Menschen', so haben wir das Volk zu fürchten; denn alle halten Johannes für einen Propheten Gottes." Darum gaben sie Jesus die Antwort: "Wir wissen es nicht." Dieser entgegnete ihnen: "Dann sage auch ich euch nicht, mit welchem Recht ich hier so auftrete." Dann fragte er weiter: "Wie urteilt ihr über folgenden Fall? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zu dem ersten und sagte: Mein Sohn, gehe heute in den Weinberg arbeiten! Der antwortete: Ja, Vater, ich gehe. Er ging aber nicht. Ebenso wandte er sich an den zweiten mit derselben Bitte. Dieser gab ihm zur Antwort: Ich mag nicht! Nachher aber tat es ihm leid, und er ging doch hin. Wer von den beiden hat nun den Willen des Vaters erfüllt?" Sie erwiderten: "Der letztere." Da sagte Jesus zu ihnen: "Ich gebe euch die Versicherung, dass die Zöllner und Dirnen eher den Zutritt zum Geisterreich Gottes erlangen als ihr. Denn Johannes kam zu euch, um euch den Weg zu Gott zu zeigen. Doch ihr habt ihm nicht geglaubt. Aber die Zöllner und Dirnen schenkten ihm Glauben. Als ihr dies saht, da ward ihr hinterher auch noch darüber erbost, dass jene ihm Glauben schenkten." "Höret noch ein anderes Beispiel! Es war ein Hausvater, der legte einen Weinberg an, umgab ihn mit einem Zaun, grub eine Kelter darin, baute einen Wachtturm, verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Als dann die Zeit der Weinlese nahte, sandte er seine Knechte zu den Pächtern, um die ihm zustehenden Früchte als Pachtzins in Empfang zu nehmen. Doch die Weingärtner ergriffen seine Knechte; den einen misshandelten sie, den andern schlugen sie tot, den dritten steinigten sie. Dann sandte er andere Knechte in noch größerer Anzahl als das erstemal. Doch mit ihnen verfuhren sie auf dieselbe Weise. Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen. Denn er sagte sich: 'Sie werden sich doch wohl hüten, meinem Sohn zu nahe zu treten.' Aber kaum hatten die Weingärtner den Sohn erblickt, da sprach einer zum andern: 'Das ist der Erbe! Kommt, wir wollen ihn töten und sein Erbgut in Besitz nehmen!' Sie ergriffen ihn, stießen ihn zum Weinberg hinaus und schlugen ihn tot. - Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt, was wird er wohl mit diesen Weingärtnern machen?" Sie antworteten: "Er wird sie als Verbrecher behandeln und sie in furchtbarer Weise ums Leben bringen. Den Weinberg aber wird er an solche Weingärtner vergeben, die ihm zu den festgesetzten Terminen die Früchte abliefern, die als Pachtzins ausbedungen sind." Dann fuhr Jesus fort: "Habt ihr noch nie in der Schrift gelesen: 'Der Stein, den die Bauleute als unbrauchbar beiseite geworfen hatten, ist zum Eckstein geworden. Durch den Herrn ist er das geworden, und in unsern Augen ist er ein Wunderwerk'? Darum sage ich euch: Der Verkehr mit Gottes Geisterreich wird euch genommen und einem Volke gegeben werden, das Früchte hervorbringt, die eines solchen Verkehrs würdig sind." - - - Als die Oberpriester und Pharisäer diese Beispiele hörten, merkten sie nur zu gut, dass er sie damit meinte. Sie hätten ihn daher gern festgenommen. Doch fürchteten sie sich vor dem Volke; denn dies hielt ihn für einen Propheten Gottes. Noch andere Gleichnisse trug Jesus ihnen als Antwort auf ihre Fragen vor. So sagte er: "Die Teilnahme an dem Verkehr mit der Geisterwelt Gottes ist mit einer Hochzeitsfeier zu vergleichen, die ein König für seinen Sohn herrichten ließ. Er sandte seine Diener hin, um die zur Hochzeit zu bitten, die er sich als Gäste ausgesucht hatte. Doch die Geladenen hatten keine Lust, zu kommen. Da sandte er nochmals Diener und ließ den Geladenen sagen: 'Das Frühmahl ist schon bereitgestellt; Ochsen und Mastvieh sind geschlachtet und alles ist fertig. Beeilt euch, zur Hochzeit zu kommen!' Die aber kehrten sich nicht daran, und ein jeder ging seiner Arbeit nach, der eine auf sein Landgut, der andere in sein Geschäft. Die übrigen ergriffen seine Diener, beschimpften und töteten sie. Da wurde der König zornig. Er sandte sein Heer aus und ließ jene Mörder umbringen und ihre Stadt in Brand stecken. Hierauf sagte er zu seinen Dienern: 'Das Hochzeitsmahl ist zwar bereitet, aber die Eingeladenen waren dessen nicht wert. So geht denn an die Straßenkreuzungen und ladet alle, die ihr antrefft! Die Diener gingen auf die Straßen und brachten alle herbei, die sie trafen, - hoch und niedrig - und der Hochzeitssaal füllte sich mit Gästen." - - - - - - - - - - - - Nun entfernten sich die Pharisäer und berieten darüber, mit welcher Frage sie ihm wohl eine Falle stellen könnten. Schließlich schickten sie ihre Schüler zusammen mit den Anhängern des Herodes zu ihm und ließen ihm folgende Frage vorlegen: "Meister! wir wissen dass du stets die Wahrheit sagst und den Weg zu Gott so lehrst, wie es richtig ist, ohne dabei auf irgend jemand Rücksicht zu nehmen; denn du gibst nichts auf das äußere Ansehen von Menschen. Sage uns also, wie du darüber urteilst: Soll man dem Kaiser die Kopfsteuer zahlen oder nicht?" Jesus durchschaute ihre böse Absicht und erwiderte: "Warum wollt ihr Heuchler mir eine Falle stellen? Zeigt mir eine Steuermünze!" Sie reichten ihm einen Denar. "Wessen Bild und Aufschrift ist dies?" - fragte er sie. "Des Kaisers" - war die Antwort. "So gebt denn" - fuhr er fort - "dem Kaiser, "was ihr dem Kaiser schuldet und Gott, was ihr Gott schuldig seid!" Über diese Antwort waren sie verblüfft. Sie kehrten ihm den Rücken und entfernten sich. An demselben Tage kamen die Saduzäer zu ihm, welche die Auferstehung leugnen, und suchten ihn durch folgende Geschichte in Verlegenheit zu bringen: "Meister!" - sagten sie - "Mose hat folgende Anordnung getroffen: Wenn einer kinderlos stirbt, so soll sein Bruder dessen Frau heiraten und dem verstorbenen Bruder Nachkommenschaft sichern. Nun lebten sieben Brüder bei uns. Der erste war verheiratet und starb kinderlos und hinterließ seine Frau seinem Bruder. Ebenso der zweite und dritte; und so kamen schließlich alle sieben an die Reihe. Dann starb auch die Frau, Wem von den sieben wird nun die Frau bei der Auferstehung angehören? Alle sieben haben sie ja zur Frau gehabt." Jesus gab ihnen zur Antwort: "Ihr habt eine ganz irrige Anschauung, weil ihr weder die Schriften noch die Wirkung der Gesetze in der Schöpfung Gottes versteht. Denn bei der Auferstehung braucht sich weder der Mann eine Frau zu suchen, noch die Frau einen Mann. Es wird bei ihnen dasselbe Gesetz herrschen, wie bei den Geistern des Himmels. - Was nun die Auferstehung der Toten selbst betrifft, erinnert ihr euch da nicht des Ausspruches Gottes: 'Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs!' Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden." Als die Volksmenge das hörte, staunte sie über seine Lehre. Es kam den Pharisäern zu Ohren, dass er die Saduzäer zum Schweigen gebracht hatte. Trotzdem traten auch sie wieder an ihn heran, und ein Gesetzesgelehrter von ihrer Partei stellte ihn mit der Frage auf die Probe: "Meister! Welches Gebot im Gesetz hältst du für besonders wichtig?" Er antwortete: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Gesinnung. Das ist das wichtige Gebot, das an der Spitze aller Gebote steht. Ein zweites aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten ist die ganze Lehre des Gesetzes und der Propheten enthalten." Eines Tages fanden sich wieder die Pharisäer bei Jesus ein. Da stellte er an sie die Frage: "Was denkt ihr vom Messias? Wessen Sohn ist er?" Sie antworteten: "Davids." Jesus fragte weiter: "Wie kann denn David unter Eingebung eines heiligen Geistes ihn 'Herrn' nennen, indem er sagt: 'Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde dir zu Füßen legen werde'? Wenn nun David den Messias 'Herrn' nennt, wie kann denn der Messias Davids Sohn sein?" Keiner konnte ihm darauf eine Antwort geben. Eines Tages hielt Jesus vor dem Volk und seinen Jüngern folgende Ansprache: "Auf dem Lehrstuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer. Aber nicht alles, was sie euch lehren, braucht ihr zu beobachten und als wahr hinzunehmen; noch viel weniger ihre Werke nachzuahmen. Denn sie selbst leben nicht nach ihrer Lehre. Sie binden schwere Lasten zusammen, die niemand tragen kann, und legen sie auf die Schultern des Volkes. Sie selbst aber sind nicht gewillt, sie auch nur mit einem Finger anzurühren. Was sie tun, geschieht alles bloß in der Absicht, von den Leuten gesehen zu werden. Deswegen machen sie ihre Gebetsriemen recht breit und ihre Mantelquasten recht lang. Bei den Gastmählern suchen sie sich gern die ersten Plätze aus und in den Synagogen die Ehrensitze. Sie halten darauf, dass sie auf den öffentlichen Plätzen von den Leuten gegrüßt werden und lassen sich von ihnen 'Meister' nennen. Ihr aber sollt euch nicht mit 'Meister' anreden lassen. Denn nur Einer ist euer 'Meister', ihr aber seid alle Brüder. Und zu keinem auf Erden sollt ihr 'Vater' sagen; denn nur Einer ist euer Vater, nämlich der im Himmel. Auch 'Lehrer' sollt ihr euch nicht nennen lassen. Nur Einer ist euer Lehrer, nämlich der Messias. Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Ihr schließt die Türe zum Geisterreich Gottes vor den Menschen zu. Ihr selbst geht nicht hinein; aber ihr lasst auch die nicht hinein, die hineingehen möchten." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Eure Habgier verschlingt die Habseligkeiten der Witwen als Entgelt für die langen Gebete, die ihr angeblich für sie verrichtet. Euer Strafurteil für eine solche Handlungsweise wird um so härter sein." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Ihr reiset über Land und Meer, um einen einzigen Menschen als Glaubensgenossen zu gewinnen. Und wenn ihr ihn gewonnen habt, so macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, das doppelt so schlimm ist als ihr selbst. Wehe euch, ihr blinden Führer! Wie könnt ihr behaupten: Wer beim Tempel schwört, ist an seinen Eid nicht gebunden; wer jedoch beim Golde des Tempels schwört, muss seinen Schwur halten? Ihr Toren und Blinde! Was steht höher: das Gold oder der Tempel, durch den erst das Gold geheiligt wird? Wie könnt ihr ferner die Behauptung aufstellen: Ein Schwur beim Altar hat nichts auf sich; aber ein Schwur bei der Opfergabe, die auf dem Altare liegt, hat bindende Kraft? Ihr Blinden! Was ist höher zu schätzen: die Opfergabe oder der Altar, der erst der Opfergabe die Weihe gibt? Wer also bei dem Altare schwört, der schwört gleichzeitig auch bei allem, was darauf liegt; und wer bei dem Tempel schwört, der schwört gleichzeitig auch bei dem, der darin wohnt; und wer beim Himmel schwört, der schwört beim Throne Gottes und bei dem, der darauf sitzt." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel; aber die wichtigeren Gesetzesvorschriften, wie zum Beispiel: dass man nicht ungerecht urteilen, dass man barmherzig sein und Gottvertrauen haben soll, - die lasst ihr außer acht. Das eine soll man tun und das andere nicht unterlassen. Ihr blinden Führer! Mücken gießt ihr ängstlich durch das Sieb; aber Kamele schluckt ihr ruhig hinunter." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Ihr haltet zwar die Außenseite des Bechers und der Schüssel rein. Aber innen sind sie angefüllt mit Habsucht und Unsittlichkeit. Du blinder Pharisäer, reinige zuerst das Innere des Bechers! Dann wird auch seine Außenseite rein bleiben." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Ihr gleicht getünchten Grabkammern. Von außen erscheint eine Grabkammer lieblich in ihrem Blumenschmuck. In ihrem Innern aber sie ist voll von Totengebeinen und Verwesungsunrat. So erscheint auch ihr den Menschen äußerlich gottesfürchtig; euer Inneres aber ist voll von Heuchelei und Gottlosigkeit." "Wehe euch, ihr Schriftgelehrte und Pharisäer - ihr Heuchler! Ihr errichtet den Propheten Grabdenkmäler und schmückt die Grabsteine der Gottestreuen. Dabei beteuert ihr immer wieder: Hätten wir zur Zeit unserer Vorfahren gelebt, wir würden uns nicht, gleich diesen, an dem Blute der Propheten versündigt haben. Damit gebt ihr wenigstens zu, dass ihr die Nachkommen der Prophetenmörder seid. Aber auch ihr seid nicht besser. So machet denn das Maß der Schuld eurer Väter voll! Ihr Schlangen! Ihr Otternbrut! Wie wollt ihr dem Strafurteil entgehen, das euch wegen dieser Taten zur Hölle verdammen wird? Seht, auch ich sende zu euch Propheten und Weise und Lehrer. Die einen von ihnen werdet ihr töten und kreuzigen, die andern in euren Synagogen auspeitschen und aus einer Stadt in die andere verfolgen. So wird alles unschuldige Blut über euer Haupt kommen, das auf Erden vergossen worden ist, von dem Blute des unschuldigen Abel an bis auf das Blut des Sacharja, des Sohnes des Berechja, den ihr zwischen dem Tempelhaus und dem Brandopferaltar ermordet habt. Ich sage euch, das alles wird sich an diesem Volke rächen. - Jerusalem, Jerusalem! das du die Propheten tötest und die steinigst, die zu dir gesandt werden! Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt; doch ihr habt nicht gewollt. So muss denn eure himmlische Wohnung leer bleiben. Denn ich sage euch, dass ihr mich von jetzt an nicht mehr sehen werdet, bis zu dem Tage, wo ihr ausruft: 'Gesegnet sei, der da kommt im Namen Gottes!'" Jesus wanderte eines Tages hinaus ins Freie. Von dem Wege aus, auf dem er ging, war in der Ferne der Tempel zu sehen. Da traten seine Jünger zu ihm und machten ihn auf den Prachtbau des Tempels aufmerksam. Er gab ihnen zur Antwort: "Ja, ihr seht das alles jetzt mit staunenden Blicken; doch ich sage euch: Daran wird kein Stein auf dem andern bleiben; alles wird niedergerissen." Dann setzte er sich auf dem Ölberge nieder; und als seine Jünger mit ihm allein waren, wandten sie sich mit der Bitte an ihn: "Sage uns doch: wann wird das denn eintreffen? Was wird ferner das Zeichen deiner Wiederkunft und der Abschluss dieser Zeitperiode sein?" Jesus entgegnete: "Gebt acht, dass euch niemand Irriges darüber sagt. Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Messias, und werden viele irreführen. Ihr werdet von Kriegen und Kriegsgerüchten hören. Lasst euch dadurch nicht in Schrecken setzen. Denn das alles kommt notwendigerweise von Zeit zu Zeit. Es bedeutet also noch nicht das Ende. Auch wird ein Volk sich gegen das andre erheben und ein Reich gegen das andre. Seuchen und Hungersnot werden kommen und Erdbeben bald hier, bald dort entstehen. Doch das alles bedeutet erst den Anfang der Leiden. Dann wird man schwere Drangsale über euch bringen und euch töten; denn ihr werdet allen Ungläubigen um meines Namens willen verhasst sein. Dann werden viele an der Wahrheit irre werden, einander verraten und mit Hass verfolgen. Auch Werkzeuge der bösen Geisterwelt werden in großer Zahl auftreten und viele in Irrtum führen. Und weil die Gottlosigkeit überhand nimmt, wird die Liebe bei der größten Mehrzahl der Menschen erkalten. Wer aber bis zuletzt standhaft bleibt, wird gerettet werden. Und diese Heilsbotschaft vom Gottesreich wird im ganzen Weltall gepredigt werden, damit alle Ungläubigen die Wahrheit kennen lernen, und dann wird das Ende für dieses Volk gekommen sein." "Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, der von dem Propheten Daniel vorausgesagt wurde, - und jeder, der lesen kann, mag sich diese Stelle ansehen - an geweihter Stätte sehet, dann soll die Bevölkerung von Judäa ins Gebirge flüchten; wer dann auf dem Dache ist, steige nicht erst hinab, um noch eine Habe aus dem Hause zu holen. Und wer auf dem Felde ist, kehre nicht erst zurück, um seine Kleider mitzunehmen. Wehe aber den Frauen, die in Hoffnung sind und denen, die ihr Kind an der Mutterbrust zu stillen haben. Betet, dass eure Flucht nicht in den Winter oder auf den Sabbat falle. Denn es wird alsdann eine Zeit schwerer Drangsale beginnen, wie noch keine seit Anfang der Welt bis jetzt gewesen ist und auch späterhin mehr sein wird. Und wenn jene Tage nicht abgekürzt würden, könnte kein Mensch gerettet werden. Aber um der Auserwählten willen wird die Zahl jener Tage verringert werden. Wenn dann jemand zu euch sagt: Seht, hier ist der Messias! oder: Dort ist er! - so glaubet es nicht! Denn es werden falsche 'Messiase' und falsche Propheten auftreten und große Zeichen und Wunder verrichten, um wo möglich auch die Auserwählten in Irrtum zu führen. Seht, ich habe es euch vorher gesagt. Machen sie euch also die Mitteilung, der Messias sei in der Wüste, so gehet nicht dorthin; behaupten sie, er sei in diesem oder jenem Hause, so glaubet es nicht. Denn nicht von dieser Art wird die Wiederkunft Christi sein; sie wird vielmehr einem Blitz gleichen, der im Osten aufleuchtet und seinen Strahl bis zum westlichen Himmel wirft. - Wo das Aas ist, da finden sich die Geier ein -." "Sogleich nach jener Zeit der Drangsal wird für deren Opfer die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren; das Licht der Sterne wird für sie am Himmelsgewölbe verschwinden, und die Gewalthaber der niederen Sphären des Jenseits werden in Bestürzung geraten. Denn dann wird das Zeichen des Menschensohnes im Jenseits erscheinen. Alle Geister der irdischen Sphären werden wehklagen. Sie werden den Menschensohn an der Spitze der himmlischen Heerscharen mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen. Er wird seine Geisterboten unter lautem Posaunenschall aussenden, und sie werden die von ihm dazu Bestimmten von allen vier Windrichtungen her, von einem Ende des Jenseits bis zum andern, zusammenbringen." "Das, was ihr am Feigenbaum wahrnehmet, möge euch als Erinnerungszeichen gelten. Werden seine Zweige saftig, und treiben sie Blätter hervor, so erkennt man daran, dass der Sommer nahe ist. So könnt auch ihr beim Anblick alles dessen, was ich euch eben gesagt habe, sofort erkennen, dass die Erfüllung unmittelbar bevorsteht. "Ich sage euch, dass dieses Volk nicht eher aufhören wird, bis das alles in Erfüllung gegangen ist. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht unerfüllt verklingen. Von dem Tage und der Stunde der Erfüllung hat jedoch niemand Kenntnis, weder die Engel des Himmels noch auch der Sohn, sondern einzig und allein mein Vater. Wie es in den Tagen des Noah gewesen ist, so wird es auch zur Zeit der Wiederkunft des Menschensohnes sein. In den Tagen vor der Sintflut gaben sie sich dem Essen und Trinken hin, Männer suchten den Geschlechtsverkehr mit Frauen und Frauen mit den Männern, bis die Stunde kam, wo Noah in die Arche ging. Sie merkten nichts, bis die Flut kam und alle hinwegraffte. So wird es auch jedesmal sein, wenn der Menschensohn wiederkommt. Dann werden zwei Männer auf dem Felde arbeiten: der eine wird mitgenommen und der andere zurückgelassen. Zwei Frauen werden nebeneinander auf der Handmühle mahlen: die eine wird mitgenommen, die andere wird zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisset nicht, an welchem Tage euer Herr kommt. Das aber wird euch klar sein: wenn der Hausherr wüsste, in welcher Stunde der Nacht der Dieb käme, so würde er wach bleiben und einen Einbruch in sein Haus zu verhindern wissen. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr ihn nicht erwartet. Wer ist demnach der treue und kluge Knecht, den der Herr über sein Hauswesen gesetzt hat, damit er jedem den ihm zukommenden Unterhalt verabreicht? Derjenige Knecht ist glücklich zu preisen, den der Herr bei seiner Rückkehr bei der ihm zugewiesenen Arbeit findet. Ich sage euch: Er wird ihn über seine sämtlichen Güter setzen. Wenn aber einer zu den schlechten Knechten gehört, dann denkt er in seinem Herzen: Mein Herr kommt noch lange nicht und er beginnt seine Mitknechte zu misshandeln, und schmaust und hält Weingelage mit den Trunkenbolden; dann aber wird der Herr eines solchen Knechtes an einem Tage ankommen, an dem er ihn nicht erwartete und zu einer Stunde, die er nicht vorausgesehen hatte. Er wird ihn in Stücke hauen lassen und ihm seinen gebührenden Teil bei den Heuchlern geben. Da wird lautes Heulen und Zähneknirschen sein." "Bei der Zulassung zum Geisterreich Gottes wird es ähnlich ergehen, wie bei den zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Brautpaar entgegengingen. Fünf von ihnen erwiesen sich als töricht und fünf als klug. Die törichten nahmen zwar die Lampen mit, aber kein Öl. Die klugen aber nahmen außer den Lampen auch Öl in Gefäßen mit sich. Da die Ankunft des Brautpaares sich verzögerte, wurden alle müde vom langen Warten und schliefen ein. Um Mitternacht hörte man plötzlich den Ruf: 'Der Bräutigam ist da! Schnell hinaus, ihm entgegen!' Alle Jungfrauen standen auf und bekränzten ihre Lampen. Die törichten aber sagten zu den klugen: Bitte, gebt uns doch etwas von eurem Öl; denn unsere Lampen sind am Verlöschen! Die klugen aber antworteten: Das geht nicht; denn das Öl würde für uns und euch zusammen nicht ausreichen. Geht lieber zum Krämer und kauft euch euren Bedarf! Während sie nun kaufen gingen, kam der Bräutigam an. Die Jungfrauen, die zum Empfang bereit standen, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal, und die Türe wurde sofort geschlossen. Später kamen dann auch die andern Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mache uns auf! Er gab ihnen zur Antwort: Ich kenne euch nicht. - Darum seid wachsam! Denn Tag und Stunde der Ankunft des Menschensohns sind euch nicht bekannt." "Ein Mann wollte eine Reise antreten. Er ließ seine Knechte rufen und übergab ihnen sein Vermögen; der eine bekam fünftausend Mark, der andere zweitausend, der dritte eintausend, - ein jeder nach seiner persönlichen Fähigkeit. Dann reiste er ab. Der fünftausend Mark erhalten hatte, arbeitete sofort mit dem Gelde und machte einen Gewinn in Höhe von fünftausend Mark. Ebenso gewann der Besitzer der zweitausend Mark weitere zweitausend. Der nur eintausend Mark bekommen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und versteckte darin das Geld seines Herrn. Lange Zeit nachher kam der Herr zurück und rechnete mit seinen Knechten ab. Zuerst kam der an die Reihe, der die fünftausend Mark empfangen hatte. Er brachte außer diesen noch weitere fünftausend mit und sprach: Herr, du hattest mir fünftausend Mark gegeben; ich habe noch fünftausend dazu verdient. Da sagte sein Herr zu ihm: Wohlan, du guter und getreuer Knecht; du hast deine Treue im Kleinen gezeigt, darum will ich dir Großes anvertrauen. Komm und genieße die Seligkeit deines Herrn! Dann trat der vor, der die zweitausend Mark erhalten hatte und sprach: Herr, zweitausend Mark hattest du mir gegeben; siehe, zweitausend habe ich dazu verdient. Da sagte der Herr auch zu ihm: Wohlan, du guter und getreuer Knecht; auch du hast deine Treue im Kleinen bewährt; darum will ich auch dir Großes anvertrauen. Komm und genieße die Seligkeit deines Herrn! Zuletzt kam der mit den eintausend Mark und sprach: Herr, ich kannte dich als einen strengen Mann, der ernten will, wo er nicht gesät und sammeln will, wo er nichts hingestreut hat. Da bekam ich Angst und ging hin und vergrub deine tausend Mark in die Erde. Hier hast du dein Geld wieder. Da entgegnete ihm sein Herr: Du schlechter und fauler Knecht! Also du wusstest, dass ich ernten will, wo ich nicht gesät und einsammeln will, wo ich nichts hingestreut habe? Hättest du dann nicht mein Geld bei den Banken anlegen sollen? Dann würde ich bei meiner Rückkehr das Meine wenigstens mit Zinsen zurückerhalten haben. Darum nehmt ihm die tausend Mark ab und gebt sie dem, der die zehntausend besitzt. Denn jedem, der viel geleistet hat, wird noch dazu gegeben, damit er im Überfluss hat. Wer aber nichts geleistet hat, dem wird auch das noch weggenommen, was er zuerst besaß. Den unnützen Knecht aber werft hinaus in die Finsternis. Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein." "Jedesmal, wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Geisterboten mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Macht setzen. Alle Arten von Geistern werden vor ihm versammelt werden, und er wird sie von einander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Die Schafe wird er zu seiner Rechten, die Böcke zu seiner Linken stellen. Da wird dann der König zu denen auf seiner rechten Seite sagen: Kommt, die ihr den Segen meines Vaters besitzt, empfanget als euer Erbe das Reich, das für euch seit Grundlegung der Welt bereit gehalten wurde. Denn ich war hungrig, und ihr gabt mir Speise; ich war durstig, und ihr gabt mir zu trinken; ich war ein Fremder, und ihr gewährtet mir Herberge; ich war ohne Kleidung, und ihr bedecktet meine Blöße; ich war krank, und ihr besuchtet mich; ich lag im Gefängnis, und ihr kamt zu mir. Dann werden ihm die Gottestreuen antworten: 'Herr, wann sahen wir dich hungrig und gaben dir Speise? Oder durstig und gaben dir zu trinken? Wann sahen wir dich als Fremden und gewährten dir Herberge? Oder trafen dich ohne Kleidung und bedeckten deine Blöße? Wann sahen wir dich krank oder fanden dich im Gefängnis und kamen zu dir?' Dann wird der König ihnen zur Antwort geben: 'Alles, was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern tatet, das habt ihr mir erwiesen.' Darauf wird er zu denen auf seiner linken Seite sagen: 'Hinweg von mir, ihr Fluchbeladenen, in das Feuer des Leidens, das unbestimmte Zeitperioden hindurch dauert, und das mein Vater für den Teufel bestimmt hat und für die Geister, die ihm angehören. Denn ich war hungrig, und ihr gabt mir nichts zu essen; ich war durstig, und ihr gabt mir nichts zu trinken; ich war fremd und fand bei euch keine Herberge; ich war ohne Kleidung, und ihr bedecktet nicht meine Blöße; ich war krank und lag im Gefängnis, und ihr habt mich nicht besucht.' Dann werden auch diese entgegnen: 'Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig, als Fremden oder ohne Kleidung, krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir keine Dienste geleistet?' Dann wird er ihnen zur Antwort geben: 'Alles, was ihr einem von diesen Geringsten versagtet, das habt ihr mir versagt.' Diese werden eine neue Zeitperiode des Leidens antreten, die Gottestreuen aber ihre Zeit himmlischen Lebens." Als er mit diesen Belehrungen zu Ende war, wandte er sich an seine Jünger. "Ihr wisst", - sagte er - "dass übermorgen das Osterfest ist. Dann wird der Menschensohn zur Kreuzigung ausgeliefert." - Damals kamen die Oberpriester und Ältesten im Palast des Hohenpriesters Kaiphas zusammen und beratschlagten, wie sie Jesus durch eine List in ihre Hände bekommen und töten könnten. Darüber waren sie sich einig, dass dies nicht während des Osterfestes geschehen dürfe, damit kein Aufruhr unter dem Volke entstehe. Jesus war in Bethanien im Hause Simons, des Aussätzigen, eingekehrt. Da kam eine Frau zu ihm, die ein Alabastergefäß mit kostbarem Salböl trug. Während er zu Tische lag, goss sie es ihm über das Haupt. Als die Jünger dies sahen, wurden sie unwillig; denn sie sagten sich: "Wozu eine solche Verschwendung? Dieses Salböl hätte man teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können." Jesus merkte ihre Stimmung und fragte sie: "Warum wollt ihr dieser Frau Vorwürfe machen? Sie hat ein gutes Werk an mir getan; Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber nicht. Mit diesem Öl, das sie auf meinen Körper goss, wollte sie mich für meine Beerdigung salben. Ich sage euch: Wo immer in der ganzen Welt diese Heilsbotschaft verkündigt werden wird, soll man auch das erzählen, was diese Frau jetzt getan hat, und so ihr Andenken ehren." Judas Ischariot, einer von den Zwölf, ging zu den Oberpriestern und stellte die Frage an sie: "Was wollt ihr mir zahlen, wenn ich ihn euch in die Hände liefere?" Da wogen sie ihm dreißig Silberlinge hin. Von dieser Stunde an suchte er nach einer günstigen Gelegenheit ihn zu verraten. Am ersten Tage der ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und fragten ihn: "Wo sollen wir dir das Ostermahl herrichten?" Er antwortete: "Gehet in die Stadt zu dem so und so und sagt ihm: Der Meister lässt dir mitteilen: Meine Zeit ist nahe; bei dir will ich das Abendmahl mit meinen Jüngern halten." Die Jünger taten, wie Jesus ihnen aufgetragen hatte und richteten das Ostermahl her. Als es dann Abend geworden war, legte er sich mit seinen Zwölfen zu Tisch. Während des Mahles sagte er plötzlich: "Einer von euch wird mich verraten." Da wurden sie sehr bestürzt, und einer nach dem andern richtete die Frage an ihn: "Ich bin es doch nicht, Herr?" Er gab ihnen zur Antwort: "Der mit mir zusammen die Hand in die Schüssel getaucht hat, wird mein Verräter sein. Der Menschensohn geht zwar seinen Schicksalsweg, wie er in der Schrift niedergelegt ist; doch wehe dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für jenen besser, wenn er nicht geboren wäre." Da fragte ihn auch Judas, sein Verräter: "Meister, ich bin es doch nicht?" -Er entgegnete: "Ja, du bist es!" Während des Mahles nahm Jesus Brot, sprach ein Gebet, brach das Brot und gab es seinen Jüngern mit den Worten: "Nehmet hin und esset! Das ist das Sinnbild meines Leibes." Dann nahm er einen Becher, sprach ein Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: "Trinket alle daraus! Denn dies ist das Sinnbild meines Blutes, des Blutes des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch aber, dass ich von nun an von diesem Erzeugnis des Weinstocks nicht mehr trinke, bis zu dem Tage, wo ich es im Reiche meines Vaters trinken werde und zwar in einer Form, die euch unbekannt ist." Dann stimmten sie den Lobgesang an, verließen den Saal und gingen zum Ölberg. Unterwegs sagte er zu ihnen: "In dieser Nacht werdet ihr alle mich verlassen; denn es steht geschrieben: 'Ich werde den Hirten niederschlagen, dann werden die Schafe der Herde sich zerstreuen.' Aber nach meiner Auferstehung will ich vor euch nach Galiläa gehen." Da antwortete ihm Petrus: "Mögen auch alle dich im Stiche lassen, - ich niemals." - "Ich sage dir", - entgegnete Jesus - "noch in dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen." Petrus erwiderte: "Selbst wenn ich mit dir sterben müsste, werde ich dich doch nicht verleugnen." Das gleiche versicherten auch die andern Jünger alle. Nun gelangte Jesus mit ihnen an einen Platz, namens Gethsemane. Da sagte er zu seinen Jüngern: "Setzet euch hier nieder, während ich da drüben hingehe und bete. Nur den Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus nahm er mit sich. Da befiel ihn ein Gefühl tiefster Niedergeschlagenheit und Verlassenheit. Er wandte sich an sie mit den Worten: "So über alle Maßen groß ist die Betrübnis meiner Seele, dass ich wünschte, ich wäre tot. Bleibet doch bei mir und wachet mit mir!" Dann ging er ein wenig weiter, warf sich auf sein Angesicht nieder und betete: "Mein Vater, wenn es möglich ist, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst." Dann kam er wieder zu den drei Jüngern zurück und fand sie eingeschlafen. Da wandte er sich an Petrus mit den Worten: "Also nicht einmal soviel Kraft hattet ihr, auch nur eine Stunde mit mir wach zu bleiben? Wachet und betet, damit ihr nicht in der Versuchung zu Falle kommt. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach." Zum zweitenmal ging er hin und betete; "Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille." Dann kam er zurück und fand sie wieder eingeschlafen, denn ihre Augen waren ihnen vor Müdigkeit zugefallen. Er weckte sie nicht, sondern ging zurück und betete mit denselben Worten wie vorher. Dann kam er zu den Jüngern und sagte: "Ein andermal könnt ihr schlafen und ausruhen. Jetzt ist die Stunde da, wo der Menschensohn den von Gott Abgefallenen in die Hände geliefert wird. Steht auf und lasst uns gehen! Seht, mein Verräter ist schon in der Nähe." Während er noch redete, kam plötzlich Judas, einer von den Zwölfen, und mit ihm ein großer Volkshaufe mit Schwertern und Knütteln im Auftrag der Hohenpriester und Ältesten des Volkes. Sein Verräter hatte als Zeichen mit ihnen vereinbart: "Der, den ich küssen werde, der ist's, - den ergreift!" Er trat also sofort auf Jesus zu. "Sei gegrüßt, Meister!" - sagte er - und dabei küsste er ihn. - "Freund", - entgegnete Jesus - "wozu bist du hier?" Da traten sie heran, legten Hand an Jesus und nahmen ihn fest. Einer von den Begleitern Jesu griff nach dem Schwerte, schlug damit nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Da sagte Jesus zu ihm: "Stecke dein Schwert in die Scheide; denn wer das Schwert ergreift, soll durch das Schwert umkommen. Oder meinst du, mein Vater würde mir nicht auf meine Bitte sofort mehr als zwölf Legionen Engel zu Hilfe senden? Wie könnten dann aber die Aussprüche der Schrift in Erfüllung gehen, nach denen alles so kommen muss?" Dann wandte sich Jesus zu dem Volkshaufen und redete ihn mit den Worten an: "Mit Schwertern und Knüppeln seid ihr ausgegangen, um mich wie einen Räuber zu fangen. Täglich saß ich im Tempel und lehrte, und ihr nahmt mich nicht fest. Dies alles ist aber so gekommen, damit die Schriften der Propheten in Erfüllung gingen." Hierauf ließen ihn die Jünger alle im Stich und ergriffen die Flucht. Die Jesus festgenommen hatten, führten ihn zum Hohenpriester Kaiphas. Bei ihm hatten sich die Schriftgelehrten und Ältesten versammelt. Petrus folgte ihm von weitem bis zum Palast des Hohenpriesters. Dort trat er ein und setzte sich unter die Knechte, um zu sehen, wie die Sache ausgehen würde. Die Oberpriester und der ganze Hohe Rat suchten nach einem falschen Zeugnis, um Jesus zum Tode verurteilen zu können; doch sie fanden keins, wiewohl viele falsche Zeugen auftraten. Zuletzt kamen zwei und sagten aus: "Dieser Mann hat behauptet: 'Ich kann den Tempel Gottes niederreißen und ihn in drei Tagen wieder aufbauen'." Da stand der Hohepriester auf und fragte ihn: "Entgegnest du nichts auf die Aussagen dieser Zeugen?" Jesus aber schwieg. Da richtete der Hohepriester die Worte an ihn: "Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sage uns, ob du der Messias, der Sohn Gottes bist." Darauf gab ihm Jesus die Antwort: "Ja, ich bin es. Und ich gebe euch hiermit die feierliche Erklärung: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten des Allmächtigen sitzen und an der Spitze der himmlischen Geisterscharen kommen sehen." Da zerriss der Hohepriester seine Kleider mit den Worten: "Er hat Gott gelästert. Wozu brauchen wir also noch Zeugen? Ihr habt ja selbst seine Gotteslästerung gehört. Was für ein Urteil wollt ihr fällen?" Sie antworteten: "Er ist des Todes schuldig!" Dann spieen sie ihm ins Gesicht und schlugen ihn mit Fäusten. Andere gaben ihm Backenstreiche und höhnten dabei: "Weissage uns, Messias! Wie heißt der, der dich geschlagen hat?" Petrus saß unterdessen draußen im Hofe. Hier trat eine Magd zu ihm und sagte: "Du bist auch bei Jesus, dem Galiläer, gewesen!" Er leugnete es jedoch vor allen. "Ich verstehe nicht", - sagte er - "wie du nur so etwas behaupten kannst." Dann ging er in die Torhalle hinaus. Dort bemerkte ihn eine andere Magd und machte die Umstehenden auf ihn aufmerksam. "Dieser ist bei Jesus von Nazareth gewesen", - sagte sie. Da leugnete er wieder und schwur: "Ich kenne jenen Menschen nicht." Nach einer Weile traten die Leute, die da umher standen, dicht an Petrus heran mit den Worten: "Sicher gehörst du zu ihnen; schon deine Sprache verrät dich." Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören, dass er jenen Menschen nicht kenne. Gleich darauf krähte der Hahn. Da dachte Petrus daran, dass Jesus ihm gesagt hatte: 'Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.' Als der Morgen graute, fassten alle Oberpriester und die Ältesten des Volkes einen Beschluss gegen Jesus, seine Hinrichtung durchzusetzen. Sie ließen ihn fesseln und fortführen und übergaben ihn dem Statthalter Pontius Pilatus. Als der Verräter Judas sah, dass das Todesurteil über Jesus ausgesprochen war, fühlte er Reue über seine Tat. Er brachte die dreißig Silberlinge den Oberpriestern und Ältesten zurück und bekannte: "Ich sündigte, als ich unschuldiges Blut verriet." Jene aber entgegneten: "Was geht das uns an? Siehe, wie du mit dir fertig wirst!" Da warf er die Silberlinge in den Tempel, rannte hinaus, fort aus der Stadt, und erhängte sich. Die Oberpriester nahmen die Silberlinge und meinten: "Es geht nicht an, dass wir sie in den Tempelschatz tun; denn es ist Blutgeld." Sie fassten den Beschluss, für das Geld den Acker eines Töpfers zu kaufen und bestimmten ihn zum Begräbnisplatz für Fremde. - - - Hier erfüllte sich das Wort des Propheten Jeremia: "Sie nahmen die dreißig Silberlinge, den Geldwert des so Gewerteten, den man von Seiten der Kinder Israels so bewertet hatte, und gaben sie für den Töpferacker, wie der Herr es bestimmt hatte." Jesus wurde dem Statthalter vorgeführt. Dieser fragte ihn: "Bist du der König der Juden?" Jesus antwortete: "Ja, ich bin es." Auf die Anklagen der Oberpriester und Ältesten gab er jedoch keine Antwort. Da richtete Pilatus an ihn die Frage: "Hörst du nicht, was diese hier alles gegen dich vorbringen?" Doch er antwortete auch ihm auf keine einzige Frage, so dass sich der Statthalter sehr wunderte. An jedem Fest pflegte nun der Statthalter dem Volke einen Gefangenen nach ihrer Wahl frei zu geben. Damals hatte man einen berüchtigten Gefangenen, namens Barabbas. Da fragte Pilatus die versammelte Volksmenge: "Wen soll ich euch frei geben, Barabbas oder Jesus, den angeblichen Messias?" Er wusste nämlich, dass man diesen nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte. Während er nun auf seinem Richterstuhl saß, schickte seine Frau einen Boten und ließ ihm sagen: "Habe du ja nichts mit diesem Gottesfürchtigen zu schaffen; denn ich habe die letzte Nacht im Traum um seinetwillen viel ausgestanden." - Die Oberpriester und Ältesten redeten auf das Volk ein, sich den Barabbas freigeben zu lassen und Jesu Hinrichtung zu fordern. Da richtete der Statthalter nochmals die Frage an sie: "Wen von beiden soll ich euch freigeben?" Sie riefen: "Barabbas!" - Pilatus fragte weiter: "Was soll ich denn mit Jesu, dem angeblichen Messias, machen?" Alle riefen: "Ans Kreuz mit ihm!" Der Statthalter entgegnete: "Was hat er denn Böses getan?" Sie schrieen nur noch lauter: "Ans Kreuz mit ihm!" Als Pilatus sah, dass er nichts erreichte, sondern dass der Lärm immer noch größer wurde, ließ er sich Wasser bringen und wusch sich vor den Äugen des Volkes die Hände mit den Worten: "Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten; machet, was ihr wollt!" Da antwortet das ganze Volk: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Hierauf gab er ihnen den Barabbas frei; Jesus aber gab er Geißelhiebe zum Zeichen des Todesurteils und übergab ihn dann zur Kreuzigung. Die Soldaten des Statthalters nahmen Jesus mit sich in die Statthalterei und versammelten dort die ganze Abteilung um ihn. Sie entkleideten ihn, legten ihm einen Purpurmantel um, flochten eine Dornenkrone, setzten sie ihm aufs Haupt und gaben ihm ein Rohr in die rechte Hand. Dann fielen sie vor ihm auf die Knie und riefen ihm höhnend zu: "Sei gegrüßt, König der Juden!" Dann spieen sie ihn an, nahmen das Rohr aus seiner Hand und schlugen ihn damit auf das Haupt. Nachdem sie so den Spott mit ihm getrieben, nahmen sie ihm den Mantel wieder ab und legten ihm seine Kleider wieder an. Später führten sie ihn zur Kreuzigung ab. Unterwegs trafen sie einen Mann aus Cyrene, namens Simon. Diesen zwangen sie, für ihn das Kreuz zu tragen. So gelangten sie auf den Platz, der Golgotha hieß, was "Schädelstätte" bedeutet. Hier gaben sie ihm Wein mit Galle vermischt zu trinken. Doch als er ihn geschmeckt hatte, wollte er ihn nicht trinken. Dann kreuzigten sie ihn und verteilten seine Kleider unter sich, indem sie darum losten. Hierauf setzten sie sich hin und hielten bei ihm Wache. Über seinem Haupte hatte man die Inschrift angebracht, welche den Grund der Hinrichtung angeben sollte. Sie lautete: "Dies ist Jesus, der König der Juden!" Gleichzeitig mit ihm wurden zwei Räuber gekreuzigt, der eine zu seiner Rechten, der andere zu seiner Linken. Die Vorübergehenden stießen Schmähworte gegen ihn aus. Man schüttelte den Kopf und rief ihm zu: "Du wolltest ja den Tempel niederreißen und ihn in drei Tagen wieder aufbauen; rette dich nun selbst! Bist du ein Sohn Gottes, so steige herab vom Kreuze!" Ebenso verhöhnten ihn auch die Hohenpriester samt den Schriftgelehrten und Ältesten. Sie riefen ihm zu: "Andern hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er will ja der König von Israel sein. So möge er jetzt vom Kreuze heruntersteigen; dann wollen auch wir an ihn glauben. Er hat ja sein Vertrauen auf Gott gesetzt, der rette ihn jetzt, wenn er Wohlgefallen an ihm hat. Er hat doch gesagt: 'Ich bin ein Sohn Gottes.'" In gleicher Weise schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren. Von zwölf Uhr mittags an kam eine Finsternis über das ganze Land und dauerte bis drei Uhr nachmittags. Um drei Uhr nachmittags rief Jesus mit lauter Stimme: "Eli, Eli, lama sabachthani?" - das heißt: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Als einige von den Umstehenden dies hörten, sagten sie: "Der ruft den Elia!" Sogleich lief einer von ihnen hin, nahm einen Schwamm, füllte ihn mit Essig, steckte ihn an ein Rohr und wollte ihm zu trinken geben. Die andern aber sagten: "Lass das! Wir wollen sehen, ob Elia wirklich kommt und ihn rettet." Jesus aber stieß noch einmal einen lauten Schrei aus und gab dann seinen Geist auf. Da zerriss der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Stücke, die Erde erbebte und die Felsen zersprangen. Die Grabkammern wurden offen gelegt und viele Leichen der Entschlafenen empor gerichtet. In ihrer aufrechten Stellung ragten sie aus den Grabkammern heraus und wurden von vielen gesehen, die dort auf dem Rückwege zur Stadt vorüberkamen. Als der Hauptmann und seine Leute, die Jesus bewachten, das Erdbeben und die andern Ereignisse sahen, gerieten sie in großen Schrecken und fühlten sich zu dem Bekenntnis gezwungen: "Dieser ist wirklich der Sohn eines Gottes." Viele Frauen schauten von weitem zu. Sie waren Jesus aus Galiläa nachgefolgt und hatten ihm ihre Dienste gewidmet. Unter ihnen waren Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus und des Joseph, sowie die Mutter der Söhne des Zebedäus. Am späten Nachmittag kam ein reicher Mann aus Arimathäa, namens Joseph, der auch ein Jünger Jesu geworden war, und begab sich zu Pilatus. Er erbat sich von ihm den Leichnam Jesu. Pilatus ließ ihm den Leichnam aushändigen. Joseph nahm ihn, wickelte ihn in reine Leinwand und legte ihn in das neue Grab, das er sich selbst im Felsen hatte aushauen lassen. Dann ließ er einen großen Stein vor den Eingang des Grabes wälzen und entfernte sich. Dabei waren Maria von Magdala und die andere Maria zugegen. Sie saßen dem Grabe gegenüber. Am nächsten Tage, der auf den Rüsttag folgt, kamen die Hohenpriester und die Pharisäer miteinander zu Pilatus und sagten: "Herr, wir erinnern uns, dass jener Irrlehrer bei seinen Lebzeiten behauptet hat, er werde nach drei Tagen wieder auferweckt. Lass also das Grab bis zum dritten Tage gut bewachen, damit nicht etwa seine Jünger kommen und seine Leiche stehlen und dann zum Volke sagen, er sei von den Toten auferweckt worden. Dann wäre der letzte Betrug noch schlimmer als der erste." Pilatus gab ihnen zur Antwort: "Ihr sollt eine Wache haben. Gehet hin und sichert euch, so gut ihr könnt!" Da gingen sie hin, versiegelten den Stein und sicherten das Grab mit Hilfe einer Wache. Nach Ablauf des Sabbats, im Morgengrauen des ersten Tages nach dem Sabbat, gingen Maria von Magdala und die andere Maria hin, um nach dem Grabe zu sehen. Da entstand plötzlich ein starkes Erdbeben. Denn ein Bote des Herrn, der vom Himmel herabgekommen und herangetreten war, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Sein Aussehen war leuchtend wie ein Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee. Aus Furcht vor ihm zitterten die Wächter und fielen wie tot hin. Der Engel aber redete die Frauen mit den Worten an: "Ihr braucht euch nicht zu fürchten. Ich weiß, dass ihr Jesum, den Gekreuzigten sucht. Er ist nicht hier. Er ist auferstanden, wie er es vorausgesagt hat. Kommt her und sehet euch die Stelle an, wo der Herr gelegen hat. Geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er von den Toten auferstanden sei und euch nach Galiläa voran gehen wird. Dort werdet ihr ihn sehen. Beachtet wohl, was ich euch mitgeteilt habe." Da eilten sie von dem Grabe fort in großer Furcht und doch auch in großer Freude, um seinen Jüngern schnell die Botschaft zu bringen. Da begegnete ihnen Jesus und redete sie an mit den Worten: "Seid gegrüßt!" Sie gingen auf ihn zu und vor ihm niederkniend umfassten sie seine Knie. Hierauf sagte Jesus zu ihnen; "Gehet hin und meldet meinen Brüdern, sie sollten nach Galiläa gehen. Dort werden sie mich wiedersehen." Inzwischen kamen einige von den Grabeswächtern in die Stadt und meldeten den Oberpriestern alles, was sich zugetragen hatte. Diese versammelten die Ältesten um sich und hielten zusammen eine Beratung ab. Das Ergebnis war, dass sie den Soldaten reichlich Geld gaben und ihnen folgende Anweisung erteilten: "Streuet folgendes Gerücht aus: Seine Jünger sind bei Nacht gekommen und haben, während wir schliefen, seine Leiche gestohlen. Sollte dies dem Statthalter zu Ohren kommen, so wollen wir ihn schon beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt." Da nahmen sie das Geld und taten nach der empfangenen Weisung. Und so ist dies Gerede bei den Juden im Umlauf bis auf den heutigen Tag. Die elf Jünger begaben sich nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber zweifelten. Da trat Jesus zu ihnen, redete sie an und sprach: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern, indem ihr sie tauft im Namen des Vaters und des Sohnes, in einem heiligen Geist. Und lehrt sie alles halten, was ich euch geboten habe. Ich gebe euch die feste Zusicherung: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Weltzeit!" Anfang der guten Botschaft über Jesus Christus: So, wie es in Jesaja, dem Propheten, geschrieben steht: ?(Siehe! Ich sende meinen Boten vor deinem Angesicht her, der deinen Weg bereiten wird.) Horch! Es ruft jemand in der Wildnis: ?Bereitet den Weg Jehovas, macht seine Straßen gerade' ", so trat Johannes, der taufte, in der Wildnis auf [und] predigte die Taufe [als Symbol] der Reue zur Vergebung von Sünden. Demzufolge zogen das ganze Gebiet von Judäa und alle Bewohner von Jerusalem zu ihm hinaus, und sie wurden von ihm im Jordanfluß getauft, indem sie offen ihre Sünden bekannten. Johannes nun war mit Kamelhaar und mit einem ledernen Gürtel um seine Lenden bekleidet und aß Heuschrecken und wilden Honig. Und er predigte und sprach: ?Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich; ich bin nicht wert, mich zu bücken und die Riemen seiner Sandalen zu lösen. Ich taufte euch mit Wasser, er aber wird euch mit heiligem Geist taufen." Im Laufe jener Tage kam Jesus von Nazareth in Galiläa und wurde von Johannes im Jordan getauft. Und sogleich, als er aus dem Wasser heraufkam, sah er die Himmel sich teilen und den Geist gleich einer Taube auf ihn herabkommen; und eine Stimme kam aus den Himmeln: ?Du bist mein Sohn, der geliebte; an dir habe ich Wohlgefallen gefunden." Und sogleich trieb ihn der Geist in die Wildnis. Und er blieb vierzig Tage in der Wildnis, wurde vom Satan versucht, und er war bei den wilden Tieren, doch die Engel dienten ihm. Nachdem nun Johannes in Haft genommen worden war, ging Jesus nach Galiläa, predigte die gute Botschaft Gottes und sprach: ?Die bestimmte Zeit ist erfüllt, und das Königreich Gottes hat sich genaht. Bereut und glaubt an die gute Botschaft." Während er am Galiläischen Meer entlangwanderte, sah er Simon und Andreas, den Bruder Simons, die [ihre Netze] in das Meer auswarfen, denn sie waren Fischer. Da sagte Jesus zu ihnen: ?Kommt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen." Und sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm. Und nachdem er ein wenig weitergegangen war, sah er Jakobus, den [Sohn] des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, während sie gerade in ihrem Boot waren und ihre Netze ausbesserten; und ohne Zögern rief er sie. Darauf ließen sie ihren Vater Zebedäus mit den Lohnarbeitern im Boot und gingen ihm nach. Und sie gingen nach Kapernaum hinein. Sobald es Sabbat geworden war, begab er sich in die Synagoge und begann zu lehren. Und sie gerieten über seine Art zu lehren in höchstes Erstaunen, denn er lehrte sie wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie die Schriftgelehrten. Auch befand sich gerade zu jener Zeit in ihrer Synagoge ein Mensch, der unter der Macht eines unreinen Geistes stand, und er schrie auf und sprach: ?Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus, du Nazarener? Bist du gekommen, uns zu vernichten? Ich weiß genau, wer du bist: der Heilige Gottes." Jesus aber schalt ihn und sprach: ?Verstumme und fahre von ihm aus!" Und nachdem der unreine Geist ihn in einen Krampf geworfen hatte, fuhr er mit gellendem Aufschrei von ihm aus. Nun waren die Leute alle so erstaunt, daß sie sich untereinander zu besprechen begannen und sagten: ?Was ist das? Eine neue Lehre! Mit Gewalt befiehlt er sogar den unreinen Geistern, und sie gehorchen ihm." Da verbreitete sich der Bericht über ihn sogleich nach allen Richtungen durch die ganze Umgegend in Galiläa. Und sogleich gingen sie aus der Synagoge hinaus und begaben sich mit Jakobus und Johannes in das Haus des Simon und Andreas. Nun lag Simons Schwiegermutter fieberkrank danieder, und sofort erzählten sie ihm von ihr. Und er ging zu ihr, faßte sie bei der Hand und richtete sie auf; und das Fieber verließ sie, und sie begann ihnen zu dienen. Nach Anbruch des Abends, als die Sonne untergegangen war, begann man, alle Leidenden und die von Dämonen Besessenen zu ihm zu bringen; und die ganze Stadt war direkt an der Tür versammelt. Und er heilte viele, die an verschiedenen Krankheiten litten, und er trieb viele Dämonen aus, ließ aber die Dämonen nicht reden, weil sie wußten, daß er Christus war. Und frühmorgens, als es noch dunkel war, stand er auf und begab sich hinaus und ging weg an einen einsamen Ort, und dort begann er zu beten. Simon jedoch und die, die bei ihm waren, eilten ihm nach und fanden ihn, und sie sprachen zu ihm: ?Alle suchen dich." Er aber sagte zu ihnen: ?Laßt uns anderswohin gehen, in die benachbarten Landstädte, damit ich auch dort predige, denn zu diesem Zweck bin ich ausgegangen." Und er ging [und] predigte in ihren Synagogen in ganz Galiläa und trieb die Dämonen aus. Da kam auch ein Aussätziger zu ihm, der ihn inständig bat, ja kniefällig zu ihm sprach: ?Wenn du nur willst, kannst du mich rein machen." Darüber von Mitleid bewegt, streckte er dann seine Hand aus und rührte ihn an und sagte zu ihm: ?Ich will es. Werde rein!" Da wich der Aussatz sogleich von ihm, und er wurde rein. Ferner gab er ihm strenge Weisung und sandte ihn sofort weg und sprach zu ihm: ?Sieh zu, daß du niemandem etwas sagst, sondern geh, zeig dich dem Priester und bringe für deine Reinigung das dar, was Moses verordnet hat, zu einem Zeugnis für sie." Nachdem der Mann aber weggegangen war, fing er an, es in großem Umfang zu verkündigen und den Bericht weithin zu verbreiten, so daß [Jesus] nicht mehr öffentlich in eine Stadt hineingehen konnte, sondern draußen an einsamen Orten blieb. Doch von allen Seiten kamen sie fortwährend zu ihm. Nach einigen Tagen jedoch kam er wieder nach Kapernaum, und es wurde berichtet, daß er zu Hause sei. Deshalb versammelten sich viele, ja so viele, daß kein Platz mehr war, nicht einmal bei der Tür, und er begann das Wort zu ihnen zu reden. Und es kamen Männer, die einen Gelähmten zu ihm brachten, von vieren getragen. Weil sie ihn aber wegen der Volksmenge nicht zu [Jesus] hinbringen konnten, deckten sie dort, wo er war, das Dach ab, und nachdem sie eine Öffnung gegraben hatten, ließen sie das Tragbett hinunter, auf dem der Gelähmte lag. Und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: ?Kind, deine Sünden sind vergeben." Nun saßen dort einige Schriftgelehrte und überlegten in ihrem Herzen: ?Warum redet dieser Mann so? Er lästert. Wer kann Sünden vergeben, ausgenommen einer, Gott?" Jesus aber, der durch seinen Geist gleich erkannte, daß sie bei sich so überlegten, sprach zu ihnen: ?Warum überlegt ihr dieses in eurem Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: ?Deine Sünden sind vergeben' oder zu sagen: ?Steh auf, und heb dein Tragbett auf, und geh umher.'? Damit ihr aber wißt, daß der Menschensohn Gewalt hat, auf der Erde Sünden zu vergeben -", er sagte zu dem Gelähmten: ?Ich sage dir: Steh auf, heb dein Tragbett auf, und geh zu deinem Haus!" Daraufhin stand er auf und hob sogleich sein Tragbett auf und ging vor aller Augen hinaus, so daß sie alle einfach hingerissen waren, und sie verherrlichten Gott und sprachen: ?So etwas haben wir niemals gesehen." Wieder ging er an das Meer hinaus; und die ganze Volksmenge kam fortgesetzt zu ihm, und er begann sie zu lehren. Im Weitergehen aber erblickte er Levi, den [Sohn] des Alphäus, der im Steuerbüro saß, und er sagte zu ihm: ?Folge mir nach." Und er stand auf und folgte ihm. Später geschah es, daß er in dessen Haus zu Tisch lag, und viele Steuereinnehmer und Sünder lagen mit Jesus und seinen Jüngern zu Tisch, denn es waren ihrer viele, und sie begannen ihm nachzufolgen. Als aber die Schriftgelehrten der Pharisäer sahen, daß er mit den Sündern und Steuereinnehmern aß, begannen sie zu seinen Jüngern zu sagen: ?Ißt er mit den Steuereinnehmern und Sündern?" Als Jesus das hörte, sprach er zu ihnen: ?Die Starken benötigen keinen Arzt, wohl aber die Leidenden. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder." Nun pflegten die Jünger des Johannes und die Pharisäer zu fasten. Daher kamen sie und sprachen zu ihm: ?Warum pflegen die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer zu fasten, deine Jünger aber pflegen nicht zu fasten?" Und Jesus sagte zu ihnen: ?Die Freunde des Bräutigams können doch nicht etwa fasten, während der Bräutigam bei ihnen ist? Solange sie den Bräutigam bei sich haben, können sie nicht fasten. Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann, an jenem Tag, werden sie fasten. Niemand näht einen Flicken nicht eingelaufenen Tuches auf ein altes äußeres Kleid; wenn er es tut, so reißt das neue wegen seiner vollen Stärke von dem alten ab, und der Riß wird schlimmer. Auch gießt niemand neuen Wein in alte Weinschläuche; wenn er es tut, bringt der Wein die Schläuche zum Bersten, und der Wein geht samt den Schläuchen verloren; sondern man gießt neuen Wein in neue Weinschläuche." Nun geschah es, daß er am Sabbat durch die Getreidefelder ging, und seine Jünger fingen an, ihres Weges zu gehen, wobei sie Ähren abpflückten. Daher sagten die Pharisäer zu ihm: ?Sieh doch! Warum tun sie am Sabbat etwas, was nicht erlaubt ist?" Er aber sprach zu ihnen: ?Habt ihr niemals gelesen, was David tat, als er in Not geriet und hungrig wurde, er und die Männer bei ihm? Wie er - nach dem Bericht über Abjathar, den Oberpriester - in das Haus Gottes hineinging und die Brote der Darbringung aß, die zu essen niemandem erlaubt ist als den Priestern, und daß er davon auch den Männern gab, die bei ihm waren?" Dann sagte er weiter zu ihnen: ?Der Sabbat ist um des Menschen willen ins Dasein gekommen und nicht der Mensch um des Sabbats willen; somit ist der Menschensohn Herr auch des Sabbats." Wieder einmal betrat er eine Synagoge, und dort war ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte. Daher gab man genau acht, um zu sehen, ob er den Menschen am Sabbat heilen würde, damit man ihn anklagen könnte. Da sprach er zu dem Menschen mit der verdorrten Hand: ?Steh auf [und komm] in die Mitte." Darauf sagte er zu ihnen: ?Ist es erlaubt, am Sabbat eine gute Tat oder eine schlechte Tat zu vollbringen, eine Seele zu retten oder zu töten?" Sie aber schwiegen. Und nachdem er sie ringsum mit Zorn angeblickt hatte, tief betrübt wegen der Gefühllosigkeit ihres Herzens, sprach er zu dem Menschen: ?Strecke deine Hand aus!" Und er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt. Darauf gingen die Pharisäer hinaus, und sogleich begannen sie, sich mit den Parteianhängern des Herodes gegen ihn zu beraten, um ihn zu vernichten. Jesus aber zog sich mit seinen Jüngern an das Meer zurück; und eine große Menge aus Galiläa und aus Judäa folgte ihm. Selbst aus Jerusalem und aus Idumäa und von jenseits des Jordan sowie aus der Umgebung von Tyrus und Sidon kamen sie in großer Menge zu ihm, als sie davon hörten, wie viele Dinge er tat. Und er sagte zu seinen Jüngern, es solle beständig ein kleines Boot für ihn bereitgehalten werden, damit die Volksmenge ihn nicht dränge. Denn er heilte viele, so daß alle, die ein lästiges Leiden hatten, über ihn herfielen, um ihn anzurühren. Selbst die unreinen Geister fielen vor ihm nieder, wann immer sie ihn sahen, und schrien, indem sie sprachen: ?Du bist der Sohn Gottes." Doch mehrmals gebot er ihnen ernstlich, ihn nicht bekannt zu machen. Und er stieg auf einen Berg und rief diejenigen, die er wollte, zu sich, und sie gingen zu ihm hin. Und er bildete [eine Gruppe von] zwölf, denen er auch den Namen ?Apostel" gab, damit sie bei ihm blieben und damit er sie aussenden könne, zu predigen und Gewalt zu haben, die Dämonen auszutreiben. Und die [Gruppe der] Zwölf, die er bildete, waren: Simon, dem er auch den Beinamen Petrus gab, und Jakobus, der [Sohn] des Zebedäus, und Johannes, der Bruder des Jakobus (diesen gab er auch den Beinamen Boanerges, was Donnersöhne bedeutet), und Andreas und Philippus und Bartholomäus und Matthäus und Thomas und Jakobus, der [Sohn] des Alphäus, und Thaddäus und Simon, der Kananäer, und Judas Iskariot, der ihn später verriet. Und er ging in ein Haus. Wieder einmal kam die Volksmenge zusammen, so daß sie nicht einmal ein Mahl einnehmen konnten. Als aber seine Verwandten davon hörten, gingen sie hin, um sich seiner zu bemächtigen, denn sie sagten: ?Er ist von Sinnen." Auch die Schriftgelehrten, die von Jerusalem herabkamen, sagten: ?Er hat [den] Beelzebub, und er treibt die Dämonen durch den Herrscher der Dämonen aus." Nachdem er sie nun zu sich gerufen hatte, begann er in Gleichnissen zu ihnen zu sprechen: ?Wie kann Satan [den] Satan austreiben? Nun, wenn ein Königreich gegen sich selbst entzweit wird, so kann dieses Königreich nicht bestehen; und wenn ein Haus gegen sich selbst entzweit wird, wird dieses Haus nicht bestehen können. Ebenso wenn der Satan gegen sich selbst aufgestanden und entzweit worden ist, kann er nicht bestehen, sondern nimmt ein Ende. In der Tat, niemand, der in das Haus eines Starken eingedrungen ist, kann seine bewegliche Habe plündern, wenn er nicht zuerst den Starken bindet, und dann wird er sein Haus plündern. Wahrlich, ich sage euch, daß den Söhnen der Menschen alles vergeben werden wird, was auch immer ihre Sünden und Lästerungen sein mögen, die sie lästernd begehen. Wer immer aber gegen den heiligen Geist lästert, erlangt niemals Vergebung, sondern ist ewiger Sünde schuldig." Dies, weil sie sagten: ?Er hat einen unreinen Geist." Nun kamen seine Mutter und seine Brüder, und als sie draußen standen, sandten sie zu ihm, um ihn zu rufen. Es saß nun aber eine Volksmenge um ihn herum, und man sagte ihm: ?Siehe! Deine Mutter und deine Brüder draußen suchen dich." Er gab ihnen jedoch zur Antwort: ?Wer sind meine Mutter und meine Brüder?" Und nachdem er die angeschaut hatte, die im Kreis um ihn herumsaßen, sprach er: ?Seht, meine Mutter und meine Brüder! Wer immer den Willen Gottes tut, dieser ist mir Bruder und Schwester und Mutter." Und wieder fing er an, am Meer zu lehren. Und eine sehr große Volksmenge versammelte sich bei ihm, so daß er in ein Boot stieg und draußen auf dem Meer saß, die ganze Volksmenge jedoch war beim Meer am Ufer. Da begann er sie viele Dinge in Gleichnissen zu lehren und, während er lehrte, zu ihnen zu sagen: ?Hört zu! Siehe! Der Sämann ging aus, um zu säen. Und als er säte, fiel einiges [vom Saatkorn] den Weg entlang, und die Vögel kamen und fraßen es auf. Und anderes [Saatkorn] fiel auf das Felsige, wo es natürlich nicht viel Erde hatte, und sogleich schoß es auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, wurde es versengt, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es. Und anderes [Saatkorn] fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen auf und erstickten es, und es brachte keine Frucht. Andere [Saatkörner] jedoch fielen auf den vortrefflichen Boden, und sie gingen auf und nahmen zu und begannen Frucht zu tragen, und sie brachten dreißigfach und sechzigfach und hundertfach." Dann fügte er das Wort hinzu: ?Wer Ohren hat zu hören, höre zu." Als er dann allein war, begannen die um ihn waren samt den Zwölfen ihn über die Gleichnisse zu befragen. Und er sagte darauf zu ihnen: ?Euch ist das heilige Geheimnis des Königreiches Gottes gegeben worden, denen aber, die draußen sind, geschieht alles in Gleichnissen, damit sie, obwohl sie schauen, schauen mögen und doch nicht sehen und, obwohl sie hören, hören mögen und doch den Sinn davon nicht erfassen noch jemals umkehren und Vergebung finden." Ferner sprach er zu ihnen: ?Ihr begreift dieses Gleichnis nicht, wie werdet ihr denn alle anderen Gleichnisse verstehen? Der Sämann sät das Wort. Diese nun sind diejenigen dem Weg entlang, wo das Wort ausgesät wird; doch sobald sie [es] gehört haben, kommt der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät wurde. Und ebenso sind die, die auf die felsigen Stellen gesät sind: Sobald sie das Wort gehört haben, nehmen sie es mit Freuden an. Sie haben jedoch keine Wurzel in sich, bleiben aber eine Zeitlang; sobald dann Drangsal oder Verfolgung wegen des Wortes entsteht, werden sie zum Straucheln gebracht. Und noch andere gibt es, die unter die Dornen gesät sind; diese sind es, die das Wort gehört haben, aber die Sorgen dieses Systems der Dinge und die trügerische Macht des Reichtums und die Begierden nach den übrigen Dingen dringen ein und ersticken das Wort, und es wird unfruchtbar. Schließlich sind die, die auf den vortrefflichen Boden gesät wurden, solche, die auf das Wort hören und es günstig aufnehmen und Frucht bringen, dreißigfach und sechzigfach und hundertfach." Und er sagte weiter zu ihnen: ?Eine Lampe wird doch nicht gebracht, damit man sie unter ein Maßgefäß oder unter ein Bett stellt? Sie wird gebracht, damit man sie auf einen Leuchter stellt, nicht wahr? Denn da ist nichts verborgen, außer damit es aufgedeckt werde; nichts ist sorgsam verheimlicht worden, außer damit es an die Öffentlichkeit komme. Wer Ohren hat zu hören, höre zu." Er sprach ferner zu ihnen: ?Gebt acht auf das, was ihr hört. Mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird euch gemessen werden, ja, es wird euch noch hinzugefügt werden. Denn wer hat, dem wird mehr gegeben werden; wer aber nicht hat, dem wird auch noch das, was er hat, weggenommen werden." Dann sagte er weiter: ?So ist das Königreich Gottes, wie wenn ein Mensch den Samen auf den Erdboden wirft, und er schläft nachts und steht bei Tag auf, und der Same sproßt und wächst empor, genau wie, weiß er nicht. Von selbst bringt die Erde allmählich Frucht hervor, zuerst den Grashalm, dann den Stengelkopf, schließlich das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht es erlaubt, legt er die Sichel an, weil die Erntezeit gekommen ist." Und er sagte weiter: ?Womit sollen wir das Königreich Gottes vergleichen, oder in welchem Gleichnis sollen wir es darstellen? [Es ist] einem Senfkorn gleich, das zu der Zeit, da man es auf die Erde säte, die winzigste aller Samenarten war, die es auf der Erde gibt - doch wenn es gesät ist, geht es auf und wird größer als alle anderen Gartengewächse und treibt große Zweige, so daß sich die Vögel des Himmels unter seinem Schatten niederlassen können." So redete er durch viele Gleichnisse von dieser Art das Wort zu ihnen, so wie sie es zu hören vermochten. Ja, ohne ein Gleichnis redete er nicht zu ihnen, doch wenn sie allein waren, erklärte er seinen Jüngern jeweils alles. Und an jenem Tag, als es Abend geworden war, sprach er zu ihnen: ?Laßt uns an das andere Ufer hinüberfahren." Nachdem sie also die Volksmenge entlassen hatten, nahmen sie ihn, so wie er war, im Boot mit, und noch andere Boote waren bei ihm. Da brach ein heftiger Windsturm los, und die Wellen schlugen immer wieder in das Boot, so daß sich das Boot beinahe füllte. Er aber war im hinteren Teil und schlief auf einem Kopfpolster. Da weckten sie ihn auf und sagten zu ihm: ?Lehrer, kümmert es dich nicht, daß wir im Begriff sind, zugrunde zu gehen?" Da richtete er sich auf und schalt den Wind und sprach zum Meer: ?Schweig! Sei still!" Und der Wind legte sich, und eine große Stille trat ein. Dann sagte er zu ihnen: ?Warum seid ihr verzagt? Habt ihr noch keinen Glauben?" Da befiel sie eine außergewöhnliche Furcht, und sie sprachen zueinander: ?Wer ist denn dieser, daß ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?" Nun gelangten sie auf die andere Seite des Meeres, in das Land der Gerasener. Und sogleich, als er aus dem Boot gestiegen war, kam ihm ein Mensch, der unter der Macht eines unreinen Geistes stand, von den Gedächtnisgrüften her entgegen. Er hauste inmitten der Grüfte; und bis zu jener Zeit vermochte ihn gar niemand zu binden, selbst nicht mit einer Kette, denn er war öfter mit Fußfesseln und Ketten gebunden worden, aber die Ketten wurden von ihm zerrissen, und die Fußfesseln wurden tatsächlich zerbrochen; und niemand hatte die Kraft, ihn zu bändigen. Und fortgesetzt, Nacht und Tag, schrie er in den Grüften und in den Bergen und zerschlug sich mit Steinen. Als er aber Jesus aus einiger Entfernung erblickte, lief er herzu und huldigte ihm, und als er mit lauter Stimme geschrien hatte, sagte er: ?Was habe ich mit dir, Jesus, Sohn Gottes, des Höchsten, zu schaffen? Ich beschwöre dich bei Gott, mich nicht zu quälen." Denn er hatte zu ihm gesagt: ?Fahr von dem Menschen aus, du unreiner Geist." Er aber begann ihn zu fragen: ?Was ist dein Name?" Und er sagte zu ihm: ?Mein Name ist Legion, denn wir sind viele." Und er bat ihn mehrmals inständig, die Geister nicht aus dem Land fortzusenden. Nun weidete dort am Berg eine große Herde Schweine. Da baten sie ihn inständig, indem sie sprachen: ?Sende uns in die Schweine, daß wir in sie fahren." Und er erlaubte es ihnen. Darauf fuhren die unreinen Geister aus und fuhren in die Schweine; und die Herde stürmte über den Steilhang hinab in das Meer, ihrer etwa zweitausend, und sie, eines nach dem anderen, ertranken im Meer. Ihre Hüter aber flohen und berichteten es in der Stadt und auf dem Land; und es kamen Leute, um zu sehen, was geschehen war. Da kamen sie zu Jesus, und sie sahen den von Dämonen Besessenen, der angekleidet und klaren Sinnes dasaß, diesen [Mann], der die Legion gehabt hatte; und sie gerieten in Furcht. Auch die, die es gesehen hatten, erzählten ihnen, wie dieses dem von Dämonen Besessenen widerfahren war und bezüglich der Schweine. Und sie fingen an, ihn inständig zu bitten, aus ihrem Gebiet wegzugehen. Als er nun ins Boot stieg, begann der, der von Dämonen besessen gewesen war, ihn inständig zu bitten, doch bei ihm bleiben zu dürfen. Er ließ ihn jedoch nicht, sondern sagte zu ihm: ?Geh heim zu deinen Verwandten, und berichte ihnen alle Dinge, die Jehova für dich getan hat, und die Barmherzigkeit, die er dir erwiesen hat." Und er ging weg und fing an, in der Dekapolis alles auszurufen, was Jesus für ihn getan hatte, und alle Leute begannen sich zu verwundern. Nachdem Jesus im Boot an das andere Ufer zurückgefahren war, versammelte sich eine große Volksmenge zu ihm hin; und er war am Meer. Nun kam einer der Synagogenvorsteher, Jairus mit Namen, und als er ihn erblickte, fiel er ihm zu Füßen und bat ihn mehrmals inständig, indem er sprach: ?Mit meiner kleinen Tochter geht's zu Ende. Würdest du bitte kommen und ihr die Hände auflegen, damit sie gesund wird und lebt." Darauf ging er mit ihm hin. Und eine große Volksmenge folgte ihm und drängte ihn. Nun war da eine Frau, die zwölf Jahre mit einem Blutfluß behaftet war, und sie war von vielen Ärzten vielen Schmerzen ausgesetzt worden und hatte ihr ganzes Vermögen verbraucht, und es hatte ihr nichts genützt, sondern es war eher schlimmer geworden. Als sie die Dinge über Jesus hörte, trat sie in der Volksmenge von hinten herzu und rührte sein äußeres Kleid an; denn immer wieder sagte sie: ?Wenn ich nur seine äußeren Kleider anrühre, werde ich gesund werden." Und sogleich vertrocknete der Quell ihres Blutes, und sie fühlte es an ihrem Leib, daß sie von der lästigen Krankheit geheilt worden war. Und sogleich erkannte Jesus an sich, daß Kraft von ihm ausgegangen war, und er wandte sich in der Volksmenge um und begann zu sagen: ?Wer hat meine äußeren Kleider angerührt?" Aber seine Jünger begannen zu ihm zu sagen: ?Du siehst, daß die Volksmenge dich drängt, und du sagst: ?Wer hat mich angerührt?' " Er aber schaute ringsum, um die zu sehen, die das getan hatte. Die Frau aber, furchterfüllt und zitternd, da sie wußte, was ihr geschehen war, kam und fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit. Er sprach zu ihr: ?Tochter, dein Glaube hat dich gesund gemacht. Geh hin in Frieden, und sei von deiner lästigen Krankheit geheilt." Während er noch redete, kamen einige Männer aus dem Haus des Synagogenvorstehers und sagten: ?Deine Tochter ist gestorben. Warum den Lehrer noch länger bemühen?" Jesus aber, der das Wort, das geredet wurde, mit anhörte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: ?Fürchte dich nicht, habe nur Glauben!" Und er ließ niemand mitgehen außer Petrus und Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. So kamen sie zu dem Haus des Synagogenvorstehers, und er bemerkte das lärmende Durcheinander und die Weinenden und die, die laut wehklagten, und nachdem er eingetreten war, sagte er zu ihnen: ?Weshalb verursacht ihr ein solch lärmendes Durcheinander und weint? Das kleine Kind ist nicht gestorben, sondern schläft." Darauf begannen sie ihn zu verlachen. Nachdem er sie aber alle hinausgetrieben hatte, nahm er den Vater und die Mutter des kleinen Kindes und die, die bei ihm waren, mit sich und ging hinein, wo das kleine Kind war. Und er faßte das kleine Kind bei der Hand und sagte zu ihm: ?Talithá kúmi", was übersetzt bedeutet: ?Mädchen, ich sage dir, steh auf!" Und sogleich stand das Mädchen auf und begann umherzugehen, denn es war zwölf Jahre alt. Und sie gerieten sogleich außer sich vor Entzücken. Er aber befahl ihnen wiederholt, dies niemand erfahren zu lassen, und er sagte, daß man ihr etwas zu essen geben solle. Und er ging von dort weg und kam in sein Heimatgebiet, und seine Jünger folgten ihm. Als es Sabbat wurde, fing er an, in der Synagoge zu lehren; und die meisten derer, die ihm zuhörten, waren höchst erstaunt und sagten: ?Woher hat dieser Mensch diese Dinge? Und warum sollte diesem diese Weisheit gegeben worden sein und [sollten] solche Machttaten durch seine Hände vollbracht werden? Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder des Jakobus und des Joseph und des Judas und des Simon? Und sind nicht seine Schwestern hier bei uns?" So begannen sie Anstoß an ihm zu nehmen. Jesus aber sprach dann zu ihnen: ?Ein Prophet ist nicht ohne Ehre, außer in seinem Heimatgebiet und unter seinen Verwandten und in seinem eigenen Haus." Und er konnte dort keine Machttat vollbringen, außer daß er die Hände einigen kränklichen Leuten auflegte und sie heilte. Er verwunderte sich tatsächlich über ihren Unglauben. Und er zog im Kreis in die Dörfer ringsum und lehrte. Dann rief er die Zwölf zu sich, und er fing an, sie je zwei und zwei auszusenden, und er begann ihnen Gewalt über die unreinen Geister zu geben. Auch gab er ihnen Weisung, für die Reise nichts mitzunehmen als nur einen Stab, kein Brot, keine Speisetasche, kein Kupfergeld in ihren Gürtelbeuteln, sich aber Sandalen unterzubinden und nicht zwei untere Kleider zu tragen. Ferner sagte er zu ihnen: ?Wo immer ihr in ein Haus eintretet, dort haltet euch auf, bis ihr von jenem Ort auszieht. Und wo immer ein Ort euch nicht aufnehmen noch auf euch hören wird, da schüttelt, wenn ihr von dort auszieht, den Schmutz ab, der unter euren Füßen ist, ihnen zu einem Zeugnis." Da zogen sie aus und predigten, damit die Leute bereuen könnten; und sie trieben viele Dämonen aus und rieben viele kränkliche Leute mit Öl ein und heilten sie. Nun kam es dem König Herodes zu Ohren, denn der Name [Jesu] wurde öffentlich bekannt, und die Leute sagten: ?Johannes, der taufte, ist von den Toten auferweckt worden, und deshalb sind die Machttaten in ihm wirksam." Andere aber sagten: ?Es ist Elia." Noch andere sagten: ?Es ist ein Prophet wie einer der Propheten." Als aber Herodes es hörte, begann er zu sagen: ?Der Johannes, den ich enthauptet habe, dieser ist auferweckt worden." Denn Herodes selbst hatte hinsenden und Johannes festnehmen und ihn im Gefängnis binden lassen wegen Herodias, der Frau seines Bruders Philippus, weil er sie geheiratet hatte. Denn Johannes hatte wiederholt zu Herodes gesagt: ?Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben." Herodias aber hegte einen Groll gegen ihn und wollte ihn töten, konnte es aber nicht. Denn Herodes fürchtete Johannes, weil er ihn als einen gerechten und heiligen Mann kannte; und er verwahrte ihn. Und nachdem er ihn gehört hatte, kam er in große Verlegenheit, was zu tun sei, doch hörte er ihn weiterhin gern. Es kam aber ein gelegener Tag, als Herodes an seinem Geburtstag für seine Männer von oberstem Rang und die Militärbefehlshaber und die Vornehmsten von Galiläa ein Abendessen veranstaltete. Und die Tochter ebendieser Herodias kam herein und tanzte und gefiel Herodes und denen, die mit ihm [zu Tisch] lagen. Der König sprach zu dem Mädchen: ?Erbitte von mir, was immer du willst, und ich will es dir geben." Ja er schwor ihr: ?Was immer du von mir erbittest, ich will es dir geben, bis zur Hälfte meines Königreiches." Und sie ging hinaus und sagte zu ihrer Mutter: ?Worum sollte ich bitten?" Sie sagte: ?Um das Haupt des Johannes, der taufte." Und sogleich ging sie in Eile zum König hinein und trug ihre Bitte vor, indem sie sprach: ?Ich möchte, daß du mir gleich jetzt auf einer Platte das Haupt Johannes' des Täufers gibst." Obwohl er tief betrübt wurde, wollte doch der König sie mit Rücksicht auf die Eide und die, welche zu Tisch lagen, nicht abweisen. So sandte der König sogleich einen Leibwächter hin und befahl ihm, sein Haupt zu bringen. Und er ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis und brachte sein Haupt auf einer Platte, und er gab es dem Mädchen, und das Mädchen gab es seiner Mutter. Als seine Jünger davon hörten, kamen sie und holten seinen Leichnam und legten ihn in eine Gedächtnisgruft. Und die Apostel versammelten sich vor Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Und er sprach zu ihnen: ?Kommt für euch allein an einen einsamen Ort, und ruht ein wenig aus." Denn viele kamen und gingen, und sie hatten nicht einmal Muße, ein Mahl einzunehmen. So fuhren sie denn im Boot weg für sich allein an einen einsamen Ort. Aber die Leute sahen sie weggehen, und viele erfuhren es, und von allen Städten her liefen sie zu Fuß dort zusammen und kamen ihnen zuvor. Als er nun ausstieg, sah er eine große Volksmenge, doch ergriff ihn Mitleid mit ihnen, denn sie waren wie Schafe ohne einen Hirten. Und er fing an, sie viele Dinge zu lehren. Es war nun schon zu später Stunde, und seine Jünger traten zu ihm und begannen zu sagen: ?Der Ort ist abgelegen, und es ist schon zu später Stunde. Sende sie weg, damit sie auf das Land und in die Dörfer ringsum gehen und sich etwas zu essen kaufen." Als Antwort sprach er zu ihnen: ?Gebt i h r ihnen etwas zu essen." Darauf sagten sie zu ihm: ?Sollen wir weggehen und für zweihundert Denare Brote kaufen und [sie] den Leuten zu essen geben?" Er sprach zu ihnen: ?Wie viele Brote habt ihr? Geht und seht nach!" Nachdem sie es festgestellt hatten, sagten sie: ?Fünf und zwei Fische." Da wies er alle Leute an, sich gruppenweise auf dem grünen Gras zu lagern. Und sie lagerten sich in Gruppen von hundert und von fünfzig. Nun nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach einen Segen und brach die Brote und begann sie den Jüngern zu geben, damit diese sie den Leuten vorsetzten; und er verteilte die zwei Fische unter alle. Da aßen sie alle und wurden satt; und sie hoben die Brocken auf, zwölf Körbe voll, außer den Fischen. Übrigens waren es fünftausend Männer, die von den Broten gegessen hatten. Und gleich danach nötigte er seine Jünger, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer nach Bethsaida vorauszufahren, während er selbst die Volksmenge entließ. Doch nachdem er sich von ihnen verabschiedet hatte, ging er weg auf einen Berg, um zu beten. Es war nun Abend geworden, das Boot befand sich mitten auf dem Meer, er aber war allein auf dem Land. Und als er sah, wie sie sich beim Rudern abmühten, denn sie hatten Gegenwind, kam er um die vierte Nachtwache, auf dem Meer schreitend, auf sie zu; doch wollte er an ihnen vorübergehen. Als sie ihn auf dem Meer schreiten sahen, dachten sie: ?Es ist eine Erscheinung!", und sie schrien laut. Denn sie alle sahen ihn und wurden beunruhigt. Sogleich aber redete er mit ihnen, und er sprach zu ihnen: ?Faßt Mut, ich bin's; fürchtet euch nicht." Und er stieg zu ihnen in das Boot, und der Wind ließ nach. Darüber waren sie bei sich selbst überaus erstaunt, denn sie hatten die Bedeutung der Brote nicht erfaßt, sondern ihr Herz blieb im Verständnis abgestumpft. Und als sie ans Land hinübergefahren waren, kamen sie nach Genezareth und gingen nahe dabei vor Anker. Doch sobald sie aus dem Boot stiegen, erkannten ihn die Leute, und sie liefen in jener ganzen Gegend umher und fingen an, auf Tragbetten die Leidenden dahin zu bringen, wo sie hörten, daß er sei. Und wohin immer er kam, in Dörfer oder Städte oder auf dem Land, da legten sie die Kranken auf den Marktplätzen hin, und sie flehten ihn an, auch nur die Fransen seines äußeren Kleides anrühren zu dürfen. Und so viele sie anrührten, wurden gesund. Es versammelten sich nun bei ihm die Pharisäer und einige von den Schriftgelehrten, die von Jerusalem gekommen waren. Und als sie einige seiner Jünger ihr Mahl mit unreinen, das heißt ungewaschenen Händen einnehmen sahen - denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, ohne sich die Hände bis zum Ellbogen zu waschen, da sie an der Überlieferung der Männer früherer Zeiten festhalten, und wenn sie vom Markt zurück sind, essen sie nicht, ohne sich durch Besprengen zu reinigen; und noch viele andere Überlieferungen gibt es, die sie zu halten übernommen haben: Taufen von Bechern und Krügen und Kupfergefäßen -, da befragten ihn diese Pharisäer und Schriftgelehrten: ?Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Männer früherer Zeiten, sondern nehmen ihr Mahl mit unreinen Händen ein?" Er sprach zu ihnen: ?Jesaja hat treffend von euch Heuchlern prophezeit, so wie geschrieben steht: ?Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich bringen sie mir fortwährend Anbetung dar, weil sie als Lehren Menschengebote lehren.' Ihr gebt das Gebot Gottes auf und haltet an der Überlieferung der Menschen fest." Ferner fuhr er fort, zu ihnen zu sagen: ?Geschickt setzt ihr das Gebot Gottes beiseite, um an eurer Überlieferung festzuhalten. Moses hat zum Beispiel gesagt: ?Ehre deinen Vater und deine Mutter' und: ?Wer Vater oder Mutter beschimpft, soll im Tod enden.' Ihr aber sagt: ?Wenn ein Mensch zu seinem Vater oder seiner Mutter spricht: ?Was immer ich habe, wodurch ich dir nützen könnte, ist Korban (das heißt eine Gott gewidmete Gabe)" ' - so laßt ihr ihn für seinen Vater oder seine Mutter gar nichts mehr tun, und so macht ihr das Wort Gottes durch eure Überlieferung ungültig, die ihr übermittelt habt. Und vieles, was diesem ähnlich ist, tut ihr." Er rief nun die Volksmenge wieder zu sich und sagte dann zu ihnen: ?Hört mir zu, ihr alle, und erfaßt den Sinn. Nichts, was von außen in einen Menschen hineingeht, kann ihn verunreinigen; aber das, was aus einem Menschen hinausgeht, das ist es, was einen Menschen verunreinigt." - - - Als er nun von der Volksmenge weg in ein Haus eingetreten war, begannen ihn seine Jünger über das Gleichnis zu befragen. Da sprach er zu ihnen: ?Seid auch ihr ohne Wahrnehmungsvermögen wie sie? Merkt ihr nicht, daß nichts, was von außen her in einen Menschen hineingeht, ihn verunreinigen kann, da es nicht in [sein] Herz hineingeht, sondern in [seine] Eingeweide und in den Abort hinausgeht?" So erklärte er alle Speisen für rein. Ferner sagte er: ?Das, was aus einem Menschen hinausgeht, ist es, was einen Menschen verunreinigt; denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, gehen schädliche Überlegungen hervor: Hurereien, Diebstähle, Mordtaten, Ehebrüche, Taten der Habsucht, Bosheiten, Betrug, ein zügelloser Wandel, ein neidisches Auge, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. Alle diese bösen Dinge kommen von innen heraus und verunreinigen einen Menschen." Von dort brach er dann auf und begab sich in die Gegenden von Tyrus und Sidon. Und er ging in ein Haus und wollte nicht, daß es jemand erfahre. Doch er konnte nicht unbemerkt bleiben, sondern sogleich hörte eine Frau von ihm, deren kleine Tochter einen unreinen Geist hatte, und kam und fiel zu seinen Füßen nieder. Die Frau war eine Griechin, von syrophönizischer Herkunft; und sie bat ihn immer wieder, den Dämon aus ihrer Tochter auszutreiben. Er aber sagte nun zu ihr: ?Laß zuerst die Kinder satt werden, denn es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen und es den kleinen Hunden vorzuwerfen." In Erwiderung sagte sie jedoch zu ihm: ?Ja, Herr, und trotzdem essen die kleinen Hunde unter dem Tisch von den Brosamen der kleinen Kinder." Darauf sprach er zu ihr: ?Weil du dies gesagt hast, geh hin; der Dämon ist von deiner Tochter ausgefahren." Darauf ging sie weg in ihr Haus und fand das kleine Kind auf das Bett gelegt und den Dämon ausgefahren. Als er nun aus dem Gebiet von Tyrus zurückkam, ging er durch Sidon an das Galiläische Meer, mitten durch das Gebiet der Dekapolis hinauf. Hier brachten sie einen Menschen zu ihm, der taub und im Sprechen behindert war, und sie baten ihn inständig, ihm die Hand aufzulegen. Und er nahm ihn von der Volksmenge weg für sich allein und legte seine Finger in des Mannes Ohren, und nachdem er gespuckt hatte, berührte er seine Zunge. Und zum Himmel aufblickend, seufzte er tief und sprach zu ihm: ?Ephphatha", das heißt: ?Werde aufgetan." Da wurde sein Gehörsinn geöffnet, und das Band seiner Zunge wurde gelöst, und er begann, normal zu reden. Darauf schärfte er ihnen ein, niemandem davon zu erzählen; doch je mehr er es ihnen einschärfte, um so mehr verkündeten sie es. In der Tat, sie waren über die Maßen erstaunt, und sie sagten: ?Er hat alles gut gemacht. Er macht sogar die Tauben hören und die Stummen reden." Als in jenen Tagen wieder eine große Volksmenge da war und sie nichts zu essen hatten, rief er die Jünger herbei und sagte zu ihnen: ?Ich habe Mitleid mit der Volksmenge, denn schon drei Tage sind sie bei mir geblieben, und sie haben nichts zu essen; und wenn ich sie hungrig nach Hause gehen lasse, werden sie unterwegs ermatten. Einige von ihnen sind nämlich von weit her." Seine Jünger antworteten ihm jedoch: ?Woher wird jemand diese Leute hier, an einem abgelegenen Ort, mit Broten sättigen können?" Dennoch fragte er sie weiter: ?Wie viele Brote habt ihr?" Sie sagten: ?Sieben." Da wies er die Volksmenge an, sich auf dem Boden zu lagern, und er nahm die sieben Brote, sagte Dank, brach sie und gab sie seinen Jüngern zum Vorsetzen, und sie setzten sie dem Volk vor. Sie hatten auch einige kleine Fische; und nachdem er diese gesegnet hatte, hieß er sie, auch diese vorzusetzen. Und so aßen sie und wurden satt, und sie hoben die Brocken auf, die übrig waren, sieben Proviantkörbe voll. Es waren aber etwa viertausend [Menschen]. Schließlich sandte er sie weg. Gleich darauf stieg er mit seinen Jüngern ins Boot und kam in die Gegend von Dalmanutha. Hier kamen die Pharisäer heraus und fingen einen Wortstreit mit ihm an, indem sie ein Zeichen vom Himmel von ihm zu erlangen suchten, um ihn auf die Probe zu stellen. Da seufzte er tief mit seinem Geist und sprach: ?Warum sucht diese Generation nach einem Zeichen? Ich sage in Wahrheit: Kein Zeichen wird dieser Generation gegeben werden." Damit verließ er sie, stieg wieder ins Boot und begab sich hinweg an das andere Ufer. Nun vergaßen sie, Brote mitzunehmen, und außer einem einzigen Brot hatten sie nichts bei sich im Boot. Und er begann, ihnen ausdrücklich Weisung zu geben und zu sagen: ?Haltet eure Augen offen, nehmt euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes in acht." Da begannen sie miteinander die Tatsache zu erörtern, daß sie keine Brote hatten. Er merkte dies und sprach zu ihnen: ?Warum erörtert ihr die Tatsache, daß ihr keine Brote habt? Begreift ihr noch nicht und erfaßt nicht den Sinn? Habt ihr denn euer Herz im Verständnis abgestumpft? ?Seht ihr nicht, obwohl ihr Augen habt, und hört ihr nicht, obwohl ihr Ohren habt?' Und erinnert ihr euch nicht, wie viele Körbe voll Brocken ihr aufhobt, als ich die fünf Brote für die fünftausend brach?" Sie sagten zu ihm: ?Zwölf." ?Als ich die sieben für die viertausend brach, wie viele Proviantkörbe voll Brocken hobt ihr da auf?" Und sie sagten zu ihm: ?Sieben." Darauf sprach er zu ihnen: ?Erfaßt ihr den Sinn noch nicht?" Dann kamen sie in Bethsaida an. Hier brachte man einen Blinden zu ihm, und man bat ihn inständig, ihn anzurühren. Und er faßte den Blinden bei der Hand, führte ihn vor das Dorf hinaus, und nachdem er auf seine Augen gespuckt hatte, legte er ihm die Hände auf und begann ihn zu fragen: ?Siehst du etwas?" Und der Mann blickte auf und begann zu sagen: ?Ich sehe Menschen, denn ich bemerke [etwas], was Bäume zu sein scheinen, aber sie gehen umher." Dann legte er nochmals seine Hände auf des Mannes Augen, und der Mann sah klar, und er war wiederhergestellt, und er sah alles deutlich. Da sandte er ihn nach Hause, wobei er sprach: ?Aber geh nicht ins Dorf hinein." Jesus und seine Jünger gingen nun weg in die Dörfer von Cäsarea Philippi, und unterwegs begann er seine Jünger zu befragen, indem er zu ihnen sprach: ?Was sagen die Menschen, wer ich sei?" Sie sagten zu ihm: ?Johannes der Täufer, und andere: Elia, noch andere: Einer der Propheten." Und er stellte ihnen die Frage: ?Ihr aber, was sagt ihr, wer ich sei?" Petrus gab ihm zur Antwort: ?Du bist der Christus." Darauf gebot er ihnen ausdrücklich, zu niemandem von ihm zu sprechen. Auch fing er an, sie zu lehren, der Menschensohn müsse vieles leiden und von den älteren Männern und den Oberpriestern und den Schriftgelehrten verworfen und getötet werden und drei Tage später auferstehen. In der Tat, dieses Wort redete er freiheraus. Petrus nahm ihn aber beiseite und fing an, ihm Vorhaltungen zu machen. Er wandte sich um, schaute seine Jünger an und schalt Petrus und sprach: ?Tritt hinter mich, Satan, weil du nicht Gottes Gedanken denkst, sondern die der Menschen." Er rief nun die Volksmenge samt seinen Jüngern zu sich und sagte zu ihnen: ?Wenn jemand mir nachkommen will, so verleugne er sich selbst und nehme seinen Marterpfahl auf und folge mir beständig. Denn wer immer seine Seele retten will, wird sie verlieren; wer immer aber seine Seele um meinetwillen und um der guten Botschaft willen verliert, wird sie retten. In der Tat, welchen Nutzen hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt und seine Seele einbüßt? Was würde ein Mensch wirklich zum Tausch für seine Seele geben? Denn wer immer sich meiner und meiner Worte in dieser ehebrecherischen und sündigen Generation schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln gekommen sein wird." Ferner sprach er dann zu ihnen: ?Wahrlich, ich sage euch: Es sind einige von denen, die hier stehen, die den Tod überhaupt nicht schmecken werden, bis sie zuerst das Königreich Gottes, schon in Macht gekommen, sehen." Demzufolge nahm Jesus sechs Tage später Petrus und Jakobus und Johannes mit und brachte sie für sich allein auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen umgestaltet, und seine äußeren Kleider wurden hellglänzend, sehr weiß, wie sie kein Kleiderreiniger auf der Erde so weiß machen könnte. Auch erschien ihnen Elia mit Moses, und sie unterhielten sich mit Jesus. Und Petrus ergriff das Wort und sagte zu Jesus: ?Rabbi, es ist schön, daß wir hier sind, so laßt uns drei Zelte errichten, eins für dich und eins für Moses und eins für Elia." Er wußte nämlich nicht, was er antworten sollte, in solche Furcht gerieten sie. Und eine Wolke bildete sich, die sie überschattete, und eine Stimme kam aus der Wolke: ?Dieser ist mein Sohn, der geliebte, hört auf ihn." Plötzlich jedoch blickten sie umher und sahen niemand mehr bei sich als Jesus allein. Als sie von dem Berg herabstiegen, befahl er ihnen ausdrücklich, niemandem zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden wäre. Und sie nahmen das Wort zu Herzen, besprachen sich aber untereinander darüber, was mit diesem Auferstehen von den Toten gemeint sei. Und sie begannen ihn zu befragen, indem sie sprachen: ?Warum sagen die Schriftgelehrten, daß Elia zuerst kommen müsse?" Er sagte zu ihnen: ?Elia kommt tatsächlich zuerst und stellt alle Dinge wieder her; doch wieso steht von dem Menschensohn geschrieben, daß er vieles leiden und für nichts geachtet werden müsse? Ich sage euch aber, daß Elia wirklich gekommen ist, und sie haben ihm so vieles angetan, wie sie wollten, so wie über ihn geschrieben steht." Als sie nun zu den anderen Jüngern kamen, bemerkten sie eine große Volksmenge um sie her und Schriftgelehrte, die mit ihnen disputierten. Sobald ihn aber die ganze Volksmenge erblickte, war sie bestürzt, lief auf ihn zu und begrüßte ihn. Und er fragte sie: ?Was habt ihr da für Wortstreit mit ihnen?" Und einer von der Volksmenge antwortete ihm: ?Lehrer, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, weil er einen stummen Geist hat; und wo immer er ihn ergreift, wirft er ihn zu Boden, und er schäumt und knirscht mit den Zähnen und verliert seine Kraft. Und ich habe deine Jünger geheißen, ihn auszutreiben, aber sie konnten es nicht." In Erwiderung sagte er zu ihnen: ?O du ungläubige Generation, wie lange muß ich noch bei euch sein? Wie lange muß ich euch ertragen? Bringt ihn zu mir." Da brachten sie ihn zu ihm. Als der Geist ihn aber erblickte, warf er [das Kind] sogleich in Krämpfe, und nachdem es auf den Boden gefallen war, wälzte es sich fortwährend und schäumte. Und er fragte seinen Vater: ?Wie lange ist ihm dies schon widerfahren?" Er sprach: ?Von Kindheit an; und immer wieder warf er ihn sowohl ins Feuer als auch ins Wasser, um ihn zu vernichten. Aber wenn du etwas tun kannst, so hab Mitleid mit uns und hilf uns." Jesus sprach zu ihm: ?Dieser Ausspruch ?Wenn du kannst'! Nun, alles ist dem möglich, der Glauben hat." Sogleich schrie der Vater des kleinen Kindes, indem er sagte: ?Ich glaube! Hilf mir, wo ich des Glaubens bedarf!" Als Jesus nun bemerkte, daß eine Volksmenge bei [ihnen] zusammenlief, schalt er den unreinen Geist, indem er zu ihm sprach: ?Du stummer und tauber Geist, ich befehle dir: Fahre aus von ihm, und geh nicht mehr in ihn hinein!" Und nachdem er geschrien hatte, fuhr er nach vielen Krämpfen aus; und er wurde wie tot, so daß die meisten von ihnen sagten: ?Er ist tot!" Doch Jesus faßte ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stand auf. Nachdem er in ein Haus eingetreten war, fragten ihn dann seine Jünger, als sie allein waren: ?Warum konnten wir ihn nicht austreiben?" Und er sprach zu ihnen: ?Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Gebet." Von dort gingen sie weg und zogen ihres Weges durch Galiläa, doch wollte er nicht, daß jemand es erfahre. Denn er lehrte seine Jünger und sagte zu ihnen: ?Der Menschensohn muß in die Hände der Menschen ausgeliefert werden, und sie werden ihn töten, doch obwohl er getötet werden wird, wird er drei Tage später auferstehen." Sie verstanden aber den Ausspruch nicht, und sie scheuten sich, ihn zu fragen. Und sie kamen nach Kapernaum. Als er nun drinnen im Haus war, stellte er ihnen die Frage: ?Was habt ihr auf dem Weg erörtert?" Sie schwiegen, denn auf dem Weg hatten sie miteinander darüber diskutiert, wer größer sei. Da setzte er sich nieder und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: ?Wenn jemand der Erste sein will, so soll er der Letzte von allen und aller Diener sein." Und er nahm ein kleines Kind, stellte es mitten unter sie, und es in seine Arme schließend, sagte er zu ihnen: ?Wer immer eines von solch kleinen Kindern aufgrund meines Namens aufnimmt, nimmt mich auf; und wer immer mich aufnimmt, nimmt nicht [nur] mich auf, sondern [auch] den, der mich ausgesandt hat." Johannes sprach zu ihm: ?Lehrer, wir sahen jemand unter Benutzung deines Namens Dämonen austreiben, und wir suchten ihn zu hindern, weil er uns nicht begleitete." Jesus aber sagte: ?Sucht ihn nicht zu hindern, denn da ist niemand, der eine Machttat aufgrund meines Namens tun wird, der rasch imstande sein wird, mich zu beschimpfen; denn wer nicht gegen uns ist, ist für uns. Denn wer immer euch aufgrund dessen, daß ihr Christus angehört, einen Becher Wasser zu trinken gibt, wahrlich, ich sage euch: Er wird seines Lohnes keinesfalls verlustig gehen. Wer immer aber einen von diesen Kleinen, die glauben, straucheln macht, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein, wie er von einem Esel gedreht wird, um den Hals gelegt und er tatsächlich ins Meer geworfen würde. Und wenn deine Hand dich je straucheln macht, so hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben einzugehen, als mit zwei Händen in die Gehenna zu fahren, in das Feuer, das nicht ausgelöscht werden kann. - - - Und wenn dein Fuß dich straucheln macht, so hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm in das Leben einzugehen, als mit zwei Füßen in die Gehenna geworfen zu werden. - - - Und wenn dein Auge dich straucheln macht, so wirf es weg; es ist besser für dich, einäugig in das Königreich Gottes einzugehen, als mit zwei Augen in die Gehenna geworfen zu werden, wo ihre Made nicht stirbt und das Feuer nicht ausgelöscht wird. Denn jeder muß mit Feuer gesalzen werden. Das Salz ist vortrefflich; wenn aber das Salz jemals seine Kraft verliert, womit wollt ihr es denn würzen? Habt Salz in euch selbst, und haltet Frieden untereinander." Von dort machte er sich auf und kam an die Grenzen von Judäa und jenseits des Jordan, und wieder kamen Volksmengen bei ihm zusammen, und wieder begann er sie zu lehren, wie er es gewohnt war. Nun näherten sich Pharisäer und begannen, um ihn auf die Probe zu stellen, ihn zu fragen, ob es einem Mann erlaubt sei, sich von seiner Frau scheiden zu lassen. Als Antwort sagte er zu ihnen: ?Was hat euch Moses geboten?" Sie sagten: ?Moses hat erlaubt, ein Entlassungszeugnis zu schreiben und sich [von ihr] scheiden zu lassen." Jesus aber sprach zu ihnen: ?Mit Rücksicht auf eure Herzenshärte schrieb er euch dieses Gebot. Doch von Anfang der Schöpfung an ?hat ER sie männlich und weiblich gemacht. Deswegen wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen, und die zwei werden e i n Fleisch sein', so daß sie nicht mehr zwei, sondern e i n Fleisch sind. Was also Gott zusammengejocht hat, bringe kein Mensch auseinander." Als sie wieder im Haus waren, begannen ihn die Jünger darüber zu befragen. Und er sprach zu ihnen: ?Wer immer sich von seiner Frau scheiden läßt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch, und wenn eine Frau, nachdem sie sich von ihrem Mann scheiden ließ, je einen anderen heiratet, so begeht sie Ehebruch." Nun begann man, kleine Kinder zu ihm zu bringen, damit er diese anrühre; die Jünger aber verwiesen es ihnen. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: ?Laßt die kleinen Kinder zu mir kommen; versucht nicht, sie daran zu hindern, denn das Königreich Gottes gehört solchen, die wie sie sind. Wahrlich, ich sage euch: Wer immer das Königreich Gottes nicht aufnimmt wie ein kleines Kind, wird bestimmt nicht in dasselbe eingehen." Und er schloß die Kinder in seine Arme und begann sie zu segnen, indem er ihnen die Hände auflegte. Und als er sich hinausbegab auf seinen Weg, lief jemand herbei und fiel vor ihm auf die Knie und stellte ihm die Frage: ?Guter Lehrer, was soll ich tun, um ewiges Leben zu erben?" Jesus sagte zu ihm: ?Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut als nur einer: Gott. Du kennst die Gebote: ?Morde nicht', ?Begehe nicht Ehebruch', ?Stiehl nicht', ?Lege nicht falsches Zeugnis ab', ?Übervorteile nicht', ?Ehre deinen Vater und deine Mutter'." Der Mann sprach zu ihm: ?Lehrer, das alles habe ich von meiner Jugend an gehalten." Jesus blickte ihn an, empfand Liebe zu ihm und sagte zu ihm: ?Eines fehlt dir: Geh, verkauf, was du hast, und gib den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach." Er wurde aber bei diesem Wort traurig und ging betrübt weg; denn er hatte viele Besitztümer. Nachdem Jesus umhergeblickt hatte, sprach er zu seinen Jüngern: ?Wie schwierig wird es für die sein, die Geld haben, in das Königreich Gottes einzugehen!" Die Jünger aber begannen sich über seine Worte zu verwundern. Da ergriff Jesus das Wort und sagte wieder zu ihnen: ?Kinder, wie schwierig ist es, in das Königreich Gottes einzugehen! Es ist leichter für ein Kamel, durch ein Nadelöhr hindurchzugehen, als für einen Reichen, in das Königreich Gottes einzugehen." Sie waren noch mehr erstaunt und sprachen zu ihm: ?Wer kann dann tatsächlich gerettet werden?" Jesus blickte sie direkt an und sagte: ?Bei Menschen ist es unmöglich, nicht aber bei Gott, denn bei Gott sind alle Dinge möglich." Da fing Petrus an, zu ihm zu sagen: ?Siehe! Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt." Jesus sprach: ?Wahrlich, ich sage euch: Niemand hat Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Felder um meinetwillen und um der guten Botschaft willen verlassen, der nicht jetzt, in dieser Zeitperiode, hundertfach empfängt: Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Felder, unter Verfolgungen, und in dem kommenden System der Dinge ewiges Leben. Doch werden viele, die Erste sind, Letzte sein und die Letzten Erste." Nun waren sie unterwegs und zogen nach Jerusalem hinauf, und Jesus ging ihnen voran, und Staunen ergriff sie; diejenigen aber, die ihnen folgten, begannen sich zu fürchten. Nochmals nahm er die Zwölf beiseite und fing an, ihnen die Dinge zu sagen, die ihm zu widerfahren bestimmt seien: ?Seht, wir gehen nach Jerusalem hinauf, und der Menschensohn wird den Oberpriestern und den Schriftgelehrten ausgeliefert werden, und sie werden ihn zum Tode verurteilen und werden ihn den [Menschen der] Nationen ausliefern, und sie werden Spott mit ihm treiben und werden ihn anspeien und ihn geißeln und ihn töten, aber drei Tage später wird er auferstehen." Und Jakobus und Johannes, die beiden Söhne des Zebedäus, traten an ihn heran und sagten zu ihm: ?Lehrer, wir möchten, daß du für uns tust, was immer wir von dir erbitten." Er sagte zu ihnen: ?Was wollt ihr, daß ich für euch tue?" Sie sagten zu ihm: ?Gewähre uns, daß sich in deiner Herrlichkeit einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken setze." Jesus aber sprach zu ihnen: ?Ihr wißt nicht, worum ihr bittet. Könnt ihr den Becher trinken, den ich trinke, oder mit der Taufe getauft werden, mit der ich getauft werde?" Sie sagten zu ihm: ?Wir können es." Darauf sprach Jesus zu ihnen: ?Den Becher, den ich trinke, werdet ihr trinken, und mit der Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr getauft werden. Aber dieses Sitzen zu meiner Rechten oder zu meiner Linken zu vergeben steht nicht mir zu, sondern gehört denen, für die es bereitet worden ist." Als dann die zehn anderen davon hörten, fingen sie an, über Jakobus und Johannes unwillig zu werden. Jesus aber rief sie zu sich und sprach darauf zu ihnen: ?Ihr wißt, daß die, die über die Nationen zu herrschen scheinen, den Herrn über sie spielen und ihre Großen Gewalt über sie ausüben. Unter euch ist es nicht so, sondern wer immer unter euch groß werden will, soll euer Diener sein, und wer immer unter euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn selbst der Menschensohn ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und seine Seele als ein Lösegeld im Austausch gegen viele zu geben." Und sie kamen nach Jericho. Als aber er und seine Jünger und eine beträchtliche Volksmenge von Jericho weiterzogen, saß Bartimäus (der Sohn des Timäus), ein blinder Bettler, am Weg. Als er hörte, es sei Jesus, der Nazarener, fing er an zu schreien und zu sprechen: ?Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir!" Darauf begannen ihm viele ernstlich zu gebieten, er solle doch schweigen; er aber schrie nur noch viel mehr: ?Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" Da blieb Jesus stehen und sprach: ?Ruft ihn." Und sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: ?Fasse Mut, steh auf, er ruft dich." Da warf er sein äußeres Kleid ab, sprang auf und ging zu Jesus hin. Und Jesus antwortete ihm und sprach: ?Was willst du, daß ich für dich tue?" Der Blinde sagte zu ihm: ?Rabbuni, laß mich wieder sehend werden." Und Jesus sprach zu ihm: ?Geh, dein Glaube hat dich gesund gemacht." Und sogleich konnte er wieder sehen, und er begann ihm auf dem Weg zu folgen. Als sie sich nun Jerusalem, Bethphage und Bethanien am Ölberg näherten, sandte er zwei seiner Jünger aus und sprach zu ihnen: ?Geht in das Dorf, das ihr vor euch seht, und sobald ihr in dasselbe eintretet, werdet ihr ein Füllen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat; bindet es los, und bringt es [her]. Und wenn jemand zu euch sagt: ?Warum tut ihr das?', so sprecht: ?Der Herr benötigt es und wird es gleich wieder hierher zurücksenden.' " Da gingen sie hin und fanden das Füllen an der Tür angebunden, draußen an der Nebenstraße, und sie banden es los. Doch einige der dort Stehenden begannen zu ihnen zu sagen: ?Was tut ihr da, das Füllen loszubinden?" Da sprachen sie zu diesen so, wie es Jesus gesagt hatte; und sie ließen sie gehen. Und sie brachten das Füllen zu Jesus, und sie legten ihre äußeren Kleider darüber, und er setzte sich auf dasselbe. Auch breiteten viele ihre äußeren Kleider auf dem Weg aus, andere aber hieben auf den Feldern Laubzweige ab. Und die, die vorausgingen, und die, die hinterherkamen, riefen fortgesetzt: ?Rette, bitte! Gesegnet ist, der im Namen Jehovas kommt! Gesegnet ist das kommende Königreich unseres Vaters David! Rette, bitte, in den Höhen droben!" Und er zog in Jerusalem ein, in den Tempel; und er schaute sich ringsum alle Dinge an, und da es schon zu später Stunde war, ging er mit den Zwölfen hinaus nach Bethanien. Am nächsten Tag, als sie aus Bethanien herausgekommen waren, wurde er hungrig. Und aus einiger Entfernung erblickte er einen Feigenbaum, der Blätter hatte, und er ging hin, um zu sehen, ob er vielleicht etwas an ihm finde. Doch als er zu ihm hinkam, fand er nichts als Blätter, denn es war nicht die Zeit der Feigen. Da ergriff er das Wort und sprach zu ihm: ?Niemand esse mehr Frucht von dir immerdar." Und seine Jünger hörten es. Nun kamen sie nach Jerusalem. Dort ging er in den Tempel hinein und fing an, diejenigen, die im Tempel verkauften und kauften, hinauszutreiben, und er stieß die Tische der Geldwechsler und die Bänke der Taubenverkäufer um; und er ließ nicht zu, daß jemand ein Gerät durch den Tempel trug, sondern er lehrte fortwährend und sprach: ?Steht nicht geschrieben: ?Mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Nationen genannt werden.'? Ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht." Und die Oberpriester und die Schriftgelehrten hörten es, und sie suchten, wie sie ihn vernichten könnten; denn sie fürchteten ihn, da die ganze Volksmenge über sein Lehren beständig höchst erstaunt war. Und wenn es am Tag spät wurde, gingen sie jeweils aus der Stadt hinaus. Doch als sie frühmorgens vorübergingen, sahen sie den Feigenbaum bereits von den Wurzeln an verdorrt. Da erinnerte sich Petrus und sagte zu ihm: ?Rabbi, sieh, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt." Und Jesus gab ihnen zur Antwort: ?Habt Glauben an Gott. Wahrlich, ich sage euch: Wer immer zu diesem Berg spricht: ?Werde emporgehoben und ins Meer geworfen' und in seinem Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, daß das, was er sagt, geschehen wird, dem wird es widerfahren. Darum sage ich euch: Alle Dinge, um die ihr betet und bittet, glaubt, daß ihr sie sozusagen empfangen habt, und ihr werdet sie haben. Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebt, was immer ihr gegeneinander habt, damit euer Vater, der in den Himmeln ist, auch euch eure Verfehlungen vergebe." - - - Und sie kamen wieder nach Jerusalem. Und als er im Tempel umherging, traten die Oberpriester und die Schriftgelehrten und die älteren Männer zu ihm und begannen zu ihm zu sagen: ?Mit welcher Befugnis tust du diese Dinge? Oder wer hat dir diese Befugnis gegeben, diese Dinge zu tun?" Jesus sagte zu ihnen: ?Ich will euch e i n e Frage stellen. Ihr antwortet mir, und ich will auch euch sagen, mit welcher Befugnis ich diese Dinge tue. War die Taufe des Johannes vom Himmel oder von Menschen? Antwortet mir." Da begannen sie, unter sich zu überlegen, und sprachen: ?Wenn wir sagen: ?Vom Himmel', wird er sagen: ?Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt?' Dürfen wir aber sagen: ?Von Menschen'?" - Sie hatten Furcht vor der Volksmenge, denn sie alle hielten dafür, daß Johannes wirklich ein Prophet gewesen war. Als Antwort sagten sie daher zu Jesus: ?Wir wissen es nicht." Und Jesus sprach zu ihnen: ?Dann sage ich euch auch nicht, mit welcher Befugnis ich diese Dinge tue." Er fing auch an, in Gleichnissen zu ihnen zu reden: ?Ein Mensch pflanzte einen Weingarten und umgab ihn mit einem Zaun und grub eine Kufe für die Weinkelter und errichtete einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und reiste außer Landes. Dann sandte er zur gegebenen Zeit einen Sklaven zu den Weingärtnern, damit er etwas von den Früchten des Weingartens von den Weingärtnern erhalte. Sie aber nahmen ihn, prügelten ihn und sandten ihn leer fort. Und wieder sandte er einen anderen Sklaven zu ihnen; und diesen schlugen sie auf den Kopf und entehrten ihn. Und er sandte einen weiteren hin, und diesen töteten sie, und viele andere, einige von ihnen prügelten sie, und einige von ihnen töteten sie. Noch einen hatte er, einen geliebten Sohn. Er sandte ihn zuletzt zu ihnen, indem er sprach: ?Sie werden vor meinem Sohn Respekt haben.' Aber jene Weingärtner sagten unter sich: ?Dieser ist der Erbe. Kommt, laßt uns ihn töten, und das Erbe wird unser sein.' Da nahmen sie ihn und töteten ihn und warfen ihn aus dem Weingarten hinaus. Was wird der Eigentümer des Weingartens tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und wird den Weingarten anderen geben. Habt ihr nie dieses Schriftwort gelesen: ?Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Haupteckstein geworden. Von Jehova aus ist dies geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen.'?" Darauf suchten sie ihn zu greifen, doch fürchteten sie die Volksmenge, denn sie merkten, daß er sie im Sinn gehabt hatte, als er das Gleichnis sprach. Somit ließen sie von ihm ab und gingen fort. Als nächstes sandten sie einige von den Pharisäern und von den Parteianhängern des Herodes zu ihm, um ihn in seiner Rede zu fangen. Nachdem diese gekommen waren, sagten sie zu ihm: ?Lehrer, wir wissen, daß du wahrhaftig bist, und du kümmerst dich um niemand, denn du schaust nicht auf die äußere Erscheinung der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes der Wahrheit gemäß: Ist es erlaubt, Cäsar Kopfsteuer zu zahlen, oder nicht? Sollen wir zahlen, oder sollen wir nicht zahlen?" Er durchschaute ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: ?Warum stellt ihr mich auf die Probe? Bringt mir einen Denar, damit ich [ihn] anschaue." Sie brachten einen. Und er sagte zu ihnen: ?Wessen Bild und Aufschrift ist dies?" Sie sprachen zu ihm: ?Cäsars." Da sagte Jesus: ?Zahlt Cäsars Dinge Cäsar zurück, Gottes Dinge aber Gott." Und sie begannen sich über ihn zu verwundern. Nun kamen Sadduzäer zu ihm, die sagen, es gebe keine Auferstehung, und sie stellten ihm die Frage: ?Lehrer, Moses schrieb uns, daß, wenn jemandes Bruder stirbt und eine Frau zurückläßt, aber kein Kind hinterläßt, sein Bruder die Frau nehmen und für seinen Bruder Nachkommen von ihr erwecken sollte. Da waren sieben Brüder; und der erste nahm eine Frau, doch hinterließ er, als er starb, keine Nachkommen. Und der zweite nahm sie, starb aber, ohne Nachkommen zu hinterlassen; und der dritte ebenso. Und die sieben hinterließen keine Nachkommen. Als letzte von allen starb auch die Frau. Wer von ihnen wird sie in der Auferstehung zur Frau haben? Denn die sieben hatten sie zur Frau." Jesus sprach zu ihnen: ?Seid ihr nicht deshalb im Irrtum, weil ihr weder die Schriften noch die Macht Gottes kennt? Denn wenn sie von den Toten auferstehen, heiraten Männer nicht, noch werden Frauen verheiratet, sondern sie sind wie Engel in den Himmeln. Was aber die Toten betrifft, daß sie auferweckt werden, habt ihr nicht in dem Buch Mose, in dem Bericht über den Dornbusch, gelesen, wie Gott zu ihm sprach: ?Ich bin der Gott Abrahams und [der] Gott Isaaks und [der] Gott Jakobs.'? Er ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden. Ihr seid sehr im Irrtum." Einer von den Schriftgelehrten nun, der herzugetreten war und ihren Wortstreit gehört hatte, erkannte, daß er auf vortreffliche Weise geantwortet hatte, und fragte ihn: ?Welches Gebot ist das erste von allen?" Jesus antwortete: ?Das erste ist: ?Höre, o Israel: Jehova, unser Gott, ist e i n Jehova, und du sollst Jehova, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Sinn und mit deiner ganzen Kraft.' Das zweite ist dieses: ?Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.' Kein anderes Gebot ist größer als diese." Der Schriftgelehrte sagte zu ihm: ?Lehrer, treffend hast du der Wahrheit gemäß gesagt: ?ER ist E i n e r , und da ist kein anderer als ER'; und dieses, ?ihn zu lieben mit ganzem Herzen und mit ganzem Verstand und mit ganzer Kraft', und dieses, ?seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst', ist weit mehr wert als alle Ganzbrandopfer und Schlachtopfer." Da Jesus erkannte, daß er verständig geantwortet hatte, sagte er zu ihm: ?Du bist nicht fern vom Königreich Gottes." Niemand aber hatte mehr den Mut, ihn zu befragen. Als Jesus jedoch antwortete, begann er, während er im Tempel lehrte, zu sagen: ?Wieso sagen die Schriftgelehrten, daß der Christus Davids Sohn ist? Durch den heiligen Geist sagte David selbst: ?Jehova sprach zu meinem Herrn: ?Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege." ' David selbst nennt ihn ?Herr', doch wie kommt es, daß er sein Sohn ist?" Und die große Volksmenge hörte ihm mit Lust zu. Und während er lehrte, sagte er weiter: ?Nehmt euch vor den Schriftgelehrten in acht, die in langen Gewändern umhergehen wollen und Begrüßungen auf den Marktplätzen begehren sowie die vorderen Sitze in den Synagogen und die hervorragendsten Plätze bei Abendessen. Sie sind es, die die Häuser der Witwen verzehren und zum Vorwand lange Gebete sprechen; diese werden ein schwereres Gericht empfangen." Und er setzte sich den Schatzkästen gegenüber nieder und begann zu beobachten, wie das Volk Geld in die Schatzkästen einwarf; und viele Reiche warfen viele Münzen ein. Nun kam eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen von ganz geringem Wert ein. Da rief er seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: ?Wahrlich, ich sage euch, daß diese arme Witwe mehr eingeworfen hat als alle, die Geld in die Schatzkästen einwarfen; denn sie alle haben von ihrem Überfluß eingeworfen; sie aber hat von ihrem Mangel alles eingeworfen, was sie hatte, ihren ganzen Lebensunterhalt." Als er aus dem Tempel hinausging, sagte einer seiner Jünger zu ihm: ?Lehrer, schau, was für Steine und was für Bauten!" Jesus sagte jedoch zu ihm: ?Siehst du diese großen Bauten? Bestimmt wird hier nicht ein Stein auf dem anderen gelassen, der nicht niedergerissen werden wird." Und als er auf dem Ölberg saß, dem Tempel gegenüber, begannen ihn Petrus und Jakobus und Johannes und Andreas, als sie mit ihm allein waren, zu fragen: ?Sag uns: Wann werden diese Dinge geschehen, und was wird das Zeichen sein, wann alle diese Dinge zu einem Abschluß kommen sollen?" Da fing Jesus an, zu ihnen zu sagen: ?Seht zu, daß euch niemand irreführt. Viele werden aufgrund meines Namens kommen und sagen: ?Ich bin es' und werden viele irreführen. Überdies, wenn ihr von Kriegen und Kriegsberichten hört, so erschreckt nicht; [diese Dinge] müssen geschehen, aber es ist noch nicht das Ende. Denn Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich, es wird an einem Ort nach dem anderen Erdbeben geben, Lebensmittelknappheit wird eintreten. Diese Dinge sind ein Anfang der Bedrängniswehen. Was euch betrifft, gebt acht auf euch selbst; man wird euch örtlichen Gerichten ausliefern, und ihr werdet in Synagogen geschlagen und um meinetwillen vor Statthalter und Könige gestellt werden, ihnen zu einem Zeugnis. Auch muß unter allen Nationen zuerst die gute Botschaft gepredigt werden. Wenn sie euch aber abführen, um euch auszuliefern, so macht euch nicht im voraus Sorgen über das, was ihr reden sollt, sondern was euch in jener Stunde gegeben wird, das redet, denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der heilige Geist. Ferner wird ein Bruder den Bruder zum Tode überliefern und ein Vater ein Kind, und Kinder werden gegen [die] Eltern aufstehen und sie zu Tode bringen lassen; und um meines Namens willen werdet ihr Gegenstand des Hasses aller Menschen sein. Wer aber bis zum Ende ausgeharrt haben wird, der wird gerettet werden. Wenn ihr aber das abscheuliche Ding, das Verwüstung verursacht, dort stehen seht, wo es nicht stehen sollte (der Leser wende Unterscheidungsvermögen an), dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge zu fliehen beginnen. Wer auf dem Hausdach ist, steige nicht hinab, noch gehe er hinein, um etwas aus seinem Haus zu holen; und wer auf dem Feld ist, der kehre nicht zurück zu den Dingen hinter sich, um sein äußeres Kleid zu holen. Wehe den schwangeren Frauen und denen, die ein Kleinkind stillen in jenen Tagen! Betet unablässig, daß es nicht zur Winterzeit geschehe; denn jene Tage werden [Tage] einer Drangsal sein, wie es seit Anfang der Schöpfung, die Gott schuf, bis zu dieser Zeit keine gegeben hat und nicht wieder geben wird. In der Tat, wenn Jehova die Tage nicht verkürzt hätte, so würde kein Fleisch gerettet werden. Aber um der Auserwählten willen, die er auserwählt hat, hat er die Tage verkürzt. Wenn dann auch jemand zu euch sagt: ?Siehe! Hier ist der Christus', ?Siehe! Dort ist er', glaubt [es] nicht. Denn falsche Christusse und falsche Propheten werden aufstehen und werden Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, die Auserwählten irrezuführen. Seht euch also vor; ich habe euch alles vorhergesagt. In jenen Tagen aber, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden, und der Mond wird sein Licht nicht geben, und die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte, die in den Himmeln sind, werden erschüttert werden. Und dann werden sie den Menschensohn in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit kommen sehen. Und dann wird er die Engel aussenden und wird seine Auserwählten von den vier Winden her versammeln, vom äußersten [Ende] der Erde bis zum äußersten [Ende] des Himmels. Von dem Feigenbaum lernt nun das Gleichnis: Sobald sein junger Zweig weich wird und seine Blätter hervortreibt, erkennt ihr, daß der Sommer nahe ist. Ebenso auch ihr, wenn ihr diese Dinge geschehen seht, so erkennt, daß er nahe an den Türen ist. Wahrlich, ich sage euch, daß diese Generation auf keinen Fall vergehen wird, bis alle diese Dinge geschehen. Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von jenem Tag oder der Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern [nur] der Vater. Haltet ständig Ausschau, bleibt wach, denn ihr wißt nicht, wann die bestimmte Zeit da ist. Es ist wie ein Mensch, der, als er außer Landes reiste, sein Haus verließ und seinen Sklaven Vollmacht gab, einem jeden seine Arbeit, und dem Türhüter gebot, wachsam zu sein. Wacht also beharrlich, denn ihr wißt nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob spät am Tag oder um Mitternacht oder beim Hahnenschrei oder frühmorgens, damit er euch, wenn er plötzlich eintrifft, nicht schlafend finde. Was ich aber euch sage, sage ich allen: Wacht beständig." Nun fand zwei Tage später das Passah und [das Fest] der ungesäuerten Brote statt. Und die Oberpriester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn durch einen listigen Anschlag greifen und töten könnten; denn wiederholt sagten sie: ?Nicht am Fest; vielleicht könnte unter dem Volk ein Aufruhr entstehen." Und während er in Bethanien? im Haus Simons? des Aussätzigen? war? kam? als er bei einem Mahl lag? eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, sehr teurem, wohlriechendem Nardenöl. Sie brach das Alabastergefäß auf und begann es auf sein Haupt zu gießen. Darüber drückten einige unter sich ihren Unwillen aus: ?Wozu ist diese Verschwendung des wohlriechenden Öls geschehen? Denn dieses wohlriechende Öl hätte für mehr als dreihundert Denare verkauft und den Armen gegeben werden können!" Und sie wurden sehr ungehalten über sie. Jesus aber sagte: ?Laßt sie. Warum sucht ihr ihr Mühe zu machen? Sie hat eine vortreffliche Tat an mir getan. Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch, und wann immer ihr wollt, könnt ihr ihnen stets Gutes tun, mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat es im voraus, im Hinblick auf mein Begräbnis, unternommen, wohlriechendes Öl auf meinen Leib zu tun. Wahrlich, ich sage euch: Wo immer die gute Botschaft in der ganzen Welt gepredigt wird, wird auch das, was diese Frau getan hat, zur Erinnerung an sie erzählt werden." Und Judas Iskariot, einer von den Zwölfen, ging hin zu den Oberpriestern, um ihn an sie zu verraten. Als sie es hörten, freuten sie sich und versprachen, ihm Silbergeld zu geben. Da begann er nach einer passenden Gelegenheit zu suchen, um ihn zu verraten. Am ersten Tag der ungesäuerten Brote nun, als sie nach ihrer Gewohnheit das Passah-[Opfertier] opferten, sagten seine Jünger zu ihm: ?Wohin willst du, daß wir gehen und Vorbereitungen treffen, damit du das Passah essen kannst?" Darauf sandte er zwei seiner Jünger aus und sprach zu ihnen: ?Geht in die Stadt, und es wird euch ein Mensch begegnen, der ein irdenes Gefäß mit Wasser trägt. Folgt ihm, und wo immer er hineingeht, sagt zum Hausherrn: ?Der Lehrer sagt: ?Wo ist das Gastzimmer für mich, wo ich mit meinen Jüngern das Passah essen kann?" ' Und er wird euch ein großes Obergemach zeigen, das ausgestattet bereitsteht; und dort bereitet es für uns." Da gingen die Jünger hin, und sie kamen in die Stadt und fanden es so, wie er es ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passah. Nachdem es Abend geworden war, kam er mit den Zwölfen. Und während sie zu Tisch lagen und aßen, sprach Jesus: ?Wahrlich, ich sage euch: Einer von euch, der mit mir ißt, wird mich verraten." Da fingen sie an, betrübt zu werden und einer nach dem anderen zu ihm zu sagen: ?Ich bin es doch nicht etwa?" Er sprach zu ihnen: ?Einer von den Zwölfen ist es, der mit mir in die gemeinsame Schüssel eintaucht. Allerdings geht der Menschensohn weg, so wie über ihn geschrieben steht, wehe aber jenem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre besser für diesen Menschen, wenn er nicht geboren worden wäre." Und während sie weiteraßen, nahm er ein Brot, sprach einen Segen, brach es und gab es ihnen und sagte: ?Nehmt es, dies bedeutet meinen Leib." Und er nahm einen Becher, sagte Dank und gab ihnen diesen, und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: ?Dies bedeutet mein ?Blut des Bundes', das zugunsten vieler vergossen werden wird. Wahrlich, ich sage euch: Ich werde keinesfalls mehr von dem Erzeugnis des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich es neu trinke in dem Königreich Gottes." Nach Lobgesängen gingen sie schließlich hinaus zum Ölberg. Und Jesus sprach zu ihnen: ?Ihr werdet alle zum Straucheln gebracht werden, denn es steht geschrieben: ?Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe werden zerstreut werden.' Nachdem ich aber auferweckt sein werde, will ich euch nach Galiläa vorangehen." Petrus aber sagte zu ihm: ?Wenn auch alle anderen zum Straucheln gebracht werden, so doch ich nicht." Darauf sprach Jesus zu ihm: ?Wahrlich, ich sage dir: Selbst du wirst mich heute, ja diese Nacht, bevor ein Hahn zweimal kräht, dreimal verleugnen." Er aber begann zu beteuern: ?Wenn ich mit dir sterben muß, will ich dich auf keinen Fall verleugnen." Auch alle anderen begannen das gleiche zu sagen. Da kamen sie zu einer Stelle, Gethsemane genannt, und er sagte zu seinen Jüngern: ?Setzt euch hier nieder, während ich bete." Und er nahm Petrus und Jakobus und Johannes mit sich, und er fing an, in Bestürzung zu geraten und schmerzlich beunruhigt zu werden. Und er sprach zu ihnen: ?Meine Seele ist tief betrübt, ja bis zum Tod. Bleibt hier und wacht!" Und er ging ein wenig weiter, fiel dann auf die Erde und begann zu beten, daß, wenn es möglich wäre, die Stunde an ihm vorübergehe. Und danach sagte er: ?Abba, Vater, alle Dinge sind dir möglich; entferne diesen Becher von mir. Doch nicht, was ich will, sondern was du willst." Und er kam und fand sie schlafend, und er sagte zu Petrus: ?Simon, schläfst du? Hattest du nicht die Kraft, eine einzige Stunde zu wachen? Wacht und betet unablässig, damit ihr nicht in Versuchung kommt. Der Geist ist zwar voller Eifer, aber das Fleisch ist schwach." Und er ging wieder hin und betete und sprach dasselbe Wort. Und wieder kam er und fand sie schlafend, denn ihre Augen waren beschwert, und so wußten sie nicht, was sie ihm antworten sollten. Und er kam zum drittenmal und sprach zu ihnen: ?Zu einer solchen Zeit, wie diese es ist, schlaft ihr und ruht euch aus! Es ist genug! Die Stunde ist gekommen! Seht! Der Menschensohn wird in die Hände von Sündern verraten. Steht auf, laßt uns gehen! Seht! Mein Verräter hat sich genähert." Und sogleich, während er noch redete, traf Judas, einer von den Zwölfen, ein und mit ihm eine Volksmenge mit Schwertern und Knüppeln, von den Oberpriestern und den Schriftgelehrten und den älteren Männern her. Nun hatte sein Verräter ihnen ein verabredetes Zeichen gegeben, indem er sprach: ?Wen immer ich küsse, der ist es; nehmt ihn in Gewahrsam und führt ihn sicher ab." Und er kam heran und trat auf ihn zu und sprach: ?Rabbi!" und küßte ihn sehr zärtlich. Da legten sie Hand an ihn und nahmen ihn in Gewahrsam. Einer jedoch von denen, die dabeistanden, zog sein Schwert und schlug den Sklaven des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. In Erwiderung aber sagte Jesus zu ihnen: ?Seid ihr mit Schwertern und Knüppeln wie gegen einen Räuber ausgezogen, um mich festzunehmen? Tag für Tag war ich bei euch im Tempel und lehrte, und doch nahmt ihr mich nicht in Gewahrsam. Dennoch, es ist, damit die Schriften erfüllt werden." Und sie alle verließen ihn und flohen. Aber ein gewisser junger Mann, der ein Kleid aus feiner Leinwand auf dem bloßen [Leib] trug, begann ihm nahe zu folgen; und man suchte ihn zu greifen, er aber ließ sein leinenes Kleid zurück und entfloh nackt. Sie führten Jesus nun ab zum Hohenpriester, und alle Oberpriester und die älteren Männer und die Schriftgelehrten kamen zusammen. Petrus aber folgte ihm in gutem Abstand bis hinein in den Hof des Hohenpriesters; und er saß mit den Dienern [des Hauses] zusammen und wärmte sich an einem hellen Feuer. Mittlerweile suchten die Oberpriester und der ganze Sanhedrin nach einem Zeugnis gegen Jesus, um ihn zu Tode zu bringen, aber sie fanden keines. Tatsächlich legten viele falsches Zeugnis gegen ihn ab, doch stimmten ihre Zeugenaussagen nicht überein. Auch erhoben sich einige und legten falsches Zeugnis gegen ihn ab, indem sie sprachen: ?Wir hörten ihn sagen: ?Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht wurde, niederreißen, und in drei Tagen will ich einen anderen bauen, der nicht mit Händen gemacht ist.' " Doch auch darin stimmte ihr Zeugnis nicht überein. Schließlich erhob sich der Hohepriester in ihrer Mitte und fragte Jesus, indem er sprach: ?Gibst du keine Antwort? Was ist das, worin diese gegen dich zeugen?" Er aber schwieg und antwortete gar nichts. Wieder begann der Hohepriester ihn zu befragen und sagte zu ihm: ?Bist du der Christus, der Sohn des Gesegneten?" Da sprach Jesus: ?Ich bin es; und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen." Darauf zerriß der Hohepriester seine inneren Kleider und sprach: ?Wozu brauchen wir weiter Zeugen? Ihr habt die Lästerung gehört. Wie urteilt ihr darüber?" Sie alle verurteilten ihn als des Todes schuldig. Und einige fingen an, ihn anzuspeien und sein ganzes Gesicht zu verhüllen und ihn mit den Fäusten zu schlagen und zu ihm zu sagen: ?Prophezeie!" Und die Gerichtsdiener übernahmen ihn mit Backenstreichen. Während Petrus nun unten im Hof war, kam eines von den Dienstmädchen des Hohenpriesters, und als sie Petrus sich wärmen sah, schaute sie ihn direkt an und sagte: ?Auch du warst mit dem Nazarener, diesem Jesus." Er aber leugnete es, indem er sprach: ?Ich kenne ihn nicht und verstehe auch nicht, was du sagst", und er ging hinaus zur Vorhalle. Als das Dienstmädchen ihn dort erblickte, fing sie wieder an, zu den Dabeistehenden zu sagen: ?Dieser ist einer von ihnen." Wieder leugnete er es. Und nochmals, nach einer kleinen Weile, begannen die Dabeistehenden zu Petrus zu sagen: ?Bestimmt bist du einer von ihnen, denn du bist ja ein Galiläer." Er aber fing an zu fluchen und zu schwören: ?Ich kenne diesen Menschen nicht, von dem ihr redet." Und sogleich krähte zum zweiten Mal ein Hahn; und Petrus erinnerte sich an den Ausspruch, als Jesus zu ihm gesagt hatte: ?Ehe ein Hahn zweimal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen." Und er brach zusammen und fing an zu weinen. Und gleich bei Tagesanbruch hielten die Oberpriester mit den älteren Männern und den Schriftgelehrten, ja der ganze Sanhedrin, Rat, und sie banden Jesus und führten ihn ab und übergaben ihn Pilatus. Da stellte Pilatus ihm die Frage: ?Bist du der König der Juden?" Als Antwort sagte er zu ihm: ?Du selbst sagst [es]." Die Oberpriester aber gingen daran, ihn vieler Dinge anzuklagen. Nun begann Pilatus ihn von neuem zu befragen, indem er sprach: ?Gibst du keine Antwort? Sieh, wie viele Beschuldigungen sie gegen dich vorbringen." Jesus aber gab keine weitere Antwort, so daß sich Pilatus zu verwundern begann. Nun pflegte er ihnen von Fest zu Fest einen Gefangenen freizugeben, den, welchen sie sich ausbaten. Zu der Zeit lag einer, Barabbas genannt, in Fesseln bei den Aufrührern, die bei ihrem Aufstand einen Mord begangen hatten. Da ging die Volksmenge hinauf und fing an, gemäß dem zu bitten, was er für sie zu tun pflegte. Pilatus antwortete ihnen, indem er sprach: ?Wollt ihr, daß ich euch den König der Juden freigebe?" Denn er merkte, daß ihn die Oberpriester aus Neid überliefert hatten. Die Oberpriester aber wiegelten die Volksmenge auf, damit er ihnen an seiner Stelle Barabbas freigebe. Wieder erwiderte ihnen Pilatus und sprach: ?Was soll ich denn mit ihm, den ihr den König der Juden nennt, tun?" Da schrien sie nochmals: ?An den Pfahl mit ihm!" Pilatus aber sagte ferner zu ihnen: ?Nun, was hat er denn Schlechtes getan?" Doch sie schrien um so mehr: ?An den Pfahl mit ihm!" Darauf gab ihnen Pilatus, der die Volksmenge zu befriedigen wünschte, Barabbas frei, und nachdem er Jesus hatte auspeitschen lassen, lieferte er ihn aus, damit er an den Pfahl gebracht werde. Die Soldaten führten ihn nun weg in den Hof, das heißt in den Palast des Statthalters; und sie riefen die ganze Truppeneinheit zusammen, und sie legten ihm Purpur um und flochten eine Krone aus Dornen und setzten sie ihm auf. Und sie fingen an, ihn zu begrüßen: ?Guten Tag, du König der Juden!" Auch schlugen sie ihn mit einem Rohr auf den Kopf und spien ihn an, beugten ihre Knie und brachten ihm Huldigung dar. Nachdem sie Spott mit ihm getrieben hatten, zogen sie ihm schließlich den Purpur aus und legten ihm seine äußeren Kleider an. Und sie führten ihn hinaus, um ihn an den Pfahl zu bringen. Auch zwangen sie einen Vorübergehenden, einen gewissen Simon von Kyrene, den Vater von Alexander und Rufus, der vom Lande kam, zu dem Dienst, seinen Marterpfahl aufzunehmen. So brachten sie ihn an die Stätte Golgotha, was übersetzt Schädelstätte bedeutet. Hier versuchten sie, ihm mit Myrrhe gewürzten Wein zu geben, den er aber nicht nahm. Und sie brachten ihn an den Pfahl und verteilten seine äußeren Kleider, indem sie das Los darüber warfen, wer welches [Stück] nehme. Es war nun die dritte Stunde, und sie schlugen ihn an den Pfahl. Und die Inschrift über die gegen ihn erhobene Beschuldigung war oben angeschrieben: ?Der König der Juden". Mit ihm brachten sie außerdem zwei Räuber an den Pfahl, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken. - - - Und die Vorübergehenden redeten jeweils auf lästerliche Weise zu ihm, schüttelten ihren Kopf und sprachen: ?Pah! Du, der du den Tempel niederreißen und ihn in der Zeit von drei Tagen aufbauen wolltest, rette dich selbst, indem du vom Marterpfahl herabsteigst." Gleicherweise trieben auch die Oberpriester samt den Schriftgelehrten untereinander Spott und sagten: ?Andere hat er gerettet; sich selbst kann er nicht retten! Möge der Christus, der König von Israel, jetzt vom Marterpfahl herabsteigen, damit wir sehen und glauben können." Auch die, die mit ihm an den Pfahl gebracht worden waren, schmähten ihn. Als die sechste Stunde kam, brach über das ganze Land eine Finsternis herein bis zur neunten Stunde. Und zur neunten Stunde rief Jesus mit lauter Stimme: ?Elí, Elí, lamá sabachtháni?" , was übersetzt bedeutet: ?Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Und als einige von den Dabeistehenden es hörten, begannen sie zu sagen: ?Seht! Er ruft den Elia." Aber einer lief hin, füllte einen Schwamm mit saurem Wein, steckte ihn an ein Rohr und begann ihm zu trinken zu geben, wobei er sprach: ?Laßt [ihn]! Wir wollen sehen, ob Elia kommt, um ihn herabzunehmen." Jesus aber stieß einen lauten Schrei aus und verschied. Und der Vorhang des Heiligtums wurde von oben bis unten entzweigerissen. Als nun der Offizier, der ihm gegenüber dabeistand, sah, daß er unter diesen Umständen verschied, sagte er: ?Bestimmt war dieser Mensch Gottes Sohn." Da waren auch Frauen, die aus einiger Entfernung zusahen, unter ihnen Maria Magdalene und auch Maria, die Mutter des Jakobus des Geringeren und des Joses, und Salome, die ihn gewöhnlich begleiteten und ihm dienten, als er in Galiläa war, und viele andere Frauen, die mit ihm zusammen nach Jerusalem heraufgekommen waren. Da es nun schon Spätnachmittag geworden und da es Vorbereitungstag war, das heißt der Tag vor dem Sabbat, kam Joseph von Arimathia, ein angesehenes Ratsmitglied, der auch selbst auf das Königreich Gottes wartete. Er faßte Mut, zu Pilatus hineinzugehen, und bat um den Leib Jesu. Pilatus aber wunderte sich, daß er schon tot sei, rief den Offizier herbei und fragte ihn, ob er schon gestorben sei. Nachdem er sich also durch den Offizier vergewissert hatte, überließ er Joseph den Leichnam. Demzufolge kaufte er feine Leinwand und nahm ihn herab, wickelte ihn in die feine Leinwand und legte ihn in eine Gruft, die in einen Felsen gehauen war; und er wälzte einen Stein an die Türöffnung der Gedächtnisgruft. Maria Magdalene aber und Maria, die Mutter des Joses, schauten fortwährend nach der Stelle, wo er hingelegt worden war. Und als der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalene und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome Gewürze, um hinzugehen und ihn einzusalben. Und ganz früh am ersten Tag der Woche kamen sie zur Gedächtnisgruft, als die Sonne aufgegangen war. Und sie sagten zueinander: ?Wer wird uns den Stein von der Türöffnung der Gedächtnisgruft wegwälzen?" Als sie aber aufblickten, sahen sie, daß der Stein, obwohl er sehr groß war, weggewälzt war. Als sie in die Gedächtnisgruft eintraten, sahen sie einen jungen Mann, mit einem weißen langen Gewand bekleidet, auf der rechten Seite sitzen, und sie waren bestürzt. Er sprach zu ihnen: ?Seid nicht so bestürzt. Ihr sucht Jesus, den Nazarener, der an den Pfahl gebracht wurde. Er ist auferweckt worden, er ist nicht hier. Seht den Ort, wo sie ihn hinlegten! Geht aber hin, sagt seinen Jüngern und Petrus: ?Er geht euch nach Galiläa voraus; dort werdet ihr ihn sehen, so wie er es euch sagte.' " Als sie dann herauskamen, flohen sie von der Gedächtnisgruft, denn Zittern und eine starke Gemütsbewegung hatte sie ergriffen. Und sie erzählten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich. KURZER SCHLUSS Einige Handschriften und Übersetzungen aus späterer Zeit enthalten nach Markus16:8 folgenden kurzen Schluß: Alle Dinge aber, die geboten worden waren, erzählten sie kurz denen, die sich in der Umgebung des Petrus befanden. Ferner sandte nach diesen Dingen Jesus selbst die heilige und unvergängliche Kunde von der ewigen Rettung vom Osten bis zum Westen durch sie aus. LANGER SCHLUSS Gewisse alte Handschriften (ACD) und Übersetzungen (VgSyc,p) enthalten außerdem den folgenden langen Schluß, der aber in ?BSysArm fehlt: Nachdem er früh am ersten Tag der Woche auferstanden war, erschien er zuerst Maria Magdalene, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Sie ging und berichtete [es] denen, die bei ihm gewesen waren, da sie trauerten und weinten. Doch als sie hörten, daß er zum Leben gekommen und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht. Überdies erschien er nach diesen Dingen zweien von ihnen unterwegs, als sie aufs Land gingen, in einer anderen Gestalt; und sie kamen zurück und berichteten es den übrigen. Auch diesen glaubten sie nicht. Später aber erschien er den Elf selbst, als sie zu Tisch lagen, und er hielt ihnen ihren Unglauben und ihre Herzenshärte vor, weil sie denen nicht glaubten, die ihn, den nun von den Toten Auferweckten, gesehen hatten. Und er sprach zu ihnen: ?Geht in die ganze Welt, und predigt der ganzen Schöpfung die gute Botschaft. Wer glaubt und getauft ist, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. Ferner werden folgende Zeichen die Glaubenden begleiten: Unter Benutzung meines Namens werden sie Dämonen austreiben, sie werden in Zungen reden, und mit ihren Händen werden sie Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen sicher nicht schaden. Sie werden ihre Hände Kranken auflegen, und diese werden gesund werden." Nachdem nun der Herr Jesus zu ihnen geredet hatte, wurde er in den Himmel hinaufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie zogen daher aus und predigten überall, wobei der Herr mitwirkte und die Botschaft durch die Begleitzeichen unterstützte. Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über die fest beglaubigten Begebenheiten zu schreiben, die sich bei uns zugetragen haben. Der Inhalt dieser Berichte stimmt mit dem überein, was uns die mitgeteilt haben, die von Anfang an Augenzeugen waren und als Verkünder der Wahrheit öffentlich auftraten. Nun habe auch ich allen Tatsachen von Anfang an sorgfältig nachgeforscht und mich entschlossen, sie gleichfalls niederzuschreiben und zwar der geschichtlichen Reihenfolge nach und dir, hochedler Theophilus, die Niederschrift zu senden. Dadurch sollst du dich von der Richtigkeit dessen vollkommen überzeugen, was dir in mündlicher Belehrung mitgeteilt wurde. Zur Zeit des jüdischen Königs Herodes lebte ein Priester namens Zacharias. Er gehörte zu der Priesterklasse Abia. Seine Frau stammte von Aaron ab und hieß Elisabeth. Beide führten ein gottwohlgefälliges Leben; denn sie befolgten treu alle Gebote und Satzungen des Herrn. Kinder hatten sie nicht, da Elisabeth bisher Mutterfreuden versagt blieben. Beide standen schon im vorgerückten Alter. Eines Tages war die Priesterklasse, zu der Zacharias gehörte, an der Reihe, den Priesterdienst vor Gott zu versehen. Wer von den Priestern den Dienst zu verrichten hatte, darüber pflegte man das Los entscheiden zu lassen. Diesmal fiel es auf Zacharias. So ging er denn in den Tempel des Herrn, um dort das Rauchopfer darzubringen. Das ganze Volk pflegte während der Darbringung des Rauchopfers draußen zu stehen und zu beten. Da erschien ihm ein Engel des Herrn und stand auf der rechten Seite des Brandopferaltares. Bei seinem Anblick erschrak Zacharias, und ein Schauer durchrieselte ihn. Der Engel aber redete ihn mit den Worten an: "Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet hat Erhörung gefunden. Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn schenken, dem du den Namen Johannes geben sollst. Du wirst große Freude und Wonne darüber empfinden, und auch viele andere werden sich über seine Geburt freuen. In den Augen des Herrn wird er groß dastehen. Wein und andere berauschende Getränke wird er nicht trinken, und eine große Zahl heiliger Geister wird schon von seiner Geburt an um ihn sein. Viele von den Kindern Israels wird er zum Herrn, ihrem Gott, zurückführen. Er ist es, der vor 'Ihm' hergehen soll im Geist und in der Kraft des Elia, um eine Sinnesänderung herbeizuführen, angefangen bei den Eltern bis hinunter zu den Kindern, aus Ungläubigen wieder Gottestreue zu machen und so dem Herrn ein Volk zu schaffen, das mit allen Waffen des Guten ausgerüstet ist." Zacharias fragte den Engel: "Welchen Beweis habe ich für die Wahrheit deiner Botschaft? Ich bin ja ein alter Mann und auch meine Frau ist schon hochbetagt." Der Engel gab ihm zur Antwort: "Ich bin Gabriel, der vor Gottes Angesicht steht, und wurde zu dir gesandt, um mit dir zu reden und dir diese frohe Botschaft zu bringen. Aber zur Strafe dafür, dass du meinen Worten nicht geglaubt hast, die trotzdem zur gegebenen Zeit in Erfüllung gehen werden, sollst du stumm sein. Kein Wort wirst du reden können bis zu dem Tage, an dem diese meine Verheißung sich erfüllt hat." Das Volk wartete unterdessen auf Zacharias und wunderte sich darüber, dass er so lange im Heiligtum blieb. Als er endlich heraustrat, konnte er nicht sprechen. Da war es ihnen klar, dass er eine Geistererscheinung im Tempel gehabt haben musste. Er versuchte sich nun durch Zeichen mit ihnen zu verständigen und blieb fernerhin stumm. Als die Tage seines priesterlichen Dienstes vorüber waren, kehrte er nach Hause zurück. Bald darauf kam seine Frau Elisabeth in Hoffnung und lebte fünf Monate lang in tiefer Zurückgezogenheit. Sie pflegte zu sagen: "Diese Gnade hat der Herr mir in dem Augenblick erwiesen, wo er die Schmach von mir nehmen wollte, die in den Augen der Menschen auf mir lastete." Im sechsten Monat nach diesem Ereignis wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt Galiläas zu einer Jungfrau gesandt, die mit einem Mann aus der Nachkommenschaft Davids verlobt war. Der Mann hieß Joseph, und der Name der Jungfrau war Maria. Der Engel trat ein und begrüßte sie mit den Worten: "Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Du bist gesegnet unter den Frauen!" Bei dieser Anrede fühlte sie sich ganz verwirrt und begann darüber nachzudenken, was dieser Gruß wohl bedeuten könne. - - - Aber der Engel fuhr fort: "Fürchte dich nicht, Maria! Denn du fandest Gnade vor Gott. Siehe, du wirst guter Hoffnung werden und einen Sohn gebären. Ihm sollst du den Namen Jesus geben. Dieser wird groß dastehn und 'Sohn des Allerhöchsten' genannt werden. Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakobs herrschen bis in die zukünftigen Zeiten, und sein Königtum wird kein Ende haben." Da fragte Maria den Engel: "Wie soll das möglich sein? Ich habe doch mit keinem Manne Verkehr." Der Engel gab ihr zur Antwort: "Ein heiliger Geist wird auf dich kommen, und die Kraft eines sehr Hohen dich überschatten. Darum wird das Gott geweihte Kind ein 'Sohn Gottes' genannt werden. Und wisse: Elisabeth, deine Anverwandte, ist trotz ihres hohen Alters ebenfalls in Hoffnung und erwartet einen Sohn, - und sie, die bisher als unfruchtbar galt, ist bereits im sechsten Monat. Denn keine Verheißung Gottes bleibt unerfüllt." Da sprach Maria: "Ich betrachte mich als eine Dienstmagd des Herrn. Mir geschehe, wie du gesagt!" Darauf schied der Engel von ihr. Gleich in den nächsten Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in das Bergland nach einer Stadt in Juda. Sie trat in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth, Sobald Elisabeth den Gruß Marias vernahm, hüpfte das Kind in ihrem Schoß, und die volle Kraft eines heiligen Geistes durchströmte sie, und mit lauter Stimme brach sie in die Worte aus: "Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Schoßes! Wodurch habe ich denn das Glück verdient, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn als die Worte deines Grußes an mein Ohr drangen, da hüpfte das Kind in meinem Schoß vor Freude. O, glücklich zu preisen ist die, welche geglaubt hat, dass die ihr vom Herrn gegebene Verheißung in Erfüllung gehen wird." Da sprach Maria folgende Worte: "Es preiset meine Seele den Herrn, und mein Geist jubelt in Gott, meinem Retter. Denn der Herr hat in Gnaden herabgeschaut auf die Demut seiner Magd. Siehe, von jetzt an werden mich selig preisen alle Geschlechter; denn der Allmächtige hat Großes an mir getan. Ja, heilig ist sein Name! Seine Barmherzigkeit wird von Geschlecht zu Geschlecht denen zuteil, die Ehrfurcht vor ihm haben. Er waltete mit mächtigem Arm, zerstreute, die da hochfahrenden Sinnes sind, stürzte stolze Machthaber von ihrem Thron und erhöhte, die demütigen Herzens sind; Hungrige sättigte er mit Gütern, und die Begüterten ließ er leer ausgehen. Seines Knechtes Israel nahm er sich an und gedachte, sich seiner zu erbarmen. So hatte er es ja unsern Vätern verheißen, dem Abraham und seinen Nachkommen, für der Zeiten Dauer." Maria blieb drei Monate bei Elisabeth und kehrte dann nach Hause zurück.' Für Elisabeth kam nun die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar einen Sohn. Als ihre Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr ihr so große Barmherzigkeit erwiesen hatte, freuten sie sich mit ihr. Am achten Tage kamen sie zur Beschneidung des Kindes und wollten ihm den Namen seines Vaters Zacharias geben. Doch die Mutter lehnte dies mit den Worten ab: "Nein, er soll Johannes heißen!" - "Aber" - sagten sie - "es ist doch in deiner ganzen Verwandtschaft niemand, der diesen Namen führt." Da gab man dem Vater durch Zeichen zu verstehen, wie er das Kind genannt haben wolle. Dieser forderte ein Täfelchen und schrieb darauf die Worte: "Johannes ist sein Name!" In demselben Augenblick wurde seine Zunge wieder gelöst. Alle staunten, als er nun seinen Mund öffnete und das Lob Gottes verkündete. Ein heiliger Schauer ergriff alle, die in dieser Gegend wohnten. Überall im ganzen Berglande von Judäa sprach man von diesen Ereignissen. Allen, die davon hörten, ging es tief zu Herzen, und einer sagte zum andern: "Was wird wohl aus diesem Kinde werden? Denn die Kraft des Herrn steht ihm zur Seite." Auch Zacharias, der Vater des Kindes, wurde von der überströmenden Kraft eines heiligen Geistes erfüllt und sprach: "68 Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat in Gnaden herabgeschaut und seinem Volk die Erlösung gebracht. - - - Einen mächtigen Befreier hat er uns erstehen lassen im Hause seines Knechtes David. So hat er es von alters her verheißen durch den Mund seiner Propheten, die da sprachen: 'Retten wird er uns von unsern Feinden und aus der Gewalt derer befreien, die uns hassen. Damit will er Barmherzigkeit unsern Vätern erweisen, eingedenk seines heiligen Bundes und des Eides, mit dem er unserm Vater Abraham geschworen hat, uns zu retten aus der Hand unserer Feinde und uns die Kraft zu gewähren, ihm furchtlos zu dienen in Frömmigkeit und Rechttun alle Tage unseres Lebens.' Und du, Kindlein, wirst ein Prophet eines sehr Hohen genannt werden. Denn du wirst vor dem Herrn einhergehen, ihm die Wege zu bereiten. Du sollst seinem Volk die Erkenntnis der Erlösung vermitteln, die in der Befreiung von der Sünde ihres Abfalls besteht und dem herzlichen Erbarmen unseres Gottes zu verdanken ist. Durch seine erbarmende Liebe ging uns die Sonne aus der Höhe wieder auf, und ein Licht schien auf uns nieder, das denen leuchten soll, die in der Finsternis und im Schatten des Totenreiches sitzen, damit sie ihre Schritte wieder hinlenken zum Pfade des Friedens." Das Kind wuchs zum Jüngling heran. Immer stärkere Kräfte aus der Geisterwelt Gottes machten sich bei ihm bemerkbar, und bis zu seinem öffentlichen Auftreten vor dem Volke Israel lebte er in der armen Gebirgsgegend seiner Heimat. Es kam die Zeit, wo vom Kaiser Augustus eine Verordnung erlassen wurde, dass im ganzen römischen Reich eine Volkszählung stattfinden sollte. Es war dies die erste Zählung dieser Art. In Syrien wurde sie vorgenommen von Quirinus, dem damaligen Statthalter. Alle machten sich auf und ließen sich in die Zähllisten eintragen, ein jeder in der Heimat seines Stammes. Auch Joseph reiste von seinem Wohnort Nazareth in Galiläa hinauf in das Land des Stammes Juda, in die Stadt Davids, mit Namen Bethlehem. Denn er gehörte zu Davids Stamm und Geschlecht. Auch er wollte sich daselbst mit Maria, seiner Frau, die in Hoffnung war, in die Zählliste eintragen lassen. Als sie dort angekommen waren, nahte sich die Stunde ihrer Niederkunft. Sie gebar ihren ersten Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe. In der Herberge hatten sie nämlich keine Unterkunft mehr finden können. Nun waren in dieser Gegend Hirten auf freiem Felde und hielten nachts bei ihren Herden Wache. Da erschien über ihnen ein Engel des Herrn, und ein wunderbarer Glanz umstrahlte sie. Sie waren starr vor Schrecken. Der Engel richtete die Worte an sie: "Seid ohne Furcht! Ich habe euch eine überaus große Freudenbotschaft zu bringen, die dem ganzen Volke gilt. Heute wurde nämlich in der Stadt Davids der Erlöser geboren. Er ist der von Gott bestimmte Messias. Folgendes soll euch der Beweis dafür sein: Ihr werdet in einer Krippe ein Kindlein finden, das in Windeln eingewickelt ist." Plötzlich war bei diesem Engel eine große Menge Geister aus dem Jenseits, die Gott lobsangen mit den Worten: "Ehre sei Gott in der Höhe, und auf der Erde sei Friede in den Herzen der Menschen, die guten Willens sind." Kaum waren die Engel und die Geister, die einst als Menschen lebten, aus ihren Augen entschwunden, und in das Geisterreich zurückgekehrt, da sagten die Hirten zueinander: "Wir wollen nun nach Bethlehem eilen und sehen, ob die Botschaft sich wirklich erfüllt hat, die der Herr uns verkünden ließ." Schnell liefen sie hin und fanden Maria und Joseph und das neugeborne Kind, das in der Krippe lag. Als sie sich so von der Wahrheit überzeugt hatten, erzählten sie die Botschaft, die sie über die Bedeutung dieses Kindes erhalten hatten. Alle, die es hörten, konnten über das, was die Hirten ihnen erzählten, nicht genug staunen. Auch auf Maria machten diese Mitteilungen einen sehr tiefen Eindruck, und sie dachte viel darüber nach. Die Hirten kehrten wieder zu ihren Herden zurück und lobten und priesen Gott für alles, was sie gehört und dessen Bestätigung sie mit eigenen Augen gesehen hatten. Acht Tage später wurde der Knabe beschnitten. Man gab ihm den Namen Jesus, der schon vor seiner Empfängnis von dem Engel für ihn bestimmt worden war. Nach vierzig Tagen war die durch das Mosaische Gesetz vorgesehene Zeit der Reinigung vorüber. Da brachten sie das Kind nach Jerusalem, um es dem Herrn zu weihen. Es steht ja im Gesetz des Herrn geschrieben: "Jedes erstgeborne männliche Kind soll als dem Herrn geweiht gelten." Gleichzeitig wollten sie das nach dem Gesetz des Herrn vorgeschriebene Opfer darbringen, nämlich ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon, - ein Mann ganz nach dem Herzen Gottes. Dieser wartete mit großer Sehnsucht auf einen Trost für Israel. Er stand unter der Leitung eines heiligen Geistes. Von diesem heiligen Geist war ihm auch offenbart worden, dass er nicht eher sterben werde, bis er den Gesalbten des Herrn gesehen hätte. Auf Antrieb dieses Geistes kam er in dem Augenblick in den Tempel, als die Eltern das Jesuskind hineinbrachten, um die Vorschriften des Gesetzes an ihm zu erfüllen. Da nahm er es auf seine Arme und pries Gott mit den Worten: "Nun rufst du, o Herr, deinen Knecht gemäß deinem Worte in Frieden ab. Meine Augen haben ja dein Heil gesehen, das du vor den Augen aller Völker bereitet hast als ein Licht, das diejenigen an den Tag bringt und zur Herrlichkeit zurückführt, die zu deinem wahren Volke Israel gehören." Vater und Mutter des Kindes wunderten sich über die Worte, die sie soeben in Betreff ihres Kindes gehört hatten. Simeon sprach ihnen seinen Segenswunsch aus und wandte sich dann an Maria, die Mutter des Kindes, mit den Worten: "Dieser ist dazu bestimmt, dass viele in Israel durch ihn zu Falle kommen und auch viele aufgerichtet werden. Denn die Art seines Auftretens wird auf Widerspruch stoßen. Und das Schwert des innern Zwiespaltes wird sogar deine eigene Seele durchbohren. So wird die wahre Gesinnung so vieler ans Tageslicht treten." Damals lebte auch eine Prophetin Anna. Sie war die Tochter Phanuels aus dem Stamme Aser. Sie war schon hochbetagt. Nach ihrer Mädchenzeit war sie bloß sieben Jahre verheiratet und nun schon vierundachtzig Jahre Witwe. Nie verließ sie den Tempel, sondern diente Gott darin mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Auch sie traf in diesem Augenblick das Kind, lobte Gott und erzählte allen denen davon, die in Jerusalem auf die Erlösung harrten. Als sie alles gemäß den Vorschriften des Gesetzes des Herrn erfüllt hatten, kehrten sie nach Galiläa in ihre Heimatstadt Nazareth zurück. Das Kind wuchs heran, und immer stärkere Kräfte der Geisterwelt Gottes machten sich bei ihm bemerkbar. Die Fülle der Weisheit wurde ihm zuteil, und das Wohlgefallen Gottes ruhte auf ihm. Jahr für Jahr pflegten seine Eltern nach Jerusalem zum Osterfest zu gehen. Als nun der Knabe zwölf Jahre alt war, und sie nach der für das Fest der ungesäuerten Brote geltenden Vorschrift wieder nach Jerusalem reisten, nahmen sie ihn mit. Nach Schluss der Festtage machten sie sich auf den Heimweg. Doch der Jesusknabe blieb in Jerusalem zurück, ohne dass die Eltern davon wussten. Sie meinten, er sei bei der Festkarawane. In diesem Gedanken hatten sie bereits eine Tagereise zurückgelegt. Nun begannen sie bei den Verwandten und Bekannten nach ihm zu suchen. Als sie ihn dort nicht fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück und suchten ihn hier. Erst nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel. Er saß mitten unter den Gesetzlehrern, hörte ihnen zu und stellte auch Fragen an sie. Alle, die seinen Worten lauschten, waren starr vor Staunen über das Verständnis, das er an den Tag legte und die Antworten, die er gab. Als seine Eltern seiner ansichtig wurden, waren sie ganz bestürzt. "Mein Kind", - sagte seine Mutter zu ihm - "warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben unter großem Kummer und Herzeleid nach dir gesucht." Er gab ihnen zur Antwort: "Warum brauchtet ihr mich zu suchen? Konntet ihr euch denn nicht denken, dass ich dort sein müsse, wo es sich um die Sache meines Vaters handelt." Doch sie verstanden die Bedeutung seiner Worte nicht. Er ging dann mit ihnen hinab nach Nazareth und war ihnen ein stets gehorsames Kind. Alle diese Vorkommnisse blieben der Mutter in steter Erinnerung. Jesus nahm mit der Reife der Jahre auch an Weisheit zu. Gott und die Menschen hatten ihn von Tag zu Tag lieber. Im fünfzehnten Jahre der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa, Herodes Vierfürst von Galiläa, sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Vierfürst von Abylene war, unter den Hohenpriestern Annas und Kaiphas - erging eine Botschaft Gottes an Johannes, den Sohn des Zacharias, der in einer armen Gebirgsgegend lebte. Daraufhin zog er durch die ganze Gegend um den Jordan und predigte von der Taufe als äußeres Zeichen des Glaubens an seine Lehre und einer Änderung der innern Gesinnung, durch die man von der Sünde des Abfalls befreit werde. Sein Auftreten war schon durch den Propheten Jesaja mit den Worten vorherverkündet worden, die in der Schrift niedergelegt sind: "Ich höre, wie einer in armer Gebirgsgegend mit lauter Stimme ruft: 'Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Pfade, auf denen er zu euch kommt! Alle Vertiefungen sollen ausgefüllt, und alle Berge und Hügel abgetragen werden! Was krumm ist, soll gerade, und was uneben ist, soll ebener Weg werden! Und die ganze Schöpfung wird die Rettung sehen, die von Gott kommt.'" An jene Volksgruppen, die sich vor seinen Augen der Taufe entzogen, wandte er sich mit den Worten: "Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch in den Wahn versetzt, als könntet ihr dem bevorstehenden Strafgericht entrinnen? Ihr habt eure Gesinnung zu ändern und dies durch entsprechende Taten zu beweisen. Sucht euer Gewissen ja nicht damit zu beruhigen, dass ihr sagt: 'Wir haben Abraham zum Vater!' Denn glaubet mir: Gott kann aus den Felsen, die ihr da sehet, dem Abraham Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt. Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird samt der Wurzel ausgehauen und ins Feuer geworfen." Da fragte ihn die Volksmenge: "Was sollen wir denn tun, um gerettet zu werden?" Er gab ihnen zur Antwort: "Wer zwei Anzüge hat, gebe einen an den ab, der keinen besitzt. Und wer seine tägliche Nahrung hat, soll gleichfalls mit andern teilen." Auch Zöllner kamen, um sich taufen zu lassen und richteten die Frage an ihn: "Meister, was haben wir denn zu tun, um das Heil zu erlangen?" Seine Antwort lautete: "Nehmt nicht mehr Geld von den Leuten als euch zusteht!" - "Und wir", - fragten ihn Soldaten - "was sollen wir denn für unser Seelenheil tun?" "Keinem" - erwiderte er - "sollt ihr Gewalt antun; gegen niemand unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Erpressungen verüben, sondern mit eurer Löhnung euch begnügen." Das Volk erging sich in Vermutungen über die Persönlichkeit des Johannes, und allen kam der Gedanke, er könne wohl der Messias sein. Johannes wusste, was in ihrem Innern vor sich ging und hielt als Antwort darauf an seine sämtlichen Zuhörer folgende Ansprache: "Ich tauche euch bei der Taufe in den Wellen des Wassers unter als äußeres Zeichen eures Glaubens an meine Lehre und als Zeichen eurer Sinnesänderung. Aber nach mir kommt einer; der hat mehr Macht als ich. Ihm auch nur die Riemen seiner Sandalen zu lösen, bin ich nicht einmal gut genug. Er wird euch in die Kraft- und Feuerwellen eines heiligen Geistes untertauchen. Er hat die Wurfschaufel in der Hand und wird seine Tenne gründlich reinigen. Den Weizen wird er auf den Speicher schütten, die Spreu aber in einem Feuer verbrennen, das nicht eher erlischt, als bis alle Spreu verbrannt ist." In diese und ähnliche Belehrungen kleidete er die Heilsbotschaft, die er dem Volke verkündete. Dem Vierfürst Herodes hatte er Vorhaltungen darüber gemacht, dass er Herodias, die Frau seines Bruders, zum Weibe genommen. Auch hatte er alle andern Schlechtigkeiten scharf gerügt, die Herodes begangen hatte. Dieser setzte nun allen seinen Schandtaten dadurch die Krone auf, dass er Johannes ins Gefängnis sperren ließ. Eines Tages, als die anwesende Volksmenge die Taufe empfangen hatte, ließ auch Jesus sich taufen. Während er noch betete, tat sich der Himmel auf, und der heilige Geist kam in der sichtbaren Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme erscholl vom Himmel her: "Du bist mein geliebter Sohn! An dir habe ich mein Wohlgefallen!" Als Jesus zum erstenmal öffentlich auftrat, war er ungefähr dreißig Jahre alt. -31 Man hielt ihn für den Sohn Josephs. Dieser war der Sohn Jakobs, dieser der Sohn des Matthan, dieser der Sohn des Eleasar, dieser der Sohn des Eliud, dieser der Sohn des Achim, dieser der Sohn des Zadok, dieser der Sohn des Asor, dieser der Sohn des Eljakim, dieser der Sohn des Abihud, dieser der Sohn des Serubabel, dieser der Sohn des Salathiel, dieser der Sohn des Jechonias, dieser der Sohn des Josia, dieser der Sohn des Amos, dieser der Sohn des Manasse, dieser der Sohn des Esekia, dieser der Sohn des Achas, dieser der Sohn des Jonathan, dieser der Sohn des Osia, dieser der Sohn des Amasias, dieser der Sohn des Joas, dieser der Sohn des Ochozias, dieser der Sohn des Joram, dieser der Sohn des Josaphat, dieser der Sohn des Asaph, dieser der Sohn des Abiud, dieser der Sohn des Roboam, dieser der Sohn des Salomon, dieser der Sohn des David, - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - dieser der Sohn des Jsai, dieser der Sohn des Jobed, dieser der Sohn des Boos, dieser der Sohn des Sala, dieser der Sohn des Nahson, dieser der Sohn des Aminadab, dieser der Sohn des Aram, dieser der Sohn des Esron, dieser der Sohn des Phares, dieser der Sohn des Juda, dieser der Sohn des Jakob, dieser der Sohn des Isaak, dieser der Sohn des Abraham, dieser der Sohn des Thara, dieser der Sohn des Nachor, dieser der Sohn des Seruch, dieser der Sohn des Ragas, dieser der Sohn des Phalek, dieser der Sohn des Eber, dieser der Sohn des Sala, dieser der Sohn des Kainan, dieser der Sohn des Arphaxad, dieser der Sohn des Sem, dieser der Sohn des Noah, dieser der Sohn des Lamech, dieser der Sohn des Mathusala, dieser der Sohn des Enoch, dieser der Sohn des Jaret, dieser der Sohn des Malaleel, dieser der Sohn des Kainam, dieser der Sohn des Enos, dieser der Sohn des Seth, dieser der Sohn des Adam, dieser ein Sohn Gottes. Ganz unter der Einwirkung eines heiligen Geistes stehend, kehrte Jesus vom Jordan zurück und wurde unter Leitung dieses Geistes in der Wüste umhergeführt und vierzig Tage lang von Satan beständig versucht. Während dieser Zeit hatte er nichts zu essen, und schließlich war er dem Verhungern nahe. Da richtete der Teufel die Worte an ihn: "Bist du ein Sohn Gottes, so befiehl diesen Steinen, dass sie zu Brot werden!" Darauf gab ihm Jesus die Antwort: "Es steht geschrieben: "Nicht das Leben, das nur auf dem Genusse des irdischen Brotes beruht, soll der Mensch zu erhalten suchen, sondern jenes Leben, das durch die Beobachtung eines jeden Gebotes Gottes erlangt wird'." Nun nahm ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und ließ ihn für einen Augenblick alle Herrschaftsbezirke des Weltalls schauen und sprach zu ihm: "Dir will ich diesen ganzen Machtbereich mit all seinem Glanze geben; denn mir ist das alles verliehen worden, und ich kann es geben, wem ich will. Wenn du vor mir niederfällst und mich als deinen Herrn anerkennst, dann soll dir das alles gehören." Als Antwort hielt ihm Jesus die Worte der Schrift entgegen: "Vor Gott allein sollst du niederfallen und nur ihn als deinen Herrn anerkennen." Jetzt führte ihn der Teufel nach Jerusalem, stellte ihn auf die Zinne des Tempels und richtete an ihn die Worte: "Bist du ein Sohn Gottes, so stürze dich von hier hinab! Denn die Schrift sagt: 'Seinen Boten wird er den Auftrag geben, über dich sorgfältig zu wachen; ja, auf den Händen sollen sie dich tragen, damit du nicht etwa mit deinem Fuß an einen Stein stoßest'." Jesus antwortete ihm: "Die Schrift sagt aber auch: 'Du sollst den Herrn deinen Gott nicht versuchen!'" Als der Teufel alle seine Versuchungskünste erschöpft hatte, ließ er von ihm ab, bis zu einer gelegenen Zeit. Unter dem mächtigen Einfluss des Geistes Gottes kehrte Jesus nach Galiläa zurück. Die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er predigte in den Synagogen, und jedermann war über ihn voll des Lobes. Er kam auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war, und ging dort seiner Gewohnheit gemäß am Sabbat in die Synagoge. Zum Zeichen, dass er aus der Schrift etwas vorlesen wolle, erhob er sich. Man reichte ihm das Buch des Propheten Jesaja. Als er es aufrollte, traf er auf eine Stelle, die folgendermaßen lautete: "Ein Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat, um den Armen eine frohe Botschaft zu bringen. Er hat mich gesandt, den Gefangenen die Freilassung und den Blinden die Wiederverleihung des Augenlichtes zu verkünden, die Unterdrückten in Freiheit zu setzen und eine Zeitperiode anzukündigen, in welcher der Herr die Begnadigung gewährt." Dann schloss er die Buchrolle, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich wieder. Die Augen aller in der Synagoge waren voller Spannung auf ihn gerichtet. Er begann seine Rede mit den Worten: "Das Schriftwort, das ihr soeben vernommen habt, ist heute in Erfüllung gegangen." Alle stimmten ihm bei und waren erstaunt über die Worte, die aus dem Munde dieses gottbegnadeten Predigers flossen. Einer fragte den andern: "Ist das nicht der Sohn Josephs?" Er fuhr fort: "Allerdings werdet ihr mir jetzt das Sprichwort vorhalten: 'Arzt, nun sei auch auf dich selbst bedacht!' Verrichte auch hier in deiner Vaterstadt alle die Taten, die dem Vernehmen nach in Kapernaum geschehen sind! Doch glaubet mir! Kein Prophet ist bei den Leuten seines Heimatortes gern gesehen. Als Beweis für diese Wahrheit führe ich euch die Tatsache an, dass es zur Zeit des Elia sicherlich viele Witwen unter seinem Volke Israel gab, damals nämlich, als der Himmel drei Jahre und sechs Monate dem Regen verschlossen blieb, und infolgedessen eine große Hungersnot im Lande herrschte. Und doch wurde Elia zu keiner von diesen gesandt, sondern nur zu einer Witwe in Serepta, im Gebiet von Sidon. Und sicherlich gab es viele Aussätzige in Israel zur Zeit des Propheten Elisa, und doch wurde kein einziger von ihnen vom Aussatz gereinigt, sondern nur der Syrer Naeman." Bei diesen Worten gerieten alle seine Zuhörer in der Synagoge in die größte Wut. Sie sprangen auf, stießen ihn zur Stadt hinaus und schleppten ihn auf einen Vorsprung der Anhöhe, in deren Nähe ihr Ort erbaut war, und wollten ihn dort hinabstürzen. Er ging jedoch ruhig zwischen ihnen hindurch und entfernte sich. Von hier begab er sich nach der Stadt Kapernaum. Sie liegt in Galiläa, an dem gleichnamigen See, im Gebiet von Zabulon und Nephthali. Am Sabbat pflegte er in der Synagoge zu predigen. Alle waren jedesmal von seiner Lehre tief erschüttert; denn aus seiner Rede fühlte man die Wirkung einer höheren Kraft. Eines Tages war in der Synagoge ein Mann anwesend, der von einem bösen Geist besessen war. Dieser rief mit lauter Stimme: "Was hast du bei uns zu suchen, Jesus von Nazareth? Bist du gekommen, uns auf diese Weise zu Grunde zu richten? Ich weiß, wer du bist: Der Heilige Gottes." Jesus gab ihm den strengen Befehl: "Verstumme und fahre von ihm aus!" Da schleuderte der Dämon den Mann zu Boden. Er fiel mitten unter sie und stieß dabei einen fürchterlichen Schrei aus. Dann fuhr der böse Geist von ihm aus, ohne ihn im geringsten beschädigt zu haben. Alle waren vor Schrecken wie gelähmt, und einer sagte zum andern: "Welche Macht und Gewalt liegt doch in seinem Wort! Den bösen Geistern braucht er bloß zu befehlen, und sofort fahren sie aus." Sein Ruf verbreitete sich überall in der ganzen Gegend. Aus der Synagoge ging er in die Wohnung des Simon und Andreas. Simons Schwiegermutter lag in hohem Fieber. Sie baten ihn, ihr doch zu helfen. Er ging zu ihr, beugte sich über sie und beschwor das Fieber. Sofort wurde sie fieberfrei, so dass sie aufstehen und sie bedienen konnte. Nach Sonnenuntergang brachten alle, die Kranke in ihrer Familie hatten, - einerlei an welcher Krankheit sie litten - diese zu ihm. Jedem einzelnen Kranken legte er die Hände auf und heilte ihn. Auch böse Geister fuhren von manchen Kranken aus. Sie pflegten dabei einen lauten Schrei auszustoßen und auszurufen: "Du bist der Sohn Gottes!" Dass sie wussten, er sei der Messias, durften sie nicht aussprechen, weil er es ihnen aufs Strengste untersagte. Am andern Morgen stand er in aller Frühe auf und ging an einen einsamen Platz. Doch die Volksscharen suchten überall nach ihm. Endlich kamen sie auch an die Stelle, wo er war. Von jetzt ab wichen sie nicht mehr von seiner Seite, aus Furcht, er möchte von ihnen fortgehen. Doch er redete ihnen zu. "Seht" - sagte er - "ich muss doch auch den andern Städten die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes bringen. Denn zu diesem Zweck wurde ich ja gesandt." Darauf predigte er in den Synagogen Galiläas. Eines Tages stand er am See Genesaret. Die Volksmenge drängte sich um ihn, um das Wort Gottes zu hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Eins dieser Boote gehörte dem Simon Petrus. In dies stieg er ein und bat ihn, ein wenig vom Lande abzustoßen. Dann setzte er sich im Boot an den zum Predigen geeigneten Platz und begann seinen Lehrvortrag vor den Volksscharen. Nach Schluss seiner Predigt sagte er zu Simon: "Fahret weiter in den See und werfet eure Netze zum Fischfang aus!" - "Meister", - erwiderte Simon - "wir mühten uns die ganze Nacht hindurch ab, ohne etwas zu fangen; aber deiner Aufforderung will ich gern Folge leisten." Und sofort warfen sie die Netze aus. Da fingen sie eine solche Menge Fische, dass die Netze zu zerreißen drohten. Sie winkten ihren Genossen, die in dem andern Boot waren, sie möchten heranrudern und ihnen helfen. Diese kamen mit ihrem Boot heran, und man füllte beide Boote so mit Fischen, dass sie beinahe sanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er vor Jesus auf die Knie und rief aus: "Ich bitte dich, Herr, geh weg von mir! Denn ich bin ein sündiger Mensch." Beim Anblick der Menge Fische, die sie gefangen hatten, erfasste ihn nämlich ein Schauder. Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, waren mit Simon zusammen. Jesus wandte sich an sie mit den Worten: "Wohlan! Ihr sollt nicht mehr länger Fische fangen; sondern ich will euch zu Menschenfischern machen." Auf dieses Wort hin verließen sie, sobald sie am Lande waren, alles und gingen mit ihm. Als er in einer der Städte sich aufhielt, traf er bei einer Gelegenheit einen Mann, der über und über mit Aussatz bedeckt war. Sobald dieser ihn erblickte, warf er sich vor ihm auf sein Angesicht nieder und rief: "Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. Jesus streckte seine Hand aus, berührte ihn und sprach: "Ich will es, sei rein!" Sofort war er vom Aussatz befreit. Jesus schärfte ihm ein, niemand etwas davon zu sagen und gab ihm die Weisung: "Gehe hin und zeige dich dem Priester! Bringe auch das Opfer dar, das Mose angeordnet hat, damit es euch als Beweis der erfolgten Reinigung gelten soll." Doch kaum war er fort, da erzählte er es jedem. So verbreitete sich die Kunde davon wie ein Lauffeuer in der ganzen Gegend. Die Folge davon war, dass Jesus am hellen Tage keine Stadt mehr betreten konnte, ohne dass alles zu ihm strömte. Darum kehrte er wieder nach Kapernaum zurück. Sein Ruf verbreitete sich immer mehr. Überall kamen die Leute scharenweise zu ihm, um ihn sprechen zu hören und sich von ihren Krankheiten heilen zu lassen. Er zog sich jedoch immer wieder an einsame Stellen zurück und widmete sich dort dem Gebete. Eines Tages wohnten die Pharisäer und Gesetzeslehrer seiner Predigt bei. Auch große Volksscharen aus allen Ortschaften Galiläas und Judäas hatten sich eingefunden, um Heilung für ihre Kranken zu suchen. So brachten auch einige Männer auf einem Tragbett einen Kranken, der gelähmt war. Sie wollten ihn in das Haus tragen und vor den Füßen Jesu niedersetzen. Aber wegen der Volksmenge fanden sie keine Möglichkeit, mit ihm hinein zu gelangen. Da stiegen sie auf das Dach, deckten über der Stelle, wo Jesus saß, die Ziegel ab und ließen das Tragbett mit dem Gelähmten durch die Öffnung hinunter mitten zwischen die Menge, dicht vor Jesus. Als dieser ihr Vertrauen sah, sprach er: "Mein lieber Mann, deine Sünden sollen von dir genommen werden!" Da dachten die Schriftgelehrten und Pharisäer bei sich: "Wer ist dieser denn, dass er solche Gotteslästerungen auszusprechen wagt? Denn wer sonst könnte Sünden wegnehmen, als nur der Eine, nämlich Gott?" Jesus kannte ihre Gedanken und richtete folgende Frage an sie: "Was sind das für verkehrte Gedanken, die ihr in euren Herzen hegt? Was ist denn leichter? zu sagen: deine Sünden sollen von dir genommen werden, - oder zu sagen: Stehe auf und gehe umher? Ihr sollt nun erfahren, dass der Menschensohn Vollmacht hat, auf Erden Sünden wegzunehmen." Nun wandte er sich an den Gelähmten mit den Worten: "Ich befehle dir stehe auf, nimm dein ärmliches Bettzeug und gehe heim!" Vor den Augen aller stand er sofort auf, nahm sein Bettzeug und ging nach Hause und pries Gott. Eine große innere Erregung hatte alle erfasst, und einer sagte zum andern: "Unglaubliche Dinge haben wir heute erlebt." Dann ging Jesus am See entlang, und alles hinter ihm her. Wieder hielt er eine Ansprache an die Menge und ging dann weiter. Da sah er Levi, den Sohn des Alphäus, an der Zollstätte sitzen. Er richtete an ihn die Aufforderung: "Komm mit mir!" Sofort ließ jener alles im Stich und ging mit ihm. Levi gab ihm zu Ehren in seinem eigenen Hause ein Festmahl. Eine große Anzahl von Zöllnern und andern Gästen nahm am Mahle teil. Da wandten sich die Pharisäer und die zu ihrer Partei gehörenden Schriftgelehrten in großem Unwillen mit der Frage an seine Jünger: "Warum seid ihr bei diesen Zöllnern zu Gast?" Die Antwort auf diese Frage erteilte ihnen Jesus selbst. "Nicht die Gesunden" - sagte er - "haben den Arzt nötig, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gottestreue zu einer Sinnesänderung zu veranlassen, sondern Gottlose." Weiter hielten sie ihm vor: "Die Jünger des Johannes fasten streng und halten besondere Gebetsstunden. Ebenso die Jünger der Pharisäer. Aber deine Jünger tun nichts von alledem." Jesus entgegnete: "Ihr könnt den Hochzeitsgästen doch wohl nicht zumuten, zu fasten, solange der Bräutigam in ihrer Mitte ist. Aber es werden auch für sie Fasttage kommen. Die Tage nämlich, an denen ihnen der Bräutigam genommen ist - das werden Fasttage für sie sein." Er gebrauchte dann noch folgenden Vergleich: "Niemand" - sagte er - "schneidet einen Lappen von einem neuen Kleid ab und setzt ihn auf ein altes. Sonst würde er ja das neue Kleid zerschneiden, und der neue Flicken würde zu dem alten Kleid doch nicht passen. Auch soll niemand jungen Wein in alte Schläuche füllen. Sonst sprengt der junge Wein die alten Schläuche, und der Wein läuft aus und die Schläuche sind entzwei. Jungen Wein muss man in neue Schläuche füllen. Dann bleiben beide erhalten. Auch mag keiner, der alten Wein gewohnt ist, so leicht den neuen. Er sagt sich: Der alte schmeckt mir gut genug." Eines Tages - es war am ersten Sabbat nach dem zweiten Ostertag - wanderte Jesus durch Kornfelder. Seine Jünger begannen sich Ähren abzupflücken, zerrieben sie mit ihren Händen und aßen die Körner. Da machten ihn einige von den Pharisäern darauf aufmerksam. "Siehe doch", - sagten sie - "warum tun deine Jünger da etwas, das am Sabbat nicht gestattet ist?" - "Habt ihr denn noch nie gelesen", - entgegnete Jesus - "was David tat, als er und seine Begleiter Hunger hatten? Wie er ins Gotteshaus ging, dort die Schaubrote nahm und davon aß und auch seinen Begleitern davon gab, obgleich doch nur die Priester sie essen dürfen?" - An demselben Tage sah er jemand arbeiten, ehe der Sabbat vorüber war. Er sagte zu ihm: "Mein lieber Mann! Wenn du weißt, was du tust, dann bist du glücklich zu preisen. Weißt du es aber nicht, dann bist du einer, der vom Gesetz verflucht wird, weil er es übertreten hat." - An einem andern Sabbat kam er wieder in die Synagoge. Dort befand sich ein Mann, der einen erstorbenen Arm hatte. Die Schriftgelehrten und Pharisäer saßen auf der Lauer, ob er wohl am Sabbat eine Heilung vornehmen würde, um dann einen Grund zu haben, gegen ihn vorzugehen. Er kannte ihre Absichten. Trotzdem wandte er sich an den Mann mit dem erstorbenen Arm und sprach: "Erhebe dich und stelle dich hier in die Mitte der Gemeinde!" Jener erhob sich und trat vor. Darauf richtete Jesus folgende Worte an die Anwesenden: "Ich frage euch, ob es am Sabbat gestattet ist, Gutes zu tun oder Böses; ein Leben zu retten oder es zu Grunde gehen zu lassen?" Sie aber schwiegen. Da schaute er sie alle mit zornigem Blicke an. Dann sagte er zu dem Manne: "Strecke deinen Arm aus! Er tat es, und sein Arm war so gesund wie der andere. Er schloss mit den Worten: "Der Sohn Gottes ist Herr sowohl über den Menschen als auch über den Sabbat." Da gerieten sie außer sich vor Wut und beratschlagten miteinander, auf welche Weise sie ihn aus dem Wege schaffen könnten. Eines Tages ging er hinaus auf eine Anhöhe, um zu beten. Die ganze Nacht brachte er dort im Gebete zu. Bei Tagesanbruch rief er seine Jünger zu sich und wählte sich aus ihnen folgende zwölf aus, die er auch 'Apostel' nannte: Zunächst den Simon, dem er auch den Namen 'Petrus' gab, sowie dessen Bruder Andreas; dann Jakobus und seinen Bruder Johannes, die er 'Boanerges' nannte, das heißt 'Donnersöhne'. Dann Philippus und Bartholomäus; dann Matthäus und Thomas; letzterer hatte den Beinamen 'der Zwilling'. Dann Jakobus, den Sohn des Alphäus und Simon mit dem Beinamen 'der Eiferer'; dann Judas, den Sohn des Jakobus und Judas Ischariot, der zum Verräter an ihm wurde. Dann stieg er mit ihnen hinab. An einer Stelle, wo der Boden flach war, rastete er. Eine große Schar seiner Jünger und eine zahlreiche Volksmenge sammelte sich um ihn. Sie waren aus allen Teilen des jüdischen Landes und aus andern Gebieten herbeigeströmt, um ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden. Auch die, welche von bösen Geistern gequält wurden, fanden Heilung. Jeder aus der Menge suchte eine Gelegenheit, ihn auch nur berühren zu können. Denn eine Kraft strömte von ihm aus und heilte alle. Dann richtete er seine Blicke auf die Jünger und sprach: "Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr euch so bettelarm vor Gott fühlt: denn die Geisterwelt Gottes tritt mit euch in Verbindung." "Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr jetzt ein großes Verlangen nach der Wahrheit habt; denn euer Verlangen wird gestillt werden." "Glücklich zu preisen seid ihr, die ihr jetzt die Gottlosigkeit der Welt beklaget; denn ihr werdet mit Freude erfüllt werden." "Glücklich zu preisen seid ihr, wenn euch die Menschen hassen wenn sie euch aus ihrer Gemeinschaft ausstoßen, euch schmähen und euren Namen in üblen Ruf bringen, weil ihr euch zum Menschensohn bekennet; Freuet euch an einem solchen Tage und jubelt; denn groß wird euer Lohn im Jenseits sein. Ihre Vorfahren pflegten ja die, welche Gottes Werkzeuge waren, in derselben Weise zu behandeln." "Doch wehe euch, die ihr euer Herz an den Reichtum hängt; denn damit habt ihr alles, was euch zukommt." "Wehe euch, die ihr in diesem Leben übersättigt seid; denn in einem andern Leben werdet ihr darben müssen." "Wehe euch, die ihr in diesem Leben euer Hohngelächter erschallen lasst, denn in einem andern Leben werdet ihr weinen und wehklagen." "Wehe, wenn man euch umschmeichelt; denn früher pflegte man denen gegenüber, die Werkzeuge der bösen Geisterwelt waren, dasselbe zu tun." "Andererseits möchte ich euch aber, die ihr auf meine Worte hört, noch folgendes sagen: Nehmet euch auch derer liebevoll an, die euch nicht wohlgesinnt sind! Behandelt auch die zuvorkommend, die sich um euch nicht kümmern; redet vernünftig mit denen, die Verwünschungen gegen euch ausstoßen, und betet für die, welche euch Schaden zufügen. Schlägt dir jemand auf die eine Wange, weil du es verdient hast, so halte ihm auch die andere hin; und wer dir das Unterkleid wegnehmen will, weil du es ihm verpfändet hast, dem verweigere auch nicht den mitverpfändeten Mantel. Wer etwas von dir verlangt, was du ihm versprochen hattest, dem gib es, und wenn dir jemand berechtigter Weise das Deine wegnimmt, von dem fordere es nicht zurück. Wie ihr von euren Mitmenschen behandelt zu werden wünscht, so sollt ihr auch sie behandeln." "Wenn ihr nun bloß die liebt, die euch lieben, welchen Anspruch auf Lohn habt ihr dann? Auch die Gottlosen lieben die, welche ihnen Liebe erweisen. Und wenn ihr nun denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Anspruch auf Lohn habt ihr dann? Denn die Gottlosen handeln ebenso. Und wenn ihr nur denen ein Geschenk gebet, von denen ihr ebenfalls Geschenke erhoffet, welchen besonderen Lohn könnt ihr dann erwarten? Denn auch die Gottlosen machen andern Gottlosen Geschenke in der Erwartung, auch von ihnen beschenkt zu werden. Ich betone noch einmal: Nehmet euch derer liebevoll an, die euch nicht wohlgesinnt sind. Tuet denen Gutes und machet denen Geschenke, bei denen ihr keine Hoffnung haben könnt, etwas wiederzuerlangen. Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr erweiset euch als Kinder des Allerhöchsten. Denn auch er ist gut gegen Undankbare und Böse. Zeigt euch barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist! Richtet andere nicht, damit auch ihr nicht gerichtet werdet; verurteilt andere nicht, damit auch ihr nicht verurteilt werdet! Sprechet die frei, die sich gegen euch vergangen haben; dann werdet auch ihr von euren Vergehen freigesprochen werden! Gebt, so wird auch euch gegeben werden; und zwar ein reichliches, festgedrücktes, gerütteltes und übervolles Maß wird man euch in den Schoß schütten. Denn mit demselben Maß, mit dem ihr andern messet, wird euch wieder gemessen werden." Er führte ihnen noch ein Gleichnis an: "Kann wohl ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen? Der Jünger steht nicht über dem Meister. Jeder Jünger, auch der am meisten fortgeschrittene, wird höchstens wie sein Meister sein. Was siehst du den Splitter in dem Auge deines Bruders, doch den Balken in deinem eigenen Auge siehst du nicht? Oder wie darfst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge ziehen, so lange noch der Balken in deinem eigenen Auge steckt? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; nachher magst du sehen, wie du den Splitter aus dem Auge deines Bruders ziehst! - Es gibt keinen gesunden Baum, der faule Früchte bringt und umgekehrt keinen kranken Baum, der gesunde Früchte bringt. Jeden Baum erkennt man an den Früchten, die auf ihm wachsen. An Disteln pflückt man ja keine Feigen, und an einem Dornbusch kann man keine Trauben lesen. Ein guter Mensch holt aus seinem Herzen als der Schatzkammer des Guten nur Gutes hervor; ein böser Mensch jedoch aus seiner Schatzkammer des Bösen nur Böses. Denn wovon das Herz voll ist, davon läuft der Mund über. - Warum ruft ihr mir immer 'Herr, Herr' zu, wenn ihr doch nicht tut, was ich euch sage? Jeder, der zu mir kommt und meinen Worten lauscht und dann auch danach handelt, - ich will euch zeigen, wem der gleicht. Er gleicht einem Manne, der ein Haus baute. Beim Ausgraben der Fundamente ging er in die Tiefe, um das Fundament auf den Felsen zu legen. Da kam Hochwasser, und die Flut stieß an dieses Haus. Doch sie vermochte es nicht zu erschüttern, weil seine Fundamente auf Felsen ruhten. Wer jedoch meine Worte zwar hört, aber nicht danach handelt, der gleicht einem Manne, der ein Haus ohne Fundamente baute. Als die Flut dagegen stieß, stürzte es zusammen, und es wurde ein großer Trümmerhaufen." Nach Beendigung dieser Predigt kehrte Jesus nach Kapernaum zurück. Dort lag der Diener eines Hauptmannes, der diesem besonders lieb und wert war, todkrank danieder. Als nun der Hauptmann von der Ankunft Jesu hörte, sandte er jüdische Älteste mit der Bitte zu ihm, er möge doch kommen und seinen Diener retten. Diese kamen zu Jesus und trugen ihm die Bitte vor. Um sie ihm besonders eindringlich ans Herz zu legen, erzählten sie ihm: "Dieser Mann verdient es, dass du ihm seine Bitte gewährst. Denn er liebt unser Volk und hat uns sogar die Synagoge gebaut." Jesus ging mit ihnen. Schon war er in der Nähe seines Hauses, da schickte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen: "Herr, bemühe dich nicht persönlich zu mir. Denn ich bin es nicht wert, dass du unter mein Dach trittst. Es genügt ja ein Wort von dir, und mein Diener wird gesund sein. Auch ich bin ein Mann, der dem Befehl von Vorgesetzten untersteht und habe selbst Soldaten, die meinem Befehl unterstellt sind. Sage ich nun zu einem von ihnen: Gehe hin! - so geht er; und zu einem andern: Komm her! - so kommt er; und zu meinem Diener: Tue das! - so tut er's." Als Jesus das hörte, staunte er über ihn. Er wandte sich zu der ihn begleitenden Volksmenge mit den Worten: "Ich muss sagen, dass ich in Israel noch niemals einen solchen Glauben gefunden habe." Als dann die Boten in das Haus des Hauptmanns zurückkehrten, fanden sie den Knecht bereits von seiner Krankheit genesen. Ein anderes Mal kam Jesus in eine Stadt, die Naim hieß. Seine Jünger und eine große Volksmenge begleiteten ihn. Als er in die Nähe des Stadttores kam, brachte man eben einen Toten heraus. Es war der einzige Sohn seiner Mutter, und die war Witwe. Viele Leute aus der Stadt gingen mit ihr im Leichenzug. Als Jesus die Mutter erblickte, fühlte er tiefes Mitleid mit ihr. Er wandte sich an sie mit den Worten: "Weine nicht!" Dann trat er an den Sarg und berührte ihn mit der Hand. Da blieben die Leichenträger stehen. Nun rief er mit lauter Stimme: "Jüngling, Jüngling! Ich sage dir: Stehe auf!" Der Tote richtete sich auf und fing an zu sprechen. Er übergab ihn seiner Mutter. Alle Anwesenden zitterten an allen Gliedern vor Aufregung. Sie priesen Gott und sagten: "Ein großer Gesandter Gottes ist unter uns aufgetreten, und Gott hat wieder die Leitung seines Volkes übernommen. Die Kunde hiervon verbreitete sich im ganzen jüdischen Lande und in allen angrenzenden Gebieten. Sie drang auch bis zu Johannes dem Täufer. Dieser ließ zwei von seinen Jüngern zu sich kommen und gab ihnen den Auftrag: "Gehet und fraget ihn: Bist du es, der da kommen soll, oder haben wir einen andern zu erwarten?" Als die Männer vor Jesus erschienen, richteten sie den Auftrag aus. "Johannes der Täufer" - sagten sie - "hat uns zu dir geschickt und lässt dich fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder haben wir einen andern zu erwarten?" Jesus war gerade daran, viele von ihren Krankheiten und schmerzhaften Gebrechen zu heilen, böse Geister auszutreiben und Blinden das Augenlicht wiederzugeben. Darum gab er ihnen folgende Antwort: "Gehet hin und berichtet dem Johannes alles, was ihr mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört habt: Blinde erlangen ihr Augenlicht wieder; Lahme können wieder gehen; Aussätzige werden rein; Taube hören; Tote stehen auf; Armen wird die Heilsbotschaft gepredigt; und glücklich zu preisen ist, wer sich in seinem Glauben an mich durch nichts irre machen lässt." Als die Boten des Johannes sich wieder entfernt hatten, begann Jesus zum Volke über die Persönlichkeit des Johannes zu reden. "Was wolltet ihr sehen", - fragte er - "als ihr damals in die Wüste hinauszogt? Etwa ein Schilfrohr, das vom Winde hin und her bewegt wird? Oder wozu seid ihr hinausgezogen? Wolltet ihr einen Menschen in weichen Gewändern sehen? Leute, die in Prunkgewändern einhergehen und in Üppigkeit leben, sind in den Königspalästen zu finden. Oder wozu seid ihr hinausgezogen? Wolltet ihr einen Gesandten Gottes sehen? Ja, ich beteuere euch: Er ist ein besonders großer Gesandter Gottes. Denn von allen Gesandten Gottes, die von einem Weibe geboren sind, ist keiner größer als Johannes der Täufer. Er ist's, von dem geschrieben steht: 'Siehe, ich sende meinen Boten vor dir her. Er soll dir den Weg bereiten'. Ich betone jedoch, dass der Eine, der nach ihm geboren wurde, in der Geisterwelt Gottes größer ist als er. Indem das ganze Volk, das seiner Predigt lauschte, und selbst die Zöllner, sich von Johannes taufen ließen, erkannten sie ihn als Gottgesandten an. Nur die Pharisäer und Gesetzeskundigen ließen sich nicht von ihm taufen und haben dadurch die Absicht Gottes für ihre Person vereitelt. Womit soll ich nun eine solche Sorte von Menschen vergleichen? Wem sind sie ähnlich? Sie sind Kindern ähnlich, die auf einem öffentlichen Platz sitzen und abwechselnd das Liedchen singen: 'Bliesen auf Flöten wir muntere Weisen, - dann tanztet ihr nicht in wirbelnden Reigen; stimmten wir Lieder der Trauer an, - euch keine Träne ins Auge kam.' Denn Johannes der Täufer trat auf. Er aß kein Brot und trank keinen Wein. Da sagtet ihr: Er ist vom Teufel besessen! Dann kam der Menschensohn. Er isst und trinkt, wie andere Menschen. Nun sagt ihr: Seht den Fresser und Weinsäufer, den Freund der Zöllner und Dirnen. Und doch hat sich die von beiden gepredigte Weisheitslehre an allen denen als echt erwiesen, die sie annahmen." Einer von den Pharisäern lud ihn zum Mahle ein. So ging er denn zu ihm in die Wohnung und legte sich zu Tisch. Nun lebte in dieser Stadt ein Weib, das als Dirne bekannt war. Als sie erfuhr, dass Jesus bei dem Pharisäer zu Tische lag, nahm sie ein Alabastergefäß mit Salböl mit und trat von hinten dicht an seine Füße heran. Sie brach in Tränen aus und benetzte damit seine Füße und trocknete sie mit ihrem Haupthaar ab. Dann küsste sie ihm die Füße und salbte sie mit Öl. Als der Pharisäer, bei dem Jesus zu Tisch war, dies sah, dachte er im Stillen: "Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, so müsste er wissen, wer das ist und welcher Sorte von Weibern die angehört, die ihn berührt - dass sie nämlich eine Dirne ist." Da wandte sich Jesus mit den Worten an ihn: "Simon, ich habe dir etwas zu sagen." - "Meister, so sprich doch!" - entgegnete jener. "Ein Geldverleiher" - fuhr Jesus fort - "hatte zwei Schuldner. Der eine schuldete ihm vierhundert Mark, der andere vierzig. Da sie aber den Betrag nicht zurückzahlen konnten, schenkte er beiden die Schuld. Wer von beiden wird ihn nun nach deiner Ansicht am meisten lieben?" Simon antwortete: "Ich denke der, dem er das meiste geschenkt hat." - "Du hast recht geurteilt!" - erwiderte Jesus. Und indem er seine Augen auf das Weib gerichtet hielt, sprach er zu Simon: "Siehst du dieses Weib? Ich kam in dein Haus, und du gabst mir kein Wasser für meine Füße. Sie aber netzte sie mir mit ihren Tränen und trocknete sie mit ihrem Haar. Du gabst mir keinen Kuss der Begrüßung. Sie aber küsste, seit sie hier ist, immer wieder meine Füße. Du salbtest mein Haupt nicht einmal mit gewöhnlichem Öl. Sie aber salbte es mit echtem Salböl. Darum sage ich dir: Ihr soll vieles vergeben werden!" Und zu ihr gewendet fuhr er fort: "Deine Sünden sollen von dir genommen werden!" Da dachten die andern Gäste bei sich: "Wer ist denn dieser, dass er sogar Sünden wegnehmen will?" Dann sagte er zu dem Weibe: "Dein gläubiges Vertrauen hat dich gerettet; gehe hin in Frieden!" In der folgenden Zeit zog er durch das Land, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, lehrte auf den öffentlichen Plätzen und verkündete die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes. In seiner Begleitung waren seine zwölf Jünger und einige Frauen, die er von der Besessenheit und andern Krankheiten geheilt hatte. Dazu gehörten Maria, mit dem Beinamen Magdalene, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren; ferner Johanna, die Frau des Chuza, eines Verwalters des Herodes, Susanna und viele andere, die mit ihrem Vermögen für seine Bedürfnisse sorgten. Eines Tages war wieder eine ungeheure Volksmenge um ihn, die noch vermehrt wurde durch den Zustrom der Einwohner der betreffenden Stadt. Bei dieser Gelegenheit trug er ihnen folgendes Gleichnis vor: "Ein Sämann ging aus und säte seinen Samen. Beim Säen fiel nun ein Teil des Samens auf den festgetretenen Feldpfad und wurde zertreten, und die Vögel fraßen ihn auf. Ein anderer Teil fiel auf felsige Stellen im Acker. Kaum war er aufgegangen, da verdorrte er, weil ihm die Feuchtigkeit fehlte. Ein anderer Teil fiel mitten unter die Distelkeime. Diese gingen mit auf und erstickten ihn. Ein anderer endlich fiel auf guten Boden. Er ging auf und trug hundertfältige Frucht." Nach diesen Worten rief er aus: "Wer das rechte Verständnis dafür hat, der merke es sich!" Da fragten ihn seine Jünger nach dem Sinn des Gleichnisses. "Euch ist es gegeben", - entgegnete er - "die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen. Den andern aber müssen sie in Gleichnissen vorgetragen werden, damit sie sehen und doch nicht sehen, hören und doch nichts verstehen. Die Deutung des Gleichnisses ist folgende: Der Same ist das Wort Gottes. Bei denen der Same auf den festgetretenen Feldpfad fiel, sind die, welche Gottes Wort hören. Aber sofort kommt der Teufel und nimmt es ihnen aus dem Herzen fort, damit sie nicht zum Glauben gelangen und dadurch gerettet werden. Bei denen der Same auf felsige Stellen fiel, sind die, welche das Wort der Wahrheit mit Freuden annehmen, sobald sie es zum erstenmal hören. Doch es schlägt bei ihnen keine Wurzel. Sie glauben eine Zeitlang, aber zur Zeit, wo sie eine Probe zu bestehen haben, fallen sie ab. Bei denen der Same unter die Disteln fiel, das sind solche, die das Wort der Wahrheit hörten; doch sie haben soviel zu tun mit ihren irdischen Sorgen, mit Geldverdienen und den Vergnügungen des Alltagslebens, dass das Wort Gottes in all dem vollständig untergeht und nicht zur Frucht heranreifen kann. Bei denen der Same auf guten Boden fiel, sind die, welche das vernommene Gotteswort in gutem Herzen bewahren und es durch beharrliche Arbeit zur Reife bringen. - Niemand zündet ein Licht an und deckt es dann mit einem Gefäß zu oder stellt es unter das Bett; sondern auf einen Leuchter stellt er es, damit alle beim Betreten des Raumes den Lichtschein sehen können. Es gibt ja überhaupt nichts Verborgenes, von dem nicht die Hülle genommen wird, und kein Geheimnis, das nicht allgemein bekannt würde und ans Tageslicht käme. Sehet einmal zu, auf welche Weise ihr euch meine Worte erklärt. Wer nämlich an einer empfangenen Gabe Gottes treu festhält, der wird noch weitere Gaben erhalten; wer aber daran nicht treu festhält, dem wird auch die Gabe noch genommen, die er zuerst besaß." Seine Mutter und seine Brüder kamen an und wollten zu ihm. Aber wegen der dichtgedrängten Volksmenge war es ihnen nicht möglich. Da teilte man ihm mit: "Dahinten stehen deine Mutter und deine Brüder und wollen zu dir." Er gab zur Antwort: "Nur die betrachte ich als meine Mutter und meine Brüder, welche Gottes Wort hören und befolgen." Eines Tages bestieg er aus eigenem innern Antrieb ein Boot. Seine Jünger stiegen mit ihm ein. Da sagte er zu ihnen: "Wir wollen auf die andere Seite des Sees fahren." So stießen sie denn vom Lande ab. Während der Fahrt schlief er ein. Plötzlich fegte ein furchtbarer Sturm über den See dahin. Das Boot füllte sich mit Wasser, und sie gerieten in Lebensgefahr. Da traten sie zu ihm und weckten ihn mit dem Ruf: "Herr, Herr, wir gehen unter!" Sofort stand er auf, gab Sturm und Wogen seine strengen Befehle und alles wurde ruhig, und der Meeresspiegel glättete sich. Dann wandte er sich an seine Jünger mit den Worten: "Wo bleibt denn euer Gottvertrauen?" Zittern und Staunen hatte diese erfasst, und einer fragte den andern: "Wer kann das wohl sein? Sturm und Wogen gibt er seine Befehle, und sie müssen ihm gehorchen!" Sie fuhren dann nach dem Lande der Gerasener, das Galiläa gegenüber liegt. Kaum war er dort ans Land gestiegen, da kam ihm von der Stadt her ein Mann entgegen, der schon seit geraumer Zeit von bösen Geistern besessen war. Er hatte keine Kleider an und hielt sich auch nicht in menschlichen Wohnungen auf, sondern in den Grabkammern. Als er Jesus erblickte, stieß er einen furchtbaren Schrei aus und rief: "Was hast du mit mir vor, du Sohn des Allerhöchsten? Ich bitte dich, quäle mich nicht!" Jesus war nämlich gerade im Begriff, dem bösen Geist den Befehl zu erteilen: "Fahre aus dem Manne aus!" Denn schon manches Mal hatte er Besitz von ihm ergriffen. Zwar hatte man in solchen Fällen versucht, ihn in Fesseln und Ketten zu legen und einzusperren. Aber jedesmal zerriss er die Ketten und wurde von dem Dämon in die Einöden getrieben. Jesus richtete nun die Frage an ihn: "Wie ist dein Name?" Seine Antwort lautete: "Mein Name ist Legion'!" Es waren nämlich viele Dämonen in ihm. Dann flehten sie ihn immer wieder an, er möchte sie doch nicht in den Abgrund der Hölle schicken. Zufällig weidete dort an einem Bergesabhang eine Schweineherde. Sie baten ihn um Erlaubnis, in die Schweine fahren zu dürfen. Er gestattete es ihnen. Da fuhren die Dämonen aus dem Manne aus und in die Schweine hinein. Die Herde stürmte den Abhang hinab in den See und ertrank. Bei diesem Anblick flohen die Hirten und meldeten den Vorfall in der Stadt und auf den Gehöften. Da eilten die Leute aus der Stadt herbei. Sie sahen, wie der frühere Besessene jetzt ganz vernünftig und anständig gekleidet zu den Füßen Jesu saß. Bei diesem Anblick gerieten sie in Schrecken. Die Augenzeugen erzählten ihnen dann, wie der Besessene geheilt worden sei. Darauf baten ihn alle Bewohner der Stadt und auch die Landbevölkerung des Gebietes der Gerasener, er möchte doch ihr Land verlassen. Denn eine gewaltige Angst hatte sie ergriffen. Jesus bestieg sein Boot und war schon im Begriffe abzufahren, da bat ihn der Mann, aus dem die Dämonen ausgefahren waren, doch bei ihm bleiben zu dürfen. Er aber schickte ihn heim mit den Worten: "Gehe nach Hause und erzähle dort, eine wie große Wohltat dir Gott erwiesen hat!" Auf dem Heimweg erzählte er in der ganzen Stadt, wie Großes Jesus an ihm getan habe. Das Volk bereitete Jesus bei seiner Rückkehr einen freudigen Empfang. Denn alle hatten sehnsüchtig auf ihn gewartet. Da kam ein Mann namens Jairus zu ihm. Dieser war damals Synagogenvorsteher. Er warf sich vor ihm nieder und bat ihn, in sein Haus zu kommen. Denn er hatte nur eine Tochter, im Alter von zwölf Jahren, und diese lag am Sterben. Auf dem Hinweg drängte sich eine dichte Volksmenge um ihn. Darunter befand sich eine Frau, die schon seit zwölf Jahren am Blutfluss litt, und die niemand hatte heilen können. Sie drängte sich nahe an ihn heran und berührte seinen Mantel. Sofort hörte der Blutfluss bei ihr auf. Jesus hatte gemerkt, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war und fragte: "Wer hat mich berührt?" Keiner wollte es jedoch getan haben. Da sagte Petrus und die andern, die bei ihm waren; "Meister! Das Volk drängt sich doch von allen Seiten an dich heran und stößt fortwährend gegen dich." Jesus - aber erwiderte: "Es hat mich jemand absichtlich angefasst. Denn ich merkte, wie eine Kraft von mir ausging." Nun sah die Frau, dass sie die Sache nicht länger verheimlichen konnte. Zitternd kam sie herbei, fiel vor ihm nieder und bekannte vor dem ganzen Volke, aus welchem Grunde sie ihn berührt habe, und wie sie sofort gesund geworden sei. "Meine Tochter", - entgegnete Jesus - "dein gläubiges Vertrauen hat dir Rettung gebracht; gehe in Frieden!" Während er noch redete, kamen die Boten aus dem Hause des Synagogenvorstehers zu diesem mit der Meldung: "Deine Tochter ist tot. Du brauchst also den Meister nicht weiter zu belästigen." Jesus hörte dies und sagte zum Synagogenvorsteher: "Verzage nicht! Habe nur Vertrauen, und sie wird wieder zum Leben kommen!" Er ging nun zu dem Hause, ließ aber niemand mit hineingehen als nur den Petrus, Jakobus und Johannes und die Eltern des Mädchens. Alles weinte und wehklagte um die Tote. Er aber sagte: "Weinet doch nicht! Sie ist ja gar nicht tot, sondern schläft nur!" Da lachten sie ihn aus; denn sie wussten nur zu gut, dass sie tot war. Er fasste nun das Mädchen bei der Hand und rief ihr zu: "Mädchen, wache auf!" Sofort kehrte ihr Geist in sie zurück und sie erhob sich. Er sagte, man möge ihr zu essen geben. Ihre Eltern waren vor Staunen ganz außer sich. Er verbot ihnen, über den Vorfall mit irgend jemand zu sprechen. Ein andermal rief er seine Zwölf zu sich und gab ihnen die Kraft und Macht über alle Arten von bösen Geistern, sowie zur Heilung von Krankheiten. Er sandte sie aus, um das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken gesund zu machen. Dabei gab er ihnen folgende Weisung: "Nehmt nichts mit auf den Weg, - keinen Stab und keine Reisetasche, kein Brot und kein Geld! Auch sollt ihr nicht zwei Unterkleider bei euch haben! Habt ihr in einem Hause Aufnahme gefunden, so soll es euch als Heim dienen, bis ihr weiter geht. Verweigert man euch jedoch an irgend einem Orte die Aufnahme, dann verlasset diesen Ort und schüttelt selbst den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie." So machten sie sich denn auf den Weg. Sie wanderten von Ort zu Ort und verkündeten überall die Heilsbotschaft und heilten die Kranken. Inzwischen hatte auch der Vierfürst Herodes von den Taten Jesu gehört und wurde dadurch sehr beunruhigt. Denn manche behaupteten, Johannes sei in Jesus von den Toten wieder auferstanden. Andere freilich meinten, Elia sei in ihm wieder zur Welt gekommen; wieder andere glaubten, einer von den alten Propheten sei in ihm wiedergeboren. Herodes pflegte zu sagen: "So viel ist sicher: Ich selbst habe Johannes enthaupten lassen. Wer mag also dieser Mann da sein, von dem ich so gewaltige Dinge höre?" Und er suchte nach einer Gelegenheit, Jesus persönlich kennen zu lernen. Bei der Rückkehr erstatteten die Apostel ihrem Meister über alles Bericht, was sie auf ihrer Reise getan und erlebt hatten. Da nahm er sie mit an einen Ort, namens Bethsaida, weil er mit ihnen allein sein wollte. Doch kaum hatten die Volksscharen sein Weggehen bemerkt, so folgten sie ihm auf dem Fuße. Trotzdem nahm er sie freundlich an und redete zu ihnen vom Reiche Gottes. Auch machte er bei dieser Gelegenheit alle, die der Heilung bedurften, gesund. Als der Tag zur Neige ging, wandten sich die Zwölf mit der Bitte an ihn: "Schicke die Leute weg, damit sie in den im weiteren Umkreis liegenden Ortschaften und Gehöften einkehren; denn hier befinden wir uns in einer unbewohnten Gegend." Er entgegnete: "Gebt ihr ihnen doch zu essen!" Doch sie erwiderten: "Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische. Wir müssten also hingehen und die fehlenden Lebensmittel für alle diese Leute kaufen." Es waren nämlich gegen fünftausend Mann. Da gab er seinen Jüngern die Weisung: "Lasset die Leute sich in Gruppen von etwa fünfzig Personen lagern." Sie taten nach seiner Anordnung. Dann nahm er die fünf Brote und die beiden Fische, erhob seine Augen zum Himmel, betete innig, sprach den Segen darüber und gab sie den Jüngern zum Verteilen an das Volk. Alle aßen sich satt. Die Überreste hob man auf - zwölf Körbe voll. Einmal traf es sich, dass die Jünger ganz allein bei ihm waren. Da fragte er sie: "Für wen hält mich das Volk?" Sie antworteten: "Für Johannes den Täufer. Es gibt freilich auch solche, die sagen, du seiest Elia; andere wiederum behaupten, in dir sei einer von den alten Propheten wiedergekommen." Er fragte weiter: "Und ihr? - für wen haltet ihr mich denn?" Petrus gab zur Antwort: "Für den Messias - den Sohn Gottes." Jesus verbot ihnen aufs Strengste, irgend jemand etwas davon zu sagen. Dann fuhr er fort: "Der Menschensohn muss viel leiden; er muss von den Altesten, den Oberpriestern und Schriftgelehrten aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen und getötet und am dritten Tage auferweckt werden." Dann richtete er an alle folgende Mahnung: "Will jemand meinen Weg gehen, so muss er gegenüber seinen irdischen Wünschen "Nein" sagen können; er muss Tag für Tag sein Kreuz auf sich nehmen und in meine Fußstapfen treten. Denn wer nur darauf bedacht ist, sein irdisches Wohl sicher zu stellen, wird sein geistiges Wohl einbüßen. Wer aber bereit ist, sein irdisches Wohl um meinetwillen preiszugeben, der wird sein geistiges Wohl retten. Denn was hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber sein wahres Seelenglück entweder ganz einbüßt oder doch schwer schädigt? Wer sich meiner und der Meinen schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er in seiner und seines Vaters Herrlichkeit, sowie der seiner heiligen Engel kommen wird. Es ist die Wahrheit, wenn ich euch sage, dass einige von denen, die hier stehen, den irdischen Tod nicht kosten werden, bis sie den Menschensohn in seiner Herrlichkeit haben kommen sehen." Etwa acht Tage nach dieser Unterredung nahm er Petrus, Jakobus und Johannes mit sich und stieg auf den Berg, um zu beten. Während seines Gebetes veränderte sich das Aussehen seines Antlitzes, und seine Kleidung wurde leuchtend weiß. Zwei Männer besprachen sich mit ihm. Es waren Mose und Elia. Sie erschienen in himmlischem Glanze und sprachen mit ihm über seinen Tod, den er in Jerusalem erleiden sollte. Petrus und seine Genossen befanden sich in einem Zustand, der dem eines tiefen Schlafes ähnlich war. Als sie wieder das Selbstbewusstsein erlangten, sahen sie ihn in seinem himmlischen Glanze; ebenso die beiden Männer, die bei ihm standen. Als diese sich anschickten, von ihm Abschied zu nehmen, sagte Petrus zu Jesus: "Meister, wir fühlen uns hier so glücklich! Wenn es dir recht ist, will ich hier drei Hütten aus belaubten Zweigen errichten: eine für dich, eine für Mose und eine für Elia." Er wusste nämlich nicht, was er alles in diesem Augenblick sagen sollte. Während er so sprach, lagerte eine lichte Wolke über ihnen. Als diese sie dann nach und nach ganz einhüllte, befiel sie eine große Furcht. Aus der Wolke erscholl eine Stimme, die ihnen zurief: "Dies ist mein Sohn, mein Liebling, an dem ich mein Wohlgefallen hatte! Auf ihn sollt ihr hören!" Als die Stimme erklang, war Jesus nur noch allein anwesend. Über das, was die Jünger gesehen hatten, bewahrten sie zu Lebzeiten Jesu tiefes Schweigen und sprachen mit niemand darüber. Am folgenden Tage stieg er wieder vom Berge herab. Bald hatte sich eine große Volksmenge um ihn geschart. Ein Mann aus der Menge rief ihm zu: "Meister, ich bitte dich, nimm dich doch meines Sohnes an! Er ist mein einziges Kind. Ein böser Geist pflegt sich seiner zu bemächtigen. Dann schreit er plötzlich auf. Er zerrt ihn hin und her, wobei ihm Schaum vor den Mund tritt. Er lässt nur schwer von ihm ab, so dass er seine ganzen Kräfte aufreibt. Ich habe schon deine Jünger gebeten, ihn davon zu befreien. Doch sie konnten es nicht." - "O diese Sorte von Menschen, die keinen Glauben und kein Gottvertrauen besitzen und einen ganz verkehrten Weg gehen!" - rief Jesus aus. "Wie lange muss ich wohl noch bei euch sein und Geduld mit euch haben? Bringe deinen Sohn hierher!" Als der Knabe sich ihm näherte, riss ihn der Dämon wieder hin und her und verzerrte seine Züge. Jesus erteilte dem bösen Geist einen strengen Befehl, und dieser fuhr von dem Knaben aus. Dann gab er ihn dem Vater geheilt zurück. Alles geriet außer sich vor Staunen über die gewaltige Macht Gottes. Während die Anwesenden nicht genug Worte der Verwunderung über alle seine Taten finden konnten, wandte er sich an seine Jünger mit dem Bemerken: "Lasset das, was ihr die Leute jetzt sagen hört, in euren Ohren nachklingen! Denn der Menschensohn wird bald in der Menschen Hände ausgeliefert werden." Sie verstanden jedoch den Sinn seiner Worte nicht. Sie blieben ihnen so dunkel, dass sie den Sinn nicht einmal ahnten. Aber sie scheuten sich, ihn um nähere Aufklärung über seinen Ausspruch zu bitten. In den Jüngern stieg öfters der Gedanke auf, wer wohl der Größte unter ihnen sei. Jesus sah die Gedanken ihres Herzens. Da nahm er ein Kind und stellte es neben sich. Nun wandte er sich an die Jünger mit den Worten: "Wer sich eines solchen Kindes annimmt, um es mir zuzuführen, der nimmt sich meiner Sache an; und wer sich meiner Sache annimmt, der nimmt sich der Sache dessen an, der mich gesandt hat. Denn wer in seinen eigenen Augen der Geringste von euch allen ist - der ist wahrhaft groß." Darauf ergriff Johannes das Wort und sagte: "Meister, wir sahen, wie jemand unter Anrufung deines Namens böse Geister austrieb. Wir suchten ihn daran zu hindern, weil er sich weigerte, sich uns anzuschließen." - "Wehret es ihm nicht!" - entgegnete Jesus; "denn ein solcher ist nicht gegen euch, - er ist für euch!" Es nahte nun der Zeitpunkt, wo er von dieser Erde weggenommen werden sollte. Darum hatte er jetzt nur das eine Ziel im Auge, nach Jerusalem zu gelangen, Er sandte Boten voraus, die in eine Ortschaft der Samariter gehen sollten, um dort ein Unterkommen für ihn zu besorgen. Aber die Einwohner lehnten seine Aufnahme aus dem Grunde ab, weil er die Absicht hatte, nach Jerusalem zu reisen. Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, fragten sie: "Meister, ist es dir recht, dass wir Feuer vom Himmel erflehen, damit es diese Menschen verzehre, wie es Elia in einem ähnlichen Falle tat?" Er aber schaute sie strengen Blickes an und gab ihnen einen ernsten Verweis. "Wisset ihr nicht", - sagte er - "wessen Geistes Kinder ihr seid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschenseelen zu vernichten, sondern zu retten." Dann gingen sie in eine andere Ortschaft. Unterwegs kam ein Mann zu ihm und sagte: "Ich will dir folgen, wohin du auch gehen magst." Jesus gab ihm zur Antwort: "Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels haben Nester; doch der Menschensohn besitzt nicht einmal soviel, dass er sein Haupt darauf legen könnte." Zu einem andern sagte er: "Gehe mit mir!" Der aber entgegnete: "Gestatte mir, vorher noch meinen Vater zu begraben!" Diesem gab er die Antwort: "Lass die geistig Toten ihre geistig Toten begraben; du aber mache dich auf und verkünde das Reich Gottes!" Wieder ein anderer sagte: "Herr, ich will dir gern folgen; aber zunächst gib mir noch die Erlaubnis, mich von meinen Angehörigen zu verabschieden!" Ihm erwiderte er: "Einer, der auf das hinter ihm Liegende schaut, während er seine Hand an den Pflug legt, ist nicht tauglich als Werkzeug für das Reich Gottes." Jesus bestimmte noch zweiundsiebzig andere, die er zu zwei und zwei in all die Städte und Ortschaften vorausschickte, die er selbst nachher besuchen wollte. "Die Ernte ist groß", - sagte er - "aber klein die Zahl der Arbeiter. Bittet darum den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter auf sein Erntefeld senden möge. Und nun gehet hin! Bedenket, dass ich euch wie Lämmer mitten unter Wölfe sende. Nehmt keinen Geldbeutel, keine Reisetasche und kein zweites Paar Schuhe mit! Machet unterwegs keine Besuche bei Freunden oder Bekannten! Wenn ihr ein Haus betretet, so sprechet beim Eintritt die Segensworte: 'Friede sei diesem Hause!' Wohnt darin ein Menschenkind, das des Friedens wert ist, so wird euer Friedenswunsch bei ihm in Erfüllung gehen; wenn nicht, so kommt die Kraft eures Segens auf euch selbst zurück. Bleibt in ein und demselben Hause! Esst und trinkt, was man euch vorsetzt! Denn der Arbeiter ist seines Lohnes wert. Gehet also nicht von einem Haus zum andern! Kommt ihr in eine Stadt, und man nimmt euch dort auf, so esst, was man euch vorsetzt, heilt die Kranken, die ihr dort vorfindet und predigt den Einwohnern, dass die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes nahe bevorsteht. Kommt ihr jedoch in eine Stadt, und man verweigert euch dort die Aufnahme, so geht vor die Stadt hinaus ins Freie und sprecht: 'Selbst den Staub eurer Stadt, der sich uns an die Füße gehängt hat, schütteln wir ab. Er soll euch verbleiben. Aber das Eine sollt ihr nie vergessen: Die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes steht nahe bevor' Glaubt mir, es wird an jenem Tage, an dem es sich um die Aufnahme in das Reich Gottes handelt, der Stadt Sodom erträglicher ergehen, als einer solchen Stadt. - Wehe dir, Chorazin! Wehe dir Bethsaida! Denn wären in Tyrus und Sidon die Wunder geschehen, die in euren Mauern gewirkt wurden, sie hätten zum Zeichen ihrer Bekehrung längst in Sack und Asche dagesessen. Darum wird es Tyrus und Sidon besser ergehen als euch. Und du, Kapernaum, - bist du nicht bis zum Himmel erhöht worden? Doch bis zur Tiefe der Hölle wirst du hinabgestoßen werden. - Wer auf euch höret, der höret auf mich; wer euch von sich weiset, der weist mich von sich. Wer aber auf mich hört, der hört auf den, der mich gesandt hat." Als später die Zweiundsiebzig wieder zurückkehrten, erzählten sie ihm voller Freude: "Meister, sogar die bösen Geister sind uns gehorsam, wenn wir ihnen in deinem Namen gebieten." Er erwiderte: "Ich sah, wie der Satan gleich einem Blitz aus dem Himmel hinunterstürzte. Ich gab euch die Macht, auf Schlangen und Skorpionen euren Fuß zu setzen; ja, Macht über das ganze Heer des Widersachers; nichts kann euch daher irgendeinen Schaden zufügen. Doch nicht darüber, dass euch die Geister gehorsam sind, sollt ihr euch freuen; freuet euch vielmehr darüber, dass eure Namen im Himmel eingetragen sind." In diesem Augenblick wurde sein Herz unter der Wirkung eines heiligen Geistes so von Freude und Jubel erfüllt, dass er in die Worte ausbrach: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du diese Dinge vor den sogenannten 'Weisen' und 'Klugen' verborgen hast, es aber denen offenbartest, die vor der Welt als 'Toren' gelten. Ja, Vater, so lag es in deinem Heilsplan beschlossen." Dann wandte er sich zu seinen Jüngern und fuhr fort: "Alles ist mir vom Vater übergeben worden. Niemand weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater; und wer der Vater ist, weiß niemand als nur der Sohn und wem der Sohn es offenbaren will. Glücklich zu preisen sind die, deren Augen sehen, was ihr seht und deren Ohren hören was ihr hört; denn glaubt mir, viele Könige und Propheten wünschten zu sehen, was ihr sehet und sahen es nicht; und zu hören, was ihr höret und hörten es nicht." Da trat ein Gesetzkundiger vor, um ihn auf die Probe zu stellen und richtete die Frage an ihn: "Meister, was muss ich tun, um das zukünftige Leben zu erlangen?" Jesus stellte ihm eine Gegenfrage: "Was steht denn im Gesetz über diesen Punkt geschrieben? Wie lauten die Worte?" Er gab zur Antwort: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit all deiner Kraft -und deinen Nächsten, wie dich selbst." - "Du hast recht geantwortet!" - erwiderte Jesus - "tue dies, so wirst du leben." Jener aber stellte sich, als wolle er darüber noch eingehender belehrt werden und fragte daher weiter: "Wer ist denn mein Nächster?" Jesus ging auf die Frage ein und führte folgendes Beispiel an; "Einst ging ein Mann von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel Räubern in die Hände. Diese plünderten ihn aus, schlugen ihn blutig und ließen ihn halbtot liegen. Dann machten sie sich davon. Zufällig kam ein Priester dieses Weges. Er sah ihn daliegen, ging aber an ihm vorüber. Ebenso kam ein Levit an diese Stelle. Auch er sah ihn und ging vorüber. Ein Samariter, der auf einer Reise war, kam ebenfalls in seine Nähe. Als er ihn daliegen sah, fühlte er Mitleid mit ihm. Er trat an ihn heran, goss Öl und Wein in seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Maultier, brachte ihn in die Herberge und verpflegte ihn. Am folgenden Tage holte er zwei Silberstücke hervor und gab sie dem Wirt mit der Bitte: "Verpflege du ihn weiter; und wenn du noch mehr Auslagen mit ihm haben solltest, so will ich sie dir bei meiner Rückkehr ersetzen." Wer hat sich nun nach deiner Ansicht dem unter die Räuber gefallenen Manne gegenüber als Nächster erwiesen?" Jener antwortete: "Der, welcher Barmherzigkeit an ihm geübt hat." - "Gehe hin", -sagte Jesus - "und handle du ebenso!" Er setzte seine Wanderung fort und kam in ein Dorf. Eine Frau namens Martha nahm ihn in ihr Haus auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Diese setzte sich zu den Füßen des Herrn und lauschte seinen Worten. Martha dagegen eilte immer wieder von seiner Seite weg, um die Vorbereitungen zu einer reichlichen Bewirtung zu treffen. Da trat sie vor Jesus und sagte: "Herr, kannst du es ruhig mit ansehen, dass meine Schwester die Arbeit für deine Bewirtung bis jetzt mir allein überließ? Sage ihr doch, dass sie mir nun zur Hand gehe!" Aber der Herr antwortete ihr: "Martha, Martha, du machst dir so viel Arbeit und Mühe, um vielerlei aufzutischen; wenige Speisen oder auch nur eine einzige wäre hinreichend gewesen. Maria hat sich das gute Stück ausgesucht, das ihr nicht mehr weggenommen werden kann." Einst ging Jesus an einen Ort, um zu beten. Als er sein Gebet beendet hatte, trug einer seiner Jünger ihm die Bitte vor: "Herr, lehre du uns beten, wie ja auch Johannes seine Jünger beten lehrte." Darauf entgegnete er: "Wenn ihr betet, sollt ihr nicht etwas daherplappern, wie andere es zu tun pflegen. Denn manche meinen, sie fänden Erhörung, wenn sie viele Worte machen. Ihr könnt folgendermaßen beten: 'Unser Vater, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name; deine Geisterwelt komme zu uns; dein Wille geschehe im Jenseits und im Diesseits; gib uns heute das Brot für den folgenden Tag; vergib uns unsere Sünden, wie auch wir denen vergeben, die sich gegen uns versündigt haben. Und lass uns nicht los von deiner Hand, damit wir nicht der Versuchung zum Opfer fallen; sondern befreie uns von dem Bösen!'" Dann fuhr er fort: "Nehmet einmal an, einer von euch hätte einen Freund; er ginge nun mitten in der Nacht zu diesem Freund und trüge ihm folgende Bitte vor: 'Lieber Freund, borge mir drei Brote! Denn ein Freund von mir ist eben auf einer Reise bei mir eingekehrt, und ich habe ihm nichts vorzusetzen.' Jener aber würde von drinnen antworten: 'Belästige mich jetzt nicht! Die Türe ist schon abgeschlossen, und meine Kinder und ich liegen bereits zu Bett; ich kann daher unmöglich jetzt aufstehen und dir die Brote geben.' Glaubt mir, wenn er auch nicht aus Freundschaftsgefühl aufsteht und ihm gibt, so wird er doch dem unaufhörlichen Drängen des andern schließlich nachgeben; er wird aufstehen und ihm soviel geben als er nötig hat. So sage denn auch ich euch: Bittet um die Erkenntnis, so wird sie euch gegeben werden; suchet Gott, so werdet ihr ihn finden; klopfet an das Tor des Geisterreiches Gottes, und man wird euch öffnen. Denn jeder, der um die Erkenntnis bittet, empfängt sie; wer Gott sucht, der findet ihn; und wer an dem Tor des Geisterreiches Gottes anklopft, dem wird es geöffnet. - Wo wäre ferner unter euch ein Vater, der seinem Sohn einen Stein gäbe, wenn er ihn um Brot bittet? Oder der ihm eine Schlange gäbe, wenn er ihn um einen Fisch gebeten hat? Oder einen Skorpion anstatt eines Eies? Wenn nun ihr, die ihr sonst so gern das Böse tut, dennoch darauf aus seid, euren Kindern nur gute Gaben zu geben, wie viel mehr wird euer himmlischer Vater einen heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten." Eben hatte er seine Rede beendet, da brachte man ihm einen Besessenen, der stumm war. Er trieb den Dämon aus ihm aus, und der Stumme konnte wieder sprechen. Das Volk geriet darüber in Staunen. Doch fanden sich einige darunter, welche behaupteten, mit Hilfe Belzebub, des obersten der Teufel, treibe er die bösen Geister aus. Andere wiederum wollten ihn noch weiter auf die Probe stellen und verlangten von ihm ein Wunderzeichen am Himmel. Jesus kannte ihre Gedanken und gab ihnen zur Antwort: "Jedes Reich, in dem der Bürgerkrieg tobt, wird zur Wüste. Ein Haus nach dem andern fällt zusammen. Wenn also Satan mit seinesgleichen in Kampf geraten würde, wie könnte dann sein Reich noch länger Bestand haben? Ihr behauptet ja, dass ich die Dämonen mit Hilfe Belzebub austreibe. Aber auch angenommen, ich triebe die Dämonen mit Hilfe Belzebub aus, wollt ihr mir dann nicht auch sagen, mit wessen Hilfe eure eigenen Leute die Dämonen zu vertreiben suchen? Diese mögen also über eure Behauptung das richtige Urteil fällen. Wenn ich aber durch die Geisterkräfte Gottes die Dämonen austreibe, dann ist ja das Geisterreich Gottes tatsächlich schon jetzt mit euch in Verbindung gekommen. - Wenn ein starker Mann, der bis an die Zähne bewaffnet ist, seinen Palast bewacht, so ist sein Eigentum in Sicherheit. Fällt aber einer über ihn her, der stärker ist als er, und besiegt ihn, so nimmt er ihm seine ganze Waffenrüstung ab, auf die er sich verlassen hatte, und verfügt über die gemachte Beute. - Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut." "Sooft ein böser Geist von einem Menschen ausgefahren ist, irrt er durch trostlose Weltenräume und sucht dort eine Stelle, wo er Ruhe hat; wenn er jedoch keine findet, so sagt er sich: 'Ich will in die frühere Behausung, die ich verließ, wieder zurückkehren.' Kommt er dann hin und findet sie schön gefegt und aufgeräumt, so holt er sich noch sieben andere Geister, die schlimmer sind als er selbst. Gelingt es ihm, wieder hineinzukommen, dann schlägt er seine Wohnung darin auf; und der letzte Zustand eines solchen Menschen wird schlimmer sein als der erste." Bei diesen Worten rief eine Frau aus der Volksmenge: "Glücklich zu preisen ist der Schoß, der dich getragen und die Brust, die dich genährt hat!" "Nein!" - entgegnete er - "sondern nur die sind glücklich zu preisen, die das Wort Gottes hören und es treu beobachten. Als dann immer noch mehr Leute herbeiströmten, begann er eine zweite Ansprache. "Dieses Volk" - sagte er - "ist ein Volk, das mir große Schwierigkeiten bereitet. Es verlangt Wunderzeichen. Doch keins wird ihm gegeben außer dem Wunderzeichen, das bei Jona gewirkt wurde. Denn wie Jona für die Bewohner von Ninive zu einem Wunderzeichen wurde, so wird der Menschensohn auch für dieses Volk ein Wunderzeichen sein. Wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des Riesenfisches verbrachte, so wird auch der Menschensohn in der selben Weise sich in der Tiefe aufhalten. Die Königin aus dem Süden wird gegen die Männer dieses Volkes ebenfalls als Zeuge auftreten und ihre Verurteilung herbeiführen. Denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören; und doch steht hier einer, der größer ist als Salomo." Die Männer von Ninive werden, wenn dieses Volk gerichtet wird, als Zeugen auftreten und seine Verurteilung herbeiführen. Denn sie haben auf Jonas Predigt hin sich bekehrt. Und doch steht hier einer, der größer ist als Jona. - "Niemand zündet ein Licht an, um es in einen verborgenen Winkel oder unter den Scheffel zu stellen. Er setzt es auf den Lampenständer, damit jeder, der hereinkommt, den Lichtschein sehen kann. Die Leuchte des Körpers ist das Auge. Ist dein Auge gesund, so beleuchtet der Strahl deines Augenlichtes alle Stellen deines Körpers. Ist dein Auge aber schlimm erkrankt, so sind alle Stellen deines Leibes für dich in Dunkel gehüllt. - - - Ein solches Licht hast du auch in deinem Innern; wird es zur Finsternis, wie schrecklich muss dann die geistige Finsternis in dir sein!" Ein Pharisäer lud Jesus ein, bei ihm zu speisen. Er ging hin und nahm an seinem Tische Platz. Der Pharisäer nahm Anstoß daran, dass Jesus vor dem Essen nicht zuerst eine Waschung vorgenommen hatte; das ließ ihn innerlich nicht zur Ruhe kommen. Da sagte der Herr zu ihm: "Freilich, - ihr heuchlerischen Pharisäer haltet die Außenseite des Bechers und der Schüssel rein, das Innere aber ist voll Habgier und Bosheit. Ihr Toren! Hat der, welcher die Innenseite schuf, nicht auch die Außenseite geschaffen? Übtet ihr jedoch Erbarmen, soviel ihr könnt, dann würdet ihr sehen, dass auch euch alles rein erscheint! - Doch wehe euch, ihr Pharisäer! Ihr gebt zwar den Zehnten von Minze, Raute und jedem andern Gartengewächs, aber das wahre Rechttun und die Liebe zu Gott sind euch unbekannte Dinge. Wehe euch, ihr Pharisäer! Ihr wollt so gern den Ehrenplatz in den Synagogen haben, wollt auf den Märkten von jedermann gegrüßt sein und bei den Gastmählern die ersten Plätze einnehmen. Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr seid Gräbern gleich, die man zugeschüttet und unkenntlich gemacht hat. Die Leute gehen darüber hin und ahnen nicht, was darunter ist." Da ergriff einer der Gesetzlehrer das Wort. "Meister", - sagte er -"mit solchen Reden beleidigst du auch uns." - "Gewiss", - entgegnete er - "auch euch Gesetzkundigen gilt dieses Wehe. Denn ihr ladet euren Mitmenschen unerträgliche Lasten auf, selbst aber rührt ihr sie mit keinem Finger an. Wehe euch! Ihr errichtet den Gottgesandten Grabdenkmäler, und eure Väter waren es, die sie töteten. Wollt ihr etwa damit beweisen, dass ihr mit den Taten eurer Väter nicht einverstanden seid, weil jene zwar die Gottgesandten umbrachten, ihr aber Grabmäler für sie aufbaut? Immer wieder sende ich Werkzeuge der Geisterwelt Gottes und Apostel zu ihnen; die einen von ihnen werden sie töten, die andern in der schrecklichsten Weise verfolgen. Ich tue dies, damit alles Prophetenblut, das seit Grundlegung der Welt vergossen wurde, an diesem Volk gerächt werden soll, angefangen vom Blute Abels bis zum Blute Sacharjas, des Sohnes Barachias, den sie zwischen dem Brandopferaltar und dem Heiligtum getötet haben. Ja, glaubt es mir, es soll an diesem Volk gerächt werden. Wehe euch, ihr Gesetzeslehrer! Ihr habt den Schlüssel zur rechten Erkenntnis der Wahrheit versteckt. Ihr selbst seid nicht zum Verständnis der Wahrheit gelangt, habt aber auch die nicht dazu gelangen lassen, die dazu gelangen wollten." Als er ihnen solche Worte ins Gesicht schleuderte, begannen die Schriftgelehrten und Pharisäer vor allem Volk mit furchtbarer Erbitterung ihm zuzusetzen und ihn mit einer Menge Fragen zu überschütten. Dabei lagen sie auf der Lauer, um in irgendeiner Äußerung von ihm eine Handhabe zu bekommen, ihn unter Anklage zu stellen. Inzwischen hatten sich aus näherem und weiterem Umkreise große Volksscharen angesammelt, so dass sie einander drängten und stießen. Da wandte er sich zunächst an seine Jünger. "Hütet euch" - sagte er zu ihnen - "vor dem Sauerteig der Pharisäer, nämlich der Heuchelei! Denn es mag etwas noch so dicht verhüllt sein, - die Hülle wird einmal fallen; und es mag etwas noch so gut versteckt worden sein, - es wird einmal entdeckt werden. So wird auch jedes Wort, das ihr unter vier Augen gesprochen habt, an das Ohr der Öffentlichkeit dringen; und was ihr hinter verschlossenen Türen einander ins Ohr geflüstert hattet, das wird auf den Dächern laut verkündet werden. Doch euch, als meinen Freunden, möchte ich noch das eine sagen: Fürchtet euch nicht vor denen, die wohl den Leib töten, aber die Seele nicht töten können und auch sonst nichts Außergewöhnliches euch anzutun vermögen. Zeigen will ich euch, wer der ist, vor dem ihr euch fürchten sollt. Habt Furcht vor dem, der Macht hat, zu töten und den Getöteten in die Hölle zu schleudern. Wahrhaftig, vor dem sollt ihr euch fürchten. - Kauft man nicht fünf Sperlinge für zwei Pfennige! Und doch ist keiner von ihnen vor Gott vergessen. Selbst die Haare auf eurem Haupte sind alle gezählt. Habt also keine Furcht! Seid ihr vielleicht weniger wert als die Schar der Sperlinge?" "Ferner sage ich euch: Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem wird sich auch der Menschensohn vor den Engeln Gottes bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, der wird auch vor den Engeln Gottes verleugnet werden. Und jeder, der ein Wort gegen den Menschensohn sagt, wird Begnadigung finden. Wer aber gegen die heilige Geisterwelt Gottes eine Lästerung ausspricht, der wird weder in diesem noch in dem folgenden Zeitalter eine Begnadigung zu erwarten haben. - Wenn man euch in die Synagogen und vor die Behörden und die Machthaber schleppt, so denkt nicht schon vorher mit Angst daran, wie ihr euch verteidigen und was ihr vorbringen sollt; denn die heilige Geisterwelt wird euch im rechten Augenblick das eingeben, was ihr sagen sollt." Einer aus der Volksmenge richtete die Bitte ihn an: "Meister, sage doch meinem Bruder, er solle das Erbe mit mir teilen!" - "Mein lieber Mann", - entgegnete Jesus - "Wer hat mich zum Schiedsrichter über euch gesetzt?" Daran schloss er die Mahnung: "Sehet euch vor und seid auf der Hut vor jeder Art von Habsucht! Denn für keinen hängt sein Lebensunterhalt von dem ab, was er an Überfluss besitzt." Zur Erläuterung dieses Ausspruches erzählte er ihnen folgendes Gleichnis: "Einem reichen Mann hatten seine Äcker eine sehr gute Ernte gebracht. Da dachte er: Was soll ich tun, da ich keinen Raum habe, um meine Ernte unterzubringen? Schließlich sagte er sich: Ich will es folgendermaßen machen: meine Scheunen will ich abreißen und größer bauen und darin alle meine Früchte unterbringen; dann will ich zu meiner Seele sagen: "Liebe Seele, du hast nun einen reichen Vorrat; jetzt lass es dir wohl sein!" Aber Gott sprach zu ihm: 'Du Tor! Noch in dieser Nacht fordert man deine Seele von dir. Wem wird dann das alles zufallen, was du aufgespeichert hast?' - - - Indem er sich nun an seine Jünger wandte, fuhr er fort: "Darum sage ich euch: Fraget doch nicht ängstlich, ob ihr auch genug zu essen haben werdet, um leben zu können; auch nicht, ob ihr ausreichend Kleidungsstücke besitzen werdet, um euren Körper damit zu bekleiden. Das Leben ist ja wertvoller als die Nahrung, und der Körper wertvoller als die Kleidung. Seht euch die Vögel des Himmels an! Sie säen nicht und ernten nicht; sie haben keine Vorratskammern und keine Scheunen, - und Gott ernährt sie doch. Ihr seid doch ebenso viel wert als die Vögel! Wer von euch vermag seiner Lebenszeit auch nur eine Spanne zuzusetzen? Und so in allen andern Dingen. Warum macht ihr euch also Sorgen? Betrachtet die Lilien, die weder spinnen noch weben; und doch sage ich euch, dass nicht einmal Salomo in all seiner Pracht so herrlich gekleidet war, wie eine von ihnen. Wenn nun Gott die Blume auf dem Felde, die heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so herrlich kleidet, dann tut er dies wenigstens in dem selben Maße euch gegenüber, ihr Kleingläubigen! Fraget daher nicht ängstlich, was ihr essen und trinken sollt und lasst euch nicht zwischen Hoffen und Fürchten hin und her zerren. Denn über all das ängstigen sich die, welche ohne Glauben und Gottvertrauen durchs Leben gehen. Euer Vater weiß ja, dass ihr das alles nötig habt. Suchet vielmehr die Verbindung mit seinem Geisterreich zu erlangen. Dann wird euch alles andere als Zugabe zuteil werden. Habe also ja keine Furcht, du kleine Herde! Denn es ist im Heilsplan des Vaters bestimmt, euch das Himmelreich zu geben. Verkauft die Güter, über die ihr frei verfügen könnt und gebt den Erlös als Almosen hin. Verschafft euch nicht Geldbeutel, die durch Altwerden verschleißen, sondern ein unerschöpfliches Schatzkästlein, das im Jenseits steht, wo kein Dieb hinkommt und keine Motte etwas verderben kann. Denn wo eure Schätze sind, da wird auch euer Herz sein." "Eure Lenden sollen umgürtet und eure Lampen angezündet sein. Ihr sollt Leuten gleichen, die auf den Augenblick warten, wo ihr Herr von der Hochzeitsfeier heimkehrt, damit sie ihm bei seiner Ankunft auf das erste Klopfen hin sofort öffnen. Glücklich zu preisen sind jene Diener, die der Herr bei seiner Rückkehr wach findet. Ich sage euch, er wird das Gewand aufschürzen, sie zu Tisch führen und selbst bedienen. Mag er nun in den ersten Abendstunden kommen oder um Mitternacht oder um drei Uhr morgens, und er findet sie wach, so wird er sie in der angegebenen Weise behandeln; und wirklich glücklich zu preisen sind dann solche Diener. Das seht ihr wohl selbst ein: wenn ein Hausherr wüsste, in welcher Stunde der Einbrecher kommt, so würde er wach bleiben und den Einbruch in sein Haus verhindern. So haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, wo ihr ihn nicht erwartet." - "Herr", -fragte darauf Petrus - "meinst du mit deinem Gleichnis bloß uns oder auch die andern alle?" Der Herr gab ihm zur Antwort; "Ja, wer ist wohl mit dem treuen Verwalter - dem klugen und guten - gemeint, den sein Herr über das Hausgesinde setzen wird, damit er sie zur rechten Zeit mit allem Nötigen versorgt? Jenem Verwalter gilt meine Glücklichpreisung, den sein Herr bei seiner Rückkehr bei der treuen Ausübung seines Dienstes antrifft. Glaubet mir, er wird ihm die Verwaltung seines ganzen Besitztums übertragen. Würde je doch jener Verwalter in seinem Herzen wähnen, sein Herr werde noch lange nicht kommen und infolgedessen die Knechte und Mägde zu schlagen beginnen, auch selbst nach Belieben essen und trinken und sich berauschen, - so wird der Herr dieses Verwalters an einem Tage kommen, wo er ihn nicht erwartet hatte und zu einer Stunde, die er nicht hatte ahnen können. Er wird ihn in zwei Teile teilen und dorthin werfen, wo sich die Treulosen befinden. - Ein Knecht, der den Willen seines Herrn kennt und doch nicht danach handelt, wird viele Schläge erhalten. Wer dagegen seinen Willen nicht kannte und in dieser Unkenntnis Dinge tat, die Strafe verdienen, wird nur wenige Schläge bekommen; denn wem man viel gab, von dem wird man noch mehr zurückfordern, und wem man viel Hilfe gewährte, von dem wird man eine weit größere Leistung verlangen. Ich bin gekommen, um ein Feuer auf die Erde zu schleudern; und was könnte ich sehnlicher wünschen, als dass es schon hell aufloderte! Doch ich muss noch mit einer Taufe getauft werden und finde keine Ruhe, bis sie vollzogen ist. Ihr meint wohl, ich sei gekommen, um bloß Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, - ich bringe auch Unfrieden. Denn von nun an wird wegen mir unter fünf Hausbewohnern Spaltung herrschen; drei werden gegen zwei und zwei gegen drei im Streite liegen; der Vater gegen den Sohn und der Sohn gegen den Vater; die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter; die Schwiegermutter gegen die Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter." Dann wandte er sich wieder an die Volksmenge und fuhr fort: "Wenn ihr Gewölk im Westen aufsteigen seht, so pflegt ihr sofort zu sagen: Es gibt Regen; und es trifft ein. Merkt ihr, dass der Wind von Süden weht, dann prophezeit ihr heiße Tage; und auch dies trifft zu. Ihr Heuchler! Die Zeichen an Erde und Himmel versteht ihr richtig zu deuten. Wie kommt es nun, dass ihr die vor euren Augen sich abspielenden Zeitgeschehnisse nicht richtig beurteilen könnt? Warum kommt ihr nicht durch eigenes Nachdenken zu einer richtigen Schlussfolgerung? Denn wenn du mit deinem Gegner vor Gericht gehen musst, so gibst du dir doch noch unterwegs Mühe, mit ihm zu einem Vergleich zu kommen, damit er nicht vor dem Richter deine Verurteilung durchsetzt; denn dieser würde dich dem Gerichtsdiener übergeben, und der Gerichtsdiener dich ins Gefängnis werfen. Ich versichere dir, du wirst von dort nicht eher entlassen werden, als bis du den letzten Heller bezahlt hast." Damals waren unter seinen Zuhörern einige, die von den Galiläern erzählten, die Pilatus beim Schlachten der Opfertiere hatte umbringen lassen, so dass das Blut der Erschlagenen sich mit dem Blut der Tiere mischte. Jesus erwiderte ihnen: "Wollt ihr daraus, dass jene Galiläer die dieses Schicksal hatten, etwa den Schluss ziehen, sie seien größere Sünder gewesen als die übrigen Bewohner von Galiläa? Ich sage euch: Nein! In ähnlicher Weise werdet ihr alle einmal umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt. Oder meint ihr, dass jene achtzehn, auf die der Turm von Siloah stürzte und sie erschlug, schuldbeladener gewesen seien als die andern Einwohner von Jerusalem? - Nein! - sage ich euch; auch ihr werdet in ähnlicher Weise alle einmal umkommen, wenn ihr eure Gesinnung nicht ändert." Er erzählte ihnen dann folgendes Gleichnis: "Jemand hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt und kam, um nach den Früchten zu sehen; doch er fand keine. Da sagte er zu dem Gärtner: 'Nun komme ich schon drei Jahre hierher und suche an diesem Feigenbaum Früchte, finde aber keine. Nimm die Axt und haue ihn um; es ist schade für den Boden, den man an ihn verschwendet.' - 'Herr', -flehte jedoch der Gärtner - 'lass ihn wenigstens noch dieses Jahr stehen! Ich will noch einmal den Boden rund um ihn lockern und einen Korb voll Dünger darauf streuen. Vielleicht bringt er im kommenden Jahre doch noch Frucht; wenn nicht, dann magst du ihn aushauen lassen'." Eines Tages - es war an einem Sabbat - predigte er in der Synagoge. Unter den Anwesenden befand sich eine Frau, die seit achtzehn Jahren von einem Geist besessen war, der sie völlig kraftlos machte. Sie saß da ganz zusammengekrümmt und war durchaus unfähig, sich aufzurichten. Als Jesus ihrer ansichtig wurde, sagte er zu ihr: "Liebe Frau, du sollst von deiner Schwäche befreit sein!" Dann legte er ihr die Hände auf, und sofort richtete sie sich auf und pries Gott. Der Synagogenvorsteher wurde darüber sehr unwillig, dass Jesus diese Heilung am Sabbat vorgenommen hatte und sagte zum Volke: "Sechs Tage sind da, an denen man arbeiten soll. An diesen kommt und lasst euch heilen; aber nicht am Sabbat!" Der Herr antwortete ihm: "Du Heuchler! Bindet nicht ein jeder von euch auch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke? Und nun sollte diese Frau, die doch eine Tochter Abrahams ist, und die der Satan nun schon achtzehn Jahre lang gebunden hielt, von dieser Fessel nicht gelöst werden dürfen, bloß weil es Sabbat ist?" Bei diesen Worten saßen alle seine Gegner beschämt da, während die große Masse des Volkes sich über die herrlichen Taten freute, die durch ihn vollbracht wurden. - Dann fuhr er fort: "Wem ist das Kommen der Geisterwelt Gottes ähnlich, und womit soll ich es vergleichen? Es gleicht einem Senfkorn, das ein Mann nahm und in seinen Garten säte. Es wuchs und wurde zum Baume, und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen." Weiter sagte er: "Womit soll ich das Kommen des Geisterreiches Gottes sonst noch vergleichen? Es gleicht einem Sauerteig, den eine Frau in drei Maß Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war." So wanderte er von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf und predigte und nahm dabei stets seinen Weg in der Richtung auf Jerusalem. Eines Tages stellte einer an ihn die Frage: "Herr, es sind wohl nur wenige, die gerettet werden?" Ergab ihm zur Antwort: "Gebt euch die größte Mühe, durch die enge Türe einzugehen; denn viele - sage ich euch - werden hineinzukommen suchen und es nicht können. Denn wenn ihr erst dann draußen an dieser Türe steht und anklopfet, wenn der Hausherr bereits da war und die Türe abgeschlossen hat, - und wenn ihr dann ruft: 'Herr, Herr, mach uns auf! - so wird er euch antworten: 'Ich weiß nicht, woher ihr seid.' Und wenn ihr dann erwidert: 'Wir haben doch an demselben Tisch mit dir gegessen und getrunken; du hast bei uns auf öffentlichen Plätzen gepredigt', - so wird er euch entgegnen: Ich kann euch nur sagen, dass ich euch nie gekannt habe; darum hinweg von mir, ihr Übeltäter alle! Wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle die, welche Werkzeuge Gottes waren, im Reiche Gottes sehen werdet, während ihr selbst hinausgestoßen seid, dann wird bei euch Heulen und Zähneknirschen sein. Und von Osten und Westen, von Norden und Süden werden sie kommen und sich im Reiche Gottes zum Mahle niedersetzen; und es gibt solche, die unter den Letzten waren, und sie werden bei den Ersten sein, und andere gehörten einst zu den Ersten und werden dann bei den Letzten sein." Bei dieser Gelegenheit kamen einige Pharisäer zu ihm und warnten ihn. "Mache dich fort von hier", - sagten sie - "und ziehe sonst wohin! Denn Herodes will dich töten!" Doch er gab ihnen zur Antwort: "Gehet hin und meldet diesem Fuchs, dass ich daran bin, böse Geister auszutreiben; dass ich noch heute und morgen mit Heilen von Kranken beschäftigt bin und erst übermorgen damit fertig werde; dass ich aber sowohl heute, wie morgen als auch übermorgen notgedrungen meine Reise fortsetze; denn es geht nicht an, dass ein Gottgesandter anderswo als in Jerusalem den Tod erleidet. Jerusalem, Jerusalem, das du die Werkzeuge Gottes tötest und die steinigst, die zu dir gesandt wurden! Wie oft habe ich deine Kinder um mich sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt; doch ihr habt nicht gewollt. Nun muss die für euch bestimmte himmlische Wohnung wiederum leer bleiben. Ich versichere euch aber, dass ihr mich nun nicht mehr sehen werdet, bis der Tag da ist, wo ihr rufet: Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!" An einem Sabbat kam er in das Haus eines Führers der pharisäischen Partei, um bei ihm zu speisen. Die Anwesenden hielten ein scharfes Auge auf ihn. In seiner Nähe saß ein Mann, der die Wassersucht hatte. Jesus richtete an die Gesetzlehrer und Pharisäer die Frage: "Darf man am Sabbat heilen oder nicht?" Doch sie gaben ihm keine Antwort. Da streckte er einfach seine Hand nach dem Kranken aus und heilte ihn; dann schickte er ihn heim. An die andern aber wandte er sich mit den Worten: "Wer von euch, dem ein Schaf oder ein Ochs in den Brunnen fiele, würde das Tier nicht sofort herausziehen, auch wenn es an einem Sabbat wäre?" Auch darauf gaben sie keine Antwort. Als er sah, wie die Gäste sich die ersten Plätze aussuchten, wies er sie dadurch zurecht, dass er ihnen ein Beispiel erzählte. "Bist du von jemand zur Hochzeit eingeladen", - sagte er - "so lege dich nicht an einen Platz am ersten Tischchen. Es könnte ja ein Vornehmerer als du eingeladen sein, und es würde euer Gastgeber kommen und zu dir sagen: Gib diesem deinen Platz! Dann müsstest du aufstehen und beschämt den letzten Platz einnehmen. Wenn du eingeladen bist, gehe lieber an den letzten Platz und lege dich dort zu Tisch. Vielleicht wird dann der Gastgeber kommen und zu dir sagen: Lieber Freund, rücke weiter herauf! Das wird dann in den Augen aller Tischgenossen eine große Ehre für dich sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." Darauf sagte er zu seinem Gastgeber: "Willst du ein Mittagsmahl oder ein Abendessen veranstalten, so lade nicht deine Freunde und Brüder, deine Verwandten und reichen Nachbarn dazu ein! Denn diese würden sich zu einer Gegeneinladung verpflichtet fühlen, und so würde dir das Gleiche zurückvergolten. Lässt du eine Einladung ergehen, so wähle dazu Arme, Krüppel, Lahme und Blinde. Dann wirst du Segen davon ernten. Denn die können es dir nicht gutmachen. Die Vergeltung dafür wirst du an dem Tage erhalten, an dem die Gottestreuen wieder zu Gott zurückkehren." Bei diesen Worten machte einer der Tischgenossen die Bemerkung: "Glücklich zu preisen ist jeder, der im Reiche Gottes am Mahl teilnehmen darf!" Jesus gab ihm darauf die Antwort mit folgendem Gleichnis: "Ein Mann veranstaltete einst ein großes Gastmahl und lud viele dazu ein. Als das Mahl beginnen sollte, sandte er seinen Diener und ließ den Geladenen sagen, sie möchten kommen; es stehe schon alles bereit. Aber alle ohne Ausnahme suchten sich zu entschuldigen. Der erste ließ ihm sagen: Ich habe ein Grundstück gekauft und muss unbedingt hin gehen, um es zu besichtigen. Bitte, halte mich für entschuldigt! Der zweite brachte als Entschuldigung vor: Ich habe fünf Paar Ochsen gekauft und bin eben im Begriff, sie auszuprobieren. Deshalb kann ich nicht kommen. Ein dritter gab an: Ich habe mich dieser Tage verheiratet und kann deshalb nicht fortgehen." Der Diener kam zurück und berichtete dies seinem Herrn. Der wurde darüber sehr aufgebracht und gab seinem Diener den Befehl, eilends auf die Straßen und in die Gassen der Stadt zu gehen und die Armen und Krüppel, die Blinden und Lahmen herbeizuholen. Bald konnte der Diener melden: Herr, dein Befehl ist ausgeführt! Doch es sind noch Plätze frei. Da gebot der Herr dem Diener: Nun gehe noch auf die Landstraßen außerhalb der Stadt und auf die Feldwege und nötige alle, die du antriffst, doch hierher zu kommen, damit alle Plätze meines Saales besetzt werden. Dessen könnt ihr jedoch sicher sein, dass keiner von jenen Männern, die zuerst geladen waren mein Mahl zu schmecken bekommt." Große Menschenmengen pflegten ihn stets zu begleiten. An sie richtete er eines Tages folgende Mahnung: "Wenn jemand zu mir kommen will, so darf er auf Vater oder Mutter, Weib oder Kind, Bruder oder Schwester, ja nicht einmal auf sein eigenes Leben Rucksicht nehmen; sonst kann er nicht mein Jünger sein. Wer das für ihn bestimmte Kreuz nicht willig auf sich nimmt und so in meine Fußstapfen tritt, gehört nicht zu meinen Jüngern. Denn wer von euch würde, wenn er einen Turm bauen wollte, sich nicht vorher hinsetzen und die Kosten berechnen, um festzustellen, ob auch seine Mittel ausreichen; denn wenn er das Fundament gelegt hätte und könnte dann nicht mehr weiter bauen, so würden all die Leute, die das sähen, über ihn zu spotten anfangen und sagen: Dieser Mann da hat einen Bau begonnen, den er nicht zu Ende führen kann. Oder gesetzt den Fall, ein König wäre gezwungen, gegen einen andern König zu Felde zu ziehen. Würde er sich nicht sofort hinsetzen und zuerst beratschlagen, ob er imstande ist, mit den ihm zur Verfügung stehenden zehntausend Mann erfolgreich in den Kampf zu ziehen gegen einen Feind, der mit zwanzigtausend Mann heranrückt. Und wenn er fände, dass er dies nicht kann, würde er da nicht eine Gesandtschaft zu dem Feinde schicken, so lange dieser noch in weiter Ferne ist, und um Friedensverhandlungen bitten? So wird auch keiner von euch mein Jünger sein können, wenn er nicht imstande ist, auf alles, was ihm gehört, zu verzichten." "Das Salz ist etwas Gutes. Verliert es aber seine Salzkraft, womit könnte man es wieder zu Salz machen? Weder für den Acker noch für den Dunghaufen hätte es irgend einen Wert. Man müsste es eben wegwerfen. Wer das rechte Verständnis für meine Worte hat, der soll es sich zunutze machen." Die sich besonders nahe an Jesus herandrängten, um seinen Worten zu lauschen, waren die Zöllner und jene, die in der Öffentlichkeit als Sünder betrachtet wurden. Das gab den Pharisäern und Schriftgelehrten Veranlassung, bei jeder sich bietenden Gelegenheit darüber zu murren, indem sie sagten: "Die Sünder nimmt dieser Mensch bei sich auf und legt sich mit ihnen zu Tisch." Als Antwort darauf erzählte ihnen Jesus folgendes Beispiel: "Nehmen wir an, einer von euch hätte hundert Schafe, und eins davon käme ihm abhanden. Würde er da nicht die neunundneunzig auf der Weide lassen und das vermisste suchen gehen, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es dann nicht voller Freude auf seine Schultern? Und kommt er nach Hause, ruft er nicht seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt ihnen: Freuet euch mit mir; denn ich habe mein Schaf, das verloren war, wiedergefunden? Glaubt mir, so wird auch im Himmel über einen einzigen Gottlosen, der sich bekehrt, mehr Freude sein, als über neunundneunzig gottestreue Seelen, die einer Bekehrung nicht bedürfen." - "Nehmen wir ein anderes Beispiel: Eine Frau hat zehn Silberstücke und verliert eins davon. Wird sie nicht ein Licht anzünden und das ganze Haus auskehren und eifrig suchen, bis sie es findet? Und hat sie es gefunden, ruft sie dann nicht ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freuet euch mit mir; denn ich habe das Silberstück wieder gefunden, das ich verloren hatte? Ich versichere euch, dass dieselbe Freude bei den Engeln Gottes herrschen wird, wenn ein einziger Gottloser sich bekehrt. - Als drittes Beispiel führte er an: "Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngste sagte zum Vater: Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zusteht! Der tat es auch und verteilte sein Vermögen unter die beiden. Kurz darauf packte der Jüngste alles zusammen und zog in die Fremde. Dort brachte er sein Vermögen in einem ausschweifenden Leben durch. Als er alles draufgetrieben hatte, entstand in jenem Lande eine schreckliche Hungersnot, und er litt zum ersten Mal in seinem Leben großen Mangel. Nach langem Hinundherwandern trat er schließlich bei einem Bürger jenes Landes in Dienst. Der schickte ihn auf sein Landgut, um die Schweine zu hüten. Gern hätte er mit den Schoten des Johannesbrotbaumes, die man als Schweinefutter verwendete, seinen Hunger gestillt. Aber niemand gestattete es ihm. Da ging er in sich und sprach zu sich selbst: All die vielen Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, und ich komme hier vor Hunger um. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater zurückkehren und ihm meine Schuld bekennen. "Vater, - so will ich sagen - ich habe gesündigt gegen den Himmel und gegen dich; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Behandle mich wie einen deiner Tagelöhner!' So machte er sich denn auf den Heimweg zu seinem Vater. Als er noch weit vom Vaterhause entfernt war, sah sein Vater ihn schon kommen und empfand tiefes Mitleid mit ihm. Er lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 'Vater', - stammelte der Sohn - 'ich habe gesündigt gegen den Himmel und gegen dich; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen; behandle mich wie einen deiner Tagelöhner!' Der Vater aber befahl seinen Knechten: 'Holt schnell das beste Gewand und legt es ihm an; steckt ihm einen Ring an seine Hand und gebt ihm Schuhe für seine Füße; bringt das gemästete Kalb und schlachtet es und lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder zum Leben gekommen; er war verloren und ist soeben wiedergefunden worden'. Und es herrschte große Freude unter ihnen. Sein ältester Sohn war draußen auf dem Felde. Als er heimkehrte und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen von den Knechten und fragte ihn, was das zu bedeuten habe. Dieser erzählte ihm: Dein Bruder ist zurückgekommen. Da ließ dein Vater vor Freude, dass er ihn gesund wieder hat, das gemästete Kalb schlachten. Darüber wurde der Älteste sehr aufgebracht und wollte nicht hinein gehen. Da kam der Vater zu ihm heraus und redete ihm gut zu. Doch er gab dem Vater zur Antwort: 'Sieh mal, Vater, ich diene dir nun schon so viele Jahre und habe noch nie irgend ein Gebot von dir übertreten; doch du gabst mir nicht ein einziges Mal ein Ziegenböcklein, dass ich ein Festessen mit meinen Freunden hätte halten können. Aber deinem Sohn, der sein ganzes Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat und nun zurückkommt, dem lässt du das gemästete Kalb schlachten.' - 'Mein lieber Sohn', - entgegnete der Vater - 'du bist ja allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Aber mussten wir uns denn nicht freuen und fröhlich sein, weil dieser dein Bruder, der tot war, wieder zum Leben kam; der verloren war und nun wiedergefunden wurde?'" Folgendes Gleichnis trug er seinen Jüngern vor: "Es war einmal ein reicher Mann; der hatte einen Verwalter. Nun wurde ihm hinterbracht, dass dieser ihn bei der Vermögensverwaltung betrüge. Da ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was muss ich da von dir hören? Mache sofort die Abrechnung über deine Verwaltung; denn du kannst nicht mehr länger mein Verwalter bleiben.' - 'Was soll ich nun anfangen', - dachte der Verwalter - 'wenn mein Herr mir jetzt die Verwaltung entzieht? Als Taglöhner mit der Hacke zu arbeiten, dazu bin ich zu schwach - und betteln zu gehen, schäme ich mich. - Doch, da ist mir eben ein sehr guter Gedanke gekommen, was ich tun soll, damit ich bei verschiedenen Familien Aufnahme finde, sobald ich meines Amtes enthoben bin.' Sofort ließ er die Schuldner seines Herrn einzeln zu sich kommen und fragte den ersten: 'Wie viel schuldest du meinem Herrn?' - 'Hundert Fass Öl' war seine Antwort. - 'Hier', - entgegnete der Verwalter 'nimm deinen alten Schuldschein wieder an dich und schreibe einen neuen über fünfzig Fass!' - Dann fragte er einen andern: 'Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?' Dieser gab an: 'Hundert Malter Weizen'. Auch ihm sagte der Verwalter: 'Nimm hier deinen alten Schuldschein wieder an dich und schreibe einen neuen über achtzig Malter.' Und der Herr musste anerkennen, dass sein Verwalter bei dieser unehrlichen Handlungsweise doch mit kluger Berechnung vorgegangen war. - Daraus könnt ihr ersehen, dass die Menschen der heutigen Zeit im Verkehr mit ihresgleichen weiter schauen als die Kinder des Lichtes. Darum gebe auch ich euch den Rat: Machet euch Freunde mit den Gütern, die an sich so wertlos sind, damit man euch in die jenseitigen Zelte aufnimmt, sobald es mit dem Diesseits vorüber ist. Wer im Kleinsten treu ist, der ist auch treu im Großen; und wer im Kleinen nicht das Rechte tut, der tut es auch nicht im Großen. Wenn ihr nicht einmal in der Verwendung derjenigen Güter ehrlich ward, die an sich so wertlos sind, wer wird euch dann die wahren Güter Gottes anvertrauen? Und wenn ihr euch in der Behandlung fremden Gutes nicht zuverlässig erwieset, wer könnte euch dann das Gut anvertrauen, das euer eigen ist? Kein Knecht kann gleichzeitig im Dienste zweier Herren stehen. Entweder wird er die Dienstleistungen, die er dem ersten schuldig wäre, verabscheuen und sie dem zweiten gegenüber gern erfüllen, oder er würde zu dem ersten halten und sich um den zweiten nicht kümmern. Ihr könnt nicht Knechte Gottes und gleichzeitig Sklaven des Geldes sein." Dies alles hörten auch die Pharisäer, die von der Geldgier beherrscht waren, und sie rümpften die Nase über ihn. An sie richtete er nun die Worte: "Ihr gehört zu jenen Menschen, die sich vor andern den Schein geben, als seien sie in den Augen Gottes vollkommen; aber Gott kennt euer Inneres. Denn was in den Augen der Welt als etwas Hohes gilt, wird von Gott als etwas Verabscheuungswürdiges angesehen." Das Mosaische Gesetz und die Gesandten Gottes, bis einschließlich Johannes den Täufer, haben den Verkehr mit der Geisterwelt Gottes als frohe Botschaft vorausverkündet. Aber seither ging man mit Gewalt gegen jeden vor, der mit der Geisterwelt Gottes in Verkehr treten wollte. Und doch werden eher die Himmelskörper und die Erde vergehen, als dass auch nur ein Strichlein von dem unerfüllt bleibt, was das Mosaische Gesetz vorausverkündete." "Schon der begeht Ehebruch, der sich von seiner Frau trennt und eine andere heiratet; ebenso der, welcher eine Frau heiratet, die sich selbst von ihrem Manne getrennt hat." Die Wahrheit, die er ihnen nun vorbringen wollte, machte er an folgendem Beispiel klar: "Es lebte einmal ein reicher Mann; sein Name war Phinees. Der kleidete sich in Purpur und kostbare Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Ein Armer aber, namens Lazarus, lag vor dessen Türhalle und war ganz mit Geschwüren bedeckt. Er wäre froh gewesen, wenn er mit den Brocken, die vom Tische des Reichen fielen, seinen Hunger hätte stillen können. Doch es fand sich keiner, der sie ihm gab. Nur die Hunde hatten Erbarmen mit ihm. Sie kamen herbei und beleckten seine Geschwüre. Eines Tages starb der Arme und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. Als er nun im Totenreich seine Augen erhob, sah er in weiter Ferne den Abraham und, an dessen Seite ruhend, den Lazarus. Da rief er inständig: Vater Abraham! Habe doch Erbarmen mit mir und sende den Lazarus hierher, damit er seine Fingerspitzen ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide große Qualen in dieser Glut'. Doch Abraham gab ihm zur Antwort: Mein Sohn, bedenke, dass du all das Gute, das du dir wünschen mochtest, in deinem irdischen Leben empfangen hast, während Lazarus in gleich großem Maße das Leidvolle zu tragen hatte. Dieser findet nun hier seinen Trost und du dort deine Qualen. Doch abgesehen von alledem, ist zwischen uns und euch eine große Kluft festgelegt, damit die, welche von hier zu euch hinüber wollten, es nicht könnten, und man auch von dort nicht hierher gelangen kann.' Jener flehte: 'So bitte ich denn, Vater Abraham, sende ihn wenigstens in mein väterliches Haus! Ich habe dort noch fünf Brüder; die soll er ernstlich warnen, damit sie nicht auch an diesen Ort der Qual kommen.' Abraham entgegnete ihm: 'Sie haben ja Mose und die Gesandten Gottes; auf die mögen sie hören.' Jener aber erwiderte: 'Nein, Vater Abraham, - das tun sie nicht; aber wenn einer von den Toten zu ihnen käme, dann würden sie sich wohl bekehren.' - 'Wenn sie auf Mose und die Gesandten Gottes nicht hören', - antwortete Abraham - 'so werden sie auch nicht glauben, wenn einer von den Toten aufersteht und zu ihnen kommt.'" Weiter sagte er zu seinen Jüngern: "Die Verführungen zur Abkehr von Gott kann man nicht aus der Welt schaffen. Aber wehe dem, der sie verschuldet. Es wäre besser für ihn, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er ins Meer versenkt würde, als dass er auch nur einem von diesen arglosen Leuten Anlass zu einer solchen Sünde gäbe. Gebe daher jeder auf sich selbst acht! - Hat dein Bruder gegen dich gesündigt, so halte es ihm vor! Und wenn er es bereut, dann sollst du ihm vergeben. Und sollte er sich siebenmal am Tage gegen dich vergehen und siebenmal wieder zu dir kommen und bekennen, dass es ihm leid tut, so sollst du ihm jedesmal vergeben!" Die Apostel baten den Herrn: "Lass das Gottvertrauen in uns größer werden!" Der Herr gab zur Antwort: "Wenn ihr Gottvertrauen hättet von der Größe eines Senfkörnleins und sprächet zu diesem Berge: 'Geh von hier nach dort!' so würde er es tun; und zu diesem Maulbeerbaume: Verpflanze dich von hier ins Meer!' so würde er euch gehorchen." "Angenommen, einer von euch hätte einen Knecht zum Pflügen oder zur Pflege des Viehes; würde er dann, wenn jener vom Felde heimkommt, ihm sagen: 'Komm gleich her und nimm am Tische Platz? Würde er ihm nicht vielmehr die Weisung geben: Bereite mir das Abendessen und dann binde dir eine Schürze um und warte mir auf, bis ich gegessen und getrunken habe; nachher kannst auch du essen und trinken? Er ist dem Knecht doch wohl nicht noch Dank dafür schuldig, dass er die ihm erteilten Befehle ausgeführt hat? Was ich eben sagte, gilt auch für euch. Wenn ihr alles getan habt, was ich euch geboten, so sprecht: Wir sind Knechte und verdienen keinen Dank; denn wir taten nur unsere Schuldigkeit.'" Auf seiner Wanderung nach Jerusalem kam Jesus mitten durch Samaria und Galiläa. Eines Tages näherte er sich einem Dorfe, bei dem sich zehn Aussätzige aufhielten. Diese blieben von ferne stehen und schrieen mit weithin vernehmbarer Stimme: "Jesus, lieber Meister, habe Erbarmen mit uns!" Als er ihrer ansichtig wurde, rief er ihnen zu: "Ihr sollt geheilt sein! Gehet nur hin und zeiget euch den Priestern!" Während sie sich auf den Weg machten, wurden sie vom Aussatz rein. Einer von ihnen kam sofort, als er sich vom Aussatz gereinigt sah, wieder zurück und pries Gott mit lauter Stimme; dann warf er sich vor den Füßen Jesu auf sein Antlitz nieder und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Da sagte Jesus: "Alle zehn sind doch rein geworden; wo sind denn die neun? Unter all diesen Geheilten befand sich also keiner, der zurückgekommen wäre, um Gott die Ehre zu geben, außer diesem Fremdling!" An diesen wandte er sich mit den Worten: "Stehe auf und gehe heim! Dein Glaube hat dir geholfen." Von den Pharisäern wurde er eines Tages gefragt: "Wann kommt denn die Geisterwelt Gottes zu uns?" Er gab ihnen zur Antwort: "Die Geisterwelt Gottes kommt nicht so, dass man an der Straße stehen und sie angaffen kann. Auch dürft ihr denen nicht glauben, die euch etwa sagen sollten: Siehe, hier ist die Geisterwelt Gottes oder dort ist sie! Denn die Geisterwelt Gottes ist in eurer Mitte." Und an seine Jünger gewendet fuhr er fort: "Es wird eine Zeit kommen, wo ihr euch einen einzigen von den Tagen herbeiwünscht, die ihr jetzt mit dem Menschensohn verlebet, doch ihr werdet diesen Wunsch nicht erfüllt sehen. Wenn man daher euch später einmal sagen sollte: Siehe hier ist der Menschensohn! oder: Siehe dort ist er! - so gehet nicht hin und gebt nichts auf solches Gerede. Denn wenn der Menschensohn wiedererscheint, dann wird es sein, wie wenn ein Blitz aufleuchtet und seinen Strahl über das ganze Himmelszelt hin schleudert. Doch ehe dieser Zeitpunkt da ist, muss er noch viel leiden und von diesem Volke verstoßen werden. In den Zeitperioden, in denen der Menschensohn wiedererscheint, wird es jedesmal ergehen, wie in den Tagen des Noah: Man aß und trank; Männer suchten sich Frauen, und Frauen suchten sich Männer; da kam plötzlich der Tag, wo Noah in die Arche ging; die Sintflut brach herein und vernichtete alle. Es wird ferner so sein, wie in den Tagen des Lot. Auch damals dachte man nur an Essen und Trinken, an Kaufen und Verkaufen, an Pflanzen und Bauen. Da kam der Tag, wo Lot Sodom verließ; Feuer und Schwefel regnete es vom Himmel und vernichtete alle. Ebenso wird es auch an dem Tage sein, an dem der Menschensohn ohne menschliche Hülle erscheinen wird. Wer an jenem Tage auf dem Dache seines Hauses ist, während seine Sachen sich noch drinnen befinden, der steige nicht erst hinab, um sie zu holen. Und ebenso soll der, welcher auf dem Felde ist, sich nicht nach dem umwenden, was er zu Hause zurückgelassen. Denkt an Lots Weib! Wer sein irdisches Leben voll genießen will, der wird sein geistiges Leben verlieren; wer aber auf die Genüsse seines irdischen Lebens zu verzichten bereit ist, wird sich die Freuden des geistigen Lebens sichern. Ich sage euch: In einer solchen Nacht werden zwei Männer auf demselben Lager liegen; der eine wird mitgenommen, der andere zurückgelassen. Zwei Frauen werden an derselben Handmühle mahlen; die eine wird mitgenommen, die andere zurückgelassen. Zwei werden auf demselben Acker sein; der eine wird mitgenommen, der andere zurückgelassen." Da fragten ihn die Jünger: "Herr, wo bleiben denn die, welche zurückgelassen werden?" Er gab ihnen zur Antwort: "Dort, wo das Aas zu finden ist, da ist auch die Sammelstelle für die Aasgeier." Um sie darüber zu belehren, dass man beharrlich beten müsse und des Betens nicht überdrüssig werden dürfe, führte er ihnen folgendes Beispiel an: "In einer Stadt lebte ein Richter, der weder Gott fürchtete, noch auf irgend einen Menschen Rücksicht nahm. In derselben Stadt lebte auch eine Witwe. Diese kam immer wieder zu jenem Richter mit der Bitte: 'Schaffe mir doch endlich Recht gegenüber meinem Widersacher!' Doch eine geraume Zeit hindurch störte sich der Richter nicht daran. Schließlich aber besann er sich eines Bessern, indem er sich sagte: Wenn ich mich auch vor keinem Gott fürchte und auf keinen Menschen Rücksicht nehme, so will ich dieser Witwe doch endlich zu ihrem Recht verhelfen; denn mit ihrem ewigen Klagen wird sie mir lästig, und am Ende kommt sie noch und wird in ihrer Erregung handgreiflich gegen mich." "Habt ihr gehört", - fuhr nun der Herr fort -"was dieser ungerechte Richter sagte? Sollte nun Gott nicht auch seinen Auserwählten Recht verschaffen, die Tag und Nacht zu ihm rufen, wenn er auch mit seiner Hilfe eine Zeitlang zögern mag? Ganz gewiss wird er ihnen gar bald Recht verschaffen. Doch, wird der Menschensohn, der hernieder gekommen ist, auf Erden auch den erforderlichen Glauben vorfinden? Zur Beschämung gewisser Leute, die auf ihr eigenes Rechttun pochen und auf alle Mitmenschen mit Geringschätzung herabsehen, erzählte er ihnen folgendes Gleichnis: "Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand in stolzer Haltung da und betete bei sich: 'O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin, wie die andern Menschen - ich bin kein Räuber, kein Betrüger, kein Ehebrecher, bin auch nicht, wie dieser Zöllner da. Zweimal in der Woche faste ich und gebe den Zehnten von allen meinen Einkünften.' - Der Zöllner dagegen blieb am Eingange stehen und getraute sich nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug an seine Brust und betete: 'O Gott, sei mir Sünder gnädig!' - Glaubt mir, dieser ging nach Hause mit einem Herzen, das Gott wohlgefälliger war, als das jenes Pharisäers. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." Die Leute pflegten ihre kleinen Kinder zu Jesus zu bringen, damit er ihnen die Hände auflege. Jedesmal, wenn die Jünger dies sahen, fuhren sie die Leute barsch an. Jesus aber rief ihnen die tadelnden Worte zu: "Lasst doch die Kinder zu mir kommen und wehret es ihnen nicht! Denn jenen, die das Herz eines Kindes haben, wird die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes zu teil. Ich betone noch einmal: Wer die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes nicht mit einem kindlichen Herzen anzunehmen bereit ist, wird niemals Zutritt zu dieser Geisterwelt erlangen." Einmal richtete ein Vorsteher die Frage an ihn: "Guter Meister, was muss ich tun, um des zukünftigen Lebens teilhaftig zu werden?" Jesus gab ihm zur Antwort: "Warum nennst du mich 'gut'? Keiner ist gut als nur Einer: nämlich Gott. Was deine Frage betrifft, so kennst du ja die Gebote: du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis ablegen, deinen Vater und deine Mutter ehren!" - "Das alles habe ich von Jugend auf gehalten", entgegnete dieser. Darauf erwiderte ihm Jesus: "Nur eins fehlt dir noch: verkaufe all dein Besitztum und verteile den Erlös unter die gänzlich Armen, dann wirst du Reichtümer im Jenseits haben! Dann komme und begleite mich!" Bei diesen Worten wurde jener äußerst niedergeschlagen; denn er war sehr reich. Als ihn Jesus so traurig da stehen sah, sagte er: "Wie schwer ist es doch für die Begüterten, in Verbindung mit dem Geisterreich Gottes zu kommen! Ja, es ist leichter, dass ein Kamel [Strick] durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes erlangt." Da sagten die Zuhörer: "Welcher Reiche kann dann überhaupt noch gerettet werden?" Jesus antwortete: "Was bei den Menschen unmöglich ist, ist dennoch möglich bei Gott." Da ergriff Petrus das Wort: "Siehe", - sagte er - "wir gehören zu denen, die alles, was sie ihr Eigen nannten, preisgegeben haben und dir nachgefolgt sind." Jesus entgegnete ihm: "Seid überzeugt, dass noch niemand Haus oder Weib, Geschwister, Eltern oder Kinder in diesem Leben verlassen hat, um in Verbindung mit der Geisterwelt Gottes zu kommen, ohne dass er schon im Diesseits viel Wertvolleres dafür erhalten hätte und im Jenseits das zukünftige Leben." Dann nahm er die Zwölf beiseite und sagte zu ihnen: "Wir ziehen jetzt hinauf nach Jerusalem. Dort wird alles in Erfüllung gehen, was die Propheten von dem Menschensohn geschrieben haben. Denn er wird den Ungläubigen ausgeliefert, verspottet und angespieen werden; man wird ihn geißeln und töten, und am dritten Tage wird er auferstehen." Doch sie konnten das alles nicht fassen; der Sinn seiner Worte blieb ihnen dunkel, und sie begriffen nicht, was er damit sagen wollte. Als er in die Nähe von Jericho kam, saß ein Blinder am Wege und bettelte. Als er nun hörte, dass so viele Menschen an ihm vorbeigingen, fragte er, was das wohl zu bedeuten habe. Man sagte ihm, Jesus von Nazareth komme vorüber. Da rief er, so laut er konnte: "Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!" Die ihm am nächsten waren, fuhren ihn an, er solle still sein. Er aber schrie um so mehr; "Sohn Davids, erbarme dich meiner!" Jesus blieb stehen und befahl, ihn zu ihm zu bringen. Als er nahe bei ihm war, richtete Jesus die Frage an ihn: "Was willst du denn, dass ich für dich tun soll?" - "Herr", - antwortete jener - "ich möchte mein Augenlicht wieder haben." - "Du sollst es wieder haben!" - entgegnete Jesus. "Dein gläubiges Vertrauen hat dir Heilung gebracht." Sofort konnte er sehen und schloss sich ihm an. Er pries Gott, und die ganze Volksmenge, die Zeuge dieses Vorfalls war, stimmte in den Lobpreis Gottes ein. Jesus kam dann nach Jericho und ging durch die Stadt hindurch. Darin wohnte ein Mann namens Zachäus. Er war ein Oberzöllner und sehr wohlhabend. Er hätte so gern aus nächster Nähe gesehen, was dieser Jesus wohl für ein Mann sei. Doch wegen der großen Volksmenge konnte er es nicht; denn er war klein von Gestalt. So suchte er denn einen größeren Vorsprung vor den andern zu gewinnen und kletterte auf einen Feigenbaum, um ihn besser zu sehen; denn dort musste er vorbeikommen. Als nun Jesus an dieser Stelle anlangte, sah er ihn und rief ihm zu: "Zachäus, steige schnell herab; denn ich muss heute bei dir einkehren." Eilends kletterte er vom Baume herunter und nahm ihn mit großer Freude bei sich auf. Als die Umstehenden dies sahen, ging ein Murren durch ihre Reihen, und es fielen die Worte: "Bei einem öffentlichen Sünder ist er eingekehrt und weilt als Gast in seinem Hause." Zachäus aber trat vor den Herrn und sagte: "Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich denen geben, die nichts besitzen; und wenn ich einem zuviel abverlangt habe, so will ich es vierfach ersetzen." Jesus gab ihnen zur Antwort: "Heute ist diesem Haus Heil widerfahren; denn auch er ist ein Sohn Abrahams. Der Menschensohn ist ja gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren war." Da sie seinen Worten gespannt lauschten, setzte er seine Belehrung fort. Und weil er in der Nähe von Jerusalem war, und die Leute meinten, das Erscheinen der Geisterwelt Gottes stehe unmittelbar bevor, erzählte er ihnen folgendes Gleichnis: "Ein Mann aus hochedlem Geschlecht reiste in ein fernes Land, um dort als König seine Herrschaft anzutreten und dann wieder zurückzukehren. Er rief nun zehn seiner Beamten zu sich und gab ihnen zusammen zwanzigtausend Mark mit dem Auftrag: 'Macht während meiner Abwesenheit Geschäfte damit!' Seine Mitbürger aber hassten ihn und schickten eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen: Wir wollen nicht, dass dieser unser König wird.' Als er nun nach Empfang der Königswürde zurückkehrte, ließ er die Beamten, denen er das Geld gegeben hatte, zu sich rufen. Er wollte erfahren, was sie damit ausgerichtet hätten. Der erste kam und sagte: 'Herr, deine zweitausend Mark haben sich verzehnfacht.' - 'O du guter Knecht', - erwiderte der Herr - 'weil du im Kleinen so zuverlässig warst, sollst du die Verwaltung von zehn Städten haben!' Der zweite kam und sagte: 'Herr, deine zweitausend Mark haben sich verfünffacht'. Diesem gab er die Antwort: 'Und du sollst Statthalter über fünf Städte sein!' Dann kam der dritte und sagte: 'Herr! Hier sind deine zweitausend Mark. Ich habe sie in einem Tuch bis jetzt wohl verwahrt. Denn ich hatte Furcht vor dir, weil du ein überstrenger Mann bist; du willst Geld erheben, wo du keins angelegt hast und willst ernten, wo du nicht sätest.' - 'Du schlechter Beamter!' - sagte der Herr - Nach deinen eigenen Worten will ich dich richten. Du wusstest also, dass ich ein strenger Mann sei; dass ich Geld zu erheben suche, wo ich keins angelegt habe und ernten will, wo ich nicht säte. Warum hast du da denn nicht mein Geld auf eine Bank gebracht? Dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen abgehoben'. Darauf befahl er den Umstehenden: 'Nehmt ihm die zweitausend Mark ab und gebt sie dem, der die zwanzigtausend Mark hat. - - - Denn ich versichere euch: Jedem, der eine Gabe benutzt, werden weitere Gaben hinzugegeben; wer sie aber nicht verwertet, dem wird auch die noch genommen, die er zuerst hatte. Was nun diese meine Feinde betrifft, die mich nicht zum König haben wollten, so bringt sie hierher und haut sie vor meinen Augen nieder! Den unnützen Beamten aber werfet hinaus in die äußerste Finsternis; dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.' Nach diesen Worten ging Jesus weiter auf dem Weg nach Jerusalem. Als er in die Nähe von Bethphage und Bethanien kam, die am Fuße des sogenannten Ölbergs liegen, sandte er zwei von seinen Jüngern voraus mit dem Auftrag: "Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Gleich am Eingang werdet ihr ein Eselfüllen angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet es los und bringt es her! Sollte euch jemand zur Rede stellen, so gebt ihm einfach die Antwort: 'Der Herr benötigt es!'" - Die Boten gingen hin und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. Als sie das Füllen losbanden, fragten die Leute, denen es gehörte: "Warum bindet ihr unser Füllen los?" Sie gaben zur Antwort: "Der Herr benötigt es!" Dann brachten sie das Füllen zu Jesus, legten ihre Mäntel darauf und ließen Jesus aufsitzen. Als er weiter ritt, breitete die Volksmenge die Mäntel als Teppich für die Hufe des Reittieres vor ihm aus. Als er gerade im Begriff war, den Ölberg hinab zu reiten, begann die ganze Schar seiner Jünger Gott zu loben wegen all der wunderbaren Taten, deren Zeugen sie gewesen waren, und riefen: "Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hochgelobt sei der König! Friede sei in dem niedern Geisterreich und Jubel in den höchsten Himmelssphären!" Da wandten sich einige von den Pharisäern, die sich unter das Volk gemischt hatten, mit den Worten an ihn: "Meister, verbiete solches deinen Jüngern!" Er gab ihnen jedoch zur Antwort: "Ich sage euch, wenn diese schwiegen, würden die Steine laut aufschreien." Als er sich Jerusalem näherte und der Stadt ansichtig wurde, weinte er über sie und brach in die Klage aus: "Wenn doch auch du und zwar an dem Tage, der für dich bestimmt war, - die Gnade Gottes erkannt hättest, die dir den Frieden bringen sollte! Nun aber blieb sie leider deinen Augen verborgen. So werden denn Tage kommen, an denen deine Feinde einen Wall gegen dich aufwerfen, dich ringsum einschließen und von allen Seiten bedrängen werden. Ja, sie werden dich dem Erdboden gleichmachen und deine Kinder zu Boden schmettern und in deinem ganzen Umkreis keinen Stein auf dem andern lassen, zur Strafe dafür, dass du auf den Zeitpunkt nicht geachtet hast, wo das erbarmende Auge Gottes auf dich gerichtet war." Dann betrat er den Tempel und machte sich daran, die Verkäufer und Käufer die darin waren, hinauszutreiben; die Tische der Geldwechsler stieß er um; ebenso die Bänke der Taubenhändler, indem er ihnen allen zurief: "Es steht geschrieben: 'Mein Haus soll ein Bethaus sein; ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemacht'." - Er lehrte dann täglich im Tempel. Doch die Hohenpriester und die Schriftgelehrten samt den sonstigen Führern des Volkes trachteten ihm nach dem Leben. Sie fanden aber keine günstige Gelegenheit, ihr Vorhaben auszuführen; denn das ganze Volk war stets eng um ihn geschart, um seinen Worten zu lauschen. Eines Tages lehne er wieder im Tempel und erklärte die Heilsbotschaft Gottes. Da traten die Oberpriester und Schriftgelehrten mit den Ältesten des Volkes auf ihn zu und stellten die Frage an ihn: "Sprich! Mit was für einer Vollmacht tust du dies, und wer ist es, der dir das Recht dazu erteilt hat?" Er antwortete ihnen: "Ich will euch eine Gegenfrage stellen: Stammte die Taufe, die Johannes spendete, vom Himmel oder von Menschen?" Da überlegten sie sich die Frage und dachten: Sagen wir: 'vom Himmel' - dann wird er uns vorhalten: Warum habt ihr ihm denn keinen Glauben geschenkt?' Sagen wir aber: 'von Menschen' - so wird das ganze Volk uns steinigen; denn es ist überzeugt, dass Johannes ein Prophet Gottes war. Darum gaben sie ihm die Antwort, sie wüssten nicht, woher sie stamme. "Dann sage auch ich nicht", - entgegnete Jesus - "mit welchem Recht ich dies tue." Nun wandte er sich wieder ans Volk und erzählte ihnen folgendes Gleichnis: "Ein Mann legte einen Weinberg an und verpachtete ihn an Winzer. Dann ging er für längere Zeit außer Landes. Zu dem Termin, an dem der Pachtzins fällig war, sandte er einen Knecht zu den Winzern, damit sie den vereinbarten Teil von dem Ertrag des Weinbergs als Pachtzins an ihn ablieferten. Aber die Winzer misshandelten den Knecht und schickten ihn mit leeren Händen zurück. Da sandte er einen andern Knecht. Aber auch ihn misshandelten und beschimpften sie und schickten auch ihn mit leeren Händen zurück. Er sandte dann noch einen dritten. Auch diesen schlugen sie blutig und schickten ihn ebenfalls mit leeren Händen zurück. Da sagte sich der Herr des Weinberges: 'Was soll ich machen? - Gut, ich will meinen Sohn - meinen Liebling - zu ihnen senden; - vielleicht werden sie doch vor ihm Achtung haben.' Doch kaum wurden die Winzer seiner ansichtig, da steckten sie die Köpfe zusammen und flüsterten einander zu: 'Das ist der Erbe! Wir wollen ihn töten; dann fällt das Erbe an uns.' So stießen sie ihn denn aus dem Weinberg hinaus und schlugen ihn tot. Was wird nun der Herr des Weinbergs mit diesen machen? - Er wird kommen und diese Winzer umbringen und den Weinberg an andere verpachten." - "Davor behüte uns Gott!" - riefen die Zuhörer. Jesus schaute sie jedoch mit ernsten Blicken an und sprach: "Was bedeuten denn die Worte der Schrift: 'Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Jeder, der auf diesen Stein fällt, bleibt zerschmettert liegen; auf wen aber der Stein fällt, den wird er zermalmen'?" Da suchten ihn die Schriftgelehrten und Oberpriester noch in derselben Stunde festzunehmen; denn sie hatten wohl gemerkt, dass er das Gleichnis gegen sie gerichtet hatte. Aber sie fürchteten sich vor dem Volke. Um ihm eine Falle zu stellen, sandten sie Spione ab, die sich den Anschein gesetzestreuer Leute gaben, um ihn durch seine eignen Worte ins Netz zu locken, und ihn dann der Gewalt des Statthalters auszuliefern. Diese kleideten nun die Frage in folgende Worte; "Meister, wir wissen, dass du deine Worte und Lehren in voller Aufrichtigkeit vorträgst, auch dabei keinerlei Rücksicht auf Menschen nimmst, sondern den Weg zu Gott wahrheitsgemäß verkündest. Sage uns nun: Ist es recht, dass wir dem Kaiser Kopfsteuer zahlen oder ist es nicht recht?" Da er ihre böse Absicht durchschaute, erwiderte er ihnen: "Zeigt mir eine Steuermünze! Wessen Bild und Aufschrift trägt sie?" Sie antworteten: "Des Kaisers." - "So gebt denn" - sagte er - "dem Kaiser, was dem Kaiser zusteht und Gott, was Gott zusteht!" Es war ihnen also nicht gelungen, ihn im Beisein des ganzen Volkes mit dieser Frage zu fangen; und ganz verblüfft über seine Antwort, schwiegen sie. Nachher traten einige Saduzäer an ihn heran. Da sie die Auferstehung leugnen, erzählten sie ihm folgende Geschichte: "Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Bruder stirbt, der eine Frau hat, aber kinderlos blieb, so soll sein Bruder die Frau heiraten und für seinen verstorbenen Bruder das Geschlecht fortpflanzen. Nun waren da sieben Brüder. Der erste nahm eine Frau und starb kinderlos. Darauf heiratete der zweite Bruder die Frau; dann der dritte und so nach und nach alle sieben; und alle starben, ohne Kinder zu hinterlassen. Zuletzt starb auch die Frau. Wem wird diese nun am Tage der Auferstehung als Frau angehören? Alle sieben haben sie ja zur Frau gehabt." Jesus entgegnete ihnen: "Die Kinder dieser Weltzeit suchen sich als Männer ihre Frauen und als Frauen ihre Männer. Diejenigen aber, die würdig befunden wurden, an jener Weltzeit und an der Auferstehung von den Toten teilzunehmen, brauchen sich als Mann keine Frau und als Frau keinen Mann zu suchen. Es ist dann nicht mehr ihre Bestimmung, zu sterben, sondern sie sind den Engeln gleich, weil sie Kinder der Auferstehung sind. Dass aber die Toten wirklich auferweckt werden, hat auch Mose in der Erzählung vom Dornbusch klar zum Ausdruck gebracht; denn er nennt den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs. Gott ist aber doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden. Denn ihm kommen alle wieder zum Leben." Auf diese Antwort hin sagten mehrere Schriftgelehrte: "Meister, du hast sie mit deiner Antwort völlig geschlagen!" Und sie wagten nicht mehr, eine weitere Frage an ihn zu stellen. Nun richtete auch er eine Frage an sie: "Wie kann man behaupten", - sagte er - "der Messias sei ein Sohn Davids? Sagt doch David selbst im Buch der Psalmen: 'Der Herr spricht zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde dir zu Füßen gelegt habe.' David nennt den Messias also seinen 'Herrn'; wie kann er da sein 'Sohn' sein?" Dann richtete er folgende Worte an seine Jünger und zwar so, dass das ganze Volk es hören konnte: - "Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die so gern in langen Gewändern einhergehen und sich in der Öffentlichkeit begrüßen lassen; die so gerne die ersten Sitze in den Synagogen und die Ehrenplätze bei den Gastmählern einnehmen; - die der Witwen Eigentum in ihrer Habsucht an sich zu reißen suchen, indem sie zum Schein lange Gebete gegen Bezahlung für sie verrichten. Sie werden ein um so härteres Strafurteil über sich ergehen lassen müssen. Einmal sah er zu, wie die Reichen ihre Gaben in den Opferkasten warfen. Dabei beobachtete er, wie auch eine arme Witwe zwei Scherflein hineintat, was einem Pfennig gleichkommt. Daran knüpfte er die Bemerkung: "Diese bettelarme Witwe hat mehr als alle andern geopfert; denn die andern haben allesamt bloß von ihrem Überfluss eine Gabe in den Gotteskasten gelegt. Sie aber hat trotz ihrer äußersten Armut das Letzte hineingeworfen, was sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes besaß." Einige äußerten ihre Bewunderung über den Tempel mit seinem Schmuck an herrlichen Steinen und Weihegeschenken. "Es werden Tage kommen", - erwiderte er - "wo von allem, was ihr jetzt da sehet, von diesem ganzen Mauerwerk kein Stein auf dem andern bleibt; alles wird niedergerissen." - "Meister", - fragten sie - "wann wird das denn sein? Und was kannst du uns als Zeichen angeben, an dem wir erkennen, wann du wiederkommst?" Er antwortete: "Gebet acht, dass ihr euch nicht täuschen lasst! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: 'Ich bin der Messias' und: 'Die Zeit ist nahe!' Laufet ihnen nicht nach! Wenn ihr ferner von Kriegen und Aufständen hört, so fürchtet euch nicht! Denn das alles muss vorher eintreten; doch es bedeutet noch lange nicht das Ende. Auch wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere. Gewaltige Erdbeben werden entstehen und in manchen Ländern Hungersnot und Seuchen. Schreckliche Erscheinungen und außergewöhnliche Zeichen am Himmel wird man erleben. Aber bevor das alles eintrifft, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. In Synagogen und Gefängnisse, vor Könige und Statthalter wird man euch schleppen um meines Namens willen; da wird euch dann Gelegenheit gegeben werden, Zeugnis für mich abzulegen. Aber in solchen Fällen - und das möget ihr euch besonders tief einprägen - braucht ihr nicht im voraus zu überlegen, wie ihr euch verteidigen sollt. Denn ich werde euch eine Beredsamkeit und eine Weisheit verleihen, der alle eure Widersacher nicht zu widerstehen und nicht zu widersprechen vermögen. Ihr müsst allerdings darauf gefasst sein, dass ihr sogar von Eltern und Brüdern, Verwandten und Freunden verraten werdet, und dass diese den Tod des einen oder andern von euch verschulden. Denn allen werdet ihr verhasst sein, weil ihr nach meinem Namen benannt werdet. Doch es soll kein Haar eures Hauptes verloren gehen. Durch eure Standhaftigkeit werdet ihr euer geistiges Leben zu eurem dauernden Besitz machen." "Sobald ihr Jerusalem von Heeren umlagert seht, sollt ihr erkennen, dass die Zerstörung der Stadt nahe bevorsteht. Dann sollen die Bewohner von Judäa ins Gebirge fliehen, und die Einwohner der Hauptstadt sollen diese nicht verlassen. Wer auf dem Lande wohnt, soll nicht in die Stadt flüchten. Denn dies sind die Tage der Vergeltung, an denen alles in Erfüllung geht, was in der Schrift geschrieben steht. Wehe den Frauen, die in jenen Tagen in Hoffnung sind und denen, die ein Kind an der Mutterbrust zu stillen haben. Denn eine große Drangsal wird im Lande herrschen und ein furchtbares Strafgericht über dieses Volk ergehen. Durch die Schärfe des Schwertes werden sie umkommen und der Rest unter alle Völker als Gefangene geschleppt werden. Und Jerusalem wird von den Füßen von Ungläubigen solange zerstampft werden, bis diese ihr Zerstörungswerk ganz vollendet haben." "Dann werden Zeichen an Sonne, Mond und Sternen zu sehen sein. Die Geister in den irdischen Sphären werden in Scharen zusammengetrieben und auch die Geister, welche vom wegelosen Meer und den Fluten der Gewässer festgehalten werden, während von den lebenden Menschen manche ihre Seele aushauchen vor Furcht und banger Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen werden. Ja selbst die niedern Mächte des Jenseits werden erbeben. Dann wird man den Menschensohn inmitten eines gewaltigen Geisterheeres mit großer Macht und wunderbarem Glanz erscheinen sehen. Wenn nun das alles sich zu vollziehen beginnt, dann richtet Herz und Haupt empor; denn eure Erlösung naht. Er schloss mit dem Gleichnis: "Betrachtet den Feigenbaum und alle andern Bäume; sobald sie Früchte ansetzen, erkennt man, dass der Sommer schon nahe ist. So sollt auch ihr, wenn ihr diese Dinge eintreten seht, daraus erkennen, dass die Geisterwelt Gottes herannaht. Glaubt mir: Dies Volk wird nicht vergehen, bis das alles geschehen ist. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht unerfüllt verrinnen. Doch sehet zu, dass eure Herzen nicht etwa durch Schlemmerei und Trunkenheit und weltliche Sorgen beschwert werden, und jener Tag euch unvorbereitet überfalle; denn wie ein Wurfnetz wird er über alle kommen, die auf dem ganzen Erdkreis wohnen. Seid also stets wachsam und betet, damit ihr würdig befunden werdet, all diesen Schicksalen zu entrinnen; dann werdet ihr vor dem Menschensohn bestehen können." Tagsüber pflegte Jesus im Tempel zu lehren. Bei Anbruch der Nacht verließ er die Stadt und begab sich an den Berg, den man den Ölberg nennt, um dort zu übernachten. Das ganze Volk strömte schon früh morgens zu ihm in den Tempel, um seinen Worten zu lauschen. Inzwischen kam das Fest der ungesäuerten Brote heran, das man Passah nennt. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten Mittel und Wege, ihn zu vernichten. Doch sie fürchteten das Volk. Da fuhr Satan in Judas, der den Beinamen Ischariot führte und einer von den Zwölfen war. Er ging hin und verhandelte mit den Oberpriestern, auf welche Weise er ihnen Jesus in die Hände liefern könnte. Darüber waren sie sehr froh und kamen mit ihm überein, ihm eine gewisse Geldsumme dafür zu zahlen. Er erklärte sich mit der Summe einverstanden und suchte von jetzt ab nach einer günstigen Gelegenheit, um Jesus zu verraten, ohne dass das Volk etwas davon erfuhr. Es nahte derjenige Tag der Osterzeit, an dem man das Osterlamm zu schlachten pflegte. Da sandte Jesus den Petrus und Johannes fort mit dem Auftrag: "Gehet hin und treffet die Vorbereitung für das Essen des Osterlammes, damit wir das Ostermahl halten können." Sie fragten: "Wo sollen wir es denn herrichten?" Er gab ihnen zur Antwort: "Sobald ihr in die Stadt hineinkommt, wird euch ein Mann begegnen, der einen Wasserkrug trägt; folget ihm in das Haus, in das er hineingeht und sagt zu dem Eigentümer dieses Hauses: Der Meister lässt dich fragen: Wo ist das Gastzimmer, in dem ich das Osterlamm mit meinen Jüngern essen kann? Dann wird er euch einen Saal im obern Teil des Hauses zeigen, der mit Tischchen und Polstern ausgestattet ist. Dort machet alles zurecht." Sie gingen hin und fanden alles so, wie er ihnen gesagt hatte, und trafen die Vorbereitungen für das Ostermahl. Zur festgesetzten Stunde legte er sich mit seinen Jüngern zu Tisch. Er wandte sich nun mit den Worten an sie: "Herzlich habe ich mich danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Ostermahl mit euch zu halten. Denn ich gebe euch die Versicherung, dass ich kein Mahl mehr mit euch zusammen genießen werde, bis es im Geisterreich meines Vaters in einer neuen Form genossen wird." Dann nahm er einen Becher, sprach ein Dankgebet und sagte: "Nehmet diesen Becher und teilt ihn unter euch! Denn ich sage euch: Von dem Erzeugnis des Weinstocks werde ich von nun an nicht mehr trinken, bis zu dem Tage, wo die Geisterwelt Gottes zu euch gekommen ist." Darauf nahm er Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und gab es ihnen mit den Worten: "Dies ist das Sinnbild meines Leibes! - - - Leider muss ich euch sagen: Die Hand dessen, der Verrat an mir übt, ist mit der meinen zusammen auf demselben Tische. Der Menschensohn muss zwar den Weg seines Schicksals gehen; doch wehe dem, durch den er verraten wird." Nun begann unter den Jüngern ein Fragen und Raten, wer von ihnen wohl einer solchen Tat fähig sein könnte. Dabei redeten sie sich in Eifer über die Frage, wer von ihnen wohl der Größte sei. Er machte diesem Streiten mit den Worten ein Ende: "Die Könige der Völker spielen sich als unbeschränkte Herren über sie auf, und ihre Machthaber lassen sich 'Wohltäter' nennen. Doch bei euch darf es nicht so sein. Der Größte unter euch soll sich als der Geringste vorkommen, und der Gebieter als der Diener. Tat ich, der ich hier mit euch zu Tische liege, dies nicht in weit höherem Maße? Denn ich wandelte in eurer Mitte nicht wie einer, der bedient wird, sondern als euer Diener. Auch ihr habt infolge meines Beispiels im Dienen in dieser Richtung Fortschritte gemacht. - - - In den schweren Kämpfen, die mich umtobten, habt ihr treu an meiner Seite ausgehalten. Und weil mein Vater mich zum König einsetzte, so bestimme ich, dass auch ihr in meinem Königreich an meinem Tische esset und trinket und dass ihr auf Thronen sitzen sollt, um die zwölf Stämme Israels zu richten." Dann wandte sich der Herr an Petrus. "Simon, Simon", - sagte er - "der Satan hat auf sein Verlangen die Erlaubnis erhalten, euch innerlich schütteln zu dürfen, wie man den Weizen im Siebe schüttelt. Für dich aber habe ich gebetet, damit dein Glaube nicht vollständig zusammenbreche; und wenn du dich einst bekehrt hast, dann stärke auch deine Bruder." "Herr", - entgegnete ihm Petrus "an deiner Seite bin ich bereit, sowohl ins Gefängnis als auch in den Tod zu gehen." Er aber gab ihm zur Antwort: "Ich versichere dir, Petrus, es wird heute der Hahn nicht krähen, bevor du dreimal geleugnet hast, mich zu kennen." Dann fuhr er fort: "Als ich euch ohne Geld, ohne Reisetasche und Schuhe aussandte, habt ihr da in irgend einem Punkte Mangel gelitten?" Sie antworteten: "Nein." - "Jetzt aber" - sagte er - "soll derjenige, der einen Beutel mit Geld hat, ihn mitnehmen und auch eine Reisetasche; und wer nichts besitzt, verkaufe seinen Mantel und kaufe sich ein Schwert. Denn ich sage euch, jetzt muss sich noch das Schriftwort an mir erfüllen: 'Er ist unter die Verbrecher gerechnet worden.' Und dann hat mein Schicksal sein Ende erreicht." - "Herr", erwiderten sie -"wir haben hier zwei Schwerter!" Er antwortete: "Es ist schon gut." Er ging dann hinaus an den Ölberg, wie er dies auch sonst zu tun pflegte. Doch diesmal begleiteten ihn auch seine Jünger. Als er an die gewohnte Stelle gekommen war, sagte er zu ihnen: "Betet, damit ihr euch nicht in die Versuchung einlasset!" Dann entfernte er sich etwa einen Steinwurf weit von ihnen, kniete nieder und betete: "Vater, nicht mein Wille soll geschehen, sondern der deine! Wenn es also dein Wille ist, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen!" Da erschien ein Engel vom Himmel und stärkte seine Lebenskraft. Nun überfiel ihn eine entsetzliche Todesangst, in der er mit größter Inbrunst betete. Sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die zur Erde niederrannen. Nach dem Gebet stand er auf und ging zu seinen Jüngern. Er fand sie vor übergroßer Traurigkeit eingeschlafen; er weckte sie mit den Worten: "Ihr schlaft? - So stehet denn jetzt auf und betet, damit ihr nicht der Versuchung zum Opfer fallet." Während er noch mit ihnen sprach, erschien plötzlich ein großer Volkshaufe. An ihrer Spitze ging einer von den Zwölfen - Judas Ischariot mit Namen. Er trat auf Jesus zu, um ihn zu küssen; denn er hatte mit ihnen das Zeichen verabredet: "Den ich küsse, der ist's." Jesus aber sagte zu ihm: "Judas, mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn?" Als die Begleiter Jesu erkannten, was vorging, fragten sie: "Herr, sollen wir mit dem Schwerte dreinschlagen?" Und einer von ihnen schlug auch wirklich drauflos und traf den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab. Jesus aber sagte zu ihnen: "Lasst es dabei bewenden!" Dann streckte er seine Hand nach dem Knechte aus, erfasste ihn und heilte ihm das Ohr wieder an. Dann wandte er sich an die Oberpriester, an die Hauptleute der Tempelwache und an die Ältesten, die ihn alle umringt hatten, und sagte zu ihnen: "Mit Schwertern und Knütteln seid ihr ausgezogen, als gelte es, einen Räuber einzufangen. Ich war doch täglich bei euch im Tempel; doch da habt ihr keine Hand nach mir ausgestreckt. Aber eine Stunde, wie diese, ist für euch die rechte; und wenn es finster ist, dann seid ihr mächtig." Dann nahmen sie ihn fest und führten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus folgte ihm von weitem. Mitten im Hofe zündete man ein Feuer an; und als alle sich um das Feuer lagerten, suchte sich auch Petrus in der Menge einen Platz, um sich zu wärmen. Eine Magd, die ihn am Feuer sitzen sah, schaute sich ihn sehr scharf an und rief aus: "Dieser da ist auch bei ihm gewesen!" Petrus jedoch verleugnete ihn. "Weib", - sagte er - "ich kenne ihn ja gar nicht." Kurz darauf sah ihn ein anderer und stellte dieselbe Behauptung auf. Petrus entgegnete: "Mensch, das ist nicht wahr!" Nach Verlauf von etwa einer Stunde machte jemand anders die Bemerkung: "Ich sage es mit aller Bestimmtheit: Dieser da ist auch bei ihm gewesen: er stammt ja ebenfalls aus Galiläa!" - "Mensch", - rief Petrus aus - "ich begreife nicht, wie du nur so etwas behaupten kannst!" In demselben Augenblick krähte ein Hahn. Da wandte der Herr sich um, und sein Blick traf den Petrus. Und dieser dachte sofort an das Wort, das der Herr ihm gesagt hatte: "Ehe der Hahn heute kräht, wirst du dreimal geleugnet haben, mich zu kennen." Und er ging hinaus und weinte bitterlich. Die Männer aber, die Jesus zu bewachen hatten, misshandelten ihn. Sie verhüllten ihm dabei das Angesicht und richteten die Frage an ihn: "Wer hat dich eben geschlagen? Jetzt kannst du beweisen, ob du ein Prophet bist." Noch viele andere Schmähungen stießen sie gegen ihn aus. Bei Tagesanbruch versammelte sich der Rat der Ältesten des Volkes, die Oberpriester und Schriftgelehrten und ließen ihn vor den Hohen Rat führen. Dort richteten sie an ihn die Worte: "Wenn du der Messias bist, so sage es uns!" Doch er erwiderte ihnen: "Wenn ich es euch auch sage, glauben werdet ihr es doch nicht; und wenn ich euch auch Fragen vorlegen würde, so gäbet ihr mir doch keine Antwort und ließet mich auch nicht mehr frei. Nur noch eine kurze Spanne Zeit, dann wird der Menschensohn zur Rechten der Macht Gottes sitzen." Da riefen alle: "So bist du also der Sohn Gottes?" Er antwortete: "Ja, ich bin es!" Da entgegneten sie: "Wozu brauchen wir noch ein Zeugenverhör? Wir haben es ja selbst aus seinem eigenen Munde gehört." Nun erhob sich die ganze Versammlung, und man führte Jesus vor Pilatus. Vor ihm erhoben sie folgende Anklagen gegen ihn: "Wir haben festgestellt, dass dieser Mensch unser Volk aufwiegelt und es dazu verleitet, keine Steuern mehr an den Kaiser zu zahlen; ferner dass er behauptet, er sei der Messias und er sei ein König." "Bist du der König der Juden?" - fragte Pilatus. - "Ja, ich bin es!" - antwortete Jesus. Da wandte sich Pilatus an die Oberpriester und die Volksmenge mit den Worten: "Ich finde keine Schuld an diesem Manne." Diese aber gerieten in immer mehr sich steigernde Erregung und riefen: "Das ganze Volk wiegelt er auf und verbreitet seine Lehre überall, wo Juden wohnen. In Galiläa fing er damit an, und nun ist er bereits bis in diese Stadt vorgedrungen." Als Pilatus das Wort 'Galiläa' nennen hörte, fragte er: "Stammt dieser Mann aus Galiläa?" Und als er erfuhr, dass er tatsächlich zu dem Verwaltungsbezirk des Herodes gehörte, schickte er ihn zu Herodes; dieser hielt sich nämlich in diesen Tagen in Jerusalem auf. Herodes freute sich sehr, Jesus zu sehen. Schon längst hätte er ihn gern kennen gelernt, weil er so viel von ihm gehört hatte. Auch hoffte er, dass Jesus ein Wunder vor seinen Augen wirken würde. Zunächst stellte er eine Reihe von Fragen an ihn. Aber auf keine einzige gab Jesus eine Antwort, während die Oberpriester und Schriftgelehrten da standen und in der leidenschaftlichsten Weise ihre Anklagen gegen ihn vorbrachten. Herodes samt den Herren seines Gefolges strafte ihn nun mit Verachtung und gab ihn dem allgemeinen Gespötte preis, indem er ihm einen Purpurmantel anziehen ließ; so sandte er ihn wieder zu Pilatus zurück. Wahrend Herodes und Pilatus bisher einander nicht wohlgesinnt waren, wurden sie an diesem Tage Freunde. Pilatus ließ nun die Oberpriester und Mitglieder des Hohen Rates und die Volksmenge zusammenrufen und richtete folgende Worte an sie: "Ihr habt mir diesen Mann als einen Volksverführer vorgeführt. Nun habe ich ihn in eurer Gegenwart verhört, wie ihr selbst wisst, ihn aber in keinem einzigen eurer Anklagepunkte schuldig gefunden. Ebenso wenig Herodes, zu dem ich euch ja geschickt hatte. Ihr seht also selbst ein, dass er nichts begangen hat, womit er die Todesstrafe verdient hätte. Ich will ihn daher in sehr ernster Weise ermahnen und ihn dann freilassen. Er musste ihnen nämlich an einem Feste einen Gefangenen freigeben. Doch da schrieen sie wie aus einem Munde: "Hinweg mit diesem Menschen! - Den Barabbas gib uns frei!" - Barabbas war ein Mann, der wegen Beteiligung an einem Aufstand in der Stadt und wegen Mordes im Gefängnis saß. - Weil Pilatus sich jedoch fest vorgenommen hatte, Jesus freizulassen, redete er zum zweitenmal auf sie ein. Sie aber schrieen: "Ans Kreuz mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!" Zum drittenmal richtete er die Frage an sie: "Was hat denn dieser Mann Böses getan? Ich habe keine Schuld an ihm gefunden, die den Tod verdiente. Ich will ihm daher eine kleine Verwarnung erteilen und ihn dann freilassen." Doch sie ließen nicht mehr davon ab, unter furchtbarem Toben seine Kreuzigung zu verlangen. Ihr Geschrei im Verein mit dem der Oberpriester trug endlich den Sieg davon. Pilatus fällte das Urteil: "Dem Verlangen der Ankläger wird stattgegeben. Der Mann, der wegen Mordes im Gefängnis sitzt und dessen Freilassung man verlangt, ist frei. Jesus wird an die Ankläger ausgeliefert zur Vollstreckung des von ihnen gewollten Urteils!" Nun führte man ihn zur Hinrichtung. Unterwegs hielten sie einen gewissen Simon von Cyrene an, der gerade vom Felde kam, und legten ihm das Kreuz auf die Schultern, damit er es hinter Jesus hertrage. Es folgte eine ungeheure Volksmenge; darunter befanden sich auch Frauen, die um ihn wehklagten und weinten. Da wandte sich Jesus an sie mit den Worten: "Töchter Jerusalems, weinet und klaget nicht über mich! Doch über euch selbst und über eure Kinder sollt ihr weinen! Denn es kommen Tage, an denen man ausrufen wird: Glücklich zu preisen sind die Kinderlosen und die Frauen, die nicht Mutter wurden, und die Brüste, die nicht zu nähren brauchen. Man wird dann zu den Bergen sagen: Fallet auf uns! und zu den Hügeln: Bedecket uns! Denn wenn dies mit dem grünen Holze geschieht, was wird da erst mit dem dürren geschehen?" Gleichzeitig mit ihm wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Nach ihrer Ankunft auf dem Richtplatz, der auch 'Schädelstätte' heißt, nahmen sie dort die Kreuzigung vor. Von den beiden Verbrechern banden sie einen zu seiner Rechten, den andern zu seiner Linken ans Kreuz. Dann verteilten sie seine Kleider, indem sie das Los darüber entscheiden ließen. Das Volk stand dabei und gaffte. Die Mitglieder des Hohen Rates riefen ihm höhnisch zu: "Andere hast du gerettet; nun rette dich selbst, wenn du der Sohn Gottes, - wenn du der Messias, - wenn du der Auserwählte sein willst!" Auch die Soldaten trieben ihren Spott mit ihm. Sie traten an das Kreuz und reichten ihm Essig zum Trinken; sie riefen ihm zu: "Sei gegrüßt, du König der Juden!" und setzten ihm dabei eine Krone auf - eine Krone von Dornen. Über seinem Haupte hatte man eine Inschrift angebracht. Sie war in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache geschrieben und lautete: "Dieser ist der König der Juden." Einer von den Verbrechern, die neben ihm hingen, schmähte ihn. "Du willst der Messias sein?" sagte er; "dann rette doch dich selbst und uns!" Doch der andere gab ihm einen scharfen Verweis. "Hast denn auch du keine Furcht vor Gott?" - sprach er zu ihm. "Er ist doch in derselben Todesnot, in der auch wir uns befinden. Wir sind mit Recht darin; denn wir empfangen den Lohn für unsere Taten. Er aber hat nichts Schlechtes begangen." Und nun wandte er sich an den Herrn und flehte: "O denke doch an mich am Tage deiner Ankunft!" Da gab Jesus dem, der dem andern die Vorhaltungen gemacht hatte, die Antwort: "Fasse Mut! Denn heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!" Als es ungefähr zwölf Uhr mittags war, kam eine Finsternis über das ganze Land und dauerte bis drei Uhr nachmittags. Es war eine Sonnenfinsternis. Nun rief Jesus mit lauter Stimme: "Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!" Nach diesen Worten verschied er. In diesem Augenblick zerriss der Vorhang des Tempels. Der Hauptmann pries Gott mit lauter Stimme und sagte: "Dieser Mann war wirklich ein Gerechter." Auch die Scharen, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und alles miterlebt hatten, was sich zugetragen, schlugen an Brust und Stirne und kehrten heim. Alle aber, die ihm in Liebe zugetan waren, standen in weiter Entfernung; darunter befanden sich auch Frauen, die ihm aus Galiläa gefolgt waren, als Zuschauer. Nun war da ein Mann, namens Joseph. Er stammte aus der jüdischen Stadt Arimathäa und war Mitglied des Hohen Rates. Er war ein guter und gottesfürchtiger Mann, der auf das Reich Gottes wartete. Er war auch mit dem Beschluss und der Handlungsweise des Hohen Rates nicht einverstanden gewesen. Dieser ging nun zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Darauf nahm er ihn vom Kreuze ab, wickelte ihn in feine Leinwand und legte ihn in ein Grab, das in einen Felsen gehauen und in dem noch niemand beigesetzt worden war. Nachdem er ihn dort beigesetzt hatte, ließ er den Eingang dazu mit einem Stein verschließen, den zwanzig Mann nur mit größter Mühe heranwälzten. Es geschah dies in den Stunden des sogenannten 'Vorsabbats'; der Sabbat selbst sollte bald anbrechen. Bei der Überführung der Leiche waren zwei Frauen anwesend, die zusammen mit Jesus aus Galiläa gekommen waren. Sie sahen sich die Grabkammer und die Beisetzung seiner Leiche an. Dann kehrten sie zur Stadt zurück und besorgten sich auf dem Rückwege Gewürzkräuter und wohlriechende Salben. Den Sabbat brachten sie in aller Stille zu. Am ersten Tage nach dem Sabbat gingen sie beim ersten Morgengrauen zum Grabe und nahmen das mit sich, was sie sich früher besorgt hatten. Einige andere Frauen begleiteten sie. Unterwegs sprachen sie unter sich darüber, wer ihnen wohl den Stein wegwälzen würde. Als sie jedoch dorthin kamen, fanden sie den Stein bereits vom Grabe weggewälzt. Sie gingen in das Grab hinein, fanden jedoch den Leichnam nicht. Als sie darüber ganz ratlos waren, standen plötzlich zwei Männer in strahlenden Gewändern in ihrer Nähe. Unter dem Drucke einer großen Angst beugten sie ihr Angesicht tief zur Erde hin. Diese aber redeten sie mit den Worten an: "Warum sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Könnt ihr euch noch der Worte erinnern, die er damals zu euch sprach, als er noch in Galiläa war, - nämlich, der Menschensohn müsse in die Hände der Menschen überliefert und gekreuzigt werden; am dritten Tage aber müsse er auferstehen?" Da erinnerten sie sich seiner Worte. Sie eilten zurück und meldeten den Elfen, sowie den übrigen alles, was sie erlebt hatten. Die den Aposteln den Bericht erstatteten, waren Maria Magdalena und Johanna, sowie Maria, die Mutter des Jakobus und alle, die sie begleitet hatten. Aber diese Erzählungen erschienen jenen als Hirngespinste, und sie schenkten ihnen keinen Glauben. An dem selben Tage machten zwei aus ihrem Kreise eine Wanderung nach einem Dorfe, das ungefähr drei Stunden von Jerusalem entfernt lag und Emmaus hieß. - - - Unterwegs unterhielten sie sich über alle Begebenheiten. Mitten in ihrer Unterhaltung und Erörterung trat Jesus plötzlich zu ihnen und begleitete sie; doch wurden ihre Augen gehalten, damit sie ihn nicht erkannten. "Was ist das für eine ernste Unterhaltung", - begann er - "die ihr da auf eurer Wanderung mit einander führt, und ihr scheint sehr bedrückt zu sein?" Der eine von ihnen, namens Kleopas, gab ihm zur Antwort: "Du bist wohl der einzige Fremdling in Jerusalem, der nicht weiß, was sich dort in den letzten Tagen zugetragen hat?" - "Was könnte das denn sein?" - fragte er. "Nun", - sagten sie - "all das, was sich mit Jesus von Nazareth ereignete, der ein Gesandter Gottes war, mächtig in Tat und Wort vor Gott und dem ganzen Volke; wie ihn unsere Oberpriester und der Hohe Rat auslieferten, um die Bestätigung ihres Todesurteils zu erlangen, und ihn dann kreuzigten. Wir aber hatten gehofft, dass er es sei, der Israel die Erlösung bringen würde. Allerdings ist seit allen diesen Ereignissen heute der dritte Tag. Auch haben Frauen uns in einen Zustand freudiger Erwartung versetzt. Sie sind nämlich heute früh am Grabe gewesen und fanden seinen Leichnam nicht mehr vor. Bei ihrer Rückkehr erzählten sie nun, sie hätten eine Erscheinung von Engeln gehabt; diese hätten ihnen mitgeteilt, dass er am Leben sei. Daraufhin eilten einige von den Unsrigen ebenfalls zum Grabe und fanden das bestätigt, was die Frauen berichtet hatten. Ihn selbst sahen sie jedoch nicht." - "Ach, was seid ihr doch für kurzsichtige Menschen!" - erwiderte er - "Und wie schwer fällt euch das Verständnis für alles, was die Propheten geredet haben! Musste denn nicht der Messias das alles leiden, um in seiner Herrlichkeit eingehen zu können?" Nun begann er bei Mose und erklärte ihnen in den Schriften aller Propheten diejenigen Stellen, die sich auf den Messias bezogen. So näherten sie sich dem Dorfe, welches das Ziel ihrer Wanderung war. Da stellte er sich, als wollte er weiter gehen. Doch sie baten ihn inständig: "Bleibe bei uns, denn der Tag hat sich bereits stark zum Abend geneigt!" So kehrte er denn mit ihnen ein. Als er nun mit ihnen zusammen bei Tische lag, nahm er das Brot, sagte das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen: In dem Augenblick, wo sie das Brot aus seinen Händen empfingen, wurden ihnen die Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Er aber entschwand ihren Blicken. Da sagten sie zueinander: "Lag nicht ein Schleier über unsern Herzen, als er unterwegs mit uns sprach und uns die Schriftstellen erklärte?" Und voll Trauer über sein Verschwinden machten sie sich noch in derselben Stunde auf den Weg und kehrten nach Jerusalem zurück. Dort fanden sie die Elf nebst den andern versammelt, die ihnen erzählten, dass der Herr tatsächlich auferstanden und dem Simon erschienen sei. Da erstatteten auch sie einen ausführlichen Bericht über alles, was sich auf ihrer Wanderung zugetragen hatte, und wie der Herr von ihnen beim Brechen des Brotes erkannt worden sei. Noch waren sie am Erzählen, da stand Jesus selbst plötzlich in ihrer Mitte. Vor Angst krochen sie zusammen; denn sie glaubten, ein Trugbild zu sehen. Da richtete er die Worte an sie: "Warum seid ihr so aufgeregt, und warum steigen so törichte Gedanken in eurem Innern auf? Sehet euch doch meine Hände und Füße an und überzeugt euch, dass ich es bin! Betastet mich doch und erkennet, dass ein Trugbild nicht Knochen und Fleisch an sich haben kann, wie ihr es bei mir sehet. - - - Als sie dann vor freudiger Erregung immer noch nicht recht wussten, ob sie es glauben könnten, fragte er sie: "Habt ihr etwas zu essen hier?" Da reichten sie ihm ein Stück von einem gebratenen Fisch. Das nahm er und aß es vor ihren Augen. Dann fuhr er fort: "Folgendes sind die Worte, die ich zu euch sprach, als ich noch bei euch war: 'Es muss alles in Erfüllung gehen, was im Mosaischen Gesetz, den Schriften der Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht.'" Hierauf eröffnete er ihnen den Sinn für das Verständnis dieser Schriften und erklärte ihnen, dass diesen zufolge der Messias leiden und am dritten Tag auferstehen müsse; dass ferner auf sein Geheiß die Predigt von der Änderung der inneren Gesinnung, sowie von der Befreiung von den Sünden des Abfalls bis zu allen Völkern dringen soll, indem sie in Jerusalem ihren Anfang macht. Ihr könnt das bezeugen. So sende ich denn das auf euch herab, was ich euch versprochen habe. Bleibt hier in der Stadt, bis ihr mit einer Kraft von oben ausgerüstet seid." Dann führte er sie hinaus in die Nähe von Bethanien, hob seine Hände empor und segnete sie. Während des Segens verschwand er aus ihren Augen. Mit großer Freude im Herzen kehrten sie nach Jerusalem zurück. Dort hielten sie sich meistens im Tempel auf und priesen Gott. Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott; und ein 'Gott' war das Wort. Dies war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort entstanden, und ohne es trat nichts Geschaffenes ins Dasein. In ihm ist Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Das Licht leuchtet im Reich der Finsternis, aber die Finsternis wollte nichts davon wissen. Einer kam als Mensch zur Welt; vom Herrn war er gesandt. Er hieß Johannes. Dieser trat als Zeuge auf; Zeugnis sollte er ablegen für das Licht, damit durch ihn alle zum Glauben an das Licht geführt würden. Er war nicht selbst das Licht, sondern sollte bloß bezeugen, dass das Licht erscheinen würde. Denn Er, der das wahre Licht ist, das jeden Menschen erleuchtet, war gerade im Begriff, in die Welt zu kommen. Er war zwar schon immer in der Welt, da sie ja durch ihn ins Dasein trat. Doch die Welt erkannte ihn nicht an. Er kam in sein Eigentum aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, verlieh er das Anrecht, Kinder Gottes zu werden; sie brauchten bloß an seinen Namen zu glauben als an den Namen desjenigen, der nicht auf dem Wege der Abstammung, nicht infolge des Naturtriebes des Fleisches, auch nicht durch den Willen eines Mannes, sondern von Gott aus ins Dasein getreten war. - Und das Wort wurde Fleisch und nahm für kurze Zeit seine Wohnung unter uns. Wir schauten seine Herrlichkeit - eine Herrlichkeit, wie sie dem einzigen Sohne zukommt, der vom Vater stammt und voll Gnade und Wahrheit ist. Johannes legte Zeugnis für ihn ab und ließ seine Stimme für ihn erschallen. Er war es, der ausrief: "Nach mir kommt einer, der vor mir war; denn er trat eher ins Dasein als ich. Aus seiner Lebensfülle haben wir alle das Leben empfangen und einen Gnadenerweis nach dem andern. Während das Gesetz uns durch Mose gegeben wurde, ist die Gnade und die Wahrheit uns durch Jesus Christus zuteil geworden. Kein Mensch hat Gott jemals gesehen; der eingeborne Sohn, der am Herzen des Vaters ruhte, der hat uns Kunde von ihm gebracht." Folgendes Zeugnis legte Johannes ab, als die jüdischen Führer in Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten und ihn fragen ließen: "Wer bist du?" - Ohne Umschweife bekannte er ganz frei und offen: "Ich bin nicht der Messias!" - "Wer bist du denn?" - fragten sie weiter. "Bist du Elia?" Er sagte: "Nein!" "Bist du der Prophet?" - Er antwortete: "Nein!" - "Aber wer bist du denn?" - entgegneten sie; - "Wir müssen doch denen, die uns hierher geschickt haben eine Antwort bringen. Für wen hältst du dich denn?" - Seine Antwort lautete: "Ich bin der, dessen Stimme in armer Gebirgsgegend den Ruf erschallen lässt: 'Ebnet dem Herrn den Weg!' - wie es der Prophet Isaja vorher verkündet hat." Die Gesandtschaft gehörte zu der Partei der Pharisäer. Sie stellten nun die Frage an ihn: "Warum taufst du denn, wenn du weder der Messias, noch Elia, noch der Prophet bist?" "Ich taufe nur mit Wasser"; - erwiderte Johannes - "aber mitten unter euch steht einer, den ihr noch nicht kennt. Er tritt nach mir auf, obschon er vor mir ins Dasein trat. Ich bin nicht einmal gut genug, ihm auch nur die Sandalen von den Füßen zu lösen." Diese Unterredung fand in Bethanien jenseits des Jordans statt, wo Johannes taufte. Am folgenden Tage sah er Jesus auf sich zukommen. Da rief er aus: "Seht, das ist das Lamm Gottes, das von der Welt die Sünde des Abfalls hinwegnimmt! Dieser ist es, von dem ich euch gestern sagte: 'Nach mir tritt einer auf, der vor mir ins Dasein trat; denn er war eher als ich.' Auch ich kannte ihn nicht. Aber weil Israel ihn kennen lernen sollte, deshalb kam ich mit meiner Wassertaufe." "Ich habe gesehen", - so bezeugte Johannes weiter - "wie der Geist in der Gestalt einer Taube vom Himmel herabschwebte und über ihm blieb. Wie gesagt, ich kannte ihn persönlich nicht. Doch der, welcher mich gesandt hat, um mit Wasser zu taufen, der hatte mir folgende Weisung gegeben: 'Der Mann, auf den du den Geist herabschweben und über dem du ihn verweilen siehst, der ist es, der mit einem heiligen Geist tauft.' Ich war nun Augenzeuge dieses Vorfalls und legte daher das Zeugnis ab, dass er der Sohn Gottes ist." Tags darauf stand Johannes mit zwei seiner Jünger wieder an derselben Stelle, während Jesus dort auf und ab ging. Da richtete Johannes seine Blicke auf ihn und sagte: "Seht das Lamm Gottes!" Kaum hatten die beiden Jünger diese Worte gehört, da folgten sie Jesus auf dem Fuße. Dieser wandte sich um; und als er sah, dass sie auf ihn zukamen, richtete er die Frage an sie: "Was wünschet ihr?" Sie entgegneten: "Rabbi, - das heißt: 'Meister' - wo hast du deine Wohnung?" - "Kommt und seht!" - erwiderte er. Da gingen sie mit ihm und sahen, wo er wohnte. Es war ungefähr zwölf Uhr mittags. Sie blieben den ganzen Tag bei ihm. Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer von den beiden, welche die Worte des Johannes gehört hatten und daraufhin Jesus gefolgt waren. Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und erzählte ihm: "Wir haben den Messias - das heißt den 'Gesalbten' - gefunden." Er führte ihn zu Jesus. Dieser schaute ihn an und sprach: "Du bist Simon, der Sohn des Johannes; doch von heute ab sollst du 'Kephas' heißen", - was 'Fels' bedeutet. Am folgenden Tage wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen; da traf er den Philippus und sagte zu ihm: "Komm mit mir!" Philippus war aus Bethsaida, dem Heimatort des Andreas und des Petrus. Philippus traf den Nathanael und machte ihm die freudige Mitteilung: "Wir haben den gefunden, von dem sowohl Mose im Gesetz als auch die Propheten in ihren Schriften gesprochen haben. Er heißt Jesus und ist ein Sohn des Joseph aus Nazareth." Da erwiderte Nathanael; "Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?" - "So komm doch und sieh!" - entgegnete Philippus. Als Jesus den Nathanael auf sich zukommen sah, redete er ihn mit den Worten an: "Seht, das ist ein Israelit, wie er sein soll; an ihm ist keine falsche Stelle!" - "Woher kennst du mich denn?" - fragte Nathanael. Jesus gab ihm zur Antwort: "Noch ehe dich Philippus rief, als du unter dem Feigenbaum saßest, hatte ich dich gesehen. - "Meister!" - rief Nathanael aus - "Du bist wirklich der Sohn Gottes - der König von Israel!" - "Du glaubst an mich", -entgegnete Jesus - "weil ich dir sagte, dass ich dich unter dem Feigenbaum gesehen habe. Du wirst jedoch noch Größeres als dies zu sehen bekommen; denn glaubt mir, ihr werdet von nun an den Himmel sich öffnen und die Boten Gottes über, den Menschensohn auf und niedersteigen sehen." Zwei Tage später war zu Kana in Galiläa eine Hochzeit. Die Mutter Jesu nahm daran teil; auch Jesus und seine Jünger waren dazu eingeladen. Plötzlich fehlte es an Wein; denn der Hochzeitswein war ihnen ausgegangen. Da wandte sich die Mutter Jesu an ihn mit den Worten: "Sie haben keinen Wein mehr." Jesus gab ihr zur Antwort: "Weib, was brauchst du dich um meine Angelegenheiten zu kümmern? Der Augenblick meines Eingreifens ist noch nicht gekommen." Darauf sagte seine Mutter zu denen, die aufzuwarten hatten: "Sollte er euch irgend eine Anweisung geben, so führet sie sofort aus!" Nun standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, die für die Reinigungen gebraucht wurden, wie sie bei den Juden üblich waren. Jeder von ihnen fasste zwei bis drei große Eimer voll. Da erteilte Jesus den Auftrag, diese Krüge mit Wasser zu füllen. Sofort goss man sie bis zum Rande voll. Dann sagte er: "Schöpfet davon und bringt es dem Festleiter!" Sie taten es. Dieser kostete das Wasser, das zu Wein geworden war, ohne zu wissen woher der Wein kam. Die, welche das Wasser geschöpft hatten, wussten freilich genau Bescheid. Da ließ der Festleiter den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: "Jeder pflegt den guten Wein zuerst vorzusetzen und erst, wenn die Gäste angetrunken sind, den geringeren. Du dagegen hast den guten Wein bis jetzt verwahrt." Damit macht Jesus zu Kana in Galiläa den Anfang seiner Wundertaten und offenbarte so die ihm verliehene Macht, und seine Jünger glaubten an ihn. Später zog er hinunter nach Kapernaum, und zwar er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger. Doch hielten sie sich dort nur kurze Zeit auf; denn das Osterfest der Juden stand vor der Türe, und Jesus ging zu diesem Fest hinauf nach Jerusalem. Er fand dort im Tempel die Verkäufer von Rindern und Schafen und Tauben. Auch Geldwechsler saßen da. Nun flocht er sich aus Riemen eine Geißel und trieb sie alle samt ihren Schafen und Rindern aus dem Tempel. Das Kleingeld der Wechsler schüttete er auf die Erde und stieß ihre Tische um. Zu den Taubenhändlern sagte er: "Schafft das fort von hier! Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem Marktplatz!" Sein Vorgehen erinnerte seine Jünger an den Ausspruch der Schrift: "Der Eifer um dein Haus verzehrt ich." Da richteten die Führer des Volkes die Frage an ihn: "Womit kannst du beweisen, dass du in dieser Weise vorgehen darfst?" Er gab ihnen zur Antwort: "Reißet dieses Heiligtum nieder und in drei Tagen baue ich es wieder auf." - "Sechsundvierzig Jahre hat es genommen, um diesen Tempel zu errichten" - riefen die Juden ihm zu - "und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?" Doch er hatte das Heiligtum seines Leibes gemeint. Nach seiner Auferstehung von den Toten erinnerten sich seine Jünger an diese Worte und glaubten dann an die Schrift und an den Ausspruch, den Jesus damals getan hatte. Während der Tage des Osterfestes hielt sich Jesus in Jerusalem auf, und viele kamen zum Glauben an seinen Namen, weil sie die Wunderzeichen sahen, die er wirkte. Jesus selbst aber brachte ihnen kein Vertrauen entgegen, weil er die wahre innere Gesinnung eines jeden kannte. Er hatte daher auch nicht nötig, Erkundigungen über irgend einen Menschen einzuziehen. Er wusste selbst, was in dem Innern eines Menschen vor sich ging. Zu den Pharisäern gehörte ein Mann namens Nikodemus. Er war einer der führenden Männer unter den Juden. Er kam bei Nacht zu Jesus und sprach: "Meister, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, der von Gott gesandt wurde. Denn niemand kann solche Zeichen wirken, wie du sie wirkst, wenn nicht Gott selbst mit ihm ist." Jesus gab ihm zur Antwort: "Glaube mir, wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen." - "Wie ist es möglich, dass ein Mensch geboren wird, wenn er schon alt ist?" - fragte Nikodemus - "Kann er vielleicht zum zweitenmal in den Schoß seiner Mutter eintreten und geboren werden?" - "Ich kann dir nur wiederholen", - entgegnete Jesus - "dass keiner in die Geisterwelt Gottes eintreten kann, wenn er nicht von einem Geist Gottes hineingeboren wird. Was aus dem Fleisch geboren wird, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren wird, das ist Geist. Darum brauchst du dich nicht darüber zu wundern, dass ich dir sagte, ihr müsstet von oben geboren werden. - Die Geisterwelt Gottes spendet Leben, wo sie will. Du kannst ihre Stimme vernehmen; doch weißt du nicht, woher sie kommt und wohin sie geht. So ist es auch mit jedem, der als ein Kind der Geisterwelt geboren ist." "Wie ist so etwas nur möglich?" - fragte Nikodemus. "Wie?" - entgegnete Jesus - "Du bist ein Lehrer Israels, und verstehst das nicht? Was ich dir sage, ist die Wahrheit. Denn was wir genau wissen, das lehren wir, und was wir gesehen haben, dafür treten wir als Zeuge auf. Freilich, ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. Wenn ich von irdischen Dingen zu euch redete, und ihr mir keinen Glauben schenket, wie solltet ihr da glauben, sobald ich von überirdischen Dingen zu euch spreche? Keiner ist in den Himmel hinaufgestiegen, außer wenn er vom Himmel herabgestiegen war. So ist auch der Menschensohn vom Himmel gekommen; und so, wie Mose einst in der Wüste die Schlange erhöht hat, muss auch der Menschensohn wieder erhöht werden, damit jeder, der zum Glauben kommt, in der Gemeinschaft mit ihm das zukünftige Leben habe. Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das künftige Leben habe. Gott hat ja seinen Sohn nicht deshalb in die Welt gesandt, damit er die Welt verurteile, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht verurteilt werden; wer aber nicht glaubt, ist schon verurteilt. Seine Verurteilung liegt darin, dass er nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes glaubte. In der Tatsache liegt die Verurteilung, dass das Licht in die Welt kam, die Menschen aber die Finsternis mehr liebten als das Licht; denn ihre Werke waren böse. Jeder Übeltäter hasst nämlich das Licht und scheut sich, dorthin zu gehen, wo das Licht scheint; denn er fürchtet, seine Werke könnten als schlecht gebrandmarkt werden. Wer aber die göttliche Wahrheit zum Leitstern für sein Handeln nimmt, der wandelt gern auf den hell erleuchteten Wegen des Lichtes, so dass jeder sehen kann, dass alles, was er tut, im Einklang mit dem Willen Gottes steht." Nachher begab sich Jesus mit seinen Jüngern in die Landschaft Judäa, wo er kurze Zeit verweilte und die Taufe spenden ließ. Gleichzeitig taufte Johannes zu Aenon, in der Nähe von Salim, weil dort reichlich Wasser war. Die Leute pflegten dorthin zu gehen und sich von ihm taufen zu lassen. Zu dieser Zeit befand sich Johannes nämlich noch nicht im Gefängnis. So kam es denn, dass bei einigen aus dem Jüngerkreis des Johannes sich eine gewisse Eifersucht einschlich, die noch von feindlich gesinnten jüdischen Führern geschürt wurde. Es handelte sich dabei um die Frage, wer die Taufe als Zeichen der inneren Reinigung vorzunehmen habe. Diese gingen nun zu Johannes. "Meister!" - sagten sie - "der Mann, der jenseits des Jordan bei dir war, und für den du mit deinem Zeugnis eingetreten bist, der tauft jetzt selbst, und alle Welt läuft nun zu ihm." Da gab ihnen Johannes zur Antwort: "Kein Mensch kann sich irgendeine Machtbefugnis aneignen, wenn sie ihm nicht von oben, vom Himmel her, verliehen wurde. Könnt ihr mir nicht selbst bezeugen, dass ich gesagt habe: 'Ich bin nicht der Messias, sondern wurde nur als sein Vorläufer gesandt?' Wer die Braut hat, ist der Bräutigam. Aber der Freund des Bräutigams, der an seiner Seite steht und dessen Worte vernimmt, freut sich von Herzen über den lauten Jubel des Bräutigams. Diese meine Freude ist nun aufs Höchste gestiegen. Jener muss wachsen, - ich muss abnehmen. Denn er kommt von oben als einer, der über allem steht. Wer von der Erde stammt, ist irdisch und redet nach irdischen Begriffen. Derjenige jedoch, der vom Himmel kommt, legt Zeugnis von dem ab, was er selbst sah und hörte. Leider will niemand sein Zeugnis gelten lassen. Wer es jedoch als wahr annahm, der erlebte in sich die Bestätigung, dass Gott die Wahrheit ist. Denn wer ein Gesandter Gottes ist, der redet bloß das, was Gott ihm aufgetragen. Gott stellt ihm nämlich zu diesem Zweck seine Geisterwelt zur Verfügung und zwar in ganz außergewöhnlichem Maße. Der Vater hat den Sohn lieb und gab deshalb alles in seine Hand. Wer daher an den Sohn glaubt, der erlangt zukünftiges Leben. Wer jedoch auf den Sohn nicht hören will, der wird kein Leben zu sehen bekommen, sondern die nach Gottes Gesetz dafür festgelegte Strafe wird auf ihm lasten." Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen sei, er gewinne mehr Jünger und taufe mehr als Johannes. Übrigens taufte Jesu nicht selbst, sondern ließ seine Jünger die Taufe spenden. Daraufhin verließ er die Landschaft Judäa und kehrte wieder nach Galiläa zurück. Sein Weg führte ihn durch Samaria. Eines Tages gelangte er zu einer samaritischen Stadt namens Sychar. Sie liegt nahe bei dem Felde, das einst Jakob seinem Sohne Joseph geschenkt hatte. Dort befand sich auch der Jakobsbrunnen. Da Jesus von seiner Wanderung ermüdet war, ließ er sich an diesem Brunnen nieder. Es war ungefähr um die Mittagszeit. Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu holen. "Bitte, gib mir zu trinken!" - redete Jesus sie an. - Seine Jünger waren in die Stadt hinein gegangen, um Lebensmittel zu kaufen. - "Wie kommst du dazu", - fragte die Samariterin - "dass du als Jude von mir, einer Samariterin, einen Trunk Wassers verlangst?" Die Juden stehen sich nämlich mit den Samaritern nicht gut. Jesus gab ihr zur Antwort: "Wenn du die Wohltat erkanntest, die Gott dir erweisen will, und wüsstest, wer der ist, der dich eben um einen Trunk Wassers bat, dann hättest du ihn zuerst gebeten, und er würde dir lebendiges Wasser gegeben haben." "Herr", - erwiderte sie - "du hast doch kein Gefäß zum Schöpfen, und der Brunnen ist tief. Woher willst du denn das lebendige Wasser nehmen? Du bist doch nicht etwa größer als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gab und der selbst daraus trank samt seinen Kindern und Herden?" - "Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder durstig"; - entgegnete ihr Jesus - "wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird in alle Zukunft keinen Durst mehr verspüren; vielmehr wird der Trunk, den ich ihm reiche, in ihm zu einer Wasserquelle, die immer weiter sprudelt bis ins künftige Leben hinein" - "Herr", - rief die Frau - "gib mir doch von diesem Wasser, damit ich nicht mehr durstig werde und nicht wieder hierher zu kommen brauche, um Wasser zu holen." "Gehe hin", - erwiderte Jesus - "und rufe deinen Mann! Dann komme wieder hierher!" - "Ich habe keinen Mann", entgegnete sie. Jesus antwortete ihr: "Du behauptest mit Recht, dass du keinen Mann hast; denn fünf Männer hattest du, und der, mit dem du jetzt zusammen lebst, ist nicht dein Ehemann; insofern hast du also die Wahrheit gesagt." - "Herr", - rief die Frau aus - "ich sehe, dass du ein Prophet bist. Dann gib du mir über folgende Frage Auskunft: 'Unsere Väter brachten Gott ihre Verehrung auf dem Berge dar, den du da siehst. Ihr jedoch behauptet, in Jerusalem sei die Stätte, wo man Gott verehren müsse'." - "Glaube mir, Frau", - sagt Jesus - "es kommt die Stunde, wo ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem Gott die ihm zukommende Verehrung zollt. Ihr verehrt allerdings jetzt noch, was ihr nicht kennt; wir aber verehren, was wir kennen; denn die Erlösung kommt aus dem Judenvolk. Doch der Zeitpunkt kommt, und er ist jetzt schon da, wo die wahren Gottesverehrer dem Vater ihre Verehrung darbringen, geleitet von einem Geiste und von der Wahrheit. Denn auch der Vater wollte nur solche Verehrer haben. Gott ist ein Geist, und die ihn verehren, müssen daher unter der Leitung eines Geistes Gottes und der Wahrheit Gottes stehen, sobald sie ihm ihre Verehrung darbringen." Da sagte die Frau: "Ich weiß, dass der Messias einmal kommt, den man den Gesalbten Gottes nennt. Sobald er da ist, wird er uns über alles belehren." Da gab Jesus sich ihr mit den Worten zu erkennen: "Ich bin es - ich, der ich jetzt mit dir rede." In diesem Augenblick kamen seine Jünger zurück. Sie wunderten sich, dass er mit dieser Frau sprach. Doch keiner hatte den Mut, ihn zu fragen: "Was willst du von ihr?" oder: "Weshalb sprichst du mit ihr?" Die Frau aber ließ ihren Wasserkrug stehen und eilte in die Stadt zurück. Überall rief sie den Leuten zu: "Kommt, da ist ein Mann, der mir alles sagte, was ich je getan! Sollte er etwa der Messias ein?" Da strömte alles zur Stadt hinaus und ging zu ihm. Unterdessen hatten die Jünger ihn immer wieder gebeten: "Meister, iss doch etwas!" Seine Antwort lautete: "Ich habe eine Speise zu genießen, von der ihr nichts wisst." Da dachten seine Jünger bei sich: "Ob ihm wohl sonst jemand etwas zu essen gebracht hat?" - "Meine Speise" - erwiderte Jesus - "besteht darin, dass ich den Willen dessen tue, der mich sandte, und dass ich sein Werk vollende. Habt ihr nicht die Redensart: Vier Monate - und dann die Ernte!?' Doch hört, was ich euch sage: Wenn ihr euch umschaut und die Felder betrachtet, so erkennt ihr, dass sie schon jetzt reif sind zum Abernten. Der Schnitter empfängt seinen Lohn und sammelt Frucht fürs zukünftige Leben, damit Sämann und Schnitter sich gemeinsam freuen können. Denn in diesem Falle trifft das Sprichwort zu: 'Ein andrer ist's, der sät - und ein andrer, der erntet.' Ich habe euch ausgesandt, um da zu ernten, wo ihr vorher euch nicht abgemüht hattet. Andere taten die Arbeit, und ihr braucht bloß die Frucht ihrer Arbeit einzuheimsen." Ein großer Teil der samaritischen Einwohnerschaft dieser Stadt glaubte an ihn, weil die Frau ihnen bezeugt hatte, dass er ihr alle Taten vorgehalten habe. Als nun die Samariter ihn aufsuchten, baten sie ihn dringend, doch bei ihnen bleiben. Er blieb zwei Tage dort. Infolge seiner Predigt wurde die Zahl derer, die zum Glauben kamen, noch viel größer. Man pflegte nun zu der Frau zu sagen: "Jetzt glauben wir nicht mehr wegen dessen, was du uns bezeugtest, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen, dass er wirklich der Erlöser der Welt - der Messias ist." Als die zwei Tage vorüber waren, verabschiedete sich Jesus von ihnen und setzte seine Reise nach Galiläa fort. Zwar hatte er selbst erklärt, dass ein Prophet in seiner eigenen Heimat keine Anerkennung fände. Als er nun in Galiläa ankam, nahmen ihn die Bewohner dieser Landschaft dennoch freundlich auf. Sie taten es jedoch nur deshalb, weil sie Augenzeugen all der wunderbaren Taten gewesen waren, die er in Jerusalem während des Osterfestes vollbracht hatte. Denn auch sie hatten am Osterfest teilgenommen. Er ging nun wieder nach Kana in Galiläa, wo er Wasser in Wein verwandelt hatte. Damals wohnte in Kapernaum ein königlicher Beamter, dessen Sohn erkrankt war. Als er nun hörte, dass Jesus aus Judäa wieder nach Galiläa zurückgekehrt sei, suchte er ihn auf und bat ihn, doch herab zu kommen und seinen Sohn gesund zu machen. Dieser war nämlich dem Tode nahe. Jesus richtete die Worte an ihm: "Wenn ihr Menschen nicht Zeichen und Wunder sehet, wollt ihr nicht glauben." Doch der königliche Beamte flehte ihn an; "Ach Herr! Komm doch, ehe mein Kind stirbt!" - "Gehe hin!" -sprach Jesus - "dein Sohn ist gesund!" Der Mann glaubte dem Worte Jesu und ging heim. Seine Knechte kamen ihm schon mit der freudigen Nachricht entgegen, dass es seinem Sohne gut gehe. Nun erkundigte er sich bei ihnen, um welche Zeit es mit ihm besser geworden sei. "Gestern" - sagten sie - "gegen ein Uhr verließ ihn das Fieber." Da erkannte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zu ihm gesagt hatte: "Dein Sohn ist gesund!" Er und sein ganzes Haus wurden gläubig. - Das war das zweite Wunderzeichen, das Jesus in Galiläa wirkte, und zwar erfolgte es nach einer Rückkehr aus Judäa. Zu einem späteren Fest der Juden ging Jesus wieder nach Jerusalem hinauf. Beim Schaftore der Stadt liegt ein Teich, der auf Hebräisch 'Bethesda' heißt. Um ihn herum befinden sich fünf Hallen. Darin pflegten Kranke in großer Anzahl zu liegen: Blinde, Krüppel, Schwindsüchtige und vom Schlagfluss Gelähmte. Sie warteten auf den Augenblick, wo das Wasser in Bewegung geriet. Darunter befand sich auch ein Mann, der schon achtunddreißig Jahre lang krank war. Jesus sah ihn daliegen und wusste, dass er schon lange Zeit dort ausgeharrt hatte. Da richtete er an ihn die Frage: "Willst du gesund werden?" - "Herr", - erwiderte der Kranke - "ich habe ja keinen Menschen, der mich beim Aufwallen des Wassers in den Teich hineinschafft. Und bis ich mich allein hingeschleppt habe, ist schon längst ein anderer mir zuvorgekommen." "Stehe auf!" - sagte Jesus - "Nimm dein Bettzeug und gehe fort!" Da wurde der Mann sofort gesund, nahm sein Bettzeug und ging. Dies war an einem Sabbat. Da riefen die Juden dem Geheilten zu: "Heute ist Sabbat; da darfst du das Bettzeug nicht tragen." Doch er gab ihnen zur Antwort: "Der Mann, der mich gesund machte, gab mir die Weisung, mein Bettzeug zu nehmen und nach Hause zu gehen." - "Wer ist denn der Mann, der dir sagte, du solltest es nehmen und nach Hause gehen?" - fragten sie. Doch der Geheilte wusste nicht, wer es war; denn Jesus hatte sich in dem dort herrschenden Menschengewühl unbemerkt entfernt. Bald nachher traf Jesus ihn im Tempel und redete ihn mit den Worten an: "Du bist nun gesund geworden; aber du darfst fortan nicht mehr sündigen, sonst könnte dir noch Schlimmeres widerfahren." Eilends entfernte sich der Mann und teilte den Juden mit, dass Jesus es sei, der ihn gesund gemacht habe. Jedesmal, wenn Jesus eine derartige Heilung am Sabbat vollzog, gingen die Juden gegen ihn an. Aber er gab ihnen zur Antwort: "Mein Vater tut seine Werke bis auf den heutigen Tag. In gleicher Weise tue auch ich meine Werke." Wegen dieses Ausspruches trachteten die Juden ihm nur noch schärfer nach dem Leben. Denn sie warfen ihm nun nicht bloß vor, dass er Sabbatschändung beging, sondern dass er sich sogar Gott gleichstelle, indem er Gott als seinen wirklichen Vater bezeichne. In seiner Antwort darauf gab er ihnen folgende Belehrung: "Ich gebe euch die feste Versicherung", - sagte er - "dass der Menschensohn aus ich selbst nicht das Geringste tun kann, sondern der Vater muss ihm zuerst zeigen, wie er es tun soll. Und nur das, was dieser ihm vormacht, kann der Sohn nachmachen. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alle Werke, die er selbst vollbringt. Ja, er wird dem Sohn Dinge zeigen, die er tun soll, welche die bisherigen weit überragen, damit euer Staunen wachgerufen wird. Wie zum Beispiel der Vater die geistig Toten aus der Tiefe heraufführt und ihnen wieder das geistige Leben verleiht, so spendet auch der Sohn dieses geistige Leben allen, denen er es spenden soll. Ferner fällt der Vater über keinen den Urteilsspruch, sondern hat den Urteilsspruch dem Sohne übertragen, damit alle dem Sohne die ihm zukommende Ehre erweisen, wie sie dem Vater die Ehre geben sollen, die ihm gebührt. Wer dem Sohne die Ehre versagt, wird sie auch dem Vater versagen, der den Sohn gesandt hat. Ich gebe euch die Versicherung, dass der, welcher auf mein Wort hört und an den glaubt, der mich gesandt hat, im Jenseits das Leben erhält. Er braucht nicht mehr vor dem Richterstuhl zu erscheinen, sondern ist durch seinen Glauben aus dem Reich der geistig Toten in das Reich des geistigen Lebens hinübergegangen. Glaubet mir, es kommt die Stunde und sie ist jetzt schon angebrochen, wo die geistig Toten die Stimme des Sohnes Gottes vernehmen und diejenigen, die darauf hören, das geistige Leben erlangen werden. Denn wie der Vater, der von Ewigkeit lebt, das geistige Leben in sich trägt, so hat er auch dem Sohne die Gabe verliehen, das geistige Leben in sich zu tragen. Auch hat er ihm die Gewalt erteilt über die Menschen zu Gericht zu sitzen, weil er ein Menschensohn geworden ist. Wundert euch also nicht darüber, dass einmal die Stunde kommt, wo alle, die in den Höhlen der Finsternis sich befinden, seine Stimme hören werden. Sie werden dann hervorkommen; und zwar wird dies für jene, die das Gute taten, eine Auferstehung zum geistigen Leben sein; für die jedoch, die das Schlechte verübten, eine Vorrührung vor den Richter. Ich habe nicht die Macht, irgend etwas aus mir zu tun; nach den Weisungen, die mir auf dem Wege des Hellhörens mitgeteilt werden, treffe ich die Entscheidungen; darum entspricht meine Entscheidung stets dem Willen Gottes; denn nicht, was ich will, führe ich aus, sondern was der will, der mich gesandt hat." "Wenn ich in eigener Sache Zeugnis ablegen würde, so wäre mein Zeugnis nicht rechtskräftig. Ein anderer ist's, der in meiner Sache als Zeuge auftritt, und ihr wisst, dass das Zeugnis, das er für mich ablegt, der Wahrheit entspricht. Ihr hattet ja eine Abordnung zu Johannes geschickt, und er hat damals ein wahrheitsgetreues Zeugnis über mich abgelegt. Doch ich will mich gar nicht auf das Zeugnis von Menschen berufen, sondern erwähne dies bloß, um euch in schonender Weise auf den Weg eurer Rettung zu führen, wiewohl ich mich mit Recht auf Johannes berufen könnte. Denn er war wirklich die Leuchte der Wahrheit, die mit hellem Schein brannte; und auch ihr wart für eine kurze Zeit willens, euch an diesem Licht der Wahrheit zu erfreuen. Doch ich besitze ein größeres Zeugnis als das des Johannes. Es sind dies die Werke, zu deren Ausführung mein Vater mir die Kraft verlieh. Eben diese Werke, die ich verrichte, beweisen am besten meine Behauptung, dass der Vater mich gesandt hat. Aber auch der Vater, der mich sandte, hat in eigener Person Zeugnis über mich abgelegt. Ihr habt allerdings seine Stimme damals nicht gehört und auch die Gestalt nicht gesehen, aus der er sprach; auch der Worte, die er redete, wollt ihr euch nicht mehr erinnern; denn ihr weist ein für allemal jeden Glauben an den zurück, den der Vater gesandt hat. Anstatt dessen verlegt ihr euch auf das Forschen der Schrift und meint, darin das künftige Leben zu besitzen. Und doch legt auch gerade die Schrift Zeugnis für mich ab. Aber ihr seid nun einmal nicht gewillt, zu mir zu kommen, um aus meiner Hand das geistige Leben zu empfangen. Von euch Menschen verlange ich keine Ehre. Aber ich weiß, dass ihr auch keine Liebe zu Gott in euren Herzen tragt. Ich bin im Auftrag Gottes, meines Vaters, zu euch gekommen; doch ihr wollt nichts von mir wissen. Wäre ein anderer ohne höheren Auftrag, also aus eigener Entschließung, zu euch gekommen, ihn würdet ihr annehmen. wie könnt ihr denn zum Glauben kommen, wenn ihr Ehrungen von euresgleichen entgegennehmt, aber nach der Ehre, die von dem alleinigen Gott kommt, kein Verlangen tragt? Denkt ja nicht, dass ich euch beim Vater anklagen will. Es ist schon einer da, der euch verklagt: Es ist Mose - er, auf den ihr eure ganze Hoffnung gesetzt habt. Denn wenn ihr Mose Glauben schenken würdet, so brächtet ihr auch mir Glauben entgegen. Denn ich bin es, über den Mose geschrieben hat. Wenn ihr freilich seinen Schriften den Glauben versaget, wie solltet ihr dann meinen Worten glauben?" Darauf begab sich Jesus auf die andere Seite des Galiläischen Meeres, in die Nähe von Tiberias. Eine große Volksmenge folgte ihm auf dem Fuße. Denn sie waren wiederholt Augenzeugen der wunderbaren Heilungen, die er an den Kranken vollzog. Jesus bestieg eine Anhöhe und setzte sich dort in Begleitung seiner Jünger nieder. Das Osterfest, das Hauptfest der Juden, stand nahe bevor. Als Jesus sich umschaute und die gewaltige Volksmenge erblickte, sagte er zu Philippus: "Wo sollen wir Nahrungsmittel herholen, damit diese Leute etwas zu essen bekommen?" Doch wollte er ihn mit dieser Frage bloß auf die Probe stellen. Er selbst wusste genau, was er tun wollte. Philippus gab ihm zur Antwort: "Brot für zweihundert Silberstücke reicht für sie nicht aus, auch wenn jeder bloß ein Stückchen bekommt." Einer von seinen Jüngern, nämlich Andreas, der Bruder des Simon Petrus, machte die Bemerkung: "Es befindet sich hier ein Knabe, der fünf Gerstenbrote und zwei Fische hat; doch was ist das für so viele?" Jesus gab ihm nun die Weisung: "Lasset die Leute sich lagern!" Der Platz war mit dichtem Graswuchs bedeckt. Darauf ließen die Leute sich nieder. Allein die Zahl der Männer betrug ungefähr fünftausend. Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und ließ sie an die am Boden lagernden Scharen austeilen. Auch von den Fischen erhielt jeder, soviel er wollte. Als alle satt waren, sagte er zu seinen Jüngern: "Sammelt die Reste, damit nichts verloren geht!" Sie sammelten alles auf und füllten mit den Resten, die von den fünf Gerstenbroten beim Essen übriggeblieben waren, zwölf Körbe. Als die Leute das Wunder sahen, das er gewirkt hatte, riefen sie aus: "Das ist wahrhaftig der Prophet, der in die Welt kommen soll!" Jesus wusste, dass sie vorhatten, ihn mit Gewalt mit sich zu nehmen und zum König auszurufen. Deshalb zog er sich wieder auf die Anhöhe zurück, ohne jemand mitzunehmen und widmete sich dort dem Gebete. Gegen Abend gingen seine Jünger an den See hinab und stiegen in ihr Boot, um nach Kapernaum hinüber zu fahren. Da hüllte sie plötzlich eine tiefe Dunkelheit ein, während Jesus immer noch nicht zu ihnen zurückgekehrt war. Ein gewaltiger Sturm fegte dahin und wühlte das Meer bis in die Tiefe auf. Sie waren etwa eine Stunde gefahren, da sahen sie Jesus über den See dahinschreiten und auf ihr Boot zukommen. Große Angst befiel sie. Er rief ihnen jedoch zu: "Habt keine Furcht, ich bin es!" Sie wollten ihn nun zu sich ins Boot nehmen. Aber in demselben Augenblick war das Boot bereits gelandet, und zwar an der Stelle, die sie hatten erreichen wollen. Am andern Morgen befanden sich die Volksscharen noch immer am jenseitigen Ufer. Sie hatten am vorhergehenden Abend gesehen, dass dort kein anderes Boot lag, als nur das eine, in das die Jünger Jesu eingestiegen waren, und dass Jesus selbst nicht mit ihnen dieses Boot bestiegen hatte, sondern dass seine Jünger allein abgefahren waren. Nun legten andre Fahrzeuge, die von Tiberias kamen, nahe an der Stelle an, wo tags zuvor die Brotspeisung stattgefunden hatte. Als daher die Volksmenge sah, dass weder Jesus noch seine Jünger dort zu finden waren, stiegen die Leute in diese Fahrzeuge und fuhren nach Kapernaum, um Jesus zu suchen. Als sie ihn nach ihrer Überfahrt dort trafen, fragten sie ihn: "Meister, wann bist du denn hierher gekommen?" Jesus erwiderte: "Ihr sucht mich nicht deshalb auf, weil ihr Wundertaten erlebt habt, sondern weil ihr von dem Brote zu essen bekamt und satt wurdet. Bemüht euch doch nicht um Speise, die vergänglich ist, sondern um Speise, die bis ins künftige Leben bestehen bleibt. Eine solche Speise gibt euch der Menschensohn. Denn ihn hat Gott der Vater dafür ausersehen und ihm sein Siegel aufgedrückt." - "Worin bestehen denn die gottgefälligen Werke, die wir verrichten sollen?" - fragten sie ihn. Er gab ihnen zur Antwort: "Darin besteht das gottgefällige Werk, dass ihr an den glaubt, den Gott gesandt hat." Sie fragten weiter: "Was für ein Zeichen kannst du denn vor unsern Augen wirken, damit wir an dich glauben? Wie weit geht deine Macht? Unsere Väter haben in der Wüste das Manna als Speise gehabt, wie uns in der Schrift in den Worten berichtet wird: 'Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.'" - "Ich sage euch", - entgegnete Jesus - "dass nicht Mose euch das wirkliche 'Brot vom Himmel' gab, sondern mein Vater gibt euch das wahre 'Himmelsbrot'. Denn das wahre 'Brot Gottes ist der, welcher vom Himmel kommt und der Welt das geistige Leben spendet" - "Herr", - sagten sie nun - "schenke auch uns dieses Brot immerdar!" Darauf antwortete ihnen Jesus: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer in Gemeinschaft mit mir tritt, wird niemals mehr Hunger empfinden; und wer auf mich seinen Glauben gründet, der wird nie mehr durstig. Ihr wollt ein Wunderzeichen von mir sehen. Aber ich sagte euch schon, dass auch ihr solche Wunderzeichen gesehen habt; doch ihr wollt nicht glauben. Alles, was der Vater mir geben will, wird in Gemeinschaft mit mir treten. Und wer diese Gemeinschaft mit mir sucht, den werde ich nicht von mir stoßen. Ich bin ja nicht deswegen vom Himmel herabgekommen, um das auszuführen, was ich will, sondern was der Vater will, der mich gesandt hat. Der Wille des Vaters, der mich sandte, besteht aber darin, dass ich von allem, was er mir gab, nicht das Geringste verlieren soll, sondern dass ich am letzten Tage alles wieder zu ihm zurückführe. Darum ist es auch der Wille meines Vaters, dass jeder, der den Sohn kennen lernt und ihm Glauben schenkt, in der Zukunft das Leben erlangt, und ich ihn an seinem letzten Tage zur Höhe führe." Nun begannen die Juden ihrem Unwillen darüber Ausdruck zu geben, dass Jesus gesagt hatte: "Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist." - "Ist dieser nicht Jesus, der Sohn Josephs", -sagten sie - "dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kommt er nun dazu, die Behauptung aufzustellen, er sei vom Himmel herabgekommen?" - "Murret nicht untereinander!" - erwiderte ihnen Jesus. "Niemand kann in Gemeinschaft mit mir treten, wenn mein Vater, der mich sandte, ihn nicht innerlich dazu antreibt, so dass ich ihn an seinem letzten Tage hinaufführen kann. Es steht ja in den Schriften der Propheten geschrieben: 'Und sie werden alle von Gott unterwiesen sein.' Jeder, der auf die Eingebungen hört, die vom Vater kommen und sie annimmt, der tritt in Gemeinschaft mit mir. Nicht als ob ein Mensch den Vater gesehen hätte; nur wer aus der Umgebung Gottes ist, der hat Gott gesehen. Ich versichere euch auf das Bestimmteste, dass nur der das zukünftige Leben besitzt, der an mich glaubt. Ich bin das Brot des Lebens, Eure Väter aßen in der Wüste das Manna - und dennoch starben sie des geistigen Todes. Dieser hier ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit jeder davon esse und so dem geistigen Tode entrinne. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabkam. Wer von diesem Brote isst, der wird in der Zukunft das geistige Leben besitzen. Und das Brot, das ich für das geistige Leben der Welt hingebe, ist mein Fleisch." - Dieser letzte Ausspruch veranlasste einen heftigen Streit unter den Juden. "Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben?" - riefen sie aus. Jesus antwortete ihnen: "Ich betone es noch einmal: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, so habt ihr das geistige Leben nicht in euch. Wer aber. mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der besitzt in Zukunft das geistige Leben, und ich werde ihn an seinem letzten Tage zur Höhe führen. Denn mein Fleisch ist tatsächlich eine Speise und mein Blut tatsächlich ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in Gemeinschaft mit mir und ich in Gemeinschaft mit ihm in derselben Weise, wie der Vater mit mir vereint ist und ich mit dem Vater. Glaubet mir, was ich euch sage: Wenn ihr den Leib des Menschensohnes nicht hinnehmt als das Brot des Lebens, so habt ihr kein geistiges Leben, das nur in der Gemeinschaft mit ihm zu finden ist. Wie mich der Vater sandte, der die Quelle des geistigen Lebens ist, und ich mein Leben nur dem Vater verdanke, so wird der, welcher mich in sich aufnimmt, mir sein geistiges Leben verdanken. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabkam. Es ist nicht von der Art, wie eure Väter es gegessen haben und doch des geistigen Todes starben. Wer dieses Brot isst, wird für alle Zukunft das geistige Leben haben." Diese Belehrungen gab Jesus an einem Sabbat in der Synagoge zu Kapernaum. Auch viele von seinen Jüngern, die Ohrenzeugen seiner Worte waren, äußerten sich missbilligend darüber. "Das ist eine harte Rede", - sagten sie - "wer kann sie hören?" Da Jesus von sich aus wusste, dass seine Jünger sich über seine Worte tadelnd aussprachen, richtete er folgende Worte an sie: "Gereicht diese meine Lehre euch zum Anstoß? Wenn ihr nun den Menschensohn dahin aufsteigen sehet, wo er vordem war, - wie werdet ihr dann wohl urteilen? Der Geist ist es ja, der das geistige Leben wirkt; das irdische Fleisch hat keinerlei Wert. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, beziehen sich auf den Geist und das geistige Leben. Doch gibt es manche unter euch, die keinen Glauben haben." Jesus wusste nämlich von vornherein, wer ungläubig bleiben und auch, wer sein Verräter sein würde. Er fügte hinzu: "Darum habe ich euch gesagt, dass niemand in Gemeinschaft mit mir zu treten vermag, wenn ihm nicht dieses Gnadengeschenk von meinem Vater zuteil geworden ist." Von dieser Stunde an zogen sich viele von seinen Jüngern von ihm zurück und begleiteten ihn nicht mehr auf seinen Wanderungen. Nun wandte sich Jesus an die Zwölf mit der Frage: "Wollt auch ihr mich verlassen?" "Meister!" - erwiderte Simon Petrus - "zu wem sollten wir gehen? Nur du bist im Besitz der Lehren, die uns zu dem künftigen geistigen Leben führen. Darum haben wir auch den Glauben und die Überzeugung gewonnen, dass du der Heilige Gottes bist." Darauf gab ihnen Jesus zur Antwort: "Nicht ich habe euch Zwölf für mich ausgewählt; und doch ist einer von euch ein Teufel." Damit meinte er den Judas, den Sohn des Simon aus Kariot. Denn dieser sollte ihn später verraten. Er gehörte zu den Zwölfen. Hierauf zog Jesus in Galiläa umher. Denn nach Judäa wollte er deshalb nicht gehen, weil ihm die jüdischen Führer nach dem Leben trachteten. Nun stand das jüdische Laubhüttenfest nahe bevor. Darum sagten seine Brüder zu ihm: "Begib dich doch von hier nach Judäa, damit auch deine dortigen Anhänger die Taten zu sehen bekommen, die du vollbringst. Denn niemand tut ein Werk im Verborgenen, sondern jeder ist bemüht, sich in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen. Wenn du überhaupt solche Taten verrichten willst, dann tritt öffentlich auf!" Damals glaubten nämlich nicht einmal seine eigenen Brüder an ihn. "Meine Zeit ist noch nicht gekommen", - entgegnete Jesus. "Für euch ist freilich jeder Zeitpunkt der geeignete. Denn euch zu hassen, hat die Welt keinen Grund. Mich aber hasst sie, weil ich ihr vorhalte, dass ihre Werke schlecht sind. Gehet ihr nur ruhig zum Fest hinauf! Ich selbst gehe noch nicht zu diesem Fest; denn meine Zeit ist noch nicht da." Mit diesen Worten fertigte er sie ab und blieb in Galiläa. Als jedoch seine Brüder zum Feste abgereist waren, da machte auch er sich auf den Weg. Er ging jedoch nicht in Begleitung anderer, sondern ganz allein für sich. Beim Feste suchten die jüdischen Führer nach ihm und fragten: "Wo ist er denn?" Auch unter der großen Masse des Volkes war er das Tagesgespräch. Die einen sagten: "Er ist ein guter Mensch." Andere jedoch behaupteten: "Nein, er ist ein Volksaufwiegler." Ganz offen wagte keiner seine Meinung zu sagen aus Furcht vor seinen jüdischen Feinden. Schon war die Festwoche zur Hälfte vorbei, da kam Jesus in den Tempel hinauf und hielt Lehrvorträge. Die jüdischen Gegner fragten voll Verwunderung: "Wie kommt der zu dieser Kenntnis der Heiligen Schriften? Er hat doch nicht studiert." Da gab Jesus ihnen zur Antwort: "Das, was ich lehre, habe ich nicht aus mir, sondern von dem, der mich gesandt hat. Wer dessen Willen zu tun sich bemüht, wird an sich selbst erfahren, ob meine Lehre von Gott stammt oder ob ich meine eigenen Ansichten vortrage. Wer seine eigenen Ansichten vorträgt, sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der hält sich genau an die Worte seines Auftraggebers; darum kann bei ihm nichts gefunden werden, was nicht recht wäre. Gab nicht auch Mose euch einen Auftrag in Form des Mosaischen Gesetzes? Und doch richtet sich keiner von euch nach den wahren Gesetzesvorschriften. Aus welchem Grunde sucht ihr mich zu töten?" - "Du bist ja von Sinnen!" - rief ihm die Menge zu; "wer will dich denn töten?" - "Jawohl", - antwortete Jesus - "wegen einer einzigen Tatsache, über die ihr ganz außer Fassung geraten seid, wollt ihr mich töten. Und doch tat ich dasselbe, was Mose tat, als er euch die Beschneidung vorschrieb, und bestimmte, dass ihr sie selbst am Sabbat an einem Menschen vorzunehmen habt. Nebenbei bemerkt, stammt die Beschneidung nicht von Moses, sondern von den Erzvätern. Wenn also ein Mensch sogar am Sabbat beschnitten werden muss, damit das Mosaische Gesetz nicht verletzt wird, warum schäumt ihr denn Gift und Galle gegen mich, weil ich am Sabbat Menschen an Leib und Seele gesund machte? Seid doch in eurem Urteil nicht so oberflächlich, sondern euer Urteil soll so sein, dass es der Sache selbst gerecht wird." - Da sagten einige von den Leuten aus Jerusalem - "Ist. das nicht der Mann, den man töten will? Nun redet er doch in aller Öffentlichkeit, und kein Wort wagt man gegen ihn vorzubringen. Haben etwa die Führer des Volkes tatsächlich erkannt, dass dies der Messias ist? Freilich, von diesem Manne hier wissen wir, woher er stammt. Wenn aber der Messias kommt, von dem weiß niemand, woher er ist." Da rief Jesus ihnen während seiner Predigt im Tempel mit erhobener Stimme die Worte zu: "Jawohl, ihr kennt mich und wisst, woher ich stamme; ihr wisst, dass ich nicht von mir aus gekommen bin; ihr wisst auch, dass es der wahrhaftige Gott ist, der mich gesandt hat. Ihr freilich kennt ihn nicht. Ich jedoch kenne ihn, weil ich von ihm hergekommen bin, und er mich gesandt hat." - Da machten sie wiederholt den Versuch, ihn festzunehmen; aber keiner wagte Hand an ihn zu legen; denn seine Stunde war noch nicht da. Aus dem gewöhnlichen Volke kamen viele zum Glauben an ihn. Denn sie sagten sich: "Wird denn der Messias, wenn er kommt, noch mehr Wunderzeichen wirken können, als dieser gewirkt hat?" Die Pharisäer hörten, wie die Leute aus dem Volke, wenn sie unter sich waren, in dieser Weise ihre Ansicht über ihn äußerten. Das veranlasste die Oberpriester und Pharisäer, Knechte zu schicken, die ihn festnehmen sollten. - "Nur noch kurze Zeit" - sagte Jesus - "bin ich bei euch; dann gehe ich zu dem, der mich gesandt hat. Ihr werdet mich suchen, aber nicht finden; denn wo ich dann bin, dahin könnt ihr mir nicht folgen." Da fragten die Juden einander: "Wohin will er denn gehen, dass wir ihn nicht finden könnten? Will er etwa zu den unter den Griechen zerstreut lebenden Juden gehen und den Griechen predigen? Oder was könnte er sonst mit den Worten meinen: "Ihr werdet mich suchen, aber nicht finden' - und: 'Wo ich bin, dahin könnt ihr mir nicht folgen?'" Am letzten Tage der Festwoche, dem sogenannten 'Großen Tag', stand Jesus vor ihnen und rief wiederholt mit erhobener Stimme ihnen zu: "Wer Durst hat, der komme und trinke im Glauben an mich! Dann werden nach den Worten der Schrift Ströme lebendigen Wassers aus seinem Innern hervorquellen." Damit deutete er auf den Geist hin, den diejenigen empfangen sollten, die an ihn glauben würden; denn ein Geist war noch nicht auf sie gekommen, weil Jesus noch nicht in seine Herrlichkeit eingegangen war. Unter dem Volke, das diese seine Aussprüche Jesu hörte, wurden die verschiedensten Meinungen geäußert. Die einen sagten: "Das ist wirklich der Prophet!" Andere: "Er ist der Messias!" Wieder andere meinten: "Der Messias kommt doch nicht aus Galiläa! Steht nicht in der Schrift, dass der Messias aus dem Geschlecht Davids und aus dem Orte Bethlehem, der Stadt Davids, kommen soll?" So war man im Volke über ihn geteilter Meinung. Eine gewisse Klasse hätte ihn am liebsten festgenommen, aber keiner hatte den Mut, Hand an ihn zu legen. So kamen denn die Knechte zu den Oberpriestern und Pharisäern unverrichteter Sache zurück. "Warum habt ihr ihn nicht mitgebracht?" - fragten sie die Knechte. "Noch nie hat ein Mensch so geredet, wie dieser", - antworteten jene. "Habt auch ihr euch etwa betören lassen?" entgegneten ihnen die Pharisäer. "Ist denn einer von den Führern des Volkes oder ein Pharisäer zum Glauben an ihn gekommen? Nein, nur dieses gemeine Pack, das vom Gesetz nichts versteht! - Der Fluch treffe es!" Nikodemus, einer von den Führern des Volkes, redete ihnen ins Gewissen. Es war derselbe Nikodemus, der früher einmal Jesus aufgesucht hatte. "Ist es denn nach unserm Gesetz erlaubt", - sagte er -"diesen Mann zu verurteilen, ohne dass man ihn vorher verhört und ihn seiner Schuld überführt hat?" "Bist du vielleicht auch aus Galiläa?" - fragten sie ihn spöttisch. "Forsche doch in der Schrift, und du wirst selbst zu der Einsicht gelangen, dass kein Prophet aus Galiläa stammt." So gingen sie auseinander und begaben sich nach Hause. Jesus ging zum Ölberg und kehrte bei Tagesanbruch wieder in den Tempel zurück. Alles strömte zu ihm, und er setzte sich mitten unter sie und trug ihnen seine Lehre vor. Da brachten die Schriftgelehrten und Pharisäer eine Frau zu ihm, die man beim Ehebruch ertappt hatte, und stellten sie dicht vor ihn hin. Dann wandten sich die Priester, die ihm eine Falle stellen wollten, um einen Grund zur Anklage gegen ihn zu gewinnen, mit den Worten an ihn: "Meister, diese Frau ist als Ehebrecherin auf frischer Tat ertappt worden. Nun hat Mose uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du nun dazu?" Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger in den Staub am Boden. Als sie nun immer dreister eine Antwort von ihm verlangten, richtete er sich aus seiner gebückten Stellung auf und sagte: "Wer von euch ohne eine solche Sünde ist, soll zuerst einen Stein auf sie werfen!" Dann bückte er sich wieder und schrieb auf dem Boden weiter. Als sie diese Worte hörten, begannen die jüdischen Führer, einer nach dem andern, sich zu entfernen, vom Ältesten bis zum Jüngsten, so dass zum Schluss alle fort waren und nur Jesus und die Frau, die vor ihm stand, zurückblieben. Da richtete sich Jesus empor und fragte die Frau: "Wo sind die denn hin? Wollte keiner mit der Steinigung den Anfang machen?" - "Keiner, Herr", - antwortete die Frau. "Auch ich spreche dir nicht dein Todesurteil", - entgegnete Jesus; "nun gehe nach Hause und gib von jetzt an dein Sündenleben auf!" Bei einer andern Gelegenheit trug er ihnen folgendes vor: "Ich bin das Licht der Welt. Wer in meine Fußstapfen tritt, der wird nicht in der Finsternis umherirren, sondern das Licht des geistigen Lebens haben." Da entgegneten die Pharisäer: "Du legst für dich selbst Zeugnis ab; darum ist dein Zeugnis wertlos." Jesus gab ihnen zur Antwort: "Auch wenn ich für mich selbst Zeugnis ablege, so entspricht mein Zeugnis doch der Wahrheit. Denn ich weiß, woher ich kam und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe. Ihr urteilt bloß nach der äußern Erscheinung. Danach beurteile ich niemand. Wenn ich ein Urteil abgebe, so entspricht mein Urteil der Wahrheit. Denn in einem solchen Falle stehe ich mit meinem Urteil nicht allein. Es ist sowohl mein Urteil als auch das Urteil dessen, der mich gesandt hat. Selbst in eurem Gesetz ist die Bestimmung enthalten, dass das Zeugnis von zweien als der Wahrheit entsprechend anzusehen ist. Nun bin ich der eine, der über mich Zeugnis ablegt und der zweite, der mich bezeugt, ist der Vater, der mich gesandt hat." "Wo ist denn dein Vater?" - fragten sie ihn. "Ihr kennt meinen Vater ebenso wenig wie mich", - lautete seine Antwort. "Würdet ihr mich kennen, so wäre euch auch mein Vater bekannt." - Diese Auseinandersetzungen hatte er mit ihnen, als er in der Nähe des Opferkastens saß und vor dem im Tempel anwesenden Volke eine Ansprache hielt. Doch wagte niemand, Hand an ihn zu legen, weil seine Stunde noch nicht gekommen war. Ein anderes Mal sagte er in seinem Vortrag: "Ich gehe fort von euch. Ihr werdet dann nach mir suchen, aber in eurer Sünde des Abfalls werdet ihr sterben. Darum könnt ihr nicht dahin gelangen, wohin ich gehe." Da fragten die Juden einander: "Hat er etwa vor, sich das Leben zu nehmen, weil er sagt: "Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht gelangen."" Er erwiderte: "Ihr gehört zu denen, die aus der Tiefe kommen; ich zu denen aus der Höhe. Ihr seid Bürger dieses Weltreiches; ich gehöre nicht zu diesem Reich. Darum sagte ich euch, dass ihr in euren Sünden des Abfalls sterben werdet. Denn wenn ihr mir nicht glaubet, dass ich der bin, für den ich mich ausgebe, werdet ihr in euren Sünden des Abfalls sterben." Da fragten sie ihn: "Wer bist du denn?" Jesus gab ihnen zur Antwort: "Spreche ich denn nicht schon von Anfang an zu euch davon, wer ich bin? Aber wer ihr seid, darüber hätte ich noch vieles zu sagen und noch manches wahre Urteil abzugeben. Denn der mich gesandt hat, spricht nur, was wahr ist; und zu der Welt rede ich nur das, was ich von ihm gehört habe." Sie verstanden nicht, wie er ihnen gegenüber Gott als seinen Vater bezeichnen konnte. Darum fuhr er fort: "Wenn ihr dem Menschensohn das Schicksal werdet bereitet haben, das ihn zum Himmel führt, dann werdet ihr erkennen, dass ich wirklich der bin, als den ich mich ausgegeben habe, und dass ich nichts aus mir selbst tue, sondern so rede, wie es mich der Vater gelehrt hat. Und er, der mich gesandt hat, steht in Verbindung mit mir. Er hatte keinen Grund, mich im Stich zu lassen; denn ich tue ja allezeit das, was ihm wohlgefällt." Infolge dieser Belehrung kamen viele zum Glauben an ihn. Doch gab er denen aus dem Judenvolke, die gläubig geworden waren, folgende Mahnung: "Erst dann, wenn ihr in meiner Lehre verharret, gehört ihr zu meinen wahren Jüngern; und erst dann werdet ihr die volle Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch innerlich frei machen." Da riefen ihm seine Gegner zu: "Wir sind Abrahams Nachkommen und standen noch niemals unter der Dienstbarkeit eines andern. Wie kannst du also sagen, wir würden frei werden?" Jesus entgegnete: "Jeder, der die Sünde des Abfalls begeht, wird zum Sklaven. Der Sklave bleibt nicht für alle künftigen Zeiten in der Familie seines Herrn; der Sohn jedoch bleibt für alle Zeiten in seiner Familie. Wenn nun der Sohn euch von eurer Sklaverei frei macht, dann werdet ihr für immer frei sein. Ich weiß, dass ihr Nachkommen Abrahams seid. Trotzdem sucht ihr mich zu töten; denn eure Herzen sind für meine Lehre nicht empfänglich. Und doch trage ich nur das vor, was ich durch die Verbindung mit meinem Vater erfahren habe. In gleicher Weise sollt auch ihr das tun, was ihr von eurem Vater vernommen habt." Sie gaben ihm zur Antwort: "Abraham ist unser Vater." Jesus erwiderte: "Wenn ihr Kinder Abrahams wäret, dann würdet ihr auch Abrahams Werke tun. Nun seid ihr es aber, die mich umbringen wollen, - mich, der ich euch nur die reine Wahrheit verkündete - eine Wahrheit, die ich von Gott vernommen habe. So etwas tat Abraham nicht. Ihr habt einen ganz andern Vater, und dessen Werke tut ihr." - "Wir sind doch nicht etwa uneheliche Kinder?" - erwiderten sie - "Nur Einen haben wir zum Vater - nämlich Gott!" - "Wäre Gott euer Vater" - antwortete Jesus - "dann würdet ihr mich lieben; denn ich kam ja von Gott her und bin in seinem Auftrag hier. Ich kam nicht von mir aus, sondern Er ist es, der mich sandte. Wie kommt es nun, dass ihr meine Art zu reden nicht versteht, ja dass ihr meine Lehre nicht einmal ruhig anzuhören imstande seid? Es kommt daher, weil ihr vom Teufel als eurem wirklichen Vater stammt und daher die Wünsche dieses eures Vaters ausführen wollt. Dieser war ein Menschenmörder von Anbeginn. Er steht nicht auf dem Boden der Wahrheit, weil sein ganzes Sein Unwahrheit ist. Wenn er also lügt, dann redet er aus seinem eigensten Wesen heraus. Denn er ist die verkörperte Lüge und jeder Lügner hat ihn zum Vater. Weil ich nun im Gegensatz zu ihm die Wahrheit lehre, darum glaubt ihr mir nicht. - - - Denn nur wer von Gott herkommt, hört auf die Worte Gottes. Das ist der Grund, weshalb ihr nicht darauf hört; denn ihr kommt nicht von Gott her." Darauf antworteten ihm seine jüdischen Gegner: "Sagen wir nicht mit vollem Recht, dass du ein Samariter und von einem bösen Geist besessen bist?" - "Ich bin von keinem bösen Geist besessen", - entgegnete Jesus - "sondern ehre meinen Vater; aber ihr entehret mich. Ich suche zwar nicht meine Ehre. Aber es ist Einer da, der für meine Ehre eintritt und als Richter sein Urteil fällt. Ich beteure es: Wenn einer meine Lehre befolgt, wird er in Zukunft den Tod nicht sehen." - "Jetzt ist es uns vollkommen klar", -riefen ihm seine jüdischen Feinde zu - "dass du von einem bösen Geist besessen bist. Denn Abraham starb und die Propheten starben; und du wagst zu behaupten: Wer mein Wort befolgt, wird in Zukunft den Tod nicht schmecken? Bist du etwa größer als Abraham, der sterben musste? und die Propheten mussten sterben. Welche Größe nimmst du denn eigentlich für dich in Anspruch?" - Jesus gab ihnen zur Antwort: "Wenn ich mich selbst groß machen wollte, dann wäre mein Großtun wertlos. Der meine wahre Größe bestimmen wird, ist mein Vater, von dem ihr behauptet, er sei euer Gott. Aber ihr kennt ihn ja gar nicht. Ich jedoch kenne ihn. Und würde ich sagen, dass ich ihn nicht kenne, so wäre ich ein Lügner, wie ihr. Doch ich kenne ihn und befolge sein Wort. Euer Vater Abraham jubelte, dass er den Tag meines Erscheinens voraussehen durfte. Jetzt sah er ihn in Wirklichkeit und war voller Freude." - "Was?" - riefen die Juden ihm zu - "Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt, und Abraham sollte dich gesehen haben?" - "Ich sage euch die Wahrheit" - erwiderte Jesus - "Ich bin älter als Abraham." Da hoben sie Steine auf, um ihn tot zu werfen. Jesus aber wurde vor ihren Augen unsichtbar gemacht und verließ den Tempel. Im Vorbeigehen sah er einen Mann dasitzen, der von Geburt an blind war. Da fragten ihn seine Jünger: "Meister, wessen Sünden sind schuld, dass dieser blind geboren ist? Seine eigenen Sünden oder die seiner Eltern?" - "Weder seine noch seiner Eltern Sünden sind daran schuld", - erwiderte Jesus - "sondern die Wunderwerke Gottes sollten an ihm offenbart werden. Die Wunderwerke dessen, der mich gesandt hat, habe ich zu wirken, solange es hell ist; es kommt die Nacht, wo niemand wirken kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt." Nach diesen Worten spie er auf die Erde, machte mit dem Speichel einen Teig, strich dem Blinden den Teig auf die Augen und sprach zu ihm: "Geh und wasche dich im Teiche 'Siloah'. (Dieser Name bedeutet: Springquelle)." Er ging und wusch sich und kam sehend zurück. Die Nachbarn und alle die, welche ihn früher als den blinden Bettler gekannt hatten, fragten erstaunt: "Ist das nicht der Mann, der sonst da saß und bettelte?" Die einen behaupteten: "Ja, er ist's!" Andere meinten: "Nein, er sieht ihm nur ähnlich!" Endlich ergriff er selbst das Wort und sagte: "Ja, ich bin der, den ihr meint" - "Auf welche Weise bist du denn sehend geworden?" fragten sie weiter. Er antwortete: "Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich mir die Augen damit und forderte mich auf, zum Siloahteich zu gehen und mich dort zu waschen. Ich ging hin, wusch mich und kam sehend zurück." - "Wo ist denn dieser Mann?" fragten sie nun. "Ich weiß es nicht", war seine Antwort. Darauf führte man den blind Gewesenen zu den Pharisäern. Nun war der Tag, an dem Jesus den Teig gemacht und dem Blinden das Augenlicht wiedergegeben hatte, ein Sabbat. Auch die Pharisäer stellten zunächst die Frage an ihn, wie er sehend geworden sei. Er gab ihnen zur Antwort: "Er strich mir einen Teig über die Augen, dann wusch ich mich, und nun kann ich sehen." Da sagten einige von den Pharisäern: "Jener Mensch kann nicht von Gott kommen; er hält ja den Sabbat nicht." Andere jedoch wandten dagegen ein: "Wie könnte ein mit Sünden beladener Mensch solche Wunder tun?" So waren sie geteilter Meinung. Nun wandten sie sich an den blind Gewesenen mit der Frage: "Was hältst du denn von ihm, weil er imstande war, dir das Augenlicht wiederzugeben?" - "Er ist ein Gesandter Gottes!" - war seine kurze Antwort. Da wollten die Juden überhaupt nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden sei. Schließlich ließen sie seine Eltern rufen und stellten an sie die Frage: "Ist dies euer Sohn, von dem ihr behauptet, er sei blind auf die Welt gekommen? Und wie kommt es, dass er jetzt sehen kann?" "Dass dies unser Sohn ist, wissen wir", entgegneten die Eltern: "auch, dass er blind geboren ist. Wie es aber kommt, dass er jetzt sehen kann, wissen wir nicht; und wer ihm die Augen geöffnet hat, ist uns ebenfalls unbekannt. Fraget ihn doch selbst; er ist ja alt genug, Auskunft darüber zu geben." Das sagten die Eltern aus Furcht vor den jüdischen Führern; denn diese hatten bereits miteinander abgemacht, jeden in den Bann zu tun, der Jesus als den Messias bekennen würde. Das war der Grund, weshalb seine Eltern sagten: "Er ist alt genug; fragt ihn selbst!" So ließen sie denn den Mann, der blind gewesen war, zum zweitenmal rufen und richteten die Worte an ihn: "Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass jener Mensch ein Sünder ist." - "Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht", - entgegnete er - "aber das weiß ich, dass ich blind zur Welt kam und jetzt sehen kann." Wiederum stellten sie die Frage: "Was hat er denn mit dir gemacht? Auf welche Weise hat er dir die Augen geöffnet?" - "Ich habe es euch doch schon gesagt"; - erwiderte er - "und ihr habt es nicht beachtet; warum wollt ihr es denn noch einmal hören? Wollt etwa auch ihr seine Jünger werden?" Da stießen sie Schmähungen gegen ihn aus. "Sei du sein Jünger!" riefen sie; "wir sind des Mose Jünger. Wir wissen, dass Gott zu Mose gesprochen hat, und dass Gott Sünder nicht erhört; von diesem aber wissen wir nicht, woher er kommt." - "Es ist doch sehr merkwürdig", - sagte der Mann - "dass ihr nicht wissen solltet, woher dieser ist, wo er mir doch die Augen geöffnet hat. Es ist uns allen bekannt, dass Gott keinen Sünder erhört; nur wer gottesfürchtig ist und den Willen Gottes tut, den erhört er. Seit die Welt steht, hat man noch nicht gehört, dass jemand einen blind Gebornen sehend gemacht hat. Wenn also dieser Mann nicht von Gott käme, so könnte er nichts Derartiges vollbringen." Da riefen sie ihm zu: "Was? Du willst uns belehren, du ganz aus Sündenschlamm Geborener!" Und sie stießen ihn aus ihrer Religionsgemeinschaft aus. Jesus erfuhr, dass sie ihn in den Bann getan hatten. Als er ihn traf, richtete er die Frage an ihn: "Glaubst du an den Sohn Gottes?" - "Herr", entgegnete er - "wer ist das denn? Ich möchte ja so gern an ihn glauben!" - "Du hast ihn gesehen", - erwiderte ihm Jesus - "und der ist's, der jetzt mit dir redet!" - "Herr, ich glaube", - rief der Mann aus - und warf sich vor ihm nieder. Jesus fuhrt fort: "Um einen Urteilsspruch zu fällen, bin ich in diese Welt gekommen, demzufolge die, welche als blind galten, zu den Sehenden gerechnet zu werden, und, die sich für sehend hielten, zu den Blinden zu zählen sind." Diejenigen von den Pharisäern, die in seiner Nähe standen und sein Gespräch mit anhörten, wandten sich mit der Frage an ihn: "Werden wir etwa zu den Blinden gerechnet?" - "Wäret ihr wirklich blind", - antwortete er ihnen - "so würde euch dieser Blindheit nicht zur Sünde gerechnet; nun aber behauptet ihr, zu den Sehenden zu gehören, darum bleiben eure Sünden bestehen." "Ich gebe euch die Versicherung: Wer nicht durch die Türe in die Schafhürde hineingeht, sondern anderswo über die Hürde steigt, ist als Dieb und Räuber zu betrachten. Wer aber durch die Türe hineingeht, der ist der Hirt der Schafe. Ihm macht der Torhüter auf, und die Schafe hören auf seine Stimme. Er ruft seine Schafe bei Namen und führt Sie hinaus. Hat er alle, die ihm gehören, hinausgebracht, dann geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm auf dem Fuße; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden jedoch folgen sie keinen Schritt; im Gegenteil, sie ergreifen vor ihm die Flucht, weil sie die Stimme von Fremden nicht kennen." In diesem Gleichnis suchte Jesus ihnen seine Lehre klar zu machen; doch sie verstanden nicht, was er damit sagen wollte. Darum fuhr er fort: "Ich bin die Türe, durch die man zu den Schafen gelangt. Alle, die zuvor gekommen sind, waren Diebe und Räuber. Darum haben die Schafe nicht auf sie gehört. Ich bin die Türe. Wer durch mich in die Hürde geht, wird gerettet werden. Er wird aus- und eingehen und einen Weideplatz finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und Unheil anzurichten. Ich bin gekommen, damit sie ihre Nahrung bekämen und zwar reichlich bekämen. Ich bin der gute Hirt. Ein guter Hirt setzt sein Leben für seine Schafe ein. Der Mietling kann überhaupt nicht als Hirt angesehen werden; denn die Schafe sind nicht sein Eigentum. Sieht er einen Wolf kommen, dann lässt er die Schafe im Stich und ergreift die Flucht. Und der Wolf raubt sie und sprengt sie auseinander. Jener ist eben nur ein Mietling, und an den Schafen liegt ihm nichts. Ich jedoch bin der gute Hirt. Ich kenne meine Schafe und diese kennen mich, so wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne. Ich gebe mein Leben für die Schafe. Ich habe auch noch andere Schafe, die nicht zu meiner jetzigen Hürde gehören. Auch sie muss ich herbeiholen, und sie werden auf meine Stimme hören, und es wird dann eine Herde und ein Hirt sein. Der Vater hat mich deswegen so lieb, weil ich mein Leben hingebe, um es wiederzuerhalten. Niemand kann es mir mit Gewalt nehmen, sondern ich gebe es freiwillig hin. Ich bin ermächtigt, es hinzugeben und bin ermächtigt, es wieder an mich zu nehmen. Diese Ermächtigung habe ich von meinem Vater erhalten." Wegen dieser Worte kam es wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Juden. Viele von ihnen sagten: "Er ist von einem bösen Geist besessen und seiner Sinne nicht mehr mächtig. Warum hört ihr ihn überhaupt noch an?" Andere jedoch behaupteten: "Das ist nicht die Sprache eines Besessenen. Und zudem, kann etwa ein Besessener einem Blinden das Augenblick wiedergeben?" In Jerusalem wurde das Fest der Tempelweihe gefeiert. Es war Winter. Jesus ging in der sogenannten ' Halle Salamos' auf und ab. Da umringten ihn seine jüdischen Gegner und richteten die Frage an ihn: "Wie lange willst du uns noch in Ungewissheit lassen? Sage uns endlich mit klaren Worten: Bist du der Messias?," - "Ich habe es euch längst gesagt", - entgegnete Jesus - "aber ihr wollt es ja nicht glauben. Und doch beweisen die Werke, die ich im Auftrage meines Vaters vollbringe, es am besten, dass ich es bin. Aber weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört, darum glaubet ihr es nicht. Denn meine Schafe hören auf meine Stimme. Ich kenne sie genau, und sie folgen mir auf dem Fuße. Ich gebe ihnen künftiges Leben. Sie sollen nicht mehr länger dem Verderben preisgegeben sein. Denn niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gegeben hat, ist ja größer als alle. Niemand ist daher stark genug, ihm etwas aus der Hand zu nehmen. Nun aber stehe ich in der innigsten Gemeinschaft mit meinem Vater." Da hoben seinen jüdischen Feinde wiederum Steine auf, um ihn zu töten. Jesus trat ihnen mit den Worten entgegen: "In vielen wunderbaren Werken habe ich euch die Macht bewiesen, die ich vom Vater erhalten habe. Für welches dieser Werke wollt ihr mich nun steinigen?" - "Nicht wegen eines guten Werkes wollen wir dich steinigen", - antworteten die Gegner - "sondern wegen Gotteslästerung; denn du, der du doch nur ein Mensch bist, machst dich zu einem Gott." Jesus gab ihnen zur Antwort: "Steht nicht im Gesetz geschrieben: 'Ich habe gesagt: 'Ihr seid Götter!'?' - Wenn nun die Schrift diejenigen 'Götter' genannt hat, an die ein Auftrag Gottes erging, - und die Schrift sagt doch die Wahrheit - wie könnt ihr da mir, den doch der Vater weihte und als seinen Gesandten zur Welt schickte, Gotteslästerung vorwerfen, weil ich behauptete, ich sein ein 'Sohn Gottes'? - Entweder tue ich nicht die Werke meines Vaters, - und dann braucht ihr mir nicht zu glauben; oder ich tue sie, - dann müsst ihr wenigstens den Werken glauben, wenn ihr auch meinen Worten nicht glauben wollt. Denn durch meine Werke sollt ihr zu der Erkenntnis gelangen, dass der Vater in der Gemeinschaft mit mir ist, und ich in der Gemeinschaft mit dem Vater bin." Da suchten sie ihn festzunehmen; doch er entschwand ihren Händen. Nun begab er sich wieder nach dem Ostjordanland an die Stelle, wo Johannes zum erstenmal getauft hatte. Dort blieb er. Viele kamen zu ihm. Diese Leute unterhielten sich öfters darüber, dass Johannes zwar kein einziges Wunder gewirkt habe, dass aber alles sich als wahr erwiesen, was er über diesen Mann verkündete. So kamen auch dort viele zum Glauben an ihn. Ein Mann namens Lazarus lag krank danieder. Er wohnte in Bethanien, dem Heimatort der Maria und Martha. Diese waren seine Schwestern. Maria war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte. Ihr Bruder Lazarus war also, wie gesagt, krank. Die Schwestern sandten nun Boten zu Jesus und ließen ihm melden: "Herr, den du so gern hattest, er ist schwer erkrankt." Bei dieser Nachricht sagte Jesus: "Diese Krankheit wird nicht den Tod zur Folge haben, sondern dient zur Verherrlichung Gottes, und auch, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht werde. Jesus hatte Martha und ihre Schwester und Lazarus sehr lieb. Trotzdem blieb er auf die Nachricht von seiner Krankheit noch zwei Tage an der Stelle, wo er sich augenblicklich aufhielt. Dann erst sagte er zu seinen Jüngern: "Wir wollen wieder nach Judäa zurückkehren." - "Meister", - entgegneten ihm seine Jünger - "eben erst haben die Juden dich steinigen wollen, und du willst schon wieder dorthin gehen?" Doch Jesus gab ihnen zur Antwort: "Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn man bei Tage seine Wanderung macht, so tut - man keinen Fehltritt, weil man im Schein dieses irdischen Lichtes gut sehen kann; wandert man aber bei Nacht, dann tritt man gern fehl, weil bei Nacht kein Licht scheint." Nach diesen Worten fuhr er fort: "Unser Freund Lazarus ist eingeschlummert; aber ich gehe hin, um ihn aus dem Schlafe aufzuwecken." - "Herr", - erwiderten sie - "wenn er eingeschlummert ist, wird er wieder genesen." Jesus hatte seinen Todesschlaf gemeint; jene aber glaubten, er rede vom Schlummer des natürlichen Schlafes. Da sagte er ihnen denn offen heraus: "Unser Freund Lazarus ist gestorben. Und euretwegen bin ich froh, nicht dort gewesen zu sein, damit ihr glauben sollt; doch nun wollen wir zu ihm gehen." Darauf sagte Thomas, den man den 'Zwilling' nannte, zu seinen Mitaposteln: "Ja, wir wollen mitgehen und mit ihm sterben." Als Jesus nach Bethanien kam, hörte er, dass Lazarus schon vier Tage im Grabe lag. Da Bethanien nur ein Stündchen von Jerusalem entfernt war, hatten viele aus Jerusalem sich bei Martha und Maria eingefunden, um ihnen ihr Beileid zu dem Tode des Bruders zu bezeigen. Als nun Martha hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, während Maria zu Hause saß. "Herr", - sagte Martha zu Jesus - "wärest du hier gewesen, so wäre mein Bruder nicht gestorben; doch auch so weiß ich, dass Gott dir jede Bitte gewähren wird." - "Dein Bruder wird auferstehen!" - antwortete Jesus. "Ich weiß", entgegnete Martha - "dass er auferstehen wird bei seiner Auferstehung am letzten Tage." Jesus erwiderte ihr: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, wenn er auch gestorben ist; und jeder, der das Leben besitzt und den Glauben bewahrt, wird niemals mehr sterben. Glaubst du das?" - "Ja, Herr", - antwortete sie - "ich habe glauben gelernt, dass du der Messias bist - der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll." Nach diesen Worten eilte sie fort und rief ihre Schwester Maria, indem sie ihr leise ins Ohr sagte: "Der Messias ist da und lässt dich rufen!" Kaum hatte sie dies gehört, da sprang sie auf und ging eilends zu ihm. Jesus war nämlich nicht ins Dorf gegangen, sondern wartete an der Stelle, wo Martha ihn getroffen hatte. Als nun die Juden, die bei Maria im Hause waren und sie zu trösten suchten, sie so schnell aufstehen und wegeilen sahen, folgten sie ihr auf dem Fuße. Sie waren nämlich der Meinung, Maria wolle zum Grabe gehen und sich dort ausweinen. Sobald nun Maria zu der Stelle kam, wo Jesus sie erwartete, und seiner ansichtig wurde, fiel sie ihm zu Füßen. "Herr", - sagte sie unter Tränen zu ihm - "wärest du hier gewesen, so hätte mein Bruder wohl nicht zu sterben brauchen." Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden, die sie begleiteten, in Tränen ausbrachen, da wurde er plötzlich durch die Kraftwirkung eines Geistes Gottes so erschüttert, dass er erbebte. Er fragte: "Wohin habt ihr ihn gelegt?" Sie antworteten: "Komm und sieh!" Da weinte Jesus. Die Juden sagten unter sich: "Seht, wie lieb er ihn gehabt hat!" Einige machten jedoch die Bemerkung: "Hätte dieser, der doch dem Blinden das Augenlicht wiedergab, nicht auch machen können, dass Lazarus nicht zu sterben brauchte?" Während Jesus sich dem Grabe näherte, kam wiederum die innere Erschütterung über ihn. Das Grab war in einen Felsen eingehauen, und ein Stein lag davor. Da gab Jesus den Befehl, den Stein fortzunehmen. Martha, die Schwester des Toten, sagte zu ihm: "Herr, er wird wohl schon riechen; denn er ist bereits vier Tage tot." - "Habe ich dir nicht gesagt", - entgegnete Jesus - "dass du die Herrlichkeit Gottes schauen sollst, wenn du gläubiges Vertrauen hast?" Inzwischen hatten sie den Stein entfernt. Nun erhob Jesus seine Augen zum Himmel und betete: "Vater! Ich danke dir, dass du mich erhörst hast. Wohl wusste ich, dass du mich allezeit erhörst; aber mit Rücksicht auf die anwesende Volksmenge sprach ich diese Dankesworte, damit sie glauben sollen, dass du mich gesandt hast." Nach diesen Worten rief er mit lauter Stimme: "Lazarus, komm heraus!" Sofort kam der Verstorbene heraus, an Händen und Füßen mit Binden umwickelt und sein Gesicht mit einem Schweißtuch verhüllt. "Macht ihn los von diesen Hüllen", - gebot Jesus - "und lasst ihn sich frei bewegen!" Viele von den Juden, die zu Maria gekommen und Augenzeugen dessen geworden waren, was Jesus vollbrachte, glaubten an ihn. Einige von ihnen eilten jedoch sofort zu den Pharisäern und erzählten ihnen, was Jesus getan hatte. Daraufhin beriefen die Oberpriester und Pharisäer eine Versammlung des Hohen Rates. "Was sollen wir dagegen tun, dass dieser Mensch so gewaltige Wunderzeichen wirkt? Lassen wir ihn noch länger so gewahren, dann werden alle an ihn glauben; die Römer werden kommen und uns Land und Leute wegnehmen." Einer von ihnen, Kaiphas, der in diesem Jahre Hoherpriester war, ergriff das Wort. "Ihr versteht überhaupt nichts von dieser Sache"; - sagte er zu ihnen - "auch begreift ihr nicht, dass es viel besser für euch ist, wenn ein einziger für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zu Grunde geht." (Das sagte er aber nicht aus sich selbst, sondern als Hohepriester jenes Jahres weissagte er unbewusst, dass Jesus für das Volk sterben würde; und zwar nicht bloß für das Volk, sondern auch, um die überallhin zerstreuten Kinder Gottes zu einer großen Gemeinschaft wieder zu vereinigen.) Von diesem Tage an beratschlagten sie untereinander, auf welche Weise sie ihn umbringen könnten. Daher ließ Jesus sich nicht mehr öffentlich unter den Juden sehen, sondern zog sich von dort in die Gegend Samphuris in der Nähe der Wüste nach einer Stadt namens Ephraim zurück. Dort hielt er sich mit seinen Jüngern längere Zeit auf. Zu dem bevorstehenden Osterfest der Juden machten sich viele vom Lande schon vor Beginn des Festes auf den Weg nach Jerusalem, um sich einer Weihe zu unterziehen. Sie fragten auch nach Jesus, und er bildete bei der Volksmenge, die sich auf dem Tempelplatz anzusammeln pflegte, das Tagesgespräch. Einer fragte den andern: "Was ist deine Ansicht? Wird er wohl zum Feste kommen?" Die Oberpriester und Pharisäer hatten nämlich bekannt machen lassen, dass jeder, der seinen Aufenthalt wisse, darüber Anzeige erstatten solle, damit man ihn festnehmen könne. Sechs Tage vor dem Osterfest kam Jesus nach Bethanien, wo Lazarus wohnte, der tot gewesen war, den er aber von den Toten wieder auferweckte hatte. Ihm zu Ehren gab man dort ein Festmahl, bei dem Martha die Gäste bediente. Von den Teilnehmern an dem Mahle war Lazarus der einzige, der mit ihm zusammen an demselben Tischchen lag. Da nahm Maria ein Pfund echte, sehr teure Nardensalbe, goss sie über Jesus Füße und trocknete diese mit ihrem Haar ab. Das ganze Haus wurde von dem Duft der Salbe erfüllt. Einer aus der Zahl seiner Jünger - es war Judas aus Kariot, derselbe, der ihn später verraten sollte - machte die Bemerkung: "Warum hat man diese Salbe nicht für dreihundert Silberlinge verkauft und den Erlös den Armen gegeben?" Das sagte er jedoch nicht aus Fürsorge für die Armen, sondern weil er ein Dieb war; er führte die Kasse und pflegte eingegangene Beträge zu unterschlagen. "Lass sie in Ruhe!" - entgegnete Jesus; "sie soll diese Salbung an mir vollziehen für den Tag meiner Bestattung." - - - Bald war es allgemein bekannt, dass er dort war, und große Scharen der Juden eilten hin; aber nicht allein um Jesu willen, sondern auch um den Lazarus zu sehen, den er von den Toten auferweckt hatte. Darum beschlossen die Oberpriester, auch den Lazarus umzubringen; denn wegen ihm gingen viele Juden dorthin und kamen so zum Glauben an Jesus. Am folgenden Tage hörten die Volksscharen, die zum Osterfest gekommen waren, dass Jesus auf dem Wege nach Jerusalem sei. Da nahmen sie Palmzweige und zogen ihm entgegen, indem sie immer wieder riefen: "Hosanna! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn, - der König von Israel! Jesus hatte ein Eselfüllen gefunden und sich darauf gesetzt, wie es in der Schrift geschrieben steht: "Fürchte dich nicht, Tochter Sion! Sieh, dein König kommt und reitet auf einem Eselfüllen!" Diese Worte kamen denen, die um ihn waren, zunächst noch nicht in den Sinn. Erst als Jesus in seine Herrlichkeit eingegangen war, wurde es ihnen klar, dass jene Worte sich auf ihn bezogen und bei ihm sich auch erfüllt hatten. Die große Menschenmenge, die als Augen- und Ohrenzeugen dabeigestanden hatte, als er Lazarus aus dem Grabe hervorrief und so von den Toten erweckte, trat überall als Zeuge dafür auf. Und gerade deswegen zogen ihm jetzt so viele Menschen entgegen, weil sie erfahren hatten, dass er dieses Wunderzeichen gewirkt hatte. Da sagten die Pharisäer unter sich: "Ihr seht ja, dass ihr nichts ausrichten könnt; schaut, die ganze Welt läuft ihm nach!" Unter denen, die nach Jerusalem hinaufgingen, um am Osterfest ihre religiöse Pflicht zu erfüllen, befanden sich auch einige Griechen. Diese wandten sich an Philippus, weil er aus Bethsaida in Galiläa stammte, mit der Bitte: "Herr, wir möchten Jesus gern sehen!" Philippus ging zu Andreas und teilte es diesem mit. Beide gingen zusammen zu Jesus und trugen ihm das Anliegen vor. Jesus gab ihnen zur Antwort: "Die Stunde ist da, wo der Menschensohn verherrlicht wird. Glaubet mir, wenn das Weizenkorn nicht in die Erde gelegt wird und stirbt, so bleibt es nur ein einziges Körnchen; stirbt es aber, dann entstehen viele Körner daraus. Wer an das diesseitige Leben sein Herz hängt, der wird das jenseitige Leben verlieren; wem aber das Leben und Treiben in dieser Welt zuwider ist, der wird sich das jenseitige Leben als das wahre Leben für die Zukunft sichern. Will jemand mein Diener sein, so muss er meinen Weg gehen; denn dort wo ich bin, da soll auch mein Diener sein. Wenn jemand mein Diener ist, so wird mein Vater ihn zu Ehren bringen. In diesem Augenblick ist meine Seele tief erschüttert. Aber sollte ich deswegen etwa sagen: Vater, befreie mich aus dieser Leidensstunde? Nein; vielmehr, um zu leiden, bin ich ja gerade in diese Stunde hineingeführt worden. Vater, verherrliche deinen Sohn mit der Herrlichkeit, die er bei dir hatte, ehe das Weltall ins Dasein trat!" Da erscholl eine Stimme vom Himmel: "Ich hatte ihn verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen!" Von der anwesenden Volksmenge, welche die Stimme gehört hatte, behaupteten die einen, es habe gedonnert; andere sagten: "Ein Engel hat mit ihm geredet!" - "Nicht meinetwegen kam diese Stimme", - antwortete Jesus - "sondern euretwegen. Jetzt fällt die Entscheidung über diese Welt; jetzt wird der Beherrscher dieser Welt seines Herrscherrechtes beraubt werden. Und wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alles auf meine Seite ziehen." (Mit diesen Worten wollt er andeuten, welche Todesart er erleiden würde.) Aus der Menge hielt man ihm den Einwand entgegen: "Wir haben aus der Schrift gelernt, dass der Messias in alle Zukunft leben wird; wie kannst du also behaupten, der Menschensohn müsse zuerst erhöht werden? Wer ist denn dieser Menschensohn?" Jesus gab ihnen zur Antwort: "Nur noch kurze Zeit ist das Licht unter euch. Leget euren Weg zurück, solange ihr es besitzet, damit nicht die Finsternis euch überrascht; denn wer im Finstern wandern muss, weiß nicht, wohin sein Weg führt! Solange ihr das Licht besitzet, vertrauet auf das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet!" Nach diesen Worten entfernte er sich und hielt sich vor ihnen verborgen. Trotz aller Wundertaten, die er vor ihren Augen wirkte, glaubten sie doch nicht an ihn. An ihnen sollte sich das Wort des Propheten Isaja erfüllen: "Herr, wer hat unserer Botschaft Glauben geschenkt, und wem ist es klar geworden, dass der Arm des Herrn eingriff?" Sie konnten aus dem Grunde nicht zum Glauben kommen, den Isaja an einer andern Stelle in den Worten aussprach: "Er hat ihnen die Augen geblendet und die Herzen unempfänglich gemacht, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Herzen nicht zur Erkenntnis gelangen und sich nicht bekehren sollen, und ich sie nicht heilen könnte." Diese Worte sprach Isaja damals, als er die Herrlichkeit seines Gottes sah und über das Walten Gottes weissagte. Gleichwohl glaubten auch viele von den Führern des Volkes an ihn; doch aus Furcht vor den Pharisäern wagten sie nicht, es offen zu bekennen, um nicht in den Bann getan zu werden. Denn an der Ehre bei den Menschen lag ihnen mehr als an der Ehre bei Gott. Jesus erklärte laut und feierlich: "Wer an mich glaubt, der glaubt in Wirklichkeit nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat; und wer mich sieht, sieht den, dessen Gesandter ich bin. Als ein Licht bin ich in die Welt gekommen, damit keiner, der an mich glaubt, in der Finsternis zu bleiben braucht. Sollte einer meine Worte bloß anhören, sie aber nicht befolgen, so fälle ich kein Strafurteil über ihn. Ich bin ja nicht gekommen, um die Welt zu verurteilen, sondern zu retten. Wer mich von sich weist und meine Lehre nicht annehmen will, der hat sich damit sein Urteil selbst bestimmt. Die Lehre, die ich ihm vorgetragen, wird für ihm am letzten Tage sein Strafurteil enthalten. Ich habe diese Lehre ja nicht aus mir verkündet; mein Vater, der mich sandte, ist es, der mich beauftragte, was ich lehren und in welche Worte ich die Lehre kleiden solle. Ich weiß, dass sein Auftrag künftiges Leben vermitteln will. Was ich also rede, bringe ich in der Weise vor, wie es mein Vater mir aufgetragen." Es war am Vorabend des Osterfestes. Jesus wusste, dass jetzt die Stunde für ihn gekommen war, wo er die Welt verlassen und zum Vater gehen sollte. Die, welche er in der Welt die Seinen nannte, hatte er stets geliebt, und diese Liebe bewahrte er ihnen bis zum letzten Atemzuge. Sie saßen beim Ostermahle. Bereits hatte der Teufel im Herzen des Judas, des Simon Sohn aus Kariot, den Entschluss reifen lassen, den Meister zu verraten. Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte; er wusste, dass er von Gott gekommen und im Begriffe stand, wieder zu ihm zurückzukehren. Trotzdem stand er vom Mahle auf, legte sein Oberkleid ab, nahm eine linnene Schürze und band sie sich um; dann goss er Wasser in ein Waschbecken und begann seinen Jüngern die Füße zu waschen und sie mit der umgebundenen Schürze abzutrocknen. Als er nun zu Simon Petrus kam, wehrte dieser ab mit den Worten: "Herr, du willst mir die Füße waschen?" - "Was ich tue, verstehst du jetzt nicht", - erwiderte Jesus - "nachher aber wirst du seine Bedeutung erkennen." Doch Petrus antwortete: "Herr, nie und nimmer sollst du mir die Füße waschen!" - "Wenn ich dir die Füße nicht waschen darf", - entgegnete Jesus - "dann bist du aus meiner Gemeinschaft ausgeschlossen." "Herr", - sagte da Petrus - "dann wasche mir nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!" - "Wer sich gebadet hat", - gab ihm Jesus zur Antwort - "der braucht sich nicht mehr den Kopf zu waschen, sondern nur die Füße, um völlig rein zu sein. Auch ihr seid rein, doch nicht alle." Er kannte nämlich seinen Verräter. Als er die Fußwaschung beendet hatte, zog er sein Oberkleid wieder an und legte sich an seinen Platz. Dann sagte er zu ihnen: "Versteht ihr die Bedeutung dessen, was ich euch soeben getan habe? Ich nennt mich 'Meister' und 'Herr'; und dies mit Recht; denn ich bin es. Wenn ich nun als euer Herr und Meister euch die Füße gewaschen habe, um wie viel mehr müsst dann auch ihr einander die Füße waschen. Ein Beispiel wollte ich euch also geben, damit ihr ebenso handelt, wie ich euch gegenüber gehandelt habe. Ich sage euch, ein Knecht ist nicht mehr als sein Herr, und ein Sendbote nicht mehr als der, welcher ihn gesandt hat. Wenn ihr euch dessen bewusst bleibet und danach handelt, dann seid ihr glücklich zu preisen. Leider kann ich das nicht von euch allen sagen. Ich kenne ja die Herzen derer, die ich mir ausgewählt habe. Aber bei der Auswahl musste auch der Erfüllung der Schriftstelle Rechnung getragen werden: 'Der mit mir das Brot isst, hat seine Verse wider mich erhoben.' Schon jetzt, noch ehe diese Schriftstelle in Erfüllung geht, mache ich euch darauf aufmerksam. Wenn es dann eintrifft, soll es für euch ein Beweis mehr sein, durch den euer Glaube an mich befestigt wird. Ich sage euch: Wer den aufnimmt, den ich sende, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat." Nach diesen Worten wurde seine Seele von tiefstem Schmerz ergriffen, als er sich mit der Beteuerung an sie wandte: "Ich muss euch sagen: Einer von euch wird mich verraten!" Da sahen sich die Jünger einander an und konnten sich gar nicht denken, von wem er spreche. Nun lag einer der Jünger dicht an der Seite Jesu, Es war der, den Jesus besonders lieb hatte. Diesem gab Petrus einen Wink, er möchte doch zu erfahren suchen, wer derjenige sei, von dem er spreche. Da neigte sich dieser zur Brust Jesu und fragte ihn leise: "Herr, wer ist's?" Jesus flüsterte ihm die Worte zu: "Der ist's, dem ich den Bissen reichen werde, den ich jetzt in die Schüssel tauche," Dann tauchte er den Bissen ein und reichte ihn dem Judas, dem Sohne Simons aus Kariot. Als dieser den Bissen gegessen hatte, fuhr der Satan in ihn. Da sagte Jesus zu ihm: "Was du tun willst, das tue bald!" Keiner von den Anwesenden wusste, weshalb er dies zu ihm sagte. Verschiedene meinten, weil Judas die Kasse führte, wolle Jesus ihm sagen: Kaufe das noch schnell ein, was wir für das Fest nötig haben; andere fassten es so auf, als ob er den Armen etwas geben solle. Als jener nun den Bissen verzehrt hatte, verließ er sofort den Saal und trat in die dunkle Nacht hinaus. Als er fort war, sagte Jesus: "Jetzt wurde der Menschensohn verherrlicht und in ihm Gott selbst. Aber auch Gott wird ihn von sich aus verherrlichen und zwar wird diese Verherrlichung sogleich erfolgen. Meine Kinder, nur noch eine kleine Weile bin ich bei euch. Dann werdet ihr mich suchen; aber was ich den Juden schon gesagt habe, das sage ich jetzt auch euch, nämlich: 'Wohin ich gehe, dahin könnt ihr nicht kommen.' Ein neues Gebot gebe ich euch: 'Ihr sollt einander lieben! Und zwar sollt ihr einander so lieben, wie ich euch lieb habe.' Daran soll jeder euch als meine Jünger erkennen können, dass ihr einander liebet!" Da fragte ihn Simon Petrus: "Herr, wohin gehst du denn?" Jesus antwortete ihm: "Wohin ich gehe, dahin kannst du jetzt nicht mit mir gehen. Erst später wirst du mir folgen." - "Herr", - fragte Petrus -"warum soll ich jetzt nicht mit dir gehen können? Ich bin doch bereit, mein Leben für dich hinzugeben." - "Wie? Dein Leben willst du für mich hingeben?" - erwiderte Jesus. "Ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bevor du mich dreimal verleugnet hast!" Dann wandte er sich wiederum an alle Jünger und fuhr fort: "Werdet nicht mutlos! Habet Gottvertrauen, dann werdet ihr auch Vertrauen zu mir haben! Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben. Weil ich nun hingehe, werde ich für euch eine Stätte herrichten lassen; und wenn ich dort bin und einen Platz für euch bereitgestellt habe, dann kehre ich zurück und nehme euch zu mir, damit auch ihr seid, wo ich bin. Wohin ich gehe, wisst ihr ja, und auch den Weg dahin kennt ihr." Da sagte Thomas mit dem Beinamen der 'Zwilling' zu ihm: "Herr, wir wissen ja gar nicht, wohin du gehst; wie sollten wir da den Weg dahin kennen?" - "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", entgegnete Jesus. "Niemand kommt zum Vater, außer durch mich. Würdet ihr mich wirklich kennen, so würdet ihr auch meinen Vater kennen. Von jetzt ab kennt ihr ihn und habt ihn gesehen." "Herr, so zeige uns doch den Vater!" - sagte Philippus zu ihm; "dann sind wir zufrieden." Jesus gab ihm zur Antwort: "Eine so lange Zeit bin ich schon mit euch zusammen, und du kennst mich immer noch nicht, Philippus? Wer mich gesehen hat, der hat auch den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen: 'Zeige uns den Vater'? Glaubst du denn nicht, dass ich in der Gemeinschaft mit dem Vater bin und der Vater mit mir? Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, redete ich ja nicht von mir aus; der Vater, der in ständiger Verbindung mit mir ist, - er vollbringt die Werke. Ja, glaubet es nur, dass eine innige Gemeinschaft zwischen mir und dem Vater und dem Vater und mir besteht. Wenn ihr meinen Worten nicht glauben wollt, dann glaubt wenigstens um der Werke selbst willen. Ich versichere euch: Wer an mich glaubt, wird dieselben Werke verrichten können; die ich verrichte; ja, er wird noch größere vollbringen; denn ich gehe zum Vater. Und was ihr in meinem Namen erbittet, das werde ich gewähren, damit der Vater im Sohne geehrt werde. - - - Wenn ihr mich liebt, so haltet auch meine Gebote! Dann werde ich den Vater bitten, und er wird euch einen andern Helfer geben; der soll für die Zukunft mit euch zusammen sein. Dieser Helfer ist die Geisterwelt der Wahrheit. Die Welt kann sie nicht empfangen, weil sie die Geisterwelt nicht sieht und nicht kennt. Ihr werdet sie kennen lernen; denn bei euch wird sie bleiben und zu eurer Gemeinschaft gehören. Ich lasse euch nicht verwaist zurück, sondern komme wieder zu euch. Nur noch eine kleine Weile, und die Welt sieht mich nicht mehr. Ihr aber seht mich; denn ich lebe, und auch ihr werdet das Leben erlangen. An jenem Tage wird es euch klar werden, dass ich in inniger Gemeinschaft mit dem Vater lebe, und dass ihr in derselben Gemeinschaft mit mir steht und ich mit euch. Wer meine Gebote kennt und danach handelt, der ist es, der mich liebt. Und wer mich liebt, der wird auch von meinem Vater geliebt werden. Auch ich werde ihm meine Liebe beweisen und mich ihm so kundtun, dass er meine Gegenwart wahrnehmen kann." Da fragte ihn Judas - (nicht der aus Kariot): "Herr, aus welchem Grunde willst du dich bloß uns kundtun und nicht der Welt?" Jesus erwiderte: "Wenn einer mich liebt, wird er auch nach meiner Lehre handeln, und mein Vater wird ihm seine Liebe beweisen. Ich selbst werde zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer mich nicht liebt, der hält auch nicht an meiner Lehre fest. Zwar ist die Lehre, die ihr von mir hört, nicht meine Lehre, sondern die Lehre des Vaters, der mich gesandt hat. Das musste ich euch noch sagen, solange ich noch bei euch bin. Nachher kommt der Helfer, die heilige Geisterwelt, die der Vater in meinem Namen senden wird. Sie wird euch über alles Weitere belehren und euch auch alles das ins Gedächtnis zurückrufen, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht was die Welt unter Frieden versteht, gebe ich euch. Seid nicht mutlos und verzagt! Ihr höret ja, dass ich euch sagte: Ich gehe fort, komme aber wieder zu euch. Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe. Denn der Vater ist größer als ich. Nun habe ich es euch gesagt, bevor es eintrifft, damit ihr fest im Glauben bleiben sollt, sobald es sich erfüllt. Viel kann ich nicht mehr mit euch reden; denn der Herrscher dieser Welt ist bereits zum Anzug. Bei mir kann er freilich nichts finden, was ihm gehört. Nur deswegen werde ich ihm preisgegeben, damit die Welt erkennt, dass ich den Vater liebe und alles so ausführe, wie der Vater es mir auftrug." "Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, entfernt er; jede fruchtbare Rebe aber reinigt er, damit sie noch mehr und bessere Frucht trage. Ihr seid bereits gereinigt infolge der Lehre, die ich euch verkündete. Bleibet also in mir, so bleibe ich in euch. Wie die Rebe nicht aus sich allein, also getrennt von dem Weinstock, Frucht bringen kann, so könnt auch ihr es nicht, wenn ihr nicht mit mir vereint bleibt. Denn ich gleiche dem Weinstock und ihr den Reben. Wenn einer mit mir vereint bleibt und ich mit ihm, dann wird er reichlich Frucht bringen. Denn von mir getrennt, könnt ihr nichts tun. Wer sich von mir trennt, wird fortgeworfen, wie man eine abgerissene Rebe fortwirft, und verdorrt. Die verdorrten Reben pflegt man zu sammeln und ins Feuer zu werfen, wo sie brennen. Wenn ihr mit mir vereint bleibt und an meiner Lehre festhaltet, so möget ihr bitten, um was ihr wollt, es wird euch gewährt werden. Dadurch würde mein Vater verherrlicht, wenn ihr reichlich Frucht brächtet und euch als meine wahren Jünger bewieset. Wie mich der Vater liebte, so liebte ich euch. Bewahret mir eure Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in der Liebe zu mir verharren, so wie ich, der ich die Gebote meines Vaters befolge, in der Liebe zu ihm verharre. Das habe ich euch deshalb gesagt, damit ich meine Freude an euch hätte, und eure eigene Freude dadurch vollständig würde. Das ist mein Gebot, dass ihr einander so lieben sollt, wie ich euch liebte. Die größte Liebe hat der, welcher sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr gehört ja dann zu meinen Freunden, wenn ihr tut, was ich euch aufgetragen habe. Ich nenne euch nicht mehr Knechte. Denn der Knecht wird über das in Unwissenheit gelassen, was sein Herr tut. Ich habe euch deshalb meine Freunde genannt, weil ich euch alles mitteilte, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, hinzugehen und Frucht zu bringen, und zwar eine bleibende Frucht, damit der Vater auch euch alles das gewähren kann, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. Vor allem das eine möchte ich euch dringend ans Herz legen: Liebet einander! - Wenn die Welt euch hasst, so sollt ihr daran denken, dass sie mich zuerst gehasst hat. Wenn ihr zur Welt gehörtet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieb haben. Da ihr aber nicht zur Welt gehört, sondern ich euch aus der Welt ausgelesen habe, darum hasset euch die Welt. Erinnert euch der Worte, die ich zu euch sprach: 'Der Knecht ist nicht mehr als sein Herr.' Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen. Haben sie mein Wort nicht befolgt, so werden sie auch das eurige nicht befolgen. Nur wegen mir werden sie euch gegenüber ein solches Verhalten an den Tag legen. Sie kennen den ja nicht, der mich gesandt hat. Wäre ich nicht zu ihnen gekommen und hätte ihnen nicht gepredigt, dann würden sie sich keiner Sünde schuldig gemacht haben. So aber können sie keine Entschuldigung für die von ihnen begangene Sünde vorbringen. Denn wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater. Wenn ich nicht Werke unter ihnen getan hätte, wie sie bisher noch keiner vollbringen konnte, so würden sie sich nicht versündigt haben. Nun aber sahen sie das alles mit eigenen Augen, und trotzdem hassten sie sowohl mich als auch meinen Vater. Aber es musste ja das Wort erfüllt werden, das in ihrem Gesetze steht. Es lautet: 'Sie haben mich ohne Grund gehasst.' Wenn aber die Helferin kommt, die ich euch vom Vater her senden werde, die Geisterwelt der Wahrheit, die aus dem Reich des Vaters kommt, die wird Zeugnis für mich ablegen. Aber auch ihr seid Zeugen für mich, weil ihr von Anfang an mit mir zusammen wart." "Ich teilte euch dies alles mit, damit ihr in eurer Überzeugung nicht wankend werdet. Denn man wird euch in den Bann tun. Ja, es kommt die Zeit, wo jeder, der euch tötet, Gott damit einen Dienst zu erweisen glaubt. Sie werden euch deswegen so behandeln, weil sie weder den Vater noch mich kennen. Doch ich habe es euch vorhergesagt, damit ihr euch meiner Worte erinnern sollt, sobald jene Stunde da ist. Bisher habe ich darüber geschwiegen; denn ich war ja noch selbst bei euch. Jetzt aber musste ich es euch sagen, weil ich zu dem gehe, der mich gesandt hat. Und keiner von euch fragt mich: 'Wohin gehst du?' - sondern euer Herz ist übervoll von Traurigkeit, weil ich euch diese Mitteilung machte. Aber wirklich, - es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, wird der Helfer nicht zu euch kommen. Wenn ich aber hingegangen bin, werde ich ihn zu euch senden. Sobald er kommt, wird er der Welt die Augen öffnen über Sünde, Rechttun und Gottes Gericht: Über 'Sünde', die deshalb auf ihnen lastet, weil sie nicht an mich glauben; über 'Rechttun' weil ich als Vorbild des Rechttuns zum Vater gehe, und ihr mich nicht länger sehet; über 'Gottes Gericht', das dann schon über den Herrscher dieser Welt ergangen sein wird. - Ich hätte euch noch vieles zu sagen; doch ihr könnt es jetzt nicht tragen. Sobald aber jene Geisterwelt der Wahrheit gekommen ist, - die wird euch in jeder Wahrheitsfrage den rechten Weg zeigen. Sie wird nicht von sich selbst reden, sondern nur das, was sie selbst erfährt, wird sie aussprechen und euch das verkünden, was euch dienlich ist. Sie wird für meine Ehre eintreten; denn von dem Meinigen wird sie nehmen und es euch mitteilen. Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Darum sagte ich, dass sie es von dem Meinen nehmen und es euch verkünden wird. - Nur noch eine kleine Weile, und ihr sehet mich nicht mehr; und ein wenig später werdet ihr mich wiedersehen." Da sagten einige von seinen Jüngern zu einander: "Was meint er eigentlich mit den Worten: 'Nur noch eine kleine Weile, und ihr sehet mich nicht mehr und ein wenig später werdet ihr mich wieder sehen'? Was meint er ferner mit den Worten: 'Ich gehe zum Vater'? was will er nur damit sagen: 'Noch eine kleine Weile'? Wir verstehen diese Worte nicht." Jesus merkte, dass sie ihn fragen wollten und sagte daher zu ihnen: "Ihr sucht voneinander zu erfahren, was meine Worte 'Nur noch eine kleine Weile und ihr sehet mich nicht mehr, und ein wenig später werdet ihr mich wiedersehen' zu bedeuten hätten. Dazu möchte ich nur folgendes sagen: 'Ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, aber eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden. - Wenn eine Frau gebären soll, bekommt sie Angst, sobald der Tag ihrer Niederkunft da ist. Hat sie jedoch das Kind geboren, so denkt sie nicht mehr an die ausgestandenen Schmerzen vor lauter Freude, dass sie einem Kinde das Leben schenkte. So seid auch ihr jetzt voll Trauer; wenn ich euch aber später wiedersehen werde, dann wird euer Herz voll Freude sein, und diese Freude wird euch niemand mehr rauben können. An jenem Freudentage werdet ihr keinerlei Bitte an mich richten. Denn seid überzeugt: Wenn ihr als meine Jünger den Vater um etwas bitten werdet, so wird er es euch gewähren. Bisher habt ihr ihn noch nie um etwas gebeten, indem ihr in eurem Gebet darauf hinwieset, dass ihr meine Jünger seid. Bittet doch in dieser Weise, und ihr werdet das Erbetene empfangen, damit eure Freude eine vollständige wird." "Bisher habe ich in Sinnbildern zu euch gesprochen. Es kommt jedoch die Stunde, wo ich nicht mehr in Sinnbildern zu euch reden, sondern mit klaren Worten euch über den Vater belehren werde. Dann werdet ihr ihn als meine Jünger bitten, und ich brauche dem Vater für euch keine Bitte mehr vorzutragen. . Denn der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich liebtet und an der Überzeugung festhieltet, dass ich vom Vater her herabgekommen bin. Ich kam in die Welt; nun verlasse ich wieder die Welt und gehe zurück zum Vater." Da sagten die Jünger: "Siehe, jetzt sprichst du mit klaren Worten und bedienst dich keines Gleichnisses. Jetzt wissen wir, warum du alles weißt, und warum es nicht einmal nötig ist, dass man eine Frage an dich stellt. Infolgedessen glauben wir, dass du von Gott herkamst." Jesus gab ihnen zur Antwort: "Jetzt glaubt ihr? Aber es kommt eine Stunde, und sie ist schon sehr nahe, wo ihr alle auseinandergetrieben werdet, indem ein jeder von euch nur an das eigene Wohl denkt, und ihr mich ganz allein lasset. Doch ich bin nicht allein; denn der Vater ist bei mir. Das habe ich euch mitgeteilt, damit ihr den Frieden nur in der Gemeinschaft mit mir zu erlangen trachtet. In der Welt werdet ihr zwar äußere Bedrängnis zu erdulden haben; aber nur Mut! Ich habe die Welt besiegt." Zum Schluss richtete Jesus seine Blicke zum Himmel und betete: "Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrlichen kann! Du hast ihm ja die Macht über die ganze Schöpfung gegeben, damit alles, was du seiner Hand anvertrautest, zukünftiges Leben erlange. Das ist der Weg zum künftigen Leben, dass sie dich als den allein wahren Gott anerkennen und Jesus als den Messias, den du in diese Welt sandtest. Ich bin hier auf Erden für deine Ehre eingetreten und habe das Werk vollendet, dessen Ausführung du mir aufgetragen hast. Und nun, Vater, gib mir die Herrlichkeit wieder, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Deinen Namen offenbarte ich diesen Männern, die du mir aus der Welt zuteiltest. Dir gehörten sie, und mir gabst du sie. Sie haben dein Wort befolgt. Jetzt wissen sie, dass alles, was du mir verliehen hast, von dir stammt. Denn was du mir an Lehren mitteiltest, das gab ich an sie weiter. Sie haben diese Lehren auch angenommen und in Wahrheit erkannt, dass ich von dir kam; sie haben die Überzeugung gewonnen, dass du es bist, der mich gesandt hat. Ich bitte nun für sie. Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, welche du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. Was mein ist, gehört ja alles dir und das Deinige mir, und du hast mich in ihnen verherrlicht. Ich bin nicht mehr lange in der Welt. Aber diese müssen noch in der Welt bleiben, während ich zu dir komme. Wenn ich auch nicht als Mensch länger in der Welt bleibe, so bleibe ich doch auf andere Weise in der Welt. - Heiliger Vater, erhalte die, welche du mir gegeben hast, in deiner Lehre, damit sie eins sind, so wie wir es sind. Solange ich in ihrer Mitte weilte, hielt ich die, welche du mir gabest, treu an deiner Lehre und wachte über sie. Keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens; und dies geschah, damit die Schrift erfüllt würde. Jetzt aber komme ich zu dir; und diese Worte spreche ich nur deshalb noch in der Welt aus, damit die Freude, die ich besitze, auch in ihnen in ganzer Fülle sich fühlbar mache. Deine Wahrheit habe ich in ihr Herz gelegt. Weil sie nicht aus der Welt stammen, hat die Welt sie gehasst. Ich bitte nicht darum, dass du sie aus der Welt wegnehmen sollst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahren mögest; denn sie gehören ebenso wenig der Welt an, wie ich der Welt angehöre. Heilige sie durch die Wahrheit! Dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt sandtest, so habe ich auch sie in die Welt gesandt. Für sie heilige ich mich, damit auch sie durch Befolgung der Wahrheit geheiligt sind. - Ich bitte aber nicht nur für diese, sondern auch für die, welche durch ihre Predigt zum Glauben an mich kommen werden. Gib, dass auch sie alle eine Einheit bilden, so wie du, Vater, mit mir vereint bist und ich mit dir, damit auch sie mit uns in dieselbe Gemeinschaft treten, auf dass die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast. Ich habe die Herrlichkeit, die du mir gabst, auch ihnen verliehen, damit sie dieselbe Einheit bilden, die zwischen uns beiden besteht: ich mit ihnen vereint und du mit mir, so dass sie die höchste Vollendung der Einheit erlangen; dadurch soll die Welt erkennen, dass du mich gesandt hast, und ich sie so liebte, wie du mich liebtest. Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gabst, damit sie die Herrlichkeit sehen, die du mir verliehen. Denn schon vor Grundlegung der Welt liebtest du mich. Gerechter Vater, die Welt kannte dich nicht, ich aber kannte dich, und auch diese haben eingesehen, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn auch fernerhin kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebtest, in ihnen bleibe und ich in ihrer Mitte. - Stehet auf! Wir wollen jetzt gehen!" Nach diesen Worten verließ Jesus mit seinen Jüngern den Saal und ging über den Bach Kidron. Dort befand sich ein Garten, in den er und seine Jünger eintraten. Auch Judas, der ihn verraten wollte, war diese Stelle bekannt, weil Jesus mit seinen Jüngern dort oft zusammen war. Judas hatte die Schutzmannschaft und die Knechte der Oberpriester und Pharisäer zur Verfügung gestellt bekommen und machte sich mit ihnen dorthin auf den Weg. Alle trugen Fackeln, Laternen und Waffen. Da Jesus sein ganzes Schicksal vorauswusste, trat er vor sie hin und fragte sie: "Wen suchet ihr?" - "Jesus von Nazareth!" - entgegneten sie. "Der bin ich!" - war seine Antwort. Auch Judas, der Verräter, stand mitten unter ihnen. Als nun Jesus zu ihnen sagte: "Der bin ich", wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da wiederholte er die Frage "Wen suchet ihr?" Sie antworteten: "Jesus von Nazareth!" - "Ich habe es euch schon gesagt, dass ich es bin", - erwiderte Jesus. "Wenn ihr also mich suchet, so lasst diese hier in Ruhe sich entfernen!" So sollte sich sein Ausspruch bewahrheiten, den er kurz bevor getan hatte, als er sagte: "Ich ließ keinen von denen, die du mir gabst, verloren gehen." Da zog Simon Petrus das Schwert, das er bei sich trug, und schlug damit nach dem Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab. Der Knecht hieß Malchus. Da wandte sich Jesus an Petrus mit den Worten: "Stecke dein Schwert in die Scheide! Oder soll ich etwa nicht den Kelch trinken, den mein Vater mir gereicht hat?" Nun nahm die Schutzmannschaft, die unter dem Befehl eines Oberst stand, sowie die Knechte der jüdischen Führer Jesus gefangen und fesselten ihn. Zuerst führten sie ihn zu Hannas; dieser war der Schwiegervater des Kaiphas, der in diesem Jahre Hoherpriester war. Kaiphas war derselbe, der den Juden den Rat gegeben hatte, es sei besser, wenn nur einer sterbe, als dass das ganze Volk zu Grunde gehe. Simon Petrus und ein anderer Jünger gingen hinter Jesus her. Dieser andere Jünger war mit dem Hohenpriester bekannt und ging daher mit Jesus in den hohenpriesterlichen Palast, während Petrus draußen vor der Türe stehen blieb. Da ging der andere Jünger, der mit dem Hohenpriester bekannt war, hinaus und redete mit der Türhüterin, und diese ließ den Petrus herein. Nun wandte sich diese Türhüterin mit der Frage an Petrus: "Gehörst du nicht auch zu den Jüngern dieses Menschen?" "Nein!" - erwiderte Petrus. Die Knechte und Diener hatten sich wegen der Kälte ein Kohlenfeuer angezündet und standen um das Feuer herum und wärmten sich. Auch Petrus stellte sich zu ihnen, um sich zu wärmen. Der Hohepriester fragte Jesus inzwischen über seine Jünger und seine Lehre aus. Jesus gab ihm zur Antwort: "Ich predigte in der Öffentlichkeit, so dass alle Welt mich hören konnte. Ich lehrte beständig in den Synagogen und im Tempel, wo alle Juden sich zu versammeln pflegen. Im Geheimen trug ich keinerlei Lehre vor. Warum fragst du mich also? Frage doch die, welche meine Reden mitangehört haben. Die müssen doch wissen, was ich gesprochen." Bei diesen Worten gab einer von den anwesenden Dienern Jesus einen Schlag ins Gesicht. "Antwortest du so dem Hohenpriester?" - rief er aus. Jesus entgegnete: "Wenn ich in ungehöriger Weise gesprochen habe, dann bringe mir den Beweis, worin diese Ungehörigkeit bestehen soll; habe ich aber so gesprochen, wie es sich gehört, - warum schlägst du mich?" Darauf schickte ihn Hannas gefesselt zu dem Hohenpriester Kaiphas. Simon Petrus stand unterdessen am Feuer und wärmte sich. Da fragten ihn die Umstehenden: "Bist du nicht auch einer von seinen Jüngern?" Petrus leugnete mit den Worten: "Ich bin kein Jünger von ihm!" Nun redete ihn einer von den Knechten des Hohenpriesters an, der ein Verwandter des Knechtes war, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte. "Habe ich dich nicht in dem Garten bei ihm gesehen? - sagte er zu ihm. Da leugnete Petrus nochmals. Und gleich darauf krähte ein Hahn. Aus dem Palast des Kaiphas führte man Jesus nach der Statthalterei. Es war früh am Morgen. Die Juden selbst gingen nicht in die Statthalterei hinein, um nicht 'unrein' zu werden; sie wollten ja das Osterlamm essen. Darum kam Pilatus zu ihnen hinaus und fragte sie: "Welche Anklage habt ihr gegen diesen Mann vorzubringen?" Sie gaben ihm zur Antwort: "Wäre dieser Mensch nicht ein Verbrecher, so hätten wir ihn nicht zu dir gebracht." - "Nehmt ihr ihn doch", - entgegnete Pilatus - "und richtet ihn nach eurem Gesetz!" - "Es ist uns nicht gestattet, über jemand die Todesstrafe auszusprechen und ihn hinzurichten", - riefen sie ihm zu. So sollte sich das Wort Jesu erfüllen, durch das er angedeutet hatte, welchen Todes er sterben würde. Dann ging Pilatus wieder in die Statthalterei hinein, ließ Jesus rufen und stellte die Frage an ihn: "Bist du der König der Juden?" Jesus antwortete ihm: "Fragst du so aus dir selbst oder haben andere dir von mir erzählt?" - "Ich bin doch kein Jude", - entgegnete Pilatus; "dein eigenes Volk und zwar die Oberpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du dir zu Schulden kommen lassen?" - "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" - erwiderte Jesus - "wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Untertanen für mich gekämpft, und ich wäre den Juden nicht ausgeliefert worden. Nun aber ist mein Reich kein irdisches." "Dann bist du doch ein König?" - fragte Pilatus. - "Ja, ich bin ein König", -antwortete Jesus; "ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Jeder, der aus dem Reich der Wahrheit ist hört auf meine Stimme." - "Was ist Wahrheit?" - entgegnete Pilatus. Nach diesen Worten ging er wieder zu den Juden hinaus und erklärte ihnen: "Ich finde keinerlei Schuld an ihm!" Nun habe ich bei euch die Sitte eingeführt, euch zum Osterfest einen Gefangenen freizugeben. Wenn ihr es wünscht, so werde ich euch den König der Juden freilassen." Da schrieen alle: "Nein, nicht den, - sondern den Barabbas!" Dieser war ein Straßenräuber. - - - Pilatus fasste nun Jesus an und gab ihm Geißelhiebe. Die Soldaten nahmen ihn dann und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt; sie legten ihm einen Purpurmantel um die Schultern; dann traten sie vor ihn hin und riefen: "Heil dem König der Juden - Heil!" Dabei versetzten sie ihm Schläge ins Gesicht. Pilatus trat dann wieder zu ihnen hinaus und richtete diese Worte an sie: "Seht, ich lasse ihn euch noch einmal vorführen zum Zeichen, dass ich ihn nicht schuldig finde." Jesus trat nun heraus - er trug die Dornenkrone und den Purpurmantel. Pilatus rief ihnen zu: "Seht, da ist der Mann!" Kaum hatten die Oberpriester und deren Anhang ihn erblickt, als sie den Schrei ausstießen: "Ans Kreuz - ans Kreuz!" - "Dann möget ihr ihn nehmen und kreuzigen" - entgegnete Pilatus - "ich nicht; denn ich finde ihn nicht schuldig." - "Aber wir haben ein Gesetz", - riefen ihm die Juden entgegen - "und nach unserm Gesetz muss er sterben; denn er hat sich selbst für Gottes Sohn ausgegeben." Als Pilatus das Wort 'Gottes Sohn' hörte, da wurde seine Herzensangst noch größer. Er ging in die Statthalterei zurück; dort stellte er an Jesus die Frage: "Woher kommst du eigentlich?" Jesus gab ihm jedoch keine Antwort. "Wie? Mir willst du nicht Rede und Antwort stehen?" rief Pilatus aus; "Weißt du nicht, dass ich die Macht habe, dich kreuzigen zu lassen und auch die Macht, dich frei zu geben?" - "Du hättest keinerlei Macht über mich", - gab ihm Jesus zur Antwort - "wenn sie dir nicht von oben her verliehen worden wäre. Weil du diese Macht hast, darum trifft den eine größere Schuld, der mich an dich ausgeliefert hat." Unter dem Eindruck dieser Worte gab sich Pilatus alle Mühe, ihn frei zu schaffen. Aber die jüdischen Führer schrieen ihm die Drohung zu: "Gibst du diesen Menschen frei, so bist du kein Freund des Kaisers mehr! Denn jeder, der sich für einen König ausgibt, macht sich der Auflehnung gegen den Kaiser schuldig." Auf diese drohenden Worte hin, ließ Pilatus endlich Jesus hinausführen. Er selbst setzte sich auf den Richterstuhl, der an der Stelle stand, die man 'Marmorpflaster' - auf Hebräisch, 'Gabbatha' - nannte. Eben brach der Rüsttag für das Osterfest an; es war ungefähr zwölf Uhr mittags. "Da habt ihr euren König!" - rief ihnen Pilatus zu. Jene aber erwiderten ihm mit dem Geschrei: "Hinweg mit ihm! Hinweg mit ihm! Schlag ihn ans Kreuz!" - "Also euren König soll ich kreuzigen?" - entgegnete ihnen Pilatus. Die Oberpriester aber riefen: "Wir haben keinen König; nur den Kaiser erkennen wir an." - Darauf lieferte er ihnen Jesus zur Kreuzigung aus. Diese nahmen nun Jesus in Empfang und führten ihn an eine Stelle, wo sie ihm das Kreuz auf die Schultern legten. Jesus trug sein Kreuz und gelangte zu der sogenannten Schädelstätte, die auf Hebräisch 'Golgotha' heißt. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, den einen zu seiner Rechten, den andern zu seiner Linken. Auch eine Inschrift hatte Pilatus anfertigen und oben am Kreuze anbringen lassen. Sie lautete: "Jesus von Nazareth, der König der Juden." Viele Juden lasen diese Inschrift. Der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, lag nämlich nahe bei der Stadt. Die Inschrift war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache abgefasst. Da sagten die jüdischen Oberpriester zu Pilatus: Schreibe doch nicht "Der König der Juden", - sondern: "Dieser Mensch hat behauptet, er sei der König der Juden." Pilatus aber gab ihnen die kurze Antwort: "Was ich geschrieben habe, bleibt geschrieben!" Nach der Kreuzigung Jesu nahmen die Soldaten seine Kleider und machten vier Lose daraus, für jeden Soldaten ein Los. Außerdem hatten sie noch das Unterkleid zur Verteilung. Dies war ohne Naht, von oben an in einem Stück gewebt. Da sagten die Soldaten zu einander: "Wir wollen es nicht zerschneiden, sondern durch das Los entscheiden lassen, wem es gehören soll." So erfüllte sich das Wort der Schrift: "Sie haben meine Kleider unter sich verteilt und über mein Gewand das Los geworfen." Dabei standen Jesu Mutter, sowie die Schwester seiner Mutter, Maria mit Namen, welche die Frau des Kleopas war, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter und neben ihr den Jünger, den er lieb hatte, stehen sah, sagte er zu seiner Mutter: "Weib, das ist jetzt dein Sohn!" Dann wandte er sich zu dem Jünger mit den Worten: "Sohn, das ist jetzt deine Mutter!" Und der Jünger nahm sie aus dieser schrecklichen Stunde heraus, mit sich in seine Wohnung. Jesus wusste, dass nunmehr soweit alles in Erfüllung gegangen war, was über ihn geschrieben stand. Damit nun auch noch das Letzte sich erfüllte, rief er aus: "Mich dürstet!" Man füllte ein Gefäß mit Essig, tauchte einen Schwamm, hinein, befestigte ihn an einem Hysopstengel und brachte ihn dicht an seinen Mund. Als Jesus den Essig genommen hatte, rief er aus: "Es ist vollbracht!" Dann neigte er sein Haupt und gab seinen Geist auf. Es war Rüsttag, und die Leichen durften nicht während des Sabbats am Kreuze bleiben. Denn dieser Sabbat war ein besonders hoher Festtag. Darum baten die Juden den Pilatus um die Erlaubnis den am Kreuze Hängenden die Beine mit Keulen zu zerschlagen und sie dann vom Kreuze abnehmen zu dürfen. So kamen denn die Soldaten und zerschlugen zuerst dem einen der beiden, die mit Jesus gekreuzigt worden waren, die Beine, dann dem andern. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er bereits tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß ihm mit einer Lanze in die Seite. Da floss sogleich Blut und Wasser heraus. Ein Augenzeuge hat dies bezeugt, und sein Zeugnis entspricht der Wahrheit. Er weiß daher, dass er wahrheitsgetreu berichtet, so dass ihr es ebenfalls glauben könnt. Denn auch dies musste geschehen, damit das Wort der Schrift erfüllt würde: "Es soll ihm kein Bein gebrochen werden!" - sowie das andere Wort der Schrift: "Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben!" Joseph von Arimathea war ein Jünger Jesu; allerdings nur im Geheimen, weil er sich vor den jüdischen Führern fürchtete. Dieser trug dem Pilatus die Bitte vor, den Leichnam Jesu vom Kreuze abnehmen zu dürfen. Pilatus gewährte ihm diese Bitte. So ging er denn hin und nahm den Leichnam Jesu vom Kreuze ab. Auch Nikodemus fand sich ein. Es ist derselbe Nikodemus, der zum erstenmal bei Nacht zu Jesus gekommen war. Er brachte ein Gemisch von Myrrhe und Aloe mit, wohl hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam und wickelten ihn unter Beimischung der wohlriechenden Stoffe in leinene Tücher ein, wie es bei den jüdischen Beisetzungen Sitte ist. Nicht weit von dem Platze, wo das Kreuz stand, lag ein Garten. Darin befand sich ein neues Grab, worin bis jetzt noch niemand beigesetzt worden war. Da hinein legten sie nun den Leichnam Jesu mit Rücksicht auf den jüdischen Rüsttag, weil das Grab sich in der Nähe befand. Am ersten Tage nach dem Sabbat kam Maria von Magdala zum Grabe. Es war sehr früh und noch nicht ganz hell. Da sah sie, dass der Stein vom Grabe weggewälzt war. Sie lief zurück zu Simon Petrus und dem andern Jünger, den Jesus sehr liebte, und sagte zu ihnen: "Man hat den Meister aus dem Grabe herausgenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat." Da eilte Petrus und der andere Jünger hinaus und liefen dem Grabe zu. Beide liefen um die Wette. Doch der andere Jünger konnte schneller laufen als Petrus und kam zuerst an das Grab. Er beugte sich vor und sah die leinenen Tücher da liegen, ging jedoch nicht in das Grab hinein. Nun kam auch Simon Petrus, der länger als er gebraucht hatte, am Grabe an und ging sofort hinein. Auch er sah dort die leinenen Tücher liegen. Doch das Schweißtuch, das auf den Kopf der Leiche gelegen hatte, war nicht bei diesen Tüchern, sondern lag für sich zusammengefaltet an einem besonderen Platz. Jetzt ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst am Grabe angekommen war. Auch er sah das und glaubte. Bis dahin hatten sie die Schrift noch nicht verstanden, derzufolge er von den Toten auferstehen musste. Dann gingen die beiden Jünger wieder nach Hause. Maria aber stand in der Nähe des Grabes und weinte. Unter Tränen beugte sie sich vor und blickte in das Grab hinein. Da sah sie zwei Engel im weißen Gewande dort sitzen, den einen am Kopfende, den andern am Fußende der Stelle, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Diese redeten sie mit den Worten an: "Weib, warum weinest du? Wen suchest du?" Sie antwortete ihnen: "Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wohin man ihn gelegt hat." Nach diesen Worten fühlte sie sich angetrieben, hinter sich zu schauen. Da sah sie Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass er es war. Da sagte Jesus zu ihr: "Weib, warum weinest du? Wen suchst du?" Jene hielt ihn für den Gärtner und antwortete: "Herr, wenn du ihn weggenommen hast, so sage mir, wohin du ihn legtest; dann will ich ihn wieder holen." Jesus sagte nur: "Maria!" Sie stürzte auf ihn zu mit dem Ruf: "Rabbuni!" Dies ist ein hebräisches Wort und bedeutet: "Mein Meister!" Jesus sagte zu ihr: "Fasse mich nicht an! (Denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren) Gehe zu den Brüdern und teile ihnen mit: 'Ich fahre zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott!'" Da eilte Maria von Magdala zu den Jüngern und erzählte ihnen, dass sie den Herrn gesehen, und dass er ihnen das verkünden lasse, was er zu ihr gesagt hatte. Es kam der Abend des ersten Tages nach dem Sabbat. An dem Ort, wo die Jünger sich befanden, hatte man aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen. Da stand Jesus plötzlich mitten unter ihnen und grüßte sie mit den Worten: "Der Friede sei mit euch!" Darauf zeigte er ihnen die Male an seinen Händen und an seiner Seite. Die Jünger waren voller Freude, den Herrn wiederzusehen. Er wiederholte den Gruß: "Der Friede sei mit euch!" Dann fuhr er fort: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch." Nach diesen Worten hauchte er sie an und sprach: "Empfanget einen heiligen Geist! Wenn ihr die Fehltritte anderer vergebet, so werden sie auch euch vergeben; traget ihr jedoch andern ihre Fehltritte nach, so wird man sie auch euch nachtragen." Thomas, den man den 'Zwilling' nannte, einer von den Zwölf, war nicht zugegen, als Jesus erschien. Später erzählten ihm nun die andern Jünger: "Wir haben den Herrn gesehen!" Er aber gab ihnen zur Antwort: "Wenn ich nicht in seinen Händen das Mal der Nägel sehe und mit meinen Fingern nicht ein Nägelmal berühre und meine Hand nicht in seine Seite legen kann, so werde ich es niemals glauben." Acht Tage später waren die Jünger wieder im Hause zusammen, und Thomas war diesmal bei ihnen. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen zu ihnen herein, trat mitten unter sie und grüßte mit den Worten: "Der Friede sei mit euch!" Dann wandte er sich an Thomas. "Siehe hier meine Hände!" - sagte er zu ihm; "berühre sie mit deinem Finger! Dann komm mit deiner Hand und lege sie in meine Seite! Und sei nicht ungläubig, sondern glaube!" Da rief Thomas: "Mein Herr und mein Meister! Jesus erwiderte ihm: "Weil du mich gesehen hast, bist du gläubig geworden. Glücklich zu preisen sind die, welche nicht sehen und doch glauben." - - - - - - Später erschien Jesus seinen Jüngern noch einmal am See von Tiberias. Das trug sich folgendermaßen zu: Simon Petrus, Thomas, mit dem Beinamen der 'Zwilling', Nathanael aus Kana in Galiläa, die beiden Söhne des Zebedäus und noch zwei andere von seinen Jüngern waren beisammen. Da sagte Simon Petrus zu ihnen: "Ich gehe fischen." Die andern sagten, sie wollten mit ihm gehen. So gingen sie denn hinaus ans Gestade und stiegen ins Boot. Ihr Fischfang war jedoch in dieser Nacht ergebnislos. Bei Tagesgrauen stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten freilich nicht, dass es Jesus war. Jesus redete sie mit den Worten an: "Kinder, habt ihr nicht einige Fische als Zukost?" - "Nein!" - antworteten sie. "So werfet das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus!" - entgegnete er - "Dann werdet ihr einen Fang tun!" Sie warfen das Netz aus und vermochten es wegen der Menge der gefangenen Fische nicht mehr aus dem Wasser hochzuziehen. Da sagte der Jünger, den Jesus sehr liebte, zu Petrus: "Es ist der Herr!" Als Simon Petrus hörte, es sei der Herr, warf er schnell sein Obergewand über, legte den Gürtel an - er war vorher nämlich nur im Unterkleid - und sprang ins Meer. Die andern Jünger kamen mit dem Boote nach; denn die Entfernung vom Lande war nicht groß; sie betrug etwa zweihundert Ellen. Das Netz mit den Fischen zogen sie hinter sich her. Als sie an Land stiegen, sahen sie dort ein Kohlenfeuer brennen und einen Fisch darauf liegen; auch Brot lag da. Jesus rief ihnen zu; "Bringet noch einige von den Fischen her, die ihr soeben gefangen habt!" Simon Petrus stieg wieder ins Boot und zog das Netz ganz ans Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen angefüllt. Aber trotz dieser hohen Zahl zerriss das Netz nicht. Nun lud Jesus sie ein: "Kommt her und frühstückt!" Doch keiner von den Jüngern wagte die Frage an ihn zu stellen, wer er sei. Sie wussten ja, dass es der Herr war. Jesus nahm nun das Brot, sprach das Dankgebet und teilte es unter sie aus. Ebenso auch die Fische. Das war nun schon das drittemal, dass Jesus nach seiner Auferstehung von den Toten seinen Jüngern erschien. Nach Beendigung des Frühstücks richtete Jesus an Simon Petrus die Frage: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?" - "Sicherlich weißt du es, Herr, dass ich dich liebe", erwiderte er. Jesus sagte zu ihm: "Weide meine Schafe!" Darauf fragte Jesus ihn zum zweitenmal: "Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?" Er antwortete: "Du weißt doch, Herr, dass ich dich liebe." - "Weide meine Schafe!" - gab ihm Jesus zur Antwort. Dann stellte er zum drittenmal die Frage an ihn: "Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?" Da wurde Petrus traurig, dass er ihn zum drittenmal fragte, ob er ihn lieb habe und erwiderte: "Herr, du weißt alles; du weißt auch, dass ich dich liebe." Jesus gab ihm dieselbe Antwort: "Weide meine Schafe!" Dann fuhr er fort: "Ich versichere dir: Als du noch jung warst, gürtetest du dir dein Gewand selbst und gingest, wohin du wolltest. Bist du aber alt geworden, dann wirst du deine Arme ausstrecken, und andere werden dich gürten und an eine Stätte führen, wohin du nicht willst." Das sagte er, um anzudeuten, durch was für einen Tod Petrus Gott verherrlichen würde. Dann sagte er weiter zu ihm: "Tritt in meine Fußstapfen!" Dann wandte sich Petrus um und sah den Jünger, den Jesus besonders lieb hatte, dicht an dessen Seite stehen. Es ist derselbe, der auch beim Mahle sich an seine Brust gelehnt und ihn gefragt hatte: "Herr, wer ist's, der dich verrät?" Beim Anblick dieses Jüngers richtete Petrus an Jesus die Frage: "Herr, was wird denn mit diesem geschehen?" Jesus gab ihm zur Antwort: "Wenn es mein Wille ist, dass dieser so bleibt, bis ich komme, was kümmert es dich? Sorge du nur dafür, dass du meinen Weg gehst!" Daraus entstand nun unter den Brüdern die Meinung, dass dieser Jünger nicht sterben würde. Aber er hatte ihm ja nicht gesagt: 'Du stirbst nicht!' sondern bloß: Wenn es mein Wille ist, dass er so bleibe, bis ich komme, was kümmert es dich?' Dieser Jünger ist derselbe, der alle diese Begebenheiten als wahr bezeugt und auch der Verfasser dieser Niederschrift ist. Wir wissen, dass sein Zeugnis richtig ist. Noch viele andere wunderbare Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger gewirkt, die in diesem Buch nicht verzeichnet sind. Wollte man das alles im einzelnen niederschreiben, so würde nach meiner Überzeugung die Welt die Bücher nicht fassen, die dann zu schreiben wären. Dies aber wurde niedergeschrieben, damit ihr zu dem Glauben gelanget, dass Jesus der Messias, - der Sohn Gottes ist, und damit ihr infolge dieses Glaubens das Leben erlangt, das er verheißen hat. Lieber Theophilus! Der erste Bericht, den ich zusammenstellte, enthält alle Taten und Lehren Jesu von Anfang an bis zu dem Tage seiner Himmelfahrt. An diesem Tage erteilte er den Aposteln, die er sich unter Leitung eines heiligen Geistes erwählt hatte, noch seine letzten Aufträge. Er befahl ihnen, die Heilsbotschaft zu verkünden. Ihnen hatte er ja in der Zeit nach seinem Leiden und Sterben viele Beweise seines Fortlebens gegeben. Denn vierzig Tage hatte er sichtbar mit ihnen verkehrt und sie über das Reich Gottes belehrt. Als er eines Tages wieder mit ihnen zusammen war, gab er ihnen die Weisung, nicht aus Jerusalem fortzugehen, sondern die Erfüllung des Versprechens abzuwarten, das der Vater ihnen hatte geben lassen. "Ihr habt ja" -sagte er - "dieses Versprechen aus meinem Munde vernommen. Ich sagte euch, dass Johannes nur durch Untertauchen in die Wellen des Wassers die Taufe spendete, ihr aber durch Untertauchen in den Kraftwellen eines heiligen Geistes getauft werden solltet. Nach Verlauf der wenigen Tage, die es noch von heute bis Pfingsten sind, werdet ihr ihn empfangen." Da stellten die um ihn Versammelten die Frage an ihn: "Herr, ist das der Augenblick, wo du dem Volke Israel die Herrschaft wiedergibst?" - "Es ist nicht eure Sache", - entgegnete er - "die Zeitläufe und entscheidenden Augenblicke zu erfahren, die der Vater gemäß seiner eigenen Machtvollkommenheit festgesetzt hat. Es muss euch genügen, dass die heilige Geisterwelt mit euch in Verbindung tritt, und ihr durch sie eine Kraft empfanget. Dann werdet ihr stark genug sein, in Jerusalem, in ganz Judäa und Samaria, ja bis ans Ende der Erde als meine Zeugen aufzutreten." Nach diesen Worten hüllte ihn plötzlich eine Wolke von unten bis oben ein, und er wurde dadurch ihren Blicken entzogen. Während sie noch immer unverwandt hinschauten, und er in den Himmel auffuhr, standen plötzlich zwei Männer in weißer Gewandung vor ihnen. Diese redeten sie mit den Worten an: "Männer aus Galiläa, was steht ihr hier und starrt gegen Himmel? Dieser Jesus, der vor euren Augen weggenommen wurde, wird auf dieselbe Weise wiederkommen, wie ihr ihn zum Himmel auffahren saht." Darauf kehrten sie von dem Berge, den man den Ölberg nennt, nach Jerusalem zurück. Denn er liegt bloß einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt. In der Stadt angekommen, gingen sie in die oberen Räume des Hauses, in dem sie sich bisher aufzuhalten pflegten. Es waren Petrus, Johannes, Jakobus, Andreas, Philippus, Thomas, Bartholomäus, Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Simon der Eiferer und Judas, der Sohn des Jakobus. Alle waren ein Herz und eine Seele. Sie verharrten in gemeinschaftlichem Gebet, zusammen mit ihren Frauen und Kindern, sowie mit Maria, der Mutter Jesu, und dessen Brüdern. Eines Tages erhob sich Petrus in der Mitte der Jünger Jesu, deren Zahl ungefähr hundertzwanzig betrug, und sprach: "Werte Brüder! Es muss jene Schriftstelle in Erfüllung gehen, die ein heiliger Geist durch den Mund Davids vorauskündete. Ich meine die Weissagung in Betreff des Judas, der jenen als Führer diente, die Jesus gefangen nahmen. Wir rechneten ihn ja zu unserm Kreise, weil für ihn dasselbe Amt bestimmt war, wie für uns. Mit seinem Verräterlohn hatte er sich im voraus einen Begräbnisplatz gesichert. Es war der Platz, wo er kopfüber herunterstürzte, sein aufgedunsener Leib mitten entzwei platzte, und seine Eingeweide ausgeschüttet wurden. Das ist allen Einwohnern von Jerusalem bekannt. Darum wird jener Platz in ihrer Sprache 'Akeldaimach' genannt, was 'Blutacker' bedeutet. Denn im Buch der Psalmen heißt es: 'Seine Wohnstätte soll leer bleiben, und niemand soll darin wohnen; und sein Amt soll ein anderer übernehmen'. Dieser andere muss nun einer von den Männern sein, die mit uns die ganze Zeit hindurch zusammen waren, während welcher der Herr Jesus, der Messias, mit uns verkehrte, angefangen von der Taufe des Johannes bis zu dem Tage, an dem er von uns weggenommen wurde. Er muss also auch Zeuge seiner Auferstehung gewesen sein, genau wie wir. Aus der Zahl der Männer, bei denen das alles zutrifft, müssen wir nun einen auswählen." Er brachte zwei in Vorschlag: den Joseph, genannt Barnabas, der den Beinamen 'Justus' (= der Gerechte) führte, - und den Matthias. Dann verrichteten sie folgendes Gebet: "Du, o Herr, der du aller Herzen kennst, mache uns den kenntlich, den du von diesen beiden erwählt hast, damit er die Stelle in demselben Dienst und Apostelamt übernehme, aus dem Judas ausschied, um dorthin zu gehen, wohin er gehörte." Man ließ beide ein Los ziehen. Das Los fiel auf Matthias, und er zählte von nun an zu den zwölf Aposteln. Der Tag des Pfingstfestes war angebrochen, und alle hatten sich an demselben Ort versammelt. Da entstand plötzlich vom Himmel her ein Brausen, als ob ein gewaltiger Sturmwind wehe, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Zungen, die aussahen wie Feuerflämmchen, wurden vor ihnen sichtbar. Diese zerteilten sich und ließen sich auf jeden einzelnen der Anwesenden nieder. Alle wurden von einem heiligen Geiste erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, so wie der Geist den einzelnen die Laute eingab, die sie aussprechen sollten. In Jerusalem lebten damals gottesfürchtige Juden aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun jenes Brausen entstand, kamen sie in großer Anzahl zusammen, und es herrschte unter ihnen eine gewaltige Aufregung. Ein jeder von ihnen hörte, wie jene in ihren Sprachen redeten. Sie gerieten darüber ganz außer sich, und voll Staunen fragte einer den andern: "Sind nicht alle diese Männer, die da reden, aus Galiläa? Wie kommt es denn, dass ein jeder von uns sie in der Sprache reden hört, in der wir geboren sind?: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Syrien und Kappadozien, von Pontus und Kleinasien, von Phrygien und Pamphilien, von Ägypten und der Landschaft Lybien in der Gegend von Cyrene; auch die hier ansässigen römischen Juden, sowie zum Judentum übergetretene römische Nichtjuden, Kreter und Araber, - wir hören sie in unsern Sprachen die großen Taten Gottes verkünden." Alle waren außer sich, und einer fragte den andern über das, was da vor sich ging. "Was hat das wohl zu bedeuten?" - sagten sie. Andere jedoch spotteten und meinten; "Diese haben zuviel jungen Wein getrunken!" Da ergriff Petrus, der mit den Elfen zusammenstand, zuerst das Wort und sprach mit weithin vernehmbarer Stimme: "Ihr jüdischen Männer und ihr andern alle, die ihr in Jerusalem wohnt! Folgendes sei euch kundgetan, und ich bitte euch, diesen meinen Worten Gehör zu schenken: Es ist nämlich nicht so, wie ihr meint. Diese hier sind nicht betrunken. Es ist ja erst neun Uhr vormittags. Hier erfüllt sich vielmehr die Verheißung des Propheten Joel: 'In den letzten Tagen, spricht Gott, da wird es geschehen, dass ich eine überaus große Zahl meiner Geister auf die ganze Menschheit herabsenden werde. Ihre Söhne und Töchter werden dann als Werkzeuge dieser Geister Botschaften Gottes verkünden, die jungen Leute werden im Zustande des Hellsehens Erscheinungen sehen, und die Greise in einem schlafähnlichen Zustand Offenbarungen empfangen. Auch auf die Knechte und Mägde, die mir angehören, will ich in jenen Tagen von meinen Geistern in Fülle herabsenden. Und ich will Wunderzeichen erscheinen lassen oben am Himmel und unten auf der Erde. Die Sonne soll sich verfinstern und der Mond rot wie Blut werden, bevor der Tag des Herrn kommt, - jener große Tag. Und jeder wird die Erlösung finden, sobald er den Namen des Herrn anruft.'" "Ihr Männer von Israel! Achtet auf folgende Worte!: Jesus von Nazareth war ein Mann, der von Gott aus durch Erweise göttlicher Kraft, durch Wunder und Zeichen bei uns als Gesandter Gottes beglaubigt wurde. Ihr selbst kennt ja all die Taten, die Gott durch ihn in eurer Mitte wirkte. Als dieser Jesus nach dem Ratschluss und der Vorherbestimmung Gottes an euch ausgeliefert wurde, habt ihr ihn gefangen genommen und durch die Hand der Heiden ans Kreuz schlagen und hinrichten lassen. Aber Gott hat ihn wieder aus der Tiefe heraufgeführt, nachdem er die Fesseln der Unterwelt gelöst hatte. Es war ja unmöglich, dass er von ihr festgehalten werden konnte. Denn David legt ihm die Worte in den Mund: 'Ich sah meinen Herrn allezeit vor meinen Augen. Er steht mir zur Rechten, damit ich nicht wanke. Deswegen freute sich mein Herz, und meine Zunge frohlockte. - Denn dereinst wird mein irdischer Leib nur für kurze Zeit auf der Erde wohnen in der Hoffnung, dass du meine Seele nicht in der Unterwelt lassen und nicht zugeben wirst, dass dein Heiliger die Vernichtung erlebe. Wege hast du mir gezeigt, die zum Leben führen, und wirst mir die große Freude gewähren, dein Angesicht wieder schauen zu können.'" "Werte Brüder! Ich darf wohl mit allem Freimut über den Patriarchen David zu euch sprechen. Er starb und wurde begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf den heutigen Tag zu sehen. Er war ein Prophet Gottes. Er wusste, dass Gott ihm mit einem Eide geschworen hatte, aus der Frucht seiner Lenden den Messias dem Fleische nach hervorgehen zu lassen und ihn auf seinen Thron zu setzen. Weil er dies wusste, sprach er von der Auferstehung des Messias. Er sagte, dass weder der Messias in der Hölle gelassen, noch auch sein irdischer Leib der Verwesung anheimfallen würde. Diesen Jesus hat nun Gott tatsächlich aus der Tiefe wieder heraufgeführt; dafür sind wir alle Zeugen. Darauf wurde er von der rechten Hand Gottes erhöht und empfing von seinem Vater die Macht über die heilige Geisterwelt, wie es der Vater ihm versprochen hatte. Diese sandte er in großer Menge hernieder, wie ihr selbst seht und hört. Denn nicht David war es, der zum Himmel emporstieg. Er sagt ja selbst: 'Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege zum Schemel deiner Füße!' So möge sich denn das ganze Haus Israel davon überzeugen, dass Gott eben diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum Herrn und Messias bestimmte." Alle, die dort zusammengekommen waren, wurden bei diesen Worten tief ergriffen. Einige von ihnen fragten den Petrus und die andern Apostel: "Werte Brüder, was sollen wir nun tun? Gebt uns einen Rat!" - "Ändert eure Gesinnung", - entgegnete Petrus - "und ein jeder von euch lasse sich im Namen des Herrn Jesus, des Messias, taufen zur Vergebung der Sünden des Abfalls von Gott. Dann werdet auch ihr die heilige Geisterwelt als Geschenk empfangen. Denn jedem von uns gilt die Verheißung, sowie unsern Kindern und allen andern bis in die fernste Zukunft. So viele es ihrer auch sein mögen, der Herr, unser Gott, wird sie alle zu sich zurückrufen." Noch mit vielen andern Worten trat er als Zeuge der Wahrheit auf und schloss mit der Mahnung: "Lasst euch aus diesem gottentfremdeten Volk erretten!" Die seiner Lehre Glauben schenkten, ließen sich taufen. So kamen an jenem Tage etwa dreitausend Seelen zu der Gemeinde hinzu. Alle Gläubigen in Jerusalem hielten fest an der Lehre der Apostel und betrachteten sich als eine einzige Gemeinschaft. Sie nahmen an der Feier des Brotbrechens teil und an den gemeinschaftlichen Gottesdiensten. Das Gefühl einer heiligen Furcht lag auf jeder Seele wegen der vielen Wunder und Zeichen, die in Jerusalem durch die Apostel geschahen. Alle, die gläubig geworden waren, hielten treu zusammen und hatten Gütergemeinschaft. Wer Besitztum und Vorräte hatte, verkaufte davon und teilte von dem Erlös an die Hilfsbedürftigen täglich so viel aus, als der einzelne für diesen Tag benötigte. Alle hielten den Tempelbesuch bei, kamen aber auch in ihren Häusern zum Gottesdienst zusammen und hielten darin auch die gemeinschaftliche Feier des Brotbrechens ab. Sie nahmen an diesem Mahle mit großer Freude und Herzenseinfalt teil, lobten Gott und verrichteten Dankgebete für die ganze Schöpfung. Der Herr führte täglich solche, die ihr Heil suchten, ihrer Gemeinschaft zu. Eines Tages gingen Petrus und Johannes hinauf zum Tempel. Es war um drei Uhr nachmittags, - die Stunde des Gebetes. Da trug man gerade einen Mann herbei, der von Geburt an lahm war, und den man täglich an dem sogenannten 'Schönen Tor' des Tempels niedersetzte, damit er von den Tempelbesuchern Almosen erbettelte. Dieser erblickte nun den Petrus und Johannes, als sie im Begriffe waren, in den Tempel hineinzugehen, und bat sie um ein Almosen. Da schaute Petrus und Johannes gleichzeitig zu ihm hin. "Blicke uns an!" sagte Petrus. Jener sah zu ihnen auf in der Erwartung, eine Gabe von ihnen zu bekommen. "Gold und Silber habe ich nicht", fuhr Petrus fort - "was ich jedoch besitze, das will ich dir geben. Im Namen Jesu Christi von Nazareth stehe auf und gehe einher!" Dann fasste er ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sofort stellte er sich auf die Füße; denn Füße und Knöchel waren fest geworden. Voll Freude ging er auf und ab. Dann begleitete er sie in den Tempel und lobte Gott. Alle Leute sahen, wie er auf und ab ging und in einen Lobpreis Gottes ausbrach. Sie erkannten nämlich in ihm denselben, der sonst am 'Schönen Tor' des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte. Sie waren voller Staunen und Verwunderung über die Veränderung, die bei ihm vorgegangen war. Als nun Petrus und Johannes sich anschickten, den Tempel zu verlassen, da ging auch jener mit hinaus und hielt sich dicht an ihrer Seite. In der sogenannten 'Halle Salomons' blieb alles staunend stehen. Da hielt Petrus eine Ansprache an das Volk. "Ihr Männer von Israel!" - so begann er - "Warum wundert ihr euch hierüber, und warum schaut ihr uns so erstaunt an, als ob wir durch eigene Kraft und Frömmigkeit es fertiggebracht hätten, dass dieser Mann wieder gehen kann? Vielmehr hat der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, durch diese Tat seinen Knecht Jesus verherrlicht, - denselben Jesus, den ihr zur Verurteilung überliefert habt und dessen Freigabe ihr vor dem Richterstuhl des Pilatus ablehntet, obgleich dieser dafür eintrat. Ihr seid die, welche den Heiligen und Gerechten von der Begnadigung ausschlossen und dafür die Begnadigung eines Mörders erbaten, den Fürsten des Lebens aber hinrichten ließen. Gott hat ihn jedoch von den Toten auferweckt; dafür treten wir als Zeugen auf. Und weil dieser Mann hier an seinen Namen glaubte, hat der Name Jesu ihm seine Körperkraft wiederverliehen, wie ihr selbst sehen und erkennen könnt. Und der durch Jesus bewirkte Glaube hat ihm vor euer aller Augen die volle Gesundheit wiedergegeben. Nun, werte Brüder, wir wissen ja, dass ihr aus Unwissenheit gehandelt habt; desgleichen eure Obern. Gott aber ließ auf diese Weise in Erfüllung gehen, was er schon lange vorher durch den Mund aller Propheten von dem Leiden seines Messias hatte verkünden lassen. So ändert denn eure Gesinnung und gebt euch die größte Mühe, die Vergebung eurer Sünden des Abfalls von Gott zu erlangen. Dann werden Zeiten erfrischender Ruhe von dem Herrn her kommen, und er wird Jesus als den Messias senden, der für euch schon längst bereit steht. Ihn musste der Himmel aufnehmen, bis zu jener Zeitperiode, in der alles wieder zu Gott zurückgekehrt ist, wie es Gott selbst durch den Mund seiner treuen Gesandten von jeher hat verkünden lassen. Hatte doch Mose schon gesagt: 'Einen Gesandten, gleich mir, wird der Herr, euer Gott, hervorgehen lassen aus der Mitte eurer Brüder. Auf ihn sollt ihr hören in allem, was er euch sagen wird. Und alles Lebende, das sich weigert, auf diesen Gesandten Gottes zu hören, soll vollständig ausgerottet werden aus dem Volke.' Ferner haben alle Gesandten Gottes von Samuel an durch die folgenden Zeitperioden hindurch in ihren Botschaften auch die Tage vorausverkündet, in denen wir jetzt leben. Ihr seid die Anhänger der Gesandten Gottes und die Erben des Bundes, den Gott mit unsern Vätern geschlossen hat, als er zu Abraham sprach: 'In einem deiner Nachkommen sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.' Unter denen, für die Gott seinen Knecht hat auftreten lassen, seid ihr die ersten; euch zuerst sollte er segnen; euch zuerst bekehren von euren verkehrten Wegen; darum sandte ihn Gott zuerst zu euch." Während sie so das Volk belehrten, traten die Priester und Sadduzäer ihnen entgegen; denn diese konnten es nicht ertragen, dass sie solche Ansprachen an das Volk hielten und von Jesus als dem von den Toten Auferstandenen predigten. Sie verhafteten sie und brachten sie bis zum folgenden Morgen in Gewahrsam. Denn es war bereits Abend. Doch manche von denen, die ihrer Predigt gelauscht hatten, wurden gläubig, und die Zahl der christlichen Männer erhöhte sich auf fünftausend. Am andern Morgen hielten die Führer des Volkes, die Ältesten und Schriftgelehrten in Jerusalem eine Gerichtssitzung ab. An ihr nahmen auch der Hohepriester Annas, ferner Kaiphas, Johannes, Alexander und alle diejenigen teil, die zur hohepriesterlichen Familie zählten. Sie ließen die Apostel vorführen und stellten die Frage an sie: "Mit welchem Recht und in wessen Auftrag konnten Leute, wie ihr es seid, sich unterfangen, so etwas zu tun?" In diesem Augenblick kam die Kraft eines heiligen Geistes über Petrus, und er ergriff das Wort: "Ihr Führer des Volkes und ihr Ältesten von Israel!" - begann er. "Wir haben uns heute vor euch wegen einer Wohltat zu verantworten, die wir einem armen Krüppel erwiesen. Und ihr fragt uns durch wen er gesund worden sei. So soll es denn hiermit vor euch und dem ganzen israelitischen Volke frei und offen verkündet werden: Durch die Kraft des Namens Jesu Christi, des Nazareners, steht dieser Mann hier gesund vor euch. Ihr freilich habt diesen Jesus ans Kreuz geschlagen, Gott aber holte ihn herauf aus dem Reiche der Toten. Er ist der von euch Bauleuten als unbrauchbar beiseite geworfene Stein, der nun zum Eckstein geworden ist. Auch ist keinem andern ein solcher Name zuteil geworden, noch wurde für uns Menschen ein anderer Name unter dem Himmel bestimmt, durch den wir unser Heil erlangen könnten." Als sie diesen Freimut des Petrus und Johannes sahen und merkten, dass beide ungelehrte und einfache Leute waren, konnten sie sich nicht genug wundern. Wohl war ihnen bekannt, dass die beiden Jünger Jesu waren. Den von ihnen Geheilten sahen sie an ihrer Seite stehen und waren daher in großer Verlegenheit, was sie nun tun oder antworten sollten. So ließen sie denn die Apostel aus der Gerichtssitzung wegführen und hielten unter sich eine Beratung ab. "Was sollen wir nun mit diesen Leuten anfangen?" fragte einer den andern. "Dass ein öffentliches Wunder durch sie gewirkt wurde, ist allen Einwohnern von Jerusalem bekannt. Leugnen können wir es daher nicht. Damit nun die Kunde davon sich nicht noch weiter unter dem Volke verbreitet, wollen wir ihnen unter den schärfsten Drohungen verbieten, im Gespräch mit irgend jemand diesen Namen auch nur zu erwähnen." Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung. Man ließ also die Apostel wieder hereinkommen und gab ihnen die strenge Weisung, den Namen Jesu nicht einmal mehr zu nennen, geschweige denn über den Namen Jesu zu predigen. Petrus und Johannes gaben ihnen jedoch zur Antwort: "Urteilt selbst, ob es recht wäre in den Augen Gottes, wenn wir euch mehr gehorchten als Gott. Denn über das, was wir gesehen und gehört haben, nicht mehr zu reden, das steht nicht in unserer Macht." Darauf schärften jene ihnen unter ernsten Drohungen das Verbot nochmals ein und entließen sie. Denn sie konnten keinen gesetzlichen Grund finden, sie zu bestrafen. Auch mussten sie Rücksicht auf die Masse des Volkes nehmen. Denn wegen der erfolgten Heilung ergingen sich alle in Lobpreisung Gottes. Über vierzig Jahre war nämlich der Mann alt, an dem das Wunder der Heilung sich vollzogen hatte. Nach ihrer Freilassung kehrten Petrus und Johannes zu ihrer Gemeinde zurück und berichteten ihr alles, was die Oberpriester und Ältesten gesagt hatten. Als die Gemeindeglieder den Bericht angehört hatten und daraus die Macht Gottes erkannten, da erhoben sie einmütig ihre Stimme zu Gott und beteten: "O Herr, du unser Gott! Du bist es, der Himmel und Erde und Meer und alles, was darin ist, geschaffen hat. Du hast einen heiligen Geist durch den Mund Davids, deines Knechtes, die Worte verkünden lassen: "Was soll das Toben der Ungläubigen und die eitlen Machenschaften der Völker? Die Könige der Erde erheben sich und die Fürsten rotten sich zusammen wider den Herrn und wider seinen Messias.' Ja, es haben sich in dieser Stadt Herodes und Pontius Pilatus mit den Ungläubigen und den Stämmen Israels zusammengetan gegen deinen heiligen Knecht Jesus, der von deiner Hand gesalbt war. Sie haben ihm alles angetan, was deine Hand in deinem Heilsplan als sein Schicksal vorher aufgezeichnet hatte. Und nun, Herr, blicke hin auf ihre Drohungen und verleihe deinen Knechten die Kraft, dein Wort mit allem Freimut zu verkünden. Strecke du dabei deine Hand zur Heilung der Kranken aus und lass Wunder und Zeichen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus geschehen!" Nach diesem Gebet erbebte der Raum, in dem sie versammelt waren; und alle ohne Ausnahme wurden von einem heiligen Geiste erfüllt und verkündeten Gottes Wort mit Freimut jedem, der bereit war, die Wahrheit gläubig anzunehmen. Mit mächtigen Erweisen göttlicher Kraft legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung des Herrn Jesus Christus. Eine große Freudigkeit war über sie alle gekommen. Trotz der großen Zahl der Gläubigen waren doch alle untereinander ein Herz und eine Seele. Es gab keinen Unterschied unter ihnen, und nicht ein einziger betrachtete etwas von dem, was er besaß, als sein persönliches Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam. Darum war auch kein Notleidender unter ihnen. Alle Besitzer von Ländereien oder Häusern verkauften davon und brachten den Erlös aus den Verkäufen und stellten ihn den Aposteln zur Verfügung. Davon wurde dann jedem Bedürftigen soviel zugeteilt, als er gerade nötig hatte. So war zum Beispiel einer da namens Joseph, der von den Aposteln den Beinamen Barnabas - auf Deutsch: Sohn des Trostes - erhalten hatte; er war ein Levit und stammte aus Cypern. Dieser hatte ein Grundstück; das verkaufte er und brachte den Erlös und überreichte ihn den Aposteln. Auch ein Mann namens Ananias verkaufte im Einverständnis mit seiner Frau Saphira ein Grundstück. Einen Teil des Erlöses behielt er jedoch unter Mitwissen seiner Frau in unehrlicher Weise für sich zurück; den andern Teil brachte er und stellte ihn den Aposteln zur Verfügung. Da sagte Petrus zu Ananias: "Warum ließest du dich von Satan dazu verführen, den heiligen Geist zu belügen und einen Teil vom Erlös des Grundstückes zurückzubehalten? Stand es dir nicht frei, das Grundstück zu behalten? Und wenn du es verkauftest, konntest du mit dem Erlös nicht machen, was du wolltest? Warum hast du dir diese schlechte Handlungsweise ausgedacht? Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott. Kaum hatte Ananias diese Worte vernommen, da fiel er sofort zu Boden und gab seinen Geist auf. Ein großer Schrecken befiel alle, die es hörten. Sogleich machten sich die jüngeren Männer daran, die Leiche in Tücher einzuhüllen, trugen sie hinaus und begruben sie. Nach Verlauf von etwa drei Stunden kam auch seine Frau. Sie hatte keine Ahnung von dem, was vorgefallen war. Da wandte sich Petrus mit der Frage an sie: "Sage mir! Habt ihr wirklich für diesen Betrag das Grundstück verkauft?" - "Ja, für diesen Betrag!" - war ihre Antwort. Petrus entgegnete ihr: "Warum seid ihr beide miteinander übereingekommen, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Männer, die deinen Mann begraben haben, stehen bereits vor der Türe, um auch dich hinauszutragen." Da stürzte auch sie augenblicklich tot zu seinen Füßen nieder. Als nun die jungen Männer zurückkamen, fanden sie ihre Leiche da liegen. Sie hoben sie auf und trugen sie hinaus und begruben sie an der Seite ihres Mannes. Ein großer Schrecken kam über die ganze Gemeinde und über alle andern, die davon hörten. Durch die Hand der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volke. Alle Gläubigen kamen einmütig im Heiligtum zusammen und zwar in der Halle Salomons. Wenn auch keiner von den Andersgläubigen in nähere Berührung mit ihnen zu kommen wagte, so war doch ein jeder im ganzen Volke voll des Lobes über sie. Infolgedessen schlossen sich immer größere Scharen von Männern und Frauen, die zum Glauben an den Herrn kamen, an die Gemeinde an. Man brachte die Kranken auf die Straßen hinaus und legte sie dort auf Betten und Bahren hin, damit beim Vorübergehen des Petrus wenigstens sein Schatten auf den einzelnen von ihnen fiele; denn selbst dies genügte, um von irgendeiner Krankheit, die jemand von ihnen haben mochte, befreit zu werden. Auch aus den umliegenden Ortschaften strömten sie scharenweise nach Jerusalem und brachten ihre Kranken und von bösen Geistern Besessenen mit; und alle wurden geheilt. Der Hohepriester Annas und sein ganzer Anhang, bestehend aus der Sekte der Sadduzäer, wurde darob von Eifersucht erfüllt. Sie ließen die Apostel festnehmen und ins Staatsgefängnis werfen. Dann ging ein jeder von ihnen befriedigt nach Hause. Doch da öffnete während der Nacht ein Engel des Herrn die Gefängnistüren, führte sie hinaus und sprach zu ihnen: "Gehet hinaus und tretet öffentlich auf und verkündet im Tempel vor allem Volke alle Einzelheiten dessen, was ihr jetzt erlebt habt!" Dieser Weisung gemäß gingen sie gleich in der Frühe zum Tempel und begannen ihre Ansprachen. Inzwischen hatte sich der Hohepriester wieder mit seinem Anhang getroffen. Sie waren sehr früh aufgestanden und hatten den Hohen Rat samt der ganzen Ältestenschaft der Kinder Israels zusammengerufen. Dann schickten sie nach dem Gefängnis, um die Apostel vorführen zu lassen. Als jedoch die Knechte dorthin kamen und die Gefängnistüren öffneten, fanden sie die Apostel nicht mehr darin vor. Sie kehrten zurück und machten folgende Meldung: "Wir fanden das Gefängnis sorgfältig verschlossen und die Wächter vor den Türen stehen. Als wir jedoch öffneten, war niemand darin." Als der Tempelhauptmann und die Oberpriester diese Meldung vernahmen, sannen sie hin und her, was da wohl vorgefallen sein könnte. Da traf ein Bote ein mit der Nachricht: "Die Männer, die ihr ins Gefängnis habt werfen lassen, stehen jetzt im Tempel und halten Ansprachen an das Volk." Nun ging der Hauptmann mit seinen Leuten hin und holte sie mit Gewalt; denn die andern hatten zu befürchten, dass sie vom Volke gesteinigt würden. Man brachte sie also herbei und stellte sie vor den Hohen Rat. Der Hohepriester richtete die Frage an sie: "Haben wir euch nicht ausdrücklich verboten, etwas über diesen Namen zu predigen? Trotzdem seid ihr hingegangen und habt über ganz Jerusalem eure Lehre verbreitet und sucht uns für die Hinrichtung jenes Menschen verantwortlich zu machen." Petrus gab zur Antwort: "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt. Ihr hattet ihn gemordet, indem ihr ihn an den Galgen hängtet. Doch Gott hat ihn durch die Kraft seiner Rechten zu einem Fürsten und Erlöser erhöht, um durch ihn bei dem Volke Israel eine Änderung der Gesinnung zu bewirken und dadurch die Befreiung von den Sünden des Abfalls zu ermöglichen. Das sind Tatsachen, für deren Wahrheit wir als Zeugen auftreten. Aber auch die heilige Geisterwelt, die Gott den Anhängern Jesu verliehen hat, legt Zeugnis dafür ab." Bei diesen Worten ergrimmten sie so sehr, dass sie ihre Hinrichtung beschlossen. Da erhob sich ein Mitglied des Hohen Rates, der Pharisäer Gamaliel, ein bei dem ganzen Volke hochgeachteter Gesetzeslehrer. Er ließ die Apostel auf kurze Zeit abtreten. Dann ergriff er vor den Führern des Volkes und den Mitgliedern des Hohen Rates das Wort: "Ihr Männer von Israel!" - begann er - "Überlegt euch wohl, was ihr diesen Männern gegenüber zu tun gedenkt. Denn vor längerer Zeit trat ein gewisser Theudas auf und gab sich für etwas Großes aus. Ungefähr vierhundert Männer wurden seine Anhänger. Aber er beging Selbstmord, und seine Gefolgschaft stob auseinander. Nach ihm trat Judas aus Galiläa auf. Es war zur Zeit der Volkszählung im Reiche. Er brachte viel Volk auf seine Seite. Aber auch er kam um, und alle seine Anhänger zerstreuten sich. Darum, werte Brüder, möchte ich euch den Rat geben: Lasset ab von diesen Männern! Lasset sie in Ruhe und befleckt nicht eure Hände an ihnen! Denn wenn das, was sie wollen und tun, Menschenwerk ist, dann wird es von selbst zu Grunde gehen. Ist es aber Gottes Werk, dann könnt weder ihr sie daran hindern, noch Fürsten oder Tyrannen. Also Hände weg von diesen Leuten, damit ihr schließlich nicht noch als solche erfunden werdet, die gegen Gott selbst kämpfen." Sie folgten seinem Rat. Sie ließen die Apostel wieder hereinrufen und sie geißeln. Dann gaben sie ihnen wiederum die strenge Weisung, den Namen Jesu nicht mehr zu erwähnen, und entließen sie. Die Apostel gingen aus der Versammlung des Hohen Rates weg voll Freude darüber, dass sie gewürdigt worden waren, um des Namens Jesu willen Schmach zu leiden. Doch sie unterließen es nicht einen einzigen Tag, sowohl im Tempel als auch in den Häusern die Heilsbotschaft von Jesus als dem Messias zu verkünden. Während der Zeit, wo die Zahl der Gläubigen sich außerordentlich vermehrte, entstand unter den Griechisch sprechenden Gemeindemitgliedern eine große Unzufriedenheit gegenüber den Hebräisch sprechenden. Man führte Klage darüber, dass die Witwen der ersteren bei der täglichen Austeilung der Unterstützungen übergangen würden, sobald Judenchristen die Verteilung vornähmen. Da riefen die Zwölf eine Versammlung aller Gläubigen ein und hielten ihnen folgende Ansprache: "Es ist nicht recht", - sagten sie - "dass wir die Verkündigung des Wortes Gottes unterlassen und unsere Zeit auf die Verteilung von Unterstützungen verwenden. Doch, wie dem auch sei, werte Brüder - jedenfalls ist es besser, ihr sehet euch nach sieben bewährten Männern aus eurer eigenen Mitte um, - nach Männern, die mit einem heiligen Geiste und mit Weisheit erfüllt sind. Diese wollen wir für jene Arbeit bestimmen. Wir selbst aber wollen für die Abhaltung der gottesdienstlichen Versammlungen zur Verfügung stehen und uns der Verkündigung des Wortes Gottes widmen. Dieser Vorschlag fand den Beifall der ganzen Versammlung. Man wählte den Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes; ferner Philippus, Prochorus, Nikanor, Timon, Parmenas und Nikolaus. Letzterer war ein Heide aus Antiochien, der zum Judentum übergetreten war. Diese traten nun vor die Apostel, und diese legten ihnen unter Gebet die Hände auf. Die Lehre des Herrn breitete sich immer weiter aus, und die Zahl der Gläubigen in Jerusalem mehrte sich bedeutend. Auch eine große Anzahl Priester wurde für den Glauben gewonnen. Stephanus, ein Mann voll Gnade und göttlicher Kraft, wirkte durch Anrufung des Namens des Herrn Jesus Christus große Zeichen und Wunder unter dem Volke. Einige von den Mitgliedern der Synagogen der Lybier, der Cyrener und Alexandriner, sowie der Cilicier und Asiaten traten gegen Stephanus auf und führten mit ihm religiöse Streitreden; sie konnten jedoch der Weisheit nicht widerstehen, die in ihm war, noch auch dem heiligen Geiste, der deswegen aus ihm sprach, damit seine Gegner in aller Öffentlichkeit überführt würden. Als sie nun gegen die Wahrheit nichts mehr vorbringen konnten, verleiteten sie Männer zu der Aussage, sie hätten Lästerworte gegen Mose und Gott aus seinem Munde gehört. So hetzten sie das Volk, sowie die Ältesten und Schriftgelehrten gegen ihn auf. Diese stürzten sich auf ihn, schleppten ihn weg und stellten ihn vor den Hohen Rat. Dort ließen sie falsche Zeugen auftreten, welche aussagten: "Dieser Mensch hört nicht auf, Lästerreden gegen die heilige Stätte und das Gesetz zu führen. So haben wir ihn zum Beispiel sagen hören, Jesus von Nazareth werde diese Stätte zerstören und die Gesetze ändern, die uns Mose gegeben hat." Alle Mitglieder des Hohen Rates schauten unterdessen unverwandten Blickes auf Stephanus; denn sie sahen sein Antlitz leuchten, als stünde ein Engel in ihrer Mitte. Da richtete der Hohepriester die Frage an Stephanus: "Verhält sich das wirklich so?" Dieser ergriff das Wort und sprach: "Werte Brüder und Väter, hört mich an! Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er noch in Mesopotamien wohnte, bevor er sich in Haran niedergelassen hatte, und sagte zu ihm: Verlasse deine Heimat und deine Verwandten und ziehe in das Land, das ich dir zeigen werde. Da verließ er das Land der Chaldäer und nahm seinen Wohnsitz in Haran. Nach dem Tode seines Vaters siedelte ihn Gott in dem Lande an, das ihr jetzt bewohnt, und das eure Väter vor euch innehatten. Doch gab er ihm kein Eigentum darin, nicht einmal einen Fußbreit. Nur versprach er, es ihm und seinen Nachkommen späterhin als Eigentum zu geben. Er sprach von 'Nachkommen', obschon Abraham noch kein Kind hatte. Die Worte Gottes an ihn lauteten: 'Deine Nachkommen sollen als Fremdlinge in einem fremden Lande wohnen. Dort wird man sie vierhundert Jahre als Sklaven behandeln und knechten. Doch über das Volk, dem sie als Knechte dienen, will ich selbst - sagt Gott - mein Strafgericht verhängen. Dann sollen sie das Land verlassen und mir an diesem Orte ihre Verehrung erweisen.' Sodann gab Gott ihm die Beschneidung als äußeres Zeichen des mit ihm geschlossenen Bundes. Dann wurde ihm Isaak geboren, den er am achten Tage beschnitt. Isaak wurde der Vater des Jakob und Jakob der Vater der zwölf Erzväter. Weil diese auf Joseph neidisch waren, verkauften sie ihn nach Ägypten. Aber Gott war mit ihm und errettete ihn aus allen seinen Leiden. Er verlieh ihm Gnade und Weisheit vor dem König Pharao. Dieser machte ihn zum Gebieter über Ägypten und das ganze Königshaus. Da entstand eine Hungersnot, und große Drangsal kam über Ägypten und auch über Kanaan, und unsere Väter hatten nichts zu essen. Als jedoch Jakob erfuhr, dass in Ägypten Getreide zu haben sei, schickte er unsere Väter zum erstenmal in dieses Land. Beim zweiten Besuch gab sich dann Joseph seinen Brüder zu erkennen. So erfuhr Pharao die Herkunft des Joseph. Da ließ Joseph seinen Vater Jakob samt seiner ganzen Verwandtschaft nach Ägypten holen. Es waren im ganzen fünfundsiebzig Seelen. So kam Jakob nach Ägypten, wo er starb, und wo auch unsere Väter starben. Ihre Gebeine wurden nach Sichem mitgenommen und in dem Grabe beigesetzt, das Abraham für eine Summe Geldes von den Söhnen Hemors in Sichern gekauft hatte." Je näher die Zeit kam, die in der Verheißung Gottes an Abraham angegeben war, desto mächtiger und zahlreicher wurde das Volk in Ägypten. Da kam ein anderer König in Ägypten zur Regierung, der von Joseph nichts mehr wusste. Dieser handelte treulos gegen unser Volk und brachte schweres Unheil über unsere Väter; denn er ließ ihre Kinder ins Wasser werfen, um so jeden weiteren Nachwuchs zu verhindern. In dieser Zeit wurde Mose geboren. Er war in den Augen Gottes ein ausnehmend schönes Kind. Drei Monate wurde er in seinem Vaterhause aufgezogen. Dann musste man ihn im Flusse aussetzen. Aber die Tochter Pharaos zog ihn aus dem Flusse und erzog ihn wie ihren eigenen Sohn. So wurde Mose von aller Weisheit der Ägypter unterrichtet und war machtvoll in Wort und Tat. Als er volle vierzig Jahre alt war, sehnte er sich danach, sich einmal nach seinen Brüdern, den Kindern Israels, umzusehen. Da bemerkte er einen von seinen Stammesgenossen, dem schweres Unrecht zugefügt wurde. Er kam ihm zu Hilfe und verschaffte dem Misshandelten Genugtuung, indem er den Ägypter erschlug und seine Leiche im Sande verscharrte. Er nahm nun an, dass seine Brüder jetzt zu der Überzeugung kämen, dass durch seine Hand Gott ihnen Rettung bringen wolle. Die aber erkannten das nicht. Am folgenden Tage kam er hinzu, als zwei Hebräer mit einander stritten und sich gegenseitig Unrecht zufügten. Er versuchte den Streit zu schlichten und zwischen ihnen Frieden zu stiften. 'Was tut ihr da, meine Brüder?' so redete er sie an - 'Warum tut ihr einander Unrecht?' Der Mann aber, der seinem Genossen Unrecht zugefügt hatte, stieß Mose beiseite mit den Worten: 'Wer hat dich zum Oberhaupt und Richter über uns gesetzt? Oder willst du mich etwa auf dieselbe Weise erschlagen, wie du gestern den Ägypter erschlagen hast?' Dieses Wort veranlasste den Mose, die Flucht zu ergreifen. Er wohnte als Fremdling im Lande Midian, wo ihm zwei Söhne geboren wurden. Nach weiteren vollen vierzig Jahren erschien ihm in der Wüste am Berge Sinai ein Engel des Herrn in der Flamme eines Dornbusches. Als Mose das sah, geriet er über eine solche Erscheinung in Staunen. Er trat näher, um sie genauer zu betrachten. Da sprach der Herr zu ihm: 'Ich bin der Gott deiner Väter - der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.' Mose begann zu zittern und wagte nicht, genauer hinzusehen. Aber die Stimme des Herrn drang wieder an sein Ohr, und er hörte die Worte: 'Ziehe die Schuhe von deinen Füßen! Denn der Platz, auf dem du stehst, ist geheiligter Boden. Lange genug habe ich die Misshandlung meines Volkes in Ägypten angesehen und sein Seufzen gehört. Darum bin ich herabgekommen und will es befreien. Und nun mache du dich auf! Denn dich will ich nach Ägypten senden.' Es war derselbe Mose, den sie einst mit den Worten von sich gewiesen hatten: "Wer hat dich zum Oberhaupt und Richter über uns gesetzt?' Und gerade dieser Mose war der Mann, den Gott als Oberhaupt und Befreier zu ihnen sandte, und zwar durch Vermittlung desselben Engels, der ihm im Dornbusch erschienen war. Dieser Engel ist es denn auch gewesen, der sie aus Ägyptenland wegführte und die Zeichen und Wunder in Ägypten gewirkt hat und sie im Roten Meer, sowie vierzig Jahre lang in der Wüste wirkte. Und dieser Mose war es, der zu den Kindern Israels sagte: 'Einen Gesandten, wie mich, wird Gott euch aus euren Volksgenossen erwecken. Auf ihn sollt ihr hören.' Dieser Mose war es, der bei der Gemeindeversammlung in der Wüste als der Vermittler auftrat zwischen dem Engel, der am Berge Sinai zu ihm geredet hatte, und unsern Vätern. Derselbe Mose empfing Worte des Lebens, um sie uns mitzuteilen. Doch unsere Väter wollten nicht auf ihn hören; sie stießen ihn vielmehr von sich und sehnten sich innerlich danach, wieder nach Ägypten zurückzukehren; denn sie sagten ja zu Aaron: Mache uns Götter, die vor uns herziehen sollen! Denn von diesem Mose, der uns aus Ägypten führte, wissen wir nicht, was aus ihm geworden ist.' Und tatsächlich machten sie sich damals ein Kalb als Götzenbild. Ihm brachten sie Opfer dar, und alle waren im Festjubel über die Werke ihrer Hände. Da wandte sich Gott von ihnen ab und ließ sie so tief sinken, dass sie das Geisterheer der tiefen Sphären verehrten, worauf im Buch der Propheten hingewiesen wird mit den Worten: 'Habt ihr mir etwa Schlachtopfer oder andere Arten von Opfern während der vierzig Jahre in der Wüste dargebracht, - ihr vom Hause Israel? Nein, das Zelt des Moloch war es und das Sternbild des Gottes Rephan, die ihr truget, - die Götzenbilder, die ihr zur Anbetung angefertigt hattet. Darum werde ich euch ansiedeln in den Erbteilen Babylons.' In der Wüste hatten unsere Väter das Offenbarungszelt, wie es der bestimmt hatte, der dem Mose den Auftrag gegeben, es nach dem Vorbilde herzustellen, das er gesehen hatte. Dieses Zelt führten unsere Väter unter Josua mit sich in das Gebiet der Völker, die Gott vor unsern Vätern her vertrieb. So blieb es bis hinab in die Zeiten Davids. Dieser fand Gnade vor Gott und bat um die Erlaubnis, eine Wohnung für den Gott Jakobs errichten zu dürfen. Aber erst Salomo baute ihm diese Wohnung. Doch der Allerhöchste wohnt ja nicht in Gebäuden von Menschenhand, wie schon der Prophet sagt: 'Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel meiner Füße. Was für ein Haus könntet ihr mir also bauen', - sagt der Herr - 'oder wo wäre eine Stätte der Ruhe für mich? Hat nicht meine Hand dieses ganze Weltall geschaffen?' "O ihr Halsstarrigen und an Herzen und Ohren Unbeschnittenen! Stets stellt ihr euch in Gegensatz zu der heiligen Geisterwelt Gottes. So machten es eure Väter schon, und ihr tut desgleichen. Hat es je einen Gesandten Gottes gegeben, den jene nicht verfolgt hätten? Ja, sie töteten sogar diejenigen, die das Kommen des 'Gerechten' vorausverkündigten, - jenes Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid. Das Gesetz saht ihr zwar als Aufträge von Boten Gottes an, aber befolgt habt ihr es nie." Bei diesen Worten erfasste sie eine furchtbare Wut gegen ihn, so dass sie mit den Zähnen knirschten. Er aber, ganz erfüllt von einem heiligen Geiste, blickte unentwegt zum Himmel und schaute die Herrlichkeit Gottes und sah den Herrn Jesus zur Rechten Gottes stehen. Da rief er aus: "Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen." Nun erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu und stürmten wie ein Mann auf ihn ein. Dann stießen sie ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn. Die Zeugen legten ihre Mäntel zu den Füßen eines jungen Mannes nieder, der Saulus hieß. Während der Steinigung betete Stephanus laut: "Herr Jesus, nimm meinen Geist zu dir!" Dann sank er in die Knie und rief mit weithin vernehmbarer Stimme: "Herr, rechne ihnen dies nicht zur Sünde an!" Nach diesen Worten gab er seinen Geist auf. Saulus war mit der Ermordung des Stephanus durchaus einverstanden. Mit diesem Tage begann für die Gemeinde in Jerusalem eine Zeit großer Verfolgung und Drangsale. Alle, mit Ausnahme der Apostel, zerstreuten sich in die Landstriche von Judäa und Samaria. Die Apostel blieben in Jerusalem. Den Stephanus bestatteten gottesfürchtige Männer, und lautes Weheklagen über ihn kam von ihren Lippen. Saulus wütete gegen die Gemeinde der Gläubigen. Er drang in ihre Häuser der Reihe nach ein, schleppte Männer und Frauen fort und brachte sie ins Gefängnis. Die, welche sich zerstreut hatten, zogen auf dem flachen Lande umher und verkündeten die Heilsbotschaft. So gelangte Philippus in die Hauptstadt von Samaria und predigte den Einwohnern über den Messias. In großen Scharen strömten sie zu seinen Predigten und lauschten einmütig seinen Worten. Auch sahen sie die Wunder, die er wirkte. Denn aus vielen Besessenen fuhren unter einem lauten Schrei die unreinen Geister aus; zahlreiche Gelähmte und Krüppel wurden geheilt. Darüber herrschte große Freude in der ganzen Stadt. Darin lebte auch ein Mann, namens Simon, der durch seine Zaubereien die Bevölkerung Samarias in Staunen setzte. Er gab sich für etwas Großes aus, und alle vom kleinsten bis zum größten, liefen ihm nach, indem sie behaupteten, er sei die sogenannte "Große Kraft Gottes". Sie waren aber nur deshalb für ihn so eingenommen, weil er sie eine ziemlich lange Zeit durch seine Zaubereien in höchste Aufregung versetzt hatte. Als nun Philippus den Leuten die Heilsbotschaft vom Reiche Gottes und vom Namen Jesu Christi predigte, nahmen sie seine Lehre gläubig an und ließen sich taufen, - Männer sowohl, wie Frauen. Auch Simon selbst wurde gläubig. Er ließ sich taufen und schloss sich eng an Philippus an. Als er die großen Zeichen und Wunder sah, die dort geschahen, war er außer sich vor Staunen. Als die Apostel in Jerusalem vernahmen, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes dorthin. Nach ihrer Ankunft beteten sie für die Gläubigen, damit sie einen heiligen Geist empfangen möchten; denn ein heiliger Geist war noch auf keinen von ihnen herabgekommen. Sie waren bloß auf den Namen des Herrn Jesus Christus getauft worden. Nun legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen einen heiligen Geist. Als Simon sah, dass durch die Handauflegung der Apostel der heilige Geist verliehen wurde, brachte er ihnen Geld und richtete die dringende Bitte an sie: "Verschaffet auch mir diese Kraft, so dass jeder, dem ich die Hände auflege, einen heiligen Geist empfängt." Petrus gab ihm zur Antwort: "Dein Geld fahre mit dir ins Verderben, der du dir eingeredet hast, du könntest dir die Gabe Gottes mit Geld erkaufen. Irgend ein Anrecht auf diese Gottesgabe oder gar einen Anteil daran kommt für dich überhaupt nicht in Frage; denn dein Herz ist nicht aufrichtig in den Augen Gottes. Ändere also zuerst deine Gesinnung und kehre um von deinen schlechten Wegen und bete zum Herrn; vielleicht werden dir dann die schlimmen Neigungen deines Herzens vergeben werden. Denn ich sehe in dir ein bitteres Gift und einen Ausbund des Schlechten." Da entgegnete ihm Simon: "Ich bitte euch, betet auch ihr für mich zu Gott, damit nichts von dem, was ihr mir vorhieltet, sich noch länger bei mir bewahrheiten möge." Dabei weinte er laut, und unaufhörlich flossen seine Tränen. Als nun die beiden Apostel in allen Teilen der Stadt für das Wort des Herrn Zeugnis abgelegt und gepredigt hatten, machten sie sich auf den Heimweg nach Jerusalem. Unterwegs verkündeten sie noch in vielen samaritischen Ortschaften die Heilsbotschaft. Eines Tages gab ein Engel des Herrn dem Philippus die Weisung: "Mache dich auf und gehe um die Mittagsstunde auf den Weg, der von Jerusalem nach Gaza hinab führt. Der Weg ist einsam." Er stand auf und machte sich auf den Weg. Da traf er einen Äthiopier - einen Eunuchen. Er war Hofbeamter und Würdenträger einer gewissen äthiopischen Königin Kandace und hatte ihren gesamten Schatz zu verwalten. Er war nach Jerusalem gekommen, um dort Gott seine besondere Verehrung zu erzeigen. Jetzt befand er sich auf dem Heimweg. Er saß auf seinem Wagen und las im Propheten Jesaja. Da sagte der Geist zu Philippus: "Tritt hinzu und halte dich in der Nähe des Wagens!" Philippus eilte auf den Wagen zu. Nun hörte er, wie jener aus dem Propheten Jesaja laut las und fragte ihn: "Verstehst du auch, was du da liest?" "Wie soll ich es verstehen können", - antwortete er - "wenn mich keiner in das Verständnis der Worte einführt?" Und nun bat er den Philippus, auf den Wagen zu steigen und sich neben ihn zu setzen. Die Schriftstelle, die er eben gelesen hatte, lautete: "Wie ein Schaf wurde er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Lamm vor dem stumm bleibt, der seine Wolle schert, so tut auch er seinen Mund nicht auf. Durch seine Selbsterniedrigung wurde die früher errichtete Scheidewand weggenommen; und wer will nun die Zahl seiner geistigen Nachkommenschaft angeben? Denn seiner irdischen Lebenszeit wird ein Ende gemacht." - "Bitte, erkläre mir doch", - sagte der Eunuch zu Philippus - "auf wen der Prophet diese Worte bezieht; ob auf sich selbst oder auf einen andern." Und nun begann Philippus seine Belehrung, indem er zunächst diese Schriftstelle erklärte; und daran anknüpfend verkündete er ihm die Heilsbotschaft von Jesus. Als sie so im Gespräche miteinander auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an eine Stelle, wo ein Gewässer war. Da sagte der Hofbeamter: "Sieh, hier ist ein Gewässer! Was könnte also meiner Taufe noch im Wege stehen?" - - - Er ließ den Wagen halten, und beide, Philippus und der Hofbeamte stiegen in das Wasser hinab, und Philippus tauchte ihn unter. Kaum waren sie wieder aus dem Wasser gestiegen, da kam ein heiliger Geist auf den Eunuchen herab; den Philippus jedoch entführte in demselben Augenblick ein Geist des Herrn, so dass der Eunuch nichts mehr von ihm sah. Während dieser freudigen Herzens seinen Weg fortsetzte, fand sich Philippus bei Azotus wieder; er durchwanderte dieses Gebiet und predigte in allen Ortschaften die Heilsbotschaft, bis er zuletzt Cäsarea erreichte. Inzwischen war Saulus, der noch immer in seiner Wut gegen die Anhänger des Herrn diese mit dem Tode bedrohte, zu dem Hohenpriester gegangen und hatte ihn um Vollmachtsschreiben gebeten. Damit wollte er zu den jüdischen Gemeinden in Damaskus gehen, um Anhänger der neuen Lehre, die er etwa dort fände - seien es Männer oder Frauen - gefesselt nach Jerusalem zu bringen. Als er auf dem Wege dorthin war und sich bereits der Stadt Damaskus näherte, da umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme, die ihm zurief: "Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?" Er fragte: "Wer bist du, Herr?" Die Stimme antwortete: "Ich bin Jesus, den du verfolgst. Aber stehe jetzt auf und gehe in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst." Seine Begleiter standen wie versteinert da. Sie hörten wohl die Stimme, sahen jedoch niemand. Saulus stand vom Boden auf. Als er aber seine Augen öffnete, konnte er nicht mehr sehen. Man musste ihn an der Hand fassen und nach Damaskus führen. Drei Tage blieb er blind und aß und trank nichts. In Damaskus lebte ein Jünger Jesu namens Ananias. Zu ihm, der hellsehend und hellhörend war, sagte der Herr: "Ananias!" Dieser erwiderte: "Hier bin ich, Herr!" "Mache dich auf", - fuhr der Herr fort - "und gehe in die Straße, die man die 'Grade' nennt. Frage dort in dem Hause des Judas nach einem Manne namens Saulus von Tarsus. Er ist eben am Beten und hat dabei eine Vision, in der er sieht, wie ein Mann namens Ananias zu ihm kommt und ihm die Hände auflegt, damit er sein Augenlicht wiedererlange." Ananias antwortete: "Herr, von vielen Seite habe ich erzählen hören, wie viel Unheil dieser Mann deinen Gläubigen in Jerusalem zugefügt hat. Ferner hat er von dem Hohenpriester Vollmacht erhalten, auch hier in dieser Stadt alle in Fesseln zu legen, die deinen Namen anrufen." Doch der Herr entgegnete ihm: "Gehe nur ruhig hin! Denn dieser Mann ist von mir als Werkzeug ausersehen, meinen Namen vor die Ungläubigen und ihre Könige, sowie zu den Kindern Israels zu tragen. Ich werde ihm zeigen, wie viel er für meine Sache leiden muss." Ananias machte sich auf und ging in das betreffende Haus. Dort legte er Saulus die Hände auf. "Bruder Saulus!" - sprach er - "Der Herr, nämlich Jesus, der dir auf dem Wege hierher erschienen ist, sandte mich zu Dir. Du sollst dein Augenlicht wiedererlangen und von einem heiligen Geist erfüllt werden." Da fiel es Saulus sofort wie Schuppen von den Augen. Er konnte wieder sehen, stand auf und ließ sich taufen. Er nahm wieder Nahrung zu sich und bekam neue Kraft. Einige Tage verbrachte er bei den Jüngern in Damaskus und trat sofort in den Synagogen auf und predigte, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Alle, die ihn hörten, konnten nicht genug staunen und fragten einander: "Ist das nicht derselbe, der in Jerusalem die Bekenner dieses Namens wütend verfolgt hat? Kam er nicht auch hierher in der Absicht, sie gefesselt zu den Oberpriestern zu führen?" Saulus aber trat mit immer größerer Kraft auf und brachte die Juden von Damaskus völlig außer Fassung; denn er bewies ihnen, dass Jesus der Messias sei. Schon nach wenigen Tagen beschlossen daher die Juden, ihn aus dem Wege zu räumen. Ihr Vorhaben wurde jedoch dem Saulus bekannt. Und da die Juden sogar die Stadttore Tag und Nacht bewachten, um seiner habhaft zu werden, ließen ihn seine Anhänger bei Nacht in einem Korbe über die Stadtmauer hinab. So gelangte er wieder nach Jerusalem. Dort versuchte er, sich an die Jünger anzuschließen. Aber alle fürchteten sich vor ihm; denn keiner wollte es ihm glauben, dass er ein Jünger Jesu geworden sei. Barnabas nahm sich jedoch seiner an und führte ihn zu den Aposteln. Er erzählte ihnen, wie Saulus auf dem Wege nach Damaskus den Herrn gesehen, und dass dieser mit ihm geredet habe; wie er ferner in Damaskus im Namen Jesu mit allem Freimut öffentlich aufgetreten sei. So ging er denn in Jerusalem bei ihnen ein und aus und predigte furchtlos den Namen des Herrn. Er ließ sich auch in religiöse Gespräche und Erörterungen von Glaubensfragen mit den Griechisch sprechenden Juden ein. Die Folge davon war, dass sie einen Anschlag auf sein Leben machten. Als die Brüder dies erfuhren, brachten sie ihn nach Cäsarea und schickten ihn von da nach Tarsus. Endlich hatte die Kirche Gottes in ganz Judäa, Galiläa und Samaria Ruhe und Frieden. Sie baute sich innerlich auf und wandelte in der Furcht des Herrn. Unter dem Beistand der heiligen Geisterwelt wuchs sie auch äußerlich an Zahl der Mitglieder. Petrus bereiste alle Gemeindebezirke und kam auch zu den Gläubigen in Lydda. Dort fand er einen Mann, namens Aeneas, der schon seit acht Jahren zu Bette lag; denn er war vollständig gelähmt. Da sagte Petrus zu ihm: "Aeneas! Jesus Christus macht dich gesund! Stehe auf und mache dein Bett selbst!" Sofort stand er auf. Alle Einwohner von Lydda und Saron sahen ihn gesund einhergehen und bekehrten sich infolgedessen zum Herrn. In Joppe lebte eine Jüngerin namens Tabitha, - auf Deutsch: 'Gazelle'. Sie tat sehr viel Gutes und gab reichlich Almosen. In dieser Zeit wurde sie krank und starb. Man wusch ihre Leiche und legte sie ins Obergemach. Weil nun Lydda ganz nahe bei Joppe lag, sandten die Gläubigen zwei Männer dorthin; denn sie hatten gehört, dass Petrus dort sei. Sie ließen ihm sagen: "Komm doch sofort zu uns herüber!" Petrus machte sich auf und ging mit ihnen. Als er dort ankam, führte man ihn in das Obergemach. Alle Witwen traten weinend zu ihm und zeigten ihm die Röcke und Oberkleider, die ihnen die Verstorbene bei ihren Lebzeiten angefertigt hatte. Petrus ließ nun alle aus dem Zimmer hinausgehen, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu der Toten mit den Worten: "Tabitha, im Namen unsres Herrn Jesus Christus stehe auf!" Da schlug sie ihre Augen auf; und als sie Petrus neben sich stehen sah, setzte sie sich auf. Petrus reichte ihr die Hand und hieß sie aufstehen. Dann rief er die Gläubigen und Witwen und stellte sie ihnen lebend vor. Die Kunde davon ging wie ein Lauffeuer durch ganz Joppe, und viele kamen infolgedessen zum Glauben an den Herrn. Petrus blieb noch einige Zeit in Joppe. Dort wohnte er bei einem Gerber namens Simon. In Cäsarea lebte damals ein Mann, namens Kornelius. Er war Hauptmann bei der sogenannten italienischen Kohorte. Er und sein ganzes Haus waren fromm und gottesfürchtig. Dem Volke erwies er viele Wohltaten und betete ohne Unterlass zu Gott. Dieser Mann sah im Zustande des Hellsehens etwa um drei Uhr nachmittags klar und deutlich einen Engel Gottes auf sich zukommen. Dieser sagte: "Kornelius!" Jener starrte ihn an und fragte erschrocken: "Herr, was willst du?" Der Engel gab ihm zur Antwort: "Deine Gebete und Almosen sind zu Gott gedrungen und haben Erhörung gefunden. Du sollst nun sofort Männer nach Joppe senden und einen gewissen Simon mit dem Beinamen Petrus hierher holen lassen. Er wohnt als Gast bei einem Gerber, namens Simon, dessen Haus am Meere steht." Als der Engel, der mit ihm gesprochen hatte, wieder verschwunden war, rief Kornelius zwei von seinen Dienern und einen gottesfürchtigen Soldaten aus der Zahl der Leute, die unter seinem Befehle standen, weihte sie in alles Vorgefallene ein und sandte sie nach Joppe. Am folgenden Tage, während derselben Zeit, wo diese noch unterwegs waren, und sich bereits der Stadt näherten, stieg Petrus um die Mittagstunde auf das Dach des Hauses, um dort zu beten. Da er Hunger bekam, bestellte er sich etwas zum essen. Während man es ihm zubereitete, geriet er in einen Zustand, in dem der Geist aus dem Körper austritt. Er sah den Himmel sich öffnen, und einen Behälter herabkommen; dieser glich einem großen Stück Leinwand, das an Bändern, die an den vier Zipfeln befestigt waren, auf die Erde herabgelassen wurde. Darin befanden sich alle Arten vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels. Dann drang eine Stimme an sein Ohr, welche sprach: "Stehe auf, Petrus, schlachte und iss!" Petrus aber antwortete: "Herr, das sei ferne von mir! Denn noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen." Da hörte er die Stimme zum zweitenmal sprechen: "Was Gott gereinigt hat, sollst du nicht für unrein erklären!" Das wiederholte sich dreimal. Dann wurde der Behälter sofort wieder in den Himmel emporgezogen. Während Petrus noch am Nachgrübeln war, was das von ihm Geschaute wohl bedeuten könne, standen die Männer, die von Kornelius geschickt waren und das Haus Simons ausfindig gemacht hatten, draußen am Toreingang. Sie riefen ins Haus hinein und fragten, ob Simon mit dem Beinamen Petrus dort als Gast weile. Währenddem war Petrus immer noch am Nachdenken über die Bedeutung dessen, was er geschaut. Da sagte der Geist zu ihm: "Unten sind Männer, die nach dir fragen. Stehe also auf und gehe hinunter und dann mache dich ohne langes Überlegen mit ihnen auf den Weg! Denn ich habe sie gesandt." Da ging Petrus zu den Männern hinunter und sagte: "Ich bin der, den ihr sucht. Was wollt ihr, und was führt euch hierher?" Diese erzahlten ihm nun: "Hauptmann Kornelius, ein gerechter, gottesfürchtiger und bei der ganzen jüdischen Bevölkerung in hohem Ansehen stehender Mann, erhielt durch einen heiligen Engel die göttliche Weisung, dich zu sich zu bitten und zu hören, was du ihm zu sagen hast." Da führte Petrus sie ins Haus hinein und ließ sie bewirten. Am folgenden Tage machte er sich mit ihnen auf den Weg. Einige von den Brüdern aus Joppe begleiteten ihn. Am nächsten Tage darauf erreichten sie Cäsarea, wo Kornelius sie sehnsüchtig erwartete. Er hatte auch alle seine Verwandten und vertrauten Freunde zu sich eingeladen. Als nun Petrus sich Cäsarea näherte, eilte einer von den Dienern voraus und meldete seine Ankunft. Da sprang Kornelius auf und lief ihm entgegen; er fiel ihm zu Füßen und bezeigte ihm seine Verehrung. Petrus aber hob ihn auf mit den Worten: "Was machst du da? Ich bin doch auch nur ein Mensch wie du!" Im Gespräch mit ihm betrat Petrus das Haus und traf dort eine zahlreiche Versammlung. Petrus begann mit den Worten: "Ihr wisst wohl, dass es einem Juden verboten ist, mit jemand zu verkehren, oder einen zu besuchen, der von nichtjüdischer Abstammung ist. Doch Gott hat mir gezeigt, dass man keinen Menschen als gemein und unrein bezeichnen darf. Darum habe ich mich auf eure Einladung hin auch ohne Bedenken hier eingefunden. Ich möchte nun erfahren, aus welchem Grunde ihr mich habt herkommen lassen." "Heute vor drei Tagen", - begann nun Kornelius - "genau um diese Stunde, nämlich um drei Uhr nachmittags, war ich zu Hause und betete. Da stand auf einmal ein Mann in strahlendem Gewande vor mir und sagte: Kornelius, dein Gebet hat Erhörung gefunden, und Gott gedachte deiner Almosen. Sende nun sofort Leute nach Joppe und lass den Simon, mit dem Beinamen Petrus hierher holen. Er wohnt als Gast im Hause eines Gerbers, namens Simon, dicht am Meere. Sobald er hierher kommt, wird er dir alles Weitere mitteilen. Da habe ich sofort zu dir gesandt und ließ dich bitten, doch zu uns zu kommen. Und du hattest die Güte, dieser Bitte unverzüglich zu willfahren. Nun möchten wir alle, die wir hier vor dir versammelt sind, von dir alles das hören, was dir von Gott aufgetragen wurde." Da ergriff Petrus das Wort. "Nun erkenne ich in Wirklichkeit", - begann er - "dass vor Gott kein Ansehen der Person gilt, sondern dass in jedem Volke derjenige ihm angenehm ist, der ihn fürchtet und das Rechte tut. Diese Wahrheit ließ nämlich Gott den Kindern Israels verkünden, als er ihnen durch Jesus Christus die frohe Botschaft vom Frieden bringen ließ; denn dieser ist der Herr aller. Euch sind ja die Ereignisse bekannt, die sich in Judäa zugetragen haben. Sie nahmen ihren Anfang in Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte. Ihr habt gehört von Jesus von Nazareth, den Gott mit einem heiligen Geiste und mit Kraft salbte; wie er als Wohltäter der Menschheit auftrat und alle gesund machte, die sich in der Gewalt Satans befanden; denn Gott war mit ihm. Und wir können alle die Taten bezeugen, die er im Lande der Juden und in Jerusalem vollbracht hat. Man hing ihn am Kreuzesbalken auf und schaffte ihn auf diese Weise aus dem Wege. Aber Gott führte ihn am dritten Tag aus dem Totenreich herauf und gab ihm die Erlaubnis, sich sichtbar zu machen; zwar nicht vor dem ganzen Volke, aber doch vor uns als den von Gott erwählten Zeugen. Wir haben nach seiner Rückkehr aus dem Reich der Toten mit ihm gegessen und getrunken und vierzig Tage lang mit ihm verkehrt. Dann hat er uns beauftragt, dem Volke zu verkünden und zu bezeugen, dass er der von Gott bestellte Richter über Lebende und geistig Tote ist. Alle Gesandten Gottes legen das Zeugnis ab, dass er es ist, durch dessen Namen ein jeder, der an ihn glaubt, Befreiung von der Sünde des Abfalls erlangt." Bei diesen letzten Worten des Petrus kamen heilige Geister auf alle seine Zuhörer. Die Judenchristen, die sich in der Begleitung des Petrus befanden, waren darüber aufs Höchste erstaunt, dass auch den Nichtjuden die heilige Geisterwelt als Gottesgeschenk verliehen wurde. Denn sie hörten dieselben in fremden Sprachen reden und das Lob Gottes verkünden. Da sprach Petrus: "Wer dürfte es wohl wagen, diesen Leuten hier die Taufe zu verwehren, die doch bereits einen heiligen Geist in gleicher Weise empfangen haben, wie wir?" So ordnete er denn an, dass sie auf den Namen Jesu Christi getauft würden. Darauf baten sie ihn, doch noch einige Tage bei ihnen zu bleiben. Die Apostel und Brüder, die in Judäa wohnten, hatten davon gehört, dass auch Nichtjuden das Wort Gottes angenommen hätten. Als nun Petrus nach Jerusalem zurückgekehrt war, stellten ihn die Judenchristen deswegen zur Rede. "Du bist ja bei Unbeschnittenen eingekehrt" - sagten sie - "und hast mit ihnen gegessen." Da begann Petrus ihnen im einzelnen auseinander zu setzen, wie sich alles zugetragen habe. "Ich befand mich" - so erzählte er - "in der Stadt Joppe. Während ich betete, löste sich mein Geist vom Körper, und ich hatte folgende Erscheinung: Ein Behälter kam von oben herab. Er glich einem großen Stück Leinwand, das an vier Zipfeln vom Himmel herabgelassen wurde. Es kam bis dicht vor mich. Ich blickte hinein und sah es mir genau an. Da bemerkte ich darin vierfüßige und kriechende Tiere und Vögel des Himmels. Gleichzeitig hörte ich eine Stimme, die mir zurief: 'Stehe auf, Petrus, schlachte und iss!' Ich erwiderte: 'Herr, das sei ferne von mir; denn noch nie ist etwas Gemeines und Unreines in meinen Mund gekommen!' Da erscholl zum zweitenmal die Stimme vom Himmel her und sagte: 'Was Gott für rein erklärt hat, sollst du nicht unrein nennen!' Das wiederholte sich dreimal. Dann wurde das Ganze wieder in den Himmel hinaufgezogen. In demselben Augenblick standen draußen vor dem Hause, in dem ich wohnte, drei Männer. Sie waren aus Cäsarea zu mir geschickt. Nun befahl mir der Geist, ich solle ohne weiteres Bedenken mit ihnen gehen. Es begleiteten mich auch diese sechs Brüder hier. So gelangten wir in die Wohnung des Mannes, der die Boten geschickt hatte. Dieser berichtete uns, dass er in seinem Hause einen Engel hatte vor sich stehen sehen, der an ihn die Worte richtete: 'Sende Leute nach Joppe und lass den Simon mit dem Beinamen Petrus rufen; der wird Worte an dich richten, durch die sowohl du als auch deine ganze Familie das Heil erlanget.' Kaum hatte ich dort zu reden begonnen, da kamen heilige Geister in derselben Weise über sie, wie sie seinerzeit auch über uns gekommen sind. Da dachte ich an das Wort, das der Herr einst sagte: 'Johannes hat euch bei seiner Taufe in die Wellen des Wassers untergetaucht, aber ihr sollt in die Kraftwellen eines heiligen Geistes untergetaucht werden.' Wenn nun Gott diesen Leuten dieselbe Gnadengabe verlieh, wie uns, als wir zum Glauben an den Herrn Jesus Christus gekommen waren, - wäre ich da etwa imstande gewesen, Gott daran zu hindern, jenen Leuten, die gläubig auf ihn vertrauten, einen heiligen Geist zu senden?" Als sie das hörten, waren sie beruhigt und priesen Gott. "So hat also Gott" - sagten sie zueinander - "tatsächlich auch den Nichtjuden die Gnade verliehen, ihre Gesinnung so zu ändern, dass sie das geistige Leben erlangen können." Als damals beim Einsetzen der Verfolgung, die durch das Auftreten des Stephanus veranlasst worden war, die Gläubigen sich nach allen Richtungen zerstreuten, gelangten sie bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien. Sie pflegten mit niemand über die Heilswahrheiten zu sprechen, außer wenn sie mit Juden in Berührung kamen. Unter ihnen waren jedoch verschiedene Männer aus Cypern und Cyrene, die nach ihrer Ankunft in Antiochien auch bei den griechischen Nichtjuden das Gespräch darauf brachten und ihnen die Heilsbotschaft vom Herrn Jesus Christus verkündeten. Die Kraft des Herrn ruhte auf ihnen, so dass eine große Anzahl gläubig wurde und sich zum Herrn bekehrte. Die Kunde hiervon drang zu der Gemeinde in Jerusalem. Diese beauftragte den Barnabas, nach Antiochien zu reisen. Er ging hin und wurde Augenzeuge der großen Gnade Gottes und war voll Freude darüber. Alle ermahnte er, mit ganzer Hingabe ihres Herzens treu zum Herrn zu halten. Er war nämlich ein guter Mann, stand ganz unter der Leitung eines heiligen Geistes, und sein Herz war voll Glaube und Gottvertrauen. So wurde eine ziemlich große Anzahl Neubekehrter für den Herrn gewonnen. Da er nun gehört hatte, dass Saulus in Tarsus sei, begab er sich dorthin, um ihn aufzusuchen. Er traf ihn auch dort und bat ihn, mit nach Antiochien zu gehen. In dieser Stadt verbrachten sie ein ganzes Jahr als Mitarbeiter der Gemeinde und führten eine ziemlich große Menge Leute in die Lehre Christi ein. In Antiochien war es auch, wo die Anhänger der Lehre Christi zum erstenmal mit dem Namen "Christen" bezeichnet wurden. Um dieselbe Zeit kamen Medien der guten Geisterwelt von Jerusalem nach Antiochien. Darüber herrschte in der Gemeinde große Freude. Bei einer gottesdienstlichen Versammlung sprach eines von diesen, namens Agapus, und der aus ihm redende Geist verkündete voraus, dass eine große Hungersnot über die ganze bewohnte Erde kommen werde. Diese trat denn auch unter der Regierung des Klaudius wirklich ein. Infolgedessen beschlossen die Gläubigen, dass ein jeder von ihnen, soweit er dazu in der Lage war, Mittel zur Verfügung stellen möge, um die im jüdischen Lande wohnenden Brüder zu unterstützen. Dieser Beschluss wurde auch ausgeführt, und den Ertrag der Sammlung ließen sie durch Barnabas und Saulus den Ältesten der Gemeinde in Jerusalem überbringen. Damals ließ der König Herodes einige aus der Christengemeinde in Judäa gefangen nehmen, um seine Wut an ihnen auszulassen. Jakobus, den Bruder des Johannes, ließ er mit dem Schwerte hinrichten. Als er nun sah, dass sein Vorgehen gegen die Christen den Beifall der Juden fand, ließ er auch den Petrus verhaften und zwar während der Tage der ungesäuerten Brote. Er ließ ihn in Ketten legen und ins Gefängnis werfen; dann gab er Befehl, dass vier Abteilungen Soldaten von je vier Mann ihn zu bewachen hätten. Nach dem Osterfest wollte er ihn dem Volke zur Aburteilung vorführen lassen. So wurde also Petrus im Gefängnis scharf bewacht. Doch die Gemeinde betete viel und mit großer Andacht zu Gott für seine Rettung. In der Nacht vor dem Tage, an dem Herodes ihn vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten. Er war mit zwei Ketten gefesselt. Außerdem standen zwei Wachtposten vor der Türe der Gefängniszelle. Plötzlich stand ein Engel des Herrn neben Petrus, und ein Lichtschein erhellte den Raum. Der Engel stieß den Petrus in die Seite und weckte ihn auf. "Stehe schnell auf!" - sagte er zu ihm. Sofort fielen ihm die Ketten von seinen Händen. Der Engel fuhr fort: "Gürte dich und ziehe deine Schuhe an!" Petrus tat es. Dann sagte er zu ihm: "Wirf deinen Mantel um und folge mir!" Petrus verließ die Zelle und folgte dem Engel. Er wusste nicht, dass das, was da vor sich ging, Wirklichkeit war. Er glaubte bloß zu träumen. Sie schritten an der ersten und zweiten Wache vorüber und kamen an das eiserne Tor, das ins Freie führte. Dies öffnete sich von selbst. Sie traten ins Freie und gingen bis zur nächsten Straße. Dann verschwand der Engel plötzlich von seiner Seite. Petrus kam nun zu sich und rief aus: "Jetzt weiß ich es gewiss, dass der Herr seinen Engel sandte und mich aus der Hand des Herodes rettete und so die ganze Erwartung des jüdischen Volkes zunichte machte." Wieder vollständig seiner Sinne mächtig, ging er nun zu dem Hause der Maria, der Mutter des Johannes, der den Beinamen Markus führte. Dort waren gerade viele zum Gottesdienst versammelt. Er klopfte an der Türe des Toreinganges. Da kam eine Magd, namens Rhode, heraus, um zu hören, wer da sei. Als sie den Petrus an der Stimme erkannte, schloss sie in ihrer Freude nicht erst die Türe auf, sondern lief schnell ins Haus und meldete, Petrus stehe vor dem Tor. "Du bist ja von Sinnen!" riefen ihr die einen zu; und als sie hoch und teuer versicherte, dass es tatsächlich Petrus sei, meinten andere: "Vielleicht ist es sein Engel." Inzwischen hielt sich Petrus immer weiter am Klopfen. Als sie endlich öffneten und ihn mit eigenen Augen sahen, waren sie außer sich. Er gab ihnen mit der Hand ein Zeichen, sie möchten sich ruhig verhalten. Dann trat er ins Haus ein und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis befreit habe. Er bat sie, dies dem Jakobus und den übrigen Brüdern mitzuteilen. Dann verließ er das Haus und begab sich an einen andern Ort. Nach Tagesanbruch entstand unter den Soldaten eine große Bestürzung. Denn sie wussten nicht, wie sie sich das Verschwinden des Petrus erklären sollten. Herodes hatte ihn nämlich schon holen lassen wollen. Als man ihn aber nicht fand, stellte er ein Verhör mit den Wachen an und ließ sie hinrichten. Dann begab er sich von Judäa nach Cäsarea und verlegte seine Hofhaltung dahin. Damals war er auf die Einwohner von Tyrus und Sidon erbittert. Diese beschlossen nun, aus beiden Städten eine Gesandtschaft an ihn zu schicken, die denn auch vor dem König erschien. Sie hatten Blastus, den Kammerherrn des Königs, für sich gewonnen und durch ihn eine friedliche Beilegung des Streitfalles zu erreichen gewusst. Ihre Stadtgebiete waren nämlich auf die Zufuhr aus dem Lande des Königs angewiesen. An einem bestimmten Tage legte Herodes seine Königsgewänder an, nahm auf seinem Throne Platz und hielt eine öffentliche Ansprache an sie. Nachdem er darin seine Versöhnung mit den Tyriern und Sidoniern zum Ausdruck gebracht hatte, schrie das Volk Beifall und rief aus: "Das sind Worte eines Gottes und nicht eines Menschen!" In diesem Augenblick schlug ihn ein Engel des Herrn zur Strafe dafür, dass er nicht Gott die Ehre gegeben hatte. Er stieg von seinem Throne herab, und schon fraßen ihn die Würmer bei lebendigem Leibe, so dass er seinen Geist aufgab. Das Wort des Herrn drang immer weiter vor und breitete sich überall aus. Barnabas und Saulus, der jetzt den Namen Paulus führte, entledigten sich in Jerusalem ihres Auftrages und kehrten wieder nach Antiochien zurück. Sie nahmen auch den Johannes mit, der den Beinamen Markus führte. In der Gemeinde zu Antiochien gab es einige, die Trance-Medien waren, und einige, welche die Gabe des Lehrens besaßen. Unter diesen befand sich Barnabas und Symeon, mit dem Beinamen 'Niger'; ferner Lucius aus Cyrene, Manaes, der mit dem Vierfürsten Herodes erzogen worden war, und Saulus. Als sie nun eines Tages dem Herrn zu Ehren einen gemeinschaftlichen Gottesdienst hielten und fasteten, gebot ein heiliger Geist: "Sondert mir den Barnabas und den Saulus für die Aufgabe aus zu der ich sie berufen habe." Nachdem sie gefastet und gebetet hatten, legten sie ihnen die Hände auf. Als sie so von einem heiligen Geist ihre Sendung empfangen hatten, gingen sie hinab nach Seleuzia und fuhren von dort über das Meer nach der Insel Zypern. Nach ihrer Ankunft in Salamis verkündeten sie das Wort des Herrn in den jüdischen Synagogen. Als Gehilfen hatten sie noch Johannes bei sich. Sie zogen über die ganze Insel und kamen nach Paphos. Dort trafen sie einen jüdischen Zauberer, namens Barjesus. Er war ein Medium der bösen Geisterwelt und verkehrte mit dem Stadthalter Sergius Paulus, der ein sehr gutgesinnter Mann war. Der Stadthalter ließ den Barnabas und Saulus zu sich rufen und wünschte von ihnen das Wort Gottes zu hören. Da trat der Zauberer Elymas - so heißt nämlich sein Name in der Übersetzung - ihnen entgegen und suchte den Stadthalter vom Glauben abzuhalten, obschon er nur sehr Schönes von ihnen gehört hatte. Saulus, genannt Paulus, schaute ihn mit einem durchdringenden Blick an und sprach unter Eingebung eines heiligen Geistes folgende Worte zu ihn: "Du Sohn des Teufels! Du Feind alles Guten! Der du ganz von Lug und Trug erfüllt bist! Willst du nicht endlich aufhören, die Menschen von den geraden Wegen des Herrn abzubringen? Und sofort, noch in diesem Augenblick, kommt die Hand des Herrn über dich! Du sollst blind sein und eine Zeitlang das Sonnenlicht nicht mehr sehen!" Und sogleich wurden seine Augen von tiefster Finsternis umnachtet. Er tappte und tastete umher, damit ihn jemand an der Hand nähme und führe. Als der Stadthalter diesen Vorfall sah, geriet er in Staunen und wurde gottesgläubig. Er war erschüttert von der Kraft, die der Lehre des Herrn innewohnte. Von Paphos gingen Paulus und seine Begleiter wieder in See und gelangten nach Perge in Pamphylien. Hier trennte sich Johannes von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück. Sie aber zogen von Perge aus weiter und gelangten nach Antiochien in Pisidien. Am Sabbat besuchten sie dort die Synagoge und setzten sich in die Reihe der Synagogenbesucher. Als die Lesung aus dem Gesetz und den Propheten vorüber war, wandten sich die Synagogenvorsteher an sie mit den Worten: "Werte Brüder! Wenn ihr euch gedrungen fühlt, eine religiöse Ansprache an das Volk zu halten, so möget ihr das Wort ergreifen." Da erhob sich Paulus und gab mit der Hand ein Zeichen, dass er reden möchte. "Ihr Männer von Israel!" - begann er - "Und ihr andern, die ihr Gott fürchtet, höret mich an! Der Gott unseres Volkes Israel hat unsere Väter auserwählt und im Lande Ägypten vor dem Volke erhöht, bei dem sie als Fremdlinge wohnten, und sie dann mit dem hocherhobenen Arme seiner Macht aus jenem Lande weggeführt. Vierzig Jahre lang ernährte er sie in der Wüste. Sieben Völker im Lande Kanaan vernichtete er und gab ihnen die Gebiete dieser fremden Stämme zum Besitz. Das hat ungefähr vierhundertfünfzig Jahre gedauert. Danach gab er ihnen Richter als Führer, bis der Prophet Samuel auftrat. Von da an wollten sie einen König haben. Gott bestimmte ihnen den Saul, einen Sohn des Kis, als König. Er war ein Mann aus dem Stamme Benjamin und regierte vierzig Jahre lang. Nach dessen Absetzung erhob er David zum König über sie. Ihm stellte er das Zeugnis aus: 'Ich habe in David, dem Sohne Isais, einen Mann nach meinem Herzen gefunden, der in allem meinen Willen tun wird.' Aus seinem Samen hat nun Gott gemäß seiner Verheißung einen Erlöser für Israel erstehen lassen. Jesus ist dieser Erlöser. Ihn hatte Johannes vorausverkündigt und vor dem öffentlichen Auftreten Jesu für ganz Israel eine Wassertaufe angeordnet. Sie sollte das äußere Zeichen einer innern Umkehr sein. Als nun Johannes vor dem Abschluss seiner irdischen Laufbahn stand, erklärte er: 'Der, für den ihr mich haltet, bin ich nicht. Aber nach mir kommt der, dessen Sandalen von den Füßen zu lösen ich nicht wert bin.' Liebe Brüder! Söhne aus Abrahams Geschlecht! Und ihr andern hier, die ihr Gott fürchtet! Uns ist die Botschaft von der eben erwähnten Erlösung zuteil geworden. Doch die Bewohner von Jerusalem und ihre geistlichen Führer verstanden nicht die Schriften der Propheten, die an jedem Sabbat zur Verlesung kommen. Aber dadurch, dass sie den Erlöser zum Tode verurteilten, trugen sie zur Erfüllung jener Schriften bei. Denn obschon sie keine Schuld an ihm gefunden hatten, die den Tod verdiente, sprachen sie ihn dennoch schuldig und übergaben ihn dem Pilatus zur Hinrichtung. Als sie so alles in Erfüllung gebracht hatten, was über ihn geschrieben steht, forderten sie von Pilatus seinen Kreuzestod. Man erreichte es von ihm, seinen Leichnam vom Kreuze abnehmen zu dürfen; dann legte man ihn ins Grab. Aber Gott ließ ihn aus dem Reich der Toten wieder hervorgehen. Viele Tage hindurch erschien er denen, die von Galiläa bis nach Jerusalem seine Begleiter waren. Diese treten alle bis auf diese Stunde vor dem Volke als Zeugen für ihn auf. Auch wir verkünden euch, dass Gott die frohe Botschaft, die unsern Vätern einst gegeben wurde, jetzt an uns als ihren Kindern durch die Auferstehung unsers Herrn Jesus Christus in Erfüllung gehen ließ. Es steht ja auch im zweiten Psalm: 'Du bist mein Sohn; ich habe dich heute gezeugt. Fordere von mir, so gebe ich dir die Völker zum Erbe und dir zum Besitz die Enden der Erde.' Dass er ihn aber aus dem Reich der geistig Toten wieder zur Höhe führte, und er in Zukunft in dieses Reich des Verderbens nicht mehr zurückzukehren brauchte, das hat er in den Worten ausgesprochen: 'Ich will euch die Heiligkeit Davids geben und dessen Treue'; und an einer andern Stelle: 'Du wirst deinen Heiligen die Verwesung nicht schauen lassen.' Nun, David hat während der für ihn bestimmten Lebenszeit dem Willen Gottes gedient und ist dann entschlafen und zu seinen Vätern gelegt worden. Er hat also die Verwesung geschaut. Aber der, den Gott empor führte, sah die Verwesung nicht. So sei euch denn kundgetan, werte Brüder, dass euch durch ihn Befreiung von den Sünden des Abfalls verheißen wird, sobald ihr eure Gesinnung ändert. Von allen diesen Sünden konntet ihr nicht durch Beobachtung des Mosaischen Gesetzes befreit und so Gott wohlgefällig werden; aber in ihm erlangt jeder, der gläubig wird, das Wohlgefallen Gottes. Darum sehet zu, dass bei euch nicht das Wort des Propheten zur Wahrheit wird: 'Schaut, ihr Verächter, und vergehet vor Staunen; denn ein Werk vollführe ich in euren Tagen, das ihr nicht glauben werdet, selbst wenn es euch jemand klar machen sollte.'" Alle Zuhörer schwiegen. Beim Verlassen der Synagoge bat man sie, am folgenden Sabbat noch weiter von diesen Dingen zu ihnen zu reden. Als die Synagogenbesucher auseinandergegangen waren, folgten dem Paulus und Barnabas viele Juden und solche Nichtjuden, die zum Judentum übertreten wollten. Bei diesen setzten beide ihre Belehrungen fort und ermutigten sie, in der Gnade Gottes treu zu verharren. So kam es, dass das Wort Gottes sich überall in der Stadt verbreitete. Infolgedessen war am nächsten Sabbat fast die ganze Stadt in der Synagoge versammelt und hörte eine lange Predigt an, die Paulus über den Herrn hielt. Als nun die jüdischen Führer die große Volksmenge sahen, wurden sie ganz eifersüchtig. Sie traten den von Paulus gemachten Ausführungen entgegen. Doch ihre Einwendungen bestanden bloß aus Schimpfen und Schmähen. Paulus und Barnabas erklärten darauf mit allem Freimut: "Euch Juden musste das Wort Gottes zuerst verkündigt werden. Weil ihr es jedoch von euch weiset und dadurch über euch selbst das Urteil fället, dass ihr des künftigen Lebens nicht wert seid, so wenden wir uns hier an die Nichtjuden. Denn folgenden Auftrag hat uns der Herr erteilt: 'Ich habe dich aufgestellt als ein Licht für die Heiden, damit du zum Heile werdest bis hin zu den fernsten Grenzen des Irdischen.'" Als die Nichtjuden das hörten, nahmen sie mit Freuden das Wort Gottes an. Und alle, die an der Reihe waren, das künftige Leben zu erlangen, wurden gläubig. So breitete sich das Wort des Herrn über dieses ganze Gebiet aus. Die Juden wiegelten nun die geachtetsten und vornehmsten Frauen, sowie die ersten Männer der Stadt auf und setzten gegen Paulus und Barnabas eine große Verfolgung ins Werk, so dass man sie aus diesem Gebiet vertrieb. Sie schüttelten den Staub von ihren Füßen ab, um dadurch jene als Widerspenstige zu bezeichnen. Dann gelangten sie nach Ikonium. Das Herz der Jünger war voll Freude, und sie fühlten in sich die Kraftwirkung eines heiligen Geistes. In Ikonium gingen sie sofort in die jüdische Synagoge. Sie sprachen so überzeugend, dass eine große Menge Juden und Griechen zum Glauben kamen. Die jüdischen Synagogenältesten und die Synagogenvorsteher zettelten eine Verfolgung gegen diejenigen an, die gläubig geworden waren, und reizten auch die Gemüter der nichtjüdischen Bevölkerung gegen die Brüder auf. Aber der Herr ließ bald wieder Ruhe und Frieden eintreten. Infolgedessen konnten sie noch eine geraume Zeit dort bleiben und im Vertrauen auf den Herrn öffentlich auftreten. Der Herr legte auch selbst Zeugnis für das gnadenbringende Wort der Wahrheit ab, indem er Zeichen und Wunder durch ihre Hände geschehen ließ. Da entstand eine Spaltung in der Bevölkerung der Stadt. Die einen hielten es mit den Juden, die andern mit den Aposteln, denen sie wegen des Wortes Gottes treu ergeben waren. Nun fassten die Nichtjuden zusammen mit den Juden und im Einvernehmen mit der Obrigkeit den Plan, die Apostel zu überfallen und zu steinigen. Als diese Kunde davon erhielten, flohen sie nach den Städten Lykaoniens, nach Lystra und Derbe und die umliegenden Gebiete. Dort setzten sie die Verkündigung der Heilsbotschaft fort. Das ganze Volk war von der Lehre tief ergriffen. Paulus und Barnabas hatten in Lystra Wohnung genommen. Dort lebte ein Mann, der nicht die geringste Kraft in den Beinen hatte. Er war von Geburt an lahm und hatte noch nie gehen können. Dieser hörte die Predigt des Paulus an, und sein Herz wurde von Furcht erfüllt. Paulus fühlte, wie sein Blick immer wieder auf diesen Mann gelenkt wurde. Gleichzeitig konnte er in dem Innern des Mannes lesen, dass er den zu einer Heilung notwendigen Glauben besitze. Da rief er ihm mit lauter Stimme zu: "Im Namen des Herrn Jesus Christus gebiete ich dir: Stelle dich aufrecht auf deine Füße und gehe umher!" Da sprang dieser auf und ging umher. Als die Volksscharen das Wunder sahen, das Paulus gewirkt hatte, schrieen sie auf Lykaonisch: "Die Götter haben Menschengestalt angenommen und sind zu uns herabgekommen." Den Barnabas nannten sie Jupiter und den Paulus Merkur, weil dieser der Hauptredner war. Die Priester Jupiters als des Schutzgottes der Stadt brachten bekränzte Stiere vor die Stadttore und wollten zusammen mit dem Volke ihnen Götzenopfer darbringen. Als Paulus und Barnabas davon hörten, zerrissen sie ihre Kleider und sprangen zwischen die Leute mit dem Ruf: "Ihr Männer, was macht ihr da? Auch wir sind ja nur Menschen, mit derselben schwachen menschlichen Natur wie ihr. Die Heilsbotschaft, die wir euch predigen, hat ja gerade den Zweck, euch von solchen unsinnigen Dingen abzubringen und zu dem lebendigen Gott hinzuführen, - nämlich zu jenem Gott, der Himmel und Erde, das Meer und alles, was darin ist, erschaffen hat. In den vergangenen Zeiten ließ er alle Heiden ihre eigenen Wege gehen, obschon er auch damals in seiner Güte Beweise für sein Dasein gab. Er sandte vom Himmel her seinen Regen, schenkte fruchtbare Jahre, gab Nahrung in Menge und erfüllte eure Herzen mit Freude." Trotz dieser Mahnungen kostete es sie noch viele Mühe, die Leute zu veranlassen, von dem Vorhaben, ihnen Opfer darzubringen, Abstand zu nehmen und ruhig nach Hause zu gehen. Sie weilten noch länger dort und predigten ihnen. Da kamen gewisse Juden aus Ikonium und Antiochien und überredeten die Volksmenge in öffentlichen Vorträgen, sich doch von den Aposteln abzuwenden; denn an dem, was sie predigten, sei kein wahres Wort; alles sei erlogen. Die Folge davon war, dass sie den Paulus steinigten. In der Meinung, er sei tot, schleppten sie ihn zur Stadt hinaus. Während jedoch die Jünger noch im Kreise um ihn standen, erhob er sich plötzlich und ging mit ihnen in die Stadt zurück. Tags darauf zog er mit Barnabas nach Derbe weiter. Sie predigten in dieser Stadt und gewannen viele Anhänger. Dann kehrten sie wieder nach Lystra, Ikonium und Antiochien zurück. Überall flößten sie den Herzen der Gläubigen neuen Mut ein und ermahnten sie zum treuen Ausharren im Glauben. "Es ist für uns alle notwendig", - sagten sie - "dass wir durch eine Menge von Drangsalen hindurchgehen, ehe wir in das Reich Gottes gelangen." Unter Handauflegung setzten sie bei ihnen in jeder Gemeinde Älteste ein; dann hielten sie einen Fasttag und zum Schluss einen Gottesdienst. Dann empfahlen sie die Gläubigen dem Herrn, an dem sie mit so großer Treue hingen. Hierauf zogen sie durch ganz Pisidien und gelangten nach Pamphylien. In Perge verkündeten sie das Wort des Herrn und gingen von dort nach Attalien hinab, dessen Einwohnern sie ebenfalls predigten. Von da fuhren sie mit dem Schiff wieder hinauf nach Antiochien, wo sie zuerst mit der Gnade Gottes zu dem Werke ausgerüstet worden waren, das sie jetzt vollendet hatten. Nach ihrer Ankunft riefen sie die Glieder der Gemeinden zusammen und erstatteten ihnen über alles Bericht, was Gott durch sie als seine Werkzeuge vollbracht hatte, und wie er auch den Heiden die Pforte geöffnet habe, durch die sie zum Glauben gelangen könnten. Noch eine geraume Zeit verbrachten sie in dieser Gemeinde der Gläubigen. Eines Tages kamen einige Judenchristen aus Judäa an. Sie wollten die Brüder darüber belehren, dass sie das Heil nicht erlangen könnten, wenn sie sich nicht gemäß den Vorschriften des Mosaischen Gesetzes beschneiden ließen. Dadurch entstand in der Gemeinde eine große Erregung, und Paulus, Barnabas und ihre Anhänger gerieten mit ihnen in einen nicht geringen Streit. Denn Paulus suchte in seinen Ansprachen die Gemeinde zu bestärken, doch ja in der Glaubensüberzeugung zu verharren, die sie bisher gehabt hätten. Aber die, welche aus Jerusalem gekommen waren, gaben ihnen den Rat, einige aus ihrer Mitte zusammen mit Paulus und Barnabas nach Jerusalem zu den Aposteln und Ältesten zu senden. Diese sollten die Streitfrage schlichten. Diesem Vorschlag entsprechend sandte man von Seiten der Gemeinde eine Gesandtschaft ab. Sie zogen durch Phönizien und Samaria, wo sie von der Bekehrung der Heiden erzählten und dadurch allen Brüdern große Freude bereiteten. Bei ihrer Ankunft in Jerusalem wurden sie von der Christengemeinde, den Aposteln und Ältesten feierlich empfangen. Sie erstatteten ihnen Bericht über alles, was Gott durch sie gewirkt hatte. Da traten die, welche sie aufgefordert hatten, zu den Ältesten nach Jerusalem zu gehen, ihnen entgegen; denn manche von diesen gehörten, bevor sie gläubig geworden waren, zu der Sekte der Pharisäer. Sie wiederholten nun ihre Behauptung, man müsse an alle die Forderung stellen, dass sie die Beschneidung anzunehmen und überhaupt das Mosaische Gesetz zu beobachten hätten. Da traten die Apostel und Ältesten zur Entscheidung dieser Frage zusammen. Es fand darüber eine lange Erörterung statt. Da erhob sich Petrus unter der Kraftwirkung eines heiligen Geistes und ergriff das Wort. "Werte Brüder!" - begann er - "Es ist euch bekannt, dass Gott mich bereits seit langer Zeit unter euch als denjenigen bestimmt hat, aus dessen Mund die Heiden erfahren sollen, was zu den Wahrheiten der Heilsbotschaft gehört, und was sie infolgedessen zu glauben haben. Und Gott, der die Herzen kennt, ist selbst als Zeuge zugunsten der Heiden aufgetreten, indem er zu ihnen die heilige Geisterwelt in derselben Weise sandte, wie auch zu uns. Er hat keinen Unterschied gemacht zwischen uns und ihnen, nachdem er durch den Glauben ihre Herzen gereinigt hatte. Warum wollt ihr jetzt nun Gott versuchen und den Gläubigen ein Joch auf den Nacken legen, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten. Vielmehr kommen wir nur durch die Gnade des Herrn Jesus Christus zum Glauben und finden unser Heil auf dieselbe Weise, wie jene." Als auch die Ältesten sich den Ausführungen des Petrus anschlossen, schwieg die ganze Versammlung. Darauf lauschten sie den Worten des Barnabas und Paulus, die ihnen erzählten, welche Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden gewirkt hatte. Als sie damit zu Ende waren, erhob sich Jakobus und hielt folgende Ansprache: "Werte Brüder, hört mich an! Simon hat uns berichtet, wie Gott selbst als erster darauf bedacht gewesen sei, ein Volk aus den Heiden für seinen Namen zu gewinnen. Damit stimmen auch die Worte der Propheten überein; denn es steht geschrieben: 'Hierauf will ich wiederkommen und die verfallene Hütte Davids aufrichten. Wieder aufbauen will ich ihre Trümmer und sie selbst neu erstehen lassen, damit die Menschen, die übrig geblieben sind, den Herrn suchen; auch alle Heiden, die mir als mein Volk zu eigen gehören - so spricht der Herr, der dies vollführt. Bekannt ist dem Herrn sein Werk von Anbeginn.' Daher geht mein Urteil dahin, dass man denen, die sich aus der Heidenwelt zu Gott bekehren, keine weiteren Lasten aufbürdet. Nur soll man ihnen die Pflicht auferlegen, sich zu enthalten von der Verunreinigung durch die Götzen, von der Unzucht und vom Genuss des Blutes; und dass sie nach dem Grundsatz leben: Alles, was ihr nicht wollt, dass es euch widerfahre, das sollt ihr auch andern nicht antun! Denn Mose hat seit den ältesten Zeiten in jedem Ort seine Verkünder; er wird ja in den Synagogen an jedem Sabbat vorgelesen." Da beschlossen die Apostel und Ältesten im Einverständnis mit der ganzen Gemeinde, Männer aus ihrer Mitte zu wählen, um sie in Begleitung des Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden. Gewählt wurde Judas, mit dem Beinamen Barsabas, und Silas, zwei Männer, die unter den Brüdern eine führende Stellung einnahmen. Sie sollten eigenhändig einen Brief überreichen, der folgenden Wortlaut hatte: "Wir Apostel und Älteste entbieten als Brüder den Brüdern aus der Heidenwelt in Antiochien, Syrien und Cilicien unsern Gruß. Es ist uns zu Ohren gekommen, dass einige von den Unsern euch aufsuchten und euch durch ihre Reden verwirrten und euch das Herz schwer machten. Dazu hatten sie von uns keinerlei Auftrag. Deshalb fassten wir den einmütigen Beschluss, Männer auszuwählen und zu euch zu senden. Sie kommen in Begleitung eurer lieben Brüder Barnabas und Paulus, zweier Männer, die bei jeder drohenden Gefahr ihr Leben für den Namen unsers Herrn Jesus Christus eingesetzt haben. Den Judas und Silas sandten wir mit, damit sie euch auch noch mündlich unsern Beschluss mitteilen sollen. Die heilige Geisterwelt hat uns nämlich den Beschluss eingegeben, euch keine weiteren Lasten aufzulegen, außer folgenden, die unerlässlich sind: Dass ihr euch des Fleisches der Götzenopfer, des Blutgenusses, und der Unzucht enthaltet, und dass ihr nach dem Grundsatz handelt: 'Was ihr nicht wollt, dass euch widerfahre, das tut auch andern nicht an!' Wenn ihr das alles treu beobachtet, wird es euch gut gehen, und ihr werdet Von einem heiligen Geiste geleitet werden. Lebet wohl!" Wenige Tage später erfolgte ihre Abreise. Nach ihrer Ankunft in Antiochien riefen sie die Gemeinde zusammen und übergaben den Brief. Als die Gemeindemitglieder den Brief gelesen hatten, freuten sie sich über den trostvollen Inhalt. Judas und Silas, die selbst Medien, und zwar vollkommen ausgebildete Werkzeuge der heiligen Geisterwelt waren, brachten den Brüdern durch ihre häufigen Ansprachen viel Trost und Stärkung. Eine Zeitlang blieben sie dort. Dann nahmen sie unter Segenswünschen von den Brüdern Abschied, um zu denen zurückzukehren, von denen sie hergeschickt worden waren. Doch im letzten Augenblick entschloss sich Silas, noch länger dort zu bleiben, und Judas reiste allein nach Jerusalem zurück. Auch Paulus und Barnabas blieben in Antiochien. Sie waren als Lehrer und Prediger der Heilsbotschaft tätig und wurden darin noch von vielen andern unterstützt. Einige Zeit später sagte Paulus zu Barnabas: "Wir wollen uns doch wieder aufmachen und jeden Ort besuchen, wo wir bisher das Wort des Herrn gepredigt haben, um zu sehen, wie es dort den Brüdern geht." Barnabas wollte auch den Johannes, mit dem Beinamen Markus mitnehmen. Allein Paulus war damit nicht einverstanden. Er sagte, ein Mann, der sich damals in Pamphylien von ihnen getrennt hätte und nicht auf das Arbeitsfeld Gottes, auf das sie geschickt worden waren, habe mitgehen wollen, - ein solcher dürfte auch jetzt nicht mit ihnen gehen. So kam es zwischen ihnen zu einem erbitterten Streit, in dessen Verlauf sie sich von einander trennten. Barnabas fuhr in Begleitung des Markus zur See nach Cypern. Paulus wählte sich den Silas zum Begleiter und reiste mit ihm ab, begleitet von den Segenswünschen der Brüder, die sie der Gnade des Herrn empfahlen. Er zog durch Syrien und Cilicien und bestärkte die Gemeinden im Glauben und überbrachte die Aufträge der Ältesten. Auf seiner Wanderung durch die heidnische Bevölkerung dieser Gegenden gelangte er nach Derbe und Lystra. Hier traf er einen Jünger namens Timotheus. Seine Mutter war gläubige Jüdin und sein Vater Grieche. Schon die Brüder in Lystra und Ikonium hatten wiederholt in lobender Weise von ihm erzählt. Darum wünschte Paulus, ihn als Begleiter auf seinen Reisen zu haben. Doch mit Rücksicht auf die Juden, die in jenen Gegenden lebten, nahm er erst die Beschneidung an ihm vor. Denn es war allgemein bekannt, dass sein Vater ein Grieche war. Auf ihrer Wanderung durch die Ortschaften predigten sie den Einwohnern und sprachen mit allem Freimut über den Herrn Jesus Christus; gleichzeitig teilten sie ihnen die Beschlüsse der Apostel und Ältesten in Jerusalem mit. So wurden die Gemeinden innerlich immer mehr gefestigt und nahmen täglich auch an Zahl der Mitglieder zu. Bei ihrer Wanderung durch die Gebiete Phrygiens und Dalmatiens wurden sie von einem heiligen Geist daran gehindert, in diesem Teile Asiens mit irgend jemand über das Wort Gottes zu reden. So kamen sie an die Grenze von Mysien und versuchten nach Bithynien zu gelangen. Aber auch dies gestattete der vom Herrn gesandte Geist ihnen nicht. Deshalb gingen sie durch Mysien hindurch nach Troas. Hier erschien dem Paulus eines Nachts im Zustand des Hellsehens eine Gestalt, die wie ein Mazedonier aussah. Sie stand dicht vor ihm und richtete an ihn folgende Bitte: "Komm nach Mazedonien herüber und hilf uns!" Als die Erscheinung geschwunden war, erzählte er uns, was er hellsehend geschaut hatte; wir waren der Ansicht, dass der Herr uns auf diese Weise aufgefordert habe, der Bevölkerung von Mazedonien die Heilsbotschaft zu verkünden. Am folgenden Morgen segelten wir von Troas ab und fuhren geradenwegs nach Samothrake; tags darauf nach Neapolis und von dort nach Philippi. Letzteres ist die Hauptstadt von Mazedonien und zugleich eine römische Kolonie. Hier hielten wir uns einige Tage auf. Am Sabbat gingen wir hinaus vor das Tor an einen Fluss, wo eine Gebetstätte zu sein schien. Wir setzten uns dort nieder und unterhielten uns mit den Frauen, die sich hier versammelt hatten. Unter ihnen befand sich eine gottesfürchtige Frau, namens Lydia. Sie war eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira. Sie hörte aufmerksam zu, und der Herr öffnete ihr das Herz, so dass sie die Lehre annahm, die ihr Paulus vortrug. Sie ließ sich mit ihrem ganzen Hause taufen und richtete an uns folgende Bitte: "Wenn ihr die Überzeugung gewonnen habt, dass ich eine treue Anhängerin des Herrn bin, dann kommt in mein Haus und wohnt bei mir!" Und sie drängte uns, ihre Bitte zu erfüllen. Eines Tages waren wir auf dem Wege zu jener Gebetsstätte. Da begegnete uns eine Magd, aus der ein Geist sprach und zukünftige Dinge voraussagte. Dadurch brachte sie ihren Dienstherren viel Geld ein. Sie kam Paulus und uns auf dem Fuße nach und schrie: "Diese Männer sind Diener des höchsten Gottes, die euch den Weg zum Heil verkünden." So machte sie es viele Tage hindurch. Da wandte sich Paulus voll Unwillen an den Geist, der aus ihr redete und sprach: "Im Namen Jesu Christi befehle ich dir: Fahre von ihr aus!" Und sofort fuhr er aus. Als nun die Dienstherren der Magd sahen, dass ihnen die Einnahmequelle vernichtet war, die sie durch jene Magd hatten, ergriffen sie Paulus und Silas und schleppten sie auf den Marktplatz vor die Stadtobrigkeit und von dort vor die Stadtrichter. Hier erhoben sie folgende Anklage: "Diese Menschen stören die Ruhe in unserer Stadt. Es sind Juden. Sie lehren Gebräuche, die wir als Römer weder annehmen noch ausüben dürfen." Auch eine große Volksmenge ergriff für sie Partei und erhob ein wildes Geschrei gegen die Angeklagten. Die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider vom Leibe reißen und sie auspeitschen. Man gab ihnen viele Peitschenhiebe und warf sie dann ins Gefängnis. Dem Gefängnisaufseher erteilte man den Befehl, sie in sicherem Gewahrsam zu halten. Auf Grund dieses Befehles ließ dieser sie in den innersten Teil des Gefängnisses bringen und ihnen die Füße in den Block spannen. Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Die Mitgefangenen hörten ihnen aufmerksam zu. Da entstand plötzlich ein starkes Erdbeben, das die Grundmauern des Gefängnisses erschütterte. Alle Gefängnistüren sprangen auf, und allen Gefangenen fielen die Fesseln ab. Der Gefängnisaufseher fuhr aus dem Schlafe empor und eilte herbei. Als er die Gefängnistüren offen sah, glaubte er, die Gefangenen seien entflohen. Da zog er das Schwert und wollte sich das Leben nehmen. Aber so laut er konnte, rief Paulus ihm zu: "Tue dir kein Leid an! Wir sind ja noch alle hier." Da rief jener nach Licht, stürzte damit zu der Zelle und fiel zitternd dem Paulus und Silas zu Füßen. Dann führte er sie hinaus, nachdem er die übrigen Gefangenen wieder in sichern Gewahrsam gebracht hatte. Hierauf wandte er sich an die beiden mit den Worten: "Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden?" Diese gaben ihm zur Antwort: "Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du und dein Haus Rettung finden." Nun verkündeten sie ihm und allen seinen Hausgenossen das Wort Gottes. Da nahm er sie noch in derselben Stunde der Nacht mit sich, wusch ihnen die Striemen ab und ließ sich sofort mit allen seinen Hausgenossen taufen. Danach führte er sie in. seine Wohnung hinauf, ließ ihnen den Tisch decken und war mit seinem ganzen Hause voll Freude darüber, dass er den Glauben an Gott erlangt hatte. Sofort bei Tagesanbruch kamen die Stadtrichter auf dem Marktplatz zusammen und unterhielten sich über das erfolgte Erdbeben. Eine große Furcht lag auf allen Gesichtern. Sie schickten ihre Gerichtsdiener ins Gefängnis und ließen dem Gefängnisaufseher sagen: "Lass jene Männer wieder frei, die gestern bei dir eingeliefert wurden!" Dieser kam nun mit der Meldung zu Paulus: "Die Stadtrichter lassen euch sagen, dass ihr frei gelassen werden sollt. Gehet also jetzt hinaus und ziehet eures Weges!" Paulus gab jedoch den Gerichtsdienern zur Antwort: "Jene haben uns, obschon wir unschuldig und römische Bürger sind, ohne Verhör und gerichtliches Urteil öffentlich auspeitschen lassen und ins Gefängnis geworfen. Und nun wollen sie uns heimlich abschieben? O nein! Sie sollen vielmehr selbst hierher kommen und uns hinausführen." Die Gerichtsdiener überbrachten diese Antwort den Stadtrichtern. Als diese hörten, dass es römische Bürger seien, bekamen sie Angst. In Begleitung vieler Freunde erschienen sie im Gefängnis und baten sie, doch das Gefängnis verlassen zu wollen. Sie brachten als Entschuldigung vor: "Wir kannten den wirklichen Sachverhalt nicht und wussten nicht, dass ihr unbescholtene Männer seiet." Dann führten sie die beiden hinaus und richteten die Bitte an sie: "Verlasset doch diese Stadt! Denn sonst könnte sich die Volksmenge wiederum zusammenrotten und vor uns Richtern ein Anklagegeschrei gegen euch erheben." So verließen sie also das Gefängnis und begaben sich in die Wohnung der Lydia. Darauf besuchten sie noch die Brüder und erzählten ihnen alles, was der Herr ihnen erwiesen hatte. Sie sprachen ihnen Mut zu und verließen dann die Stadt. Über Amphipolis und Apollonia erreichten sie Thessalonich. Dort war eine jüdische Synagoge. Seiner Gewohnheit gemäß ging Paulus hinein und erklärte an drei aufeinanderfolgenden Sabbaten den Synagogenbesuchern seine Lehre an Hand der heiligen Schriften. Er legte ihnen die einzelnen Schriftstellen aus und bewies ihnen daraus, dass der Messias leiden und von den Toten auferstehen musste. "Dieser Jesus", - so schloss er - "den ich euch predige, ist der Messias." Einige von ihnen ließen sich überzeugen und wurden Anhänger des Paulus, während sich dem Silas infolge seiner Predigt eine große Menge gottesfürchtiger Griechen anschlossen, darunter viele Frauen aus den ersten Kreisen. Die Juden jedoch, die ungläubig blieben, holten sich eine Anzahl verkommener Männer aus dem Straßengesindel zusammen und brachten damit die Stadt in Aufruhr. Sie stürmten das Haus des Jason und suchten dort nach Paulus und Silas, um sie vor die Volksmenge zu schleppen. Als sie diese dort nicht fanden, führten sie Jason selbst nebst einigen Brüdern vor die Stadtrichter, indem sie schrieen: "Das sind die Menschen, die den ganzen Erdkreis in Aufruhr gebracht haben; jetzt sind sie auch hierher gekommen; und dieser Jason hat sie bei sich aufgenommen. Sie alle vergehen sich gegen die kaiserlichen Verordnungen; denn sie behaupten, ein anderer sei König, nämlich Jesus." Mit solchen Anschuldigungen brachten sie sowohl die große Masse des Volkes als auch die Stadtrichter selbst in Verwirrung. Schließlich ließen die Stadtrichter sich von Jason und seinen Leidensgefährten eine hinreichende Bürgschaft stellen und gaben sie dann frei. Die Brüder drangen darauf, dass Paulus und Silas noch in derselben Nacht nach Beroea abreisten. Dort angekommen, gingen sie in die Synagoge der Juden. Diese waren wohlwollender gesinnt, als die Juden in Thessalonich. Sie nahmen das Wort Gottes mit aller Bereitwilligkeit auf und forschten Tag für Tag in den heiligen Schriften, ob das alles sich so verhalte, wie Paulus es ihnen erklärt hatte. Viele von ihnen wurden gläubig; doch auch manche lehnten die Wahrheit ab. Ziemlich viele Männer und Frauen aus den vornehmen griechischen Kreisen kamen ebenfalls zum Glauben. Als nun die Juden in Thessalonich erfuhren, dass das Wort Gottes auch in Beroea von Paulus verkündigt wurde und dass die Leute daran glaubten, kamen sie auch dorthin und versetzten das Volk in Unruhe und Aufregung und ließen davon nicht mehr ab. Da drängten die Brüder den Paulus zur Abreise nach Thessalien, während Silas und Timotheus in Beroea zurückblieben. Die Begleiter des Paulus brachten ihn bis nach Athen. An Thessalien musste er vorbeigehen, denn es war ihm verboten worden, den dortigen Einwohnern das Wort Gottes zu predigen. Seine Begleiter nahmen an Silas und Timotheus den von Paulus erteilten Auftrag mit, dass sie möglichst bald nachkommen möchten. Paulus wartete in Athen ihre Ankunft ab. Als er jedoch überall in der Stadt die Götzenbilder stehen sah, wurde der Geist, unter dessen Führung er stand, von einem heiligen Eifer erfüllt. Von diesem angetrieben, hielt Paulus sowohl mit den Juden und den zum Judentum übergetretenen Griechen in der Synagoge, als auch mit denen, die er an den öffentlichen Plätzen traf, Religionsgespräche. Auch einige Philosophen aus der Schule der Epikuräer und der Stoiker trafen mit ihm zusammen. Die einen von ihnen sagten: "Was will denn dieser Schwätzer da uns weismachen?" Andere meinten: "Er scheint wohl ein Verkünder bisher unbekannter Gottheiten zu sein." Einige Tage später nahmen sie ihn mit auf den Areshügel in der Absicht, näheres von ihm zu erfahren. Hier stellten sie die Frage an ihn: "Dürfen wir wissen, was das für eine neue Lehre ist, die du vorträgst? Du lässt uns ja Dinge vernehmen, die sehr seltsam klingen. Wir möchten nun gern wissen, was dahinter steckt." Alle Athener und auch die in der Stadt sich aufhaltenden Fremden pflegten nämlich ihre Zeit damit zuzubringen, die letzten Neuigkeiten zu erzählen oder zu erfahren. Da stellte sich Paulus mitten auf den Areshügel und hielt folgende Ansprache: "Ihr Männer von Athen! Nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Leute. Denn als ich umherging, um eure Heiligtümer kennen zu lernen, fand ich sogar einen Altar mit der Inschrift: 'Einem unbekannten Gott!' Den Gott nun, den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, den verkünde ich euch. Es ist der Gott, der das Weltall und alles was darin ist, erschaffen hat. Er ist der Herr des Himmels und der Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhänden erbaut sind. Er lässt sich auch nicht von Menschenhänden bedienen, als ob er etwas nötig hätte. Er ist ja derjenige, der allen Geschöpfen Leben verleiht und Odem und alles, was sie sonst noch nötig haben. Er machte, dass das ganze Menschengeschlecht von einem Stammvater aus ins Dasein trat und sich über die ganze Erdoberfläche ausbreitete. Er sah dabei für die verschiedenen Geschlechter gewisse Zeitperioden vor und setzte auch die Grenzen ihrer Wohnsitze fest. Das geschah vor allem deswegen, damit sie das Göttliche suchen sollten, um es vielleicht zuerst eben nur tastend zu berühren, dann aber wirklich zu finden. Es ist ja nicht fern von einem jeden von uns. Denn in dem Göttlichen leben wir, bewegen wir uns und sind wir Tag für Tag. Dasselbe haben ja auch einige von den Eurigen in den Worten ausgesprochen: "Auch wir stammen von dem Göttlichen ab!" Sind wir nun von göttlicher Abstammung, dann dürfen wir jedoch nicht die Meinung hegen, das Göttliche sei den Gebilden gleichzustellen, die aus Gold, Silber oder Stein gemacht sind und der menschlichen Kunstfertigkeit und Erfindungsgabe entspringen. Über die Zeiten solcher großen Unkenntnis des Göttlichen will Gott nun gnädig hinwegsehen und lässt jetzt die Menschen auffordern, sie möchten alle ihre Gesinnung ändern, wo auch immer sie sich befinden. Denn Gott hat einen Tag festgesetzt, um über die ganze Welt ein gerechtes Gericht zu halten durch einen Menschen. Dieser heißt Jesus. Ihm hat er die Aufgabe übertragen, allen den Gottesglauben zu vermitteln, indem er ihn von den Toten auferweckte." Als sie das Wort 'Auferweckung von den Toten' hörten, begannen die einen, sich darüber lustig zu machen; die andern sagten: "über dieses Thema wollen wir dich ein anderes Mal hören." So entfernte sich denn Paulus aus ihrer Mitte. Doch einige Männer schlossen sich ihm an und wurden gläubig. Unter ihnen war auch Dyonysius, ein Mitglied des obersten Gerichtshofes; ferner eine vornehme Frau, namens Damaris, und andere aus deren Bekanntenkreis. Paulus verließ nun Athen und ging nach Korinth. Dort wurde er mit einem Juden bekannt, der Aquila hieß. Er stammte aus Pontus und war erst vor kurzem mit seiner Frau Priscilla aus Italien eingewandert. Denn der Kaiser Claudius hatte alle Juden aus Rom vertreiben lassen; diese siedelten sich dann in Griechenland an. Paulus besuchte ihn. Und weil er das gleiche Handwerk betrieb, nahm er Wohnung bei ihm und arbeitete mit ihm zusammen. Jeden Sabbat pflegte er in die Synagoge zu gehen und religiöse Unterweisungen zu geben. Dabei kam er auch auf den Namen des Herrn Jesus zu sprechen und überzeugte nicht bloß Juden, sondern auch Griechen von der Wahrheit. Da trafen Silas und Timotheus aus Mazedonien bei ihm ein, und Paulus widmete sich nun nur noch dem Worte Gottes. In Predigten und Auslegungen von Schriftstellen wies er den Juden eingehend nach, dass Jesus der Messias sei. Als sie sich jedoch der Wahrheit hartnäckig widersetzten und Lästerungen gegen ihn ausstießen, schüttelte Paulus den Staub von seinem Gewande und rief ihnen die Worte zu: "Euer Blut komme auf euer eigenes Haupt! Mich trifft keine Schuld. Ich verlasse euch jetzt und wende mich zu den Heiden." Er gab seine Wohnung bei Aquila auf und zog zu einem gewissen Titus Justus, einem gottesgläubigen Manne, dessen Haus unmittelbar neben der Synagoge stand. Der Synagogenvorsteher Krispus kam mit seinem ganzen Hause zum Glauben an den Herrn. Auch viele von den heidnischen Korinthern, welche die Wahrheit hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen, indem sie auf Grund der Lehre unseres Herrn Jesus Christus ihr ganzes Vertrauen auf Gott setzten. Eines Nachts ließ der Herr auf dem Wege einer Geisterkundgebung dem Paulus folgende Botschaft übermitteln: "Fürchte dich nicht! Rede, und schweige nicht! Denn ich bin mit dir. Niemand soll sich an dir vergreifen und dir ein Leid antun; denn ich habe ein großes Geisterheer in dieser Stadt." Und er blieb anderthalb Jahre in Korinth und predigte dem Volke das Wort Gottes. Als aber Gallio Statthalter von Griechenland wurde, erhoben sich die Juden wie ein Mann gegen Paulus. Sie nahmen ihn fest und führten ihn vor den Richterstuhl des Gallio. Unter wildem Geschrei brachten sie folgende Anklage gegen ihn vor: "Dieser Mensch verführt die Leute dazu, Gott in einer Weise zu verehren, die gegen unser Gesetz verstößt." Schon war Paulus im Begriff, zu seiner Verteidigung das Wort zu ergreifen, als Gallio sich mit den Worten an die Juden wandte: "Wenn ein Vergehen oder ein schlimmes Verbrechen vorläge, - ihr jüdischen Männer - so würde ich eure Anklage selbstverständlich entgegennehmen. Wenn ihr jedoch bloß Streitfragen über Wortklaubereien, Benennungen und den sonstigen bei euch geltenden Gesetzeskram vorzubringen habt, so möget ihr das unter euch selbst ausmachen. Ich will in solchen Dingen nicht den Richter spielen." Mit diesen Worten wies er sie von seinem Richterstuhl fort. Da umzingelten alle Griechen den Synagogenvorsteher Sosthenes und verprügelten ihn vor dem Richterstuhle, ohne dass Gallio sich darum kümmerte. Paulus blieb noch längere Zeit in Korinth. Dann nahm er von den Brüdern Abschied und schiffte sich nach Syrien ein. Priscilla und Aquila begleiteten ihn. Letzterer hatte sich in Kenchrea das Haupt scheren lassen zum Zeichen, dass er ein Gelübde zu erfüllen hatte. Paulus gelangte nach Ephesus. Am folgenden Sabbat nahm er die beiden nicht mit, sondern ging allein in die Synagoge und gab den Juden religiöse Unterweisungen. Diese baten ihn, noch längere Zeit bei ihnen zu bleiben. Er lehnte dies jedoch ab und verabschiedete sich von ihnen. Als Grund gab er an, er müsse unter allen Umständen das bevorstehende Fest in Jerusalem mitmachen. "Doch", - fügte er hinzu - "so Gott will, werde ich wieder zu euch zurückkehren." Den Aquila ließ er in Ephesus zurück. Er fuhr allein ab und landete in Cäsarea. Von dort reiste er hinauf nach Jerusalem und begrüßte die Gemeinde. Hierauf ging er hinab nach Antiochien. Dort blieb er einige Zeit und begab sich dann auf eine Wanderung durch Galatien und Phrygien und ermahnte alle Gläubigen zur Standhaftigkeit. Inzwischen war ein Jude namens Apollos nach Ephesus gekommen. Er stammte aus Alexandrien. Er war ein Mann von großer Gelehrsamkeit und in den heiligen Schriften außerordentlich bewandert. Schon in seiner Vaterstadt war er im Worte des Herrn eingehend unterrichtet worden und redete unter der Einwirkung eines heiligen Geistes mit großem Freimut und glühender Begeisterung. Die Lehre über Christus trug er in allen Punkten richtig vor, obwohl er nur die Taufe des Johannes kannte. Dieser begann nun in der Synagoge öffentlich aufzutreten. Dort hörten ihn Aquila und Priscilla. Sie nahmen ihn in ihr Haus auf und setzten ihm die Wahrheiten Gottes noch genauer auseinander. Nun befanden sich in Ephesus verschiedene Leute aus Korinth. Diese hörten seine Predigt und baten ihn, sie nach ihrer Vaterstadt zu begleiten. Er erklärte sich damit einverstanden. Die Christen in Ephesus schrieben nun an die Gläubigen in Korinth, sie möchten diesen Mann gut aufnehmen. Obgleich er nun als Fremder nach Griechenland kam, erwarb er sich doch um die Christengemeinden große Verdienste; die Juden widerlegte er in öffentlichen Versammlungen in schlagender Weise und wies ihnen aus den Heiligen Schriften nach, dass Jesus der Messias sei. Paulus hatte nach eigenem Gutdünken den Entschluss gefasst, nach Jerusalem zu gehen. Darum gab ihm der Geist die Weisung, nach Kleinasien zurückzukehren. So durchwanderte er denn das Binnenland und gelangte nach Ephesus. Dort traf er einige Gläubige, an die er die Frage richtete: "Habt ihr nach Annahme des Glaubens einen heiligen Geist empfangen?" Sie gaben ihm zur Antwort: "Wir haben noch nichts davon gehört, dass jemand einen heiligen Geist empfangen hat." - "Worauf seid ihr denn getauft worden?" - fragte er weiter. Sie erwiderten: "Auf diese Weise, wie Johannes taufte." Paulus entgegnete: "Johannes spendete die Taufe nur als äußeres Zeichen der Sinnesänderung. Er belehrte jedoch gleichzeitig das Volk, an den zu glauben, der nach ihm kommen werde, nämlich an Jesus, den Messias." Als sie das hörten, ließen sie sich auf den Namen des Herrn Jesus, des Messias, taufen, zur Vergebung der Sünden des Abfalls. Dann legte ihnen Paulus die Hände auf, und sofort kam ein heiliger Geist auf sie herab. Sie redeten in fremden Sprachen, und es erfolgten auch Kundgebungen in ihrer Muttersprache. Es waren im ganzen etwa zwölf Männer. Paulus besuchte die Synagoge und trat darin etwa ein Vierteljahr mit großer Kraft öffentlich auf. Er gab religiöse Unterweisungen und suchte seinen Zuhörern die richtige Lehre über das Reich Gottes beizubringen. Manche von ihnen ließen sich jedoch in ihrer Verstocktheit nicht überzeugen, sondern suchten die neue Lehre vor der versammelten Gemeinde in den Schmutz zu ziehen. Darum trennte sich Paulus von diesen und sonderte auch die Gläubigen von ihnen ab und hielt täglich von elf Uhr vormittags bis vier Uhr nachmittags religiösen Unterricht in dem Saal eines gewissen Tyrannus. Er tat dies zwei Jahre lang, bis alle Bewohner der Provinz Asien, Juden sowohl wie Griechen, das Wort des Herrn gehört hatten. Auch ließ Gott durch die Hand des Paulus ganz außergewöhnliche Kräfte wirksam werden; so genügte es zum Beispiel, dass man Dinge, die mit seinem Körper bloß in Berührung gekommen waren, wie Schweißtücher und Arbeitsschürzen, auf die Kranken legte, und die Krankheiten wichen, und die bösen Geister fuhren von ihnen aus. Auch einige von den umherziehenden jüdischen Geisterbeschwörern wagten es, über Personen, die von bösen Geistern besessen waren, den Namen des Herrn Jesus auszusprechen, indem sie zu sagen pflegten: "Ich beschwöre euch bei dem Jesus, den Paulus predigt!" Unter ihnen befanden sich auch sieben Söhne eines gewissen Oberpriesters Skeuas, die das Gleiche tun wollten. Sie traten nun ihrer Gewohnheit gemäß an einen Besessenen heran und begannen den Namen Jesu anzurufen, indem sie sagten: "Wir beschwören dich im Namen des Jesus, den Paulus predigt, von diesem Menschen auszufahren." Da gab ihnen der böse Geist zur Antwort: "Den Jesus kenne ich, und auch der Paulus ist mir bekannt. Ihr aber wer seid ihr?" Dann stürzte sich der Besessene auf sie, überwältigte zwei von ihnen und riss ihnen die Kleider vom Leibe, so dass sie nackt und mit Wunden bedeckt aus jenem Hause entflohen. Von diesem Vorfall hörten alle Juden und Griechen, die in Ephesus wohnten, und eine große Furcht befiel sie. Aber der Name des Herrn Jesus erlangte dadurch von Tag zu Tag immer größeres Ansehen. Viele von denen, die den Glauben annahmen, kamen und bekannten öffentlich ihr früheres Treiben; und manche von denen, die sich mit Zauberei abgegeben hatten, brachten ihre Zauberbücher herbei und verbrannten sie vor allem Volke. Als man die Preise zusammenrechnete, die sie für diese Bücher bezahlt hatten, ergab sich ein Betrag von ungefähr fünfzigtausend Mark. So breitete sich der Glaube an Gott mit aller Kraft aus, drang unaufhaltsam weiter und entwickelte sich zu immer größerer Festigkeit. Da entschloss sich Paulus unter Antrieb eines Geistes Gottes, Mazedonien und Griechenland zu durchwandern und sich dann nach Jerusalem zu begeben. Er pflegte zu sagen: "Sobald ich dort war, muss ich auch Rom sehen." Er schickte zwei von seinen Gehilfen, nämlich Timotheus und Erastus, nach Mazedonien, während er selbst noch eine kurze Zeit in Kleinasien blieb. Um diese Zeit kam es in Ephesus wegen der neuen Lehre zu großen Unruhen. Ein Silberschmied namens Demetrius verfertigte nämlich silberne Tempelchen der Artemis und gab den Handwerkern dadurch viel zu verdienen. Er rief nun die Handwerker zusammen und hielt ihnen folgende Ansprache: "Ihr Handwerksleute! Ihr wisst, dass wir unsern Wohlstand diesem unsern Handwerk verdanken. Nun seht und hört ihr aber selbst, wie dieser Paulus nicht nur in Ephesus, sondern in fast ganz Asien die Leute betört hat, indem er ihnen vorredet, das seien keine Götter, die von Menschenhänden gemacht würden. Aber nicht nur dieses Gewerbe droht dadurch in üblen Ruf zu kommen, sondern auch der Tempel der großen Göttin Artemis ist in Gefahr, der vollständigen Missachtung anheim zu fallen. So wird sie auch des hohen Ruhmes verlustig gehen, den sie bis jetzt in ganz Asien und in aller Welt genießt." Bei diesen Worten gerieten sie in große Wut, rannten auf die Straße und riefen unter wildem Geschrei: "Hochlebe die Artemis zu Ephesus!" Bald war die ganze Stadt voll von dem Gerücht, dass der Artemis eine große Schmach angetan worden sei. Alles stürmte wie ein Mann ins Theater. Dorthin schleppten sie die Mazedonier Gajus und Aristarchus, welche Reisegefährten des Paulus waren. Paulus wollte nun unter die Volksmenge gehen; aber die Gläubigen hinderten ihn daran. Auch einige von den obersten Beamten der Provinz Asien, die gute Freunde von ihm waren, ließen ihn durch Boten dringend bitten, ja nicht ins Theater zu gehen. Dort schrie nun alles durcheinander. Denn in der Versammlung herrschte die tollste Verwirrung. Die meisten wussten überhaupt nicht, weshalb man zusammengekommen war. Da veranlasste man aus der Mitte der Versammlung heraus den Alexander, den die Juden vorgeschoben hatten, die Bühne zu besteigen, um eine Ansprache zu halten. Alexander erhob die Hand zum Zeichen, dass er zum Volke reden wolle. Als die Menge jedoch sah, dass er ein Jude war, schrie alles wie aus einem Munde etwa zwei Stunden lang: "Hochlebe die Artemis von Ephesus!" Endlich gab der Stadtschreiber der Volksmenge ein Zeichen und ergriff das Wort: "Ihr Männer von Ephesus!" - begann er - "Wo gibt es denn in der ganzen Welt einen Menschen, der nicht wüsste, dass unsere Stadt die Hüterin des Tempels der großen Artemis und ihres vom Himmel gefallenen Bildes ist? Diese Tatsache wird daher auch niemand bestreiten. Ihr sollt euch also ruhig verhalten und nichts Übereiltes tun. Ihr habt diese Männer hierher gebracht, obschon sie weder Tempelräuber sind, noch unsere Göttin lästern. Wenn jedoch Demetrius und seine Zunftgenossen irgendeinen Grund zur Klage gegen sie zu haben glauben, so werden ja für solche Angelegenheiten Gerichtstage abgehalten; auch gibt es Statthalter, die dafür da sind. Vor diesen mögen die streitenden Parteien ihre Sache ausfechten. Habt ihr aber über andere Dinge Klage zu führen, so ist nach dem Gesetz nur die ordnungsmäßig einberufene Volksversammlung dafür zuständig. Wir laufen Gefahr, dass wegen der heutigen Vorkommnisse eine Anklage wegen Aufruhrs gegen uns erhoben wird; denn es liegt kein Grund vor, womit wir diesen Volksauflauf rechtfertigen könnten." Nach diesen Worten löste er die Versammlung auf. - - - Als wieder Ruhe eingetreten war, ließ Paulus die Gläubigen zusammenrufen und gab ihnen noch eindringliche Ermahnungen. Dann verabschiedete er sich von ihnen und trat seine Reise nach Mazedonien an. Als er dort alle Gegenden besucht und häufig Botschaften der Geisterwelt an die Gläubigen übermittelt hatte, begab er sich nach Griechenland. Dort hielt er sich drei Monate auf. Als ihm jedoch von Seiten der Juden im Geheimen Nachstellungen bereitet wurden, entschloss er sich, nach Syrien zurückzukehren. Da gab ihm ein heiliger Geist die Weisung, den Rückweg über Mazedonien zu nehmen. Bis nach Kleinasien schlossen sich ihm folgende als Begleiter an: Sopater, der Sohn des Pyrrhus aus Beroea, Aristarchus und Sekundus aus Thessalonich, Gajus aus Derbe, Timotheus, Eutychus und Trophimus aus Ephesus. Diese reisten voraus und erwarteten ihn in Troas. Wir selbst fuhren nach den Osterfeiertagen von Philippi ab und trafen fünf Tage später in Troas mit ihnen zusammen. Dort blieben wir sieben Tage. Am ersten Tag der Woche hielten wir einen Gottesdienst ab, bei dem wir das Brot brachen. Paulus wollte am folgenden Tage abreisen. Darum hielt er ihnen zum Abschied noch eine Ansprache und dehnte sie bis Mitternacht aus. Zahlreiche Lampen brannten in dem Saal, wo wir versammelt waren. In einer Fensteröffnung saß ein junger Mann namens Eutychus. Als nun Paulus immer weiter redete, wurde dieser von einer unwiderstehlichen Schläfrigkeit übermannt. Schließlich war er fest eingeschlafen und stürzte aus dem dritten Stockwerk und wurde als tot aufgehoben. Paulus eilte hinunter, warf sich über ihn und schlang seine Arme um ihn. "Ihr braucht euch nicht aufzuregen", - sagte er - "denn es ist noch Leben in ihm." Dann ging er wieder hinauf und hielt die Feier des Brotbrechens ab. Nachdem er selbst noch einen Imbiss zu sich genommen hatte, unterhielt er sich mit den Anwesenden, bis der Tag anbrach. Alsdann reiste er ab. Als alle sich verabschiedet hatten, nahm man den jungen Mann mit nach Hause. Er war wieder vollständig zu sich gekommen, wodurch sich alle sehr getröstet fühlten. Wir andern waren unterdessen auf das Schiff gegangen und fuhren nach Assos in der Absicht, Paulus dort an Bord zu nehmen. Denn so hatte er es selbst angeordnet; er wollte nämlich den Weg dorthin allein zu Fuße zurücklegen. In Assos traf er mit uns wieder zusammen. Wir nahmen ihn an Bord und fuhren nach Mytilene. Von dort segelten wir weiter und erreichten am folgenden Tage die Höhe von Chios. Einen Tag später landeten wir an der Insel Samos und hielten uns in Trogylion auf. Tags darauf kamen wir nach Milet. Paulus hatte sich nämlich entschlossen, nicht in Ephesus auszusteigen, weil er fürchtete, man könnte ihn in Kleinasien zu lange festhalten. Er hatte es deswegen so eilig, weil er am Tage des Pfingstfestes in Jerusalem sein wollte. Von Milet aus benachrichtigte er die Gemeinde in Ephesus und bat die Ältesten zu sich. Diese kamen denn auch zu ihm, und er hielt folgende Ansprache an sie: "Ihr wisst selbst, meine lieben Brüder, wie vom ersten Tage an, wo ich meinen Fuß auf asiatischen Boden setzte, mehr als drei Jahre hindurch, mein Lebenswandel unter euch gewesen ist; wie ich dem Herrn diente unter lauter Demütigungen, Tränen und Anfechtungen, die mir aus den Nachstellungen der Juden erwuchsen; wie ich nicht das Geringste verabsäumt habe, euch alles zu lehren, was euch förderlich sein konnte; wie ich sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei euren häuslichen Gottesdiensten als Prediger auftrat; wie ich dabei Juden und Griechen die Notwendigkeit nachwies, ihre Gesinnung zu ändern und auf Gott hinzurichten und ihm gläubiges Vertrauen entgegenzubringen mit der Hilfe unsres Herrn Jesus Christus. Und seht, jetzt werde ich vom Geiste gedrängt, nach Jerusalem zu reisen. Was für ein Schicksal mir dort bevorsteht, weiß ich persönlich nicht. Nur das Eine weiß ich, dass die heilige Geisterwelt mir in jeder Stadt durch ihre Medien kundtut, dass Kerker und Leiden in Jerusalem meiner harren. Aber ich halte mein Leben für nichts und mache mir nicht das Geringste daraus, auf welche Weise ich meinen Lebenslauf beschließen und den Dienst der Wahrheit beenden werde, den ich vom Herrn Jesus empfangen habe, um die Heilsbotschaft von der Gnade Gottes Juden und Griechen überzeugend kundzutun. Und nun muss ich euch sagen: Ich weiß, dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet - keiner von euch allen, unter denen ich als Prediger des Königtums Jesu aus- und eingegangen bin. Bis auf den heutigen Tag habe ich bei keinem einzigen von allen den geistigen Tod verschuldet. Denn ich ließ es an mir nicht fehlen, euch den ganzen Heilsplan Gottes zu verkünden. So wachet denn über euch selbst und über die ganze Herde, über die euch die heilige Geisterwelt zu Aufsehern bestellt hat, um die Gemeinde des Herrn, die er sich durch sein Blut als Eigentum erworben hat, als Hirten zu leiten. Denn ich weiß, dass nach meinem Weggang schlimme Wölfe bei euch einbrechen und die Herde nicht schonen werden. Ja, aus eurer eigenen Mitte werden Männer sich erheben und Irrlehren vortragen, um die Gläubigen auf ihre Seite zu ziehen. Darum seid wachsam! Denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht müde wurde, das Herz eines jeden einzelnen von euch unter Tränen für Gott zu gewinnen. Und nun empfehle ich euch Gott und dem Worte seiner Gnade, - Ihm, der stark genug ist, euch innerlich weiter aufzubauen und euch euer Erbteil zu verleihen in der Zahl derer, die sich Gott geweiht haben. Silber, Gold oder Kleidung habe ich von niemand begehrt. Ihr wisset selbst, dass diese meine Hände meinen Lebensunterhalt und den meiner Mitarbeiter erworben haben. Euch allen habe ich gezeigt, dass man in solcher Weise arbeiten und sich auch noch der Schwachen annehmen soll, eingedenk des Ausspruches des Herrn Jesus: "Wer gibt, ist mehr beglückt, als wer empfängt" Nach diesen Worten kniete er nieder und betete mit ihnen allen. Da brachen sie in heftiges Weinen aus, fielen Paulus um den Hals und küssten ihn. Am meisten hatte sie das Wort erschüttert, dass sie sein Angesicht nie mehr sehen würden. Darauf begleiteten sie ihn ans Schiff. Beim Abschied mussten wir uns mit Gewalt von ihnen losreißen, bestiegen das Schiff und fuhren ab. Wir kamen in direkter Fahrt nach Kos und am nächsten Tag nach Rhodus und von da nach Patara und Myra. Dort fanden wir ein Schiff, das nach Phönizien bestimmt war, stiegen sofort ein und gingen in See. Wir bekamen Cypern in Sicht und segelten rechts daran vorbei, indem wir auf Syrien zusteuerten und landeten in Tyrus. Denn dort hatte das Schiff seine Ladung zu löschen. Hier suchten wir die Gläubigen auf und blieben sieben Tage. Durch die Medien in dieser Gemeinde warnte die Geisterwelt den Paulus wiederholt vor seiner Reise nach Jerusalem. Als die Tage unseres Aufenthaltes zu Ende waren, traten wir dennoch die Weiterreise an. Alle Brüder mit ihren Frauen und Kindern gaben uns das Geleit bis vor die Stadt. Am Gestade des Meeres knieten wir nieder und beteten. Dann nahmen wir Abschied voneinander und gingen an Bord, während jene nach Hause zurückkehrten. Unsere Fahrt näherte sich nun ihrem Ende, als wir von Tyrus nach Ptolomais segelten; dort begrüßten wir die Brüder und blieben einen Tag bei ihnen. Tags darauf machten wir uns auf den Weg und gelangten nach Cäsarea. Hier kehrten wir bei Philippus ein, der einer der sieben Evangelisten war und blieben bei ihm. Er hatte vier Töchter, die Medien waren. Während unseres mehrtägigen Aufenthaltes daselbst kam ein Medium namens Agapus aus Judäa dorthin. Es trat auf uns zu, nahm den Gürtel des Paulus, band sich damit die Hände und Füße und sprach: "So spricht der heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem auf diese Weise binden und ihn den Händen der Ungläubigen überliefern." Als wir dies vernahmen, baten sowohl wir als auch die andern Anwesenden den Paulus inständig und unter Tränen, doch Jerusalem nicht zu betreten. Doch Paulus gab uns zur Antwort: "Warum weint ihr und macht mir das Herz schwer? Ich bin bereit, mich in Jerusalem nicht nur binden zu lassen, sondern auch für den Namen des Herrn Jesus den Tod zu erleiden." Da er sich also nicht dazu überreden ließ, beruhigten wir uns damit, dass wir zu einander sagten: "Des Herrn Wille geschehe!" Nach einigen Tagen machten wir uns reisefertig und wanderten auf Jerusalem zu. Einige von den Jüngern aus Cäsarea gingen mit uns. Sie wollten uns zu jemand bringen, bei dem wir als Gäste wohnen könnten. Unter ihrer Führung gelangten wir in ein Dorf und kehrten bei einem gewissen Mnason ein, der aus Cypern stammte und schon lange ein Jünger war. Von dort gingen wir nach Jerusalem, wo uns die Brüder freundlich aufnahmen. Am folgenden Tage ging dann Paulus mit uns zu Jakobus, wo auch die Ältesten versammelt waren. Als Paulus jeden einzeln begrüßt hatte, legte er ihnen auseinander, wie Gott durch seinen Dienst in der Verkündigung der Heilsbotschaft unter den Heiden gewirkt habe. Als sie das hörten, priesen sie Gott. Dann aber sagten sie zu ihm: "Du selbst weißt, lieber Bruder, wie viele Tausende es in Judäa gibt, die gläubig geworden sind. Aber sie halten noch alle fest am Mosaischen Gesetz. Nun hat man ihnen von dir berichtet, dass du allen Juden, die unter den Heiden leben, den Abfall von Mose predigst und ihnen empfiehlst, ihre Kinder nicht mehr zu beschneiden und überhaupt nicht mehr nach den jüdischen Satzungen zu leben. Was ist da nun zu tun? Denn sie werden ganz gewiss deine Ankunft erfahren, und dann wird es einen Volksauflauf geben. Befolge daher unsern Rat: Hier sind vier Männer, die ein Gelübde zu erfüllen haben. Diese nimm dir mit und unterziehe dich mit ihnen zusammen einer Weihe. Bezahle auch für sie die Kosten, damit sie sich das Haupt scheren lassen können. Dann werden alle erkennen, dass an den Gerüchten, die sie über dich vernommen haben, kein wahres Wort ist, sondern dass im Gegenteil auch du das Gesetz treu beobachtest. Was jedoch die gläubig gewordenen Nichtjuden betrifft, so haben die Judenchristen nichts gegen dich einzuwenden; denn wir haben ja in einer Botschaft unser Urteil dahin abgegeben, dass jene nichts von den jüdischen Gesetzen zu beobachten brauchen, sondern sich nur von den Götzenopfern, dem Genuss von Blut und der Unzucht zu enthalten haben." Da nahm Paulus diese Männer am folgenden Tage mit sich, unterzog sich mit ihnen zusammen der Weihe und ging in den Tempel. Dort gab er an, wann die Weihetage zu Ende seien, damit für einen jeden von ihnen das Opfer dargebracht würde. Der siebente Tag neigte sich bereits seinem Ende zu, da sahen ihn die Juden, die aus Kleinasien gekommen waren, im Tempel und brachten das ganze Volk in Aufruhr. Sie stürzten sich auf ihn und schrieen: "Ihr Männer von Israel, zu Hilfe! Das ist der Mensch, der vor der ganzen Welt gegen unser Volk, gegen unser Gesetz und gegen diese heilige Stätte predigt. Ja, er hat sogar Nichtjuden in den Tempel geführt und so diese heilige Stätte entweiht." Vorher hatten sie nämlich den Trophymus aus Ephesus in der Stadt in seiner Begleitung gesehen; darum waren sie der Meinung, Paulus habe ihn mit in den Tempel genommen. So geriet die ganze Stadt in wilde Erregung, und es entstand ein Volksauflauf. Man ergriff den Paulus, schleppte ihn zum Tempel hinaus und schloss sofort die Tore. Schon war man im Begriffe, ihn totzuschlagen, da wurde dem Oberst der römischen Garnison die Meldung gemacht, ganz Jerusalem sei in Aufruhr. Dieser nahm sofort Mannschaften und Hauptleute und eilte im Sturmschritt auf die Menge zu. Als diese den Oberst und die Soldaten sah, ließ sie davon ab, den Paulus zu schlagen. Da trat der Oberst an Paulus heran, ließ ihn ergreifen und mit zwei Ketten fesseln. Er fragte die Menge, was das denn für ein Mann sei, und was für ein Verbrechen er verübt habe. Der eine aus der Volksmenge schrie dies, der andere jenes. Weil er jedoch bei dem Lärm nichts Sicheres feststellen konnte, ließ er ihn in die Kaserne schaffen. Als man an die Kasernentreppe kam, musste er wegen der drohenden Gewalttätigkeiten des Volkes von den Soldaten buchstäblich getragen werden. Denn der Volkshaufen drängte sich dicht heran und forderte seinen Tod mit dem Ruf: "Nieder mit ihm!" Eben war man im Begriff ihn in die Kaserne hineinzuführen, da fragte Paulus den Oberst: "Darf ich dir etwas sagen?" jener erwiderte: "Wie, du kannst Griechisch? Da bist du also nicht der Ägypter, der unlängst den Aufstand erregt und die viertausend Mann Banditen in die Wüste geführt hat?" - "Ich bin ein Jude und stamme aus Tarsus, einer Stadt in Cilicien", - entgegnete Paulus; "erlaube mir, bitte, zum Volke zu reden!" Das gestattete er ihm. Da trat Paulus auf die Treppe und gab der Menge ein Zeichen mit der Hand. Sofort trat tiefste Stille ein. Dann hielt er in hebräischer Sprache folgende Rede: "Werte Brüder und Väter! Höret jetzt die Verteidigungsrede ruhig an, die ich vor euch halten will." Als sie merkten, dass er Hebräisch sprach, lauschten sie in atemlosem Schweigen. Dann fuhr er fort: "Ich bin ein Jude und stamme aus Tarsus in Cilicien. Hier in Jerusalem wuchs ich auf. Zu Füßen Gamaliels lernte ich die strenge Befolgung des Gesetzes unserer Väter. Ich wurde ein Eiferer für die Überlieferungen meiner Vorfahren, wie auch ihr es heute noch seid. Darum verfolgte ich diejenigen bis in den Tod, welche diese neue Lehre zur Richtschnur ihres Lebens machten. Männer und Frauen legte ich in Fesseln und ließ sie ins Gefängnis werfen. Dies wird mir der Hohepriester und der ganze Hohe Rat bezeugen können. Denn von diesen habe ich mir Vollmachtsschreiben ausstellen lassen; damit reiste ich zu den Brüdern nach Damaskus, um alle, die ich dort finden würde, in Fesseln zu legen und zur Strafvollstreckung nach Jerusalem zu bringen. Als ich mich nun um die Mittagszeit Damaskus näherte, umstrahlte mich plötzlich vom Himmel her ein Licht. Ich fiel zu Boden und hörte eine Stimme, die mir zurief: "Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?" Ich antwortete: "Wer bist du, Herr?" - "Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst", - erwiderte die Stimme. Meine Begleiter sahen wohl das Licht und wurden starr vor Schrecken; aber die Stimme dessen, der zu mir sprach, konnten sie nicht vernehmen. "Was soll ich tun, Herr?" fragte ich nun. Der Herr gab mir zur Antwort: "Stehe auf und gehe nach Damaskus! Dort wird dir über die Aufgabe, die du zu erfüllen hast, alles Weitere mitgeteilt werden." Infolge des Glanzes jenes Lichtstrahles, der mich getroffen hatte, konnte ich jedoch nicht mehr sehen. Deshalb mussten mich meine Begleiter an der Hand führen. So gelangte ich nach Damaskus. Dort kam ein gewisser Ananias zu mir. Er war ein Mann, der das Gesetz gewissenhaft erfüllte und bei allen dort wohnenden Juden in hohem Ansehen stand. Er trat vor mich hin und redete mich mit den Worten an: "Bruder Saulus, werde sehend!" In demselben Augenblick erhielt ich mein Augenlicht wieder und sah ihn vor mir stehen. "Der Gott unserer Väter" - fuhr er fort - "hat dich dazu ausersehen, seinen Willen zu erkennen und den 'Gerechten Gottes' zu schauen und aus seinem eigenen Munde zu vernehmen, dass du als sein Zeuge auftreten und vor aller Welt bekunden sollst, was du gesehen und gehört hast. Und nun, was zögerst du noch? Stehe auf und lass dich taufen und durch Anrufung seines Namens dich von deinen Sünden reinigen!" Als ich nach meiner Rückkehr nach Jerusalem im Tempel betete, hatte ich folgendes Erlebnis: Mein Geist trat aus meinem Körper aus und ich sah Jesus vor mir stehen, und er sprach zu mir: 'Beeile dich und verlasse schleunigst Jerusalem! Denn hier wird man dein Zeugnis für mich nicht annehmen.' - "Herr!" - antwortete ich - "hier wissen doch alle, dass ich es war, der deine Anhänger ins Gefängnis werfen und in den Synagogen auspeitschen ließ; sie wissen, dass ich es war, der dabei stand, als das Blut deines Zeugen Stephanus vergossen wurde, und dass ich Freude daran hatte und die Kleider derer bewachte, die ihn ermordeten." Er aber entgegnete: "Mache dich fort. Denn ich will dich weit weg zu den Heiden senden." Bis zu diesem letzten Satze hatten sie ruhig zugehört. Jetzt aber erhoben sie ein wildes Geschrei und riefen: "Hinweg mit einem solchen Menschen! Schafft ihn von der Welt! Er darf nicht länger leben!" Sie brüllten, schleuderten ihre Mäntel beiseite und warfen Staub gegen den Himmel. Da ließ der Oberst den Paulus in die Kaserne hineinbringen und befahl, ihn unter Geißelhieben zu verhören, um herauszubringen, aus welchem Grunde man ein so wütendes Gebrüll gegen ihn ausstieß. Schon hatte man ihn zum Zweck der Geißelung hingestreckt, als sich Paulus an den dabeistehenden Hauptmann mit der Frage wandte: "Dürft ihr einen römischen Bürger, und dazu noch ohne richterliches Urteil, geißeln?" Als der Hauptmann vernahm, dass Paulus sich als einen römischen Bürger bezeichnete, eilte er zu dem Oberst. "Bedenke", - sagte er zu ihm - "was du zu tun im Begriffe stehst! Dieser Mann ist ja römischer Bürger." Da kam der Oberst zu Paulus und richtete an ihn die Frage: "Sage mir, bist du wirklich ein römischer Bürger?" - "Ja!" - antwortete er. Darauf entgegnete der Oberst: "Dieses 'Ja' sprichst du so leicht aus. Ich weiß, wie schwer die Geldsumme war, mit der ich mir dieses Bürgerrecht habe erkaufen müssen." - "Und ich bin als römischer Bürger geboren", erwiderte Paulus. Da nahm man von dem geplanten Verhör Abstand. Denn der Oberst bekam es mit der Angst zu tun, als er hörte, dass Paulus ein Römer sei, und weil er ihn hatte in Fesseln legen lassen. Sofort ließ er ihm die Fesseln abnehmen. Um nun volle Klarheit darüber zu bekommen, was die Juden dem Paulus eigentlich vorzuwerfen hätten, ließ er ihn am folgenden Tage aus der Gefängniszelle holen und ordnete eine Versammlung der Oberpriester und des ganzen Hohen Rates an. Dann ließ er Paulus dorthin bringen und ihnen gegenüberstellen. Paulus schaute die Mitglieder des Hohen Rates fest an und begann folgendermaßen: "Werte Brüder! Ich habe bis heute einen solchen Lebenswandel geführt, wie ich ihn vor meinem Gewissen und vor Gott für richtig hielt." Bei diesen Worten befahl der Hohepriester den Umstehenden, den Paulus auf den Mund zu schlagen. Da rief ihm Paulus zu: "Dich wird Gott schlagen, du getünchte Wand! Du sitzest da, um mich nach dem Gesetz zu richten und lässt mich unter Verletzung des Gesetzes schlagen?" Da sagten die neben ihm Stehenden: "Schmähst du so den Hohenpriester?" Paulus gab zur Antwort: "Ich wusste nicht, dass er der Hohepriester war, sonst würde ich diese Worte nicht gebraucht haben; denn es steht geschrieben: 'Einen Obersten deines Volkes sollst du nicht schmähen! Da nun Paulus wusste, dass ein Teil des Hohen Rates aus Saduzäern und der andere aus Pharisäern bestand, rief er vor der Versammlung aus: "Werte Brüder! Ich bin ein Pharisäer und stamme aus einer pharisäischen Familie. Wegen unserer Hoffnung, dass es eine Auferstehung der Toten gibt, stehe ich vor Gericht." Kaum war dieses Wort gefallen, da kam es zu einem Streit zwischen den Pharisäern und Saduzäern, und die Versammlung spaltete sich in zwei Lager. Auf der einen Seite standen die Saduzäer, nach deren Lehre es keine Auferstehung, auch keine Engel, wie überhaupt keine Geister gibt; auf der anderen Seite die Pharisäer, die in beiden Punkten das Gegenteil lehren. Es entstand ein großer Lärm. Mehrere Schriftgelehrte von der Partei der Pharisäer erhoben sich und verteidigten ihren Standpunkt. "Wir finden nichts Unrechtes an diesem Manne", - sagten sie; "kann denn nicht ein Geist oder ein Engel tatsächlich mit ihm geredet haben?" Der Tumult wurde immer größer und der Oberst fürchtete, Paulus könnte von ihnen in Stücke gerissen werden. Darum ließ er seine Soldaten antreten und ihn mit Gewalt aus ihrer Mitte holen und in die Kaserne abführen. In der folgenden Nacht stand der Herr plötzlich vor Paulus und sagte zu ihm: "Nur Mut! Denn wie du in Jerusalem Zeugnis für mich abgelegt hast, so sollst du auch in Rom mein Zeuge sein." Bei Tagesanbruch rotteten sich die Juden zusammen und leisteten den feierlichen Eid, nicht eher etwas zu essen oder zu trinken, als bis sie den Paulus ums Leben gebracht hätten. Es waren mehr als vierzig Mann, die dieser Verschwörung angehörten. Sie begaben sich zu den Oberpriestern und Ältesten und machten ihnen die Mitteilung: "Wir haben uns hoch und heilig verschworen, nichts zu genießen, bis wir Paulus ums Leben gebracht haben. Ihr müsst nun zusammen mit dem Hohen Rat bei dem Oberst vorstellig werden, damit er ihn zu euch hinunter führen lässt; als Vorwand könnt ihr angeben, dass ihr seine Sache noch genauer untersuchen wolltet. Wir stehen dann bereit, ihn zu ermorden, noch ehe er in eure Nähe kommt, sogar auf die Gefahr hin, selbst getötet zu werden." Von diesem Mordplan erhielt jedoch der Schwestersohn des Paulus Kenntnis. Er eilte zur Kaserne, erlangte Zutritt und machte Paulus davon Mitteilung. Da ließ Paulus einen von den Hauptleuten rufen und sagte zu ihm: "Bitte, führe diesen jungen Mann zum Oberst; denn er hat ihm etwas mitzuteilen." Der nahm ihn mit und führte ihn zum Oberst und meldete: "Der Gefangene Paulus ließ mich rufen und bat mich, diesen jungen Mann zu dir zu führen, weil er dir etwas mitzuteilen habe." Da nahm ihn der Oberst bei der Hand und ging mit ihm in seine Privatgemächer. Hier fragte er ihn: "Nun, was hast du mir denn zu melden?" Dieser gab ihm zur Antwort: "Die Juden haben sich verabredet, mit der Bitte an dich heranzutreten, den Paulus morgen vor den Hohen Rat führen zu lassen, und zwar unter dem Vorwand, eine genauere Untersuchung seiner Sache vorzunehmen. Du aber schenke ihnen ja keinen Glauben! Denn mehr als vierzig Männer lauern ihm auf. Diese haben sich feierlich verschworen, nicht eher etwas zu essen oder zu trinken, als bis sie ihn ermordet hätten. Schon jetzt stehen sie bereit und warten nur noch auf deinen Befehl." Der Oberst entließ nun den jungen Mann mit der Weisung, niemand mitzuteilen, dass er ihm die Anzeige gemacht habe. Dann ließ er zwei seiner Hauptleute kommen und gab ihnen folgenden Befehl: "Heute Abend von neun Uhr an sollt ihr zweihundert Mann zum Marsch nach Cäsarea bereit halten; ferner siebzig Reiter und zweihundert Lanzenträger. Auch Reittiere sollen in Bereitschaft stehen, damit man sie dem Paulus zur Verfügung stellen kann, und er ungefährdet zum Statthalter Felix nach Cäsarea gebracht wird." Er fürchtete nämlich, dass die Juden den Paulus entreißen und töten könnten, und dass man dann gegen ihn selbst die Anschuldigung erheben würde, er habe sich von den Juden mit Geld bestechen lassen. Dann schrieb er einen Brief folgenden Inhaltes: "Klaudius Lysias entbietet dem hochmächtigen Statthalter Felix seinen Gruß! Dieser Mann hier war von den Juden festgenommen worden und schwebte in Gefahr, von ihnen ermordet zu werden. Da eilte ich mit meinen Soldaten hinzu und befreite ihn; denn ich hatte erfahren, dass er ein römischer Bürger sei. Da ich nun feststellen wollte, was sie gegen ihn vorzubringen hätten, ließ ich ihn vor ihren Hohen Rat führen. Dort aber fand ich, dass es sich bei der Anklage gegen ihn nur um Streitfragen handelte, die sich auf das Gesetz des Mose und einen gewissen Jesus bezogen, dass jedoch nichts gegen ihn vorgebracht werden konnte, worauf Todesstrafe oder Gefängnis steht. Nur mit Mühe und unter Anwendung von Gewalt konnte ich ihn aus ihren Händen befreien. Da wurde mir mitgeteilt, dass von Männern aus jüdischen Kreisen ein Anschlag auf das Leben dieses Mannes geplant sei. Aus diesem Grunde ließ ich ihn sofort zu dir führen und wies seine Ankläger mit ihrer Klage an dich. - Lebe wohl!" Dem erhaltenen Befehl gemäß nahmen die Soldaten den Paulus mit sich und brachten ihn noch in derselben Nacht nach Antipatris. Bei Tagesanbruch ließen sie dann die Reiter allein mit ihm weiter ziehen. Als sie nach Cäsarea kamen, übergaben sie dem Statthalter das Schreiben und führten ihm den Paulus vor. Er las das Schreiben und wandte sich dann mit der Frage an Paulus: "Aus welcher Provinz bist du?" Dieser antwortete: "Aus Zilizien." Darauf entgegnete jener: "Ich werde dich verhören, sobald auch deine Ankläger eingetroffen sind." Dann ließ er ihn in der Statthalterei des Herodes in Gewahrsam halten. Wenige Tage später kam dann der Hohepriester Ananias mit einigen Ältesten und einem Rechtsanwalt, einem gewissen Tertullus, nach Cäsarea. Sie setzten dem Statthalter die Anklagepunkte gegen Paulus auseinander. Dieser wurde vorgerufen, und Tertullus begann seine Anklagerede. "Hochedler Felix!" - sagte er - "Dein Verdienst ist es, dass wir in tiefem Frieden leben. Deiner weisen Fürsorge ist es zu verdanken, dass die Lage der Bevölkerung dieses Landes infolge durchgreifender Verbesserungen auf allen Gebieten sich allerorts gehoben hat. Das alles erkennen wir mit aufrichtiger Dankbarkeit an." "Um nun deine Zeit nicht mehr, als unbedingt nötig, in Anspruch zu nehmen, bitte ich dich, uns nach deiner gewohnten Güte ein ganz kurzes Gehör zu schenken. Wir haben festgestellt, dass dieser Mann hier ein ganz gemeingefährlicher Mensch ist. Er stiftet unter allen Juden der ganzen Welt Unruhen und ist der Hauptleiter der Sekte der Nazaräer. Er hat sogar den Versuch gemacht, den Tempel zu entweihen. Dabei haben wir ihn festgenommen und wollten ihn nach unserm Gesetz aburteilen. Doch der Oberst Lysias trat mit einem starken Aufgebot von Soldaten dazwischen und ließ ihn uns aus den Händen nehmen und wegführen. Seine Ankläger aber verwies er an dich. Verhöre ihn nun selbst, und du wirst dir über alle von uns vorgebrachten Anklagepunkte ein persönliches Urteil bilden können." Seinen Ausführungen schlossen sich die Juden an und bestätigten diesen Sachverhalt. Darauf gab der Statthalter dem Paulus einen Wink, er möge zu seiner Verteidigung das Wort ergreifen. Dieser hielt nun folgende Verteidigungsrede: "Schon seit vielen Jahren bist du für die Bevölkerung dieses Landes ein gerechter Richter. Das weiß ich, und darum gehe ich mit dem größten Vertrauen an meine Verteidigung. Wie du selbst feststellen kannst, sind seit meiner Ankunft in Jerusalem erst zwölf Tage verflossen. Ich kam nur dorthin, um meinen Gottesdienst im Tempel zu halten. Man hat mich dort weder im Gespräch mit irgend jemand angetroffen, noch viel weniger bei Anzettelung eines Volksaufruhrs, sei es im Tempel, sei es in den Synagogen oder sonst wo in der Stadt. Meine Gegner sind daher auch nicht imstande, für einen einzigen Punkt ihrer Anklage gegen mich dir den Beweis zu erbringen. Das allerdings bekenne ich offen vor dir, dass ich nach einer Glaubensüberzeugung den Gott meiner Väter verehre, die sie als Ketzerei bezeichnen. Diese Glaubensüberzeugung besteht darin, dass ich alles für wahr halte, was in dem Gesetze und den Propheten geschrieben steht. Daraus schöpfe ich dieselbe Hoffnung, die auch diese hier selbst auf Gott setzen, und die darin besteht, dass alle Gerechte und Ungerechte, einmal wieder zu Gott kommen. Deshalb bemühe ich mich auch, in keinem Falle etwas zu tun, was Gott oder den Menschen gegenüber mein Gewissen belasten könnte." "Nun bin ich nach einer Zwischenzeit von mehreren Jahren hergekommen, um meinen Volksgenossen Almosen zu überbringen und gleichzeitig im Tempel Opfer darzubringen. Dabei unterzog ich mich einer Weihe. Das sind die näheren Umstände, unter denen man mich antraf. Ich befand mich also nicht in Begleitung eines Volkshaufens und noch weniger bei einem Aufruhr. Vielmehr sind es einige Juden aus Kleinasien gewesen, die einen Volksaufruhr erregten, und zwar gegen mich. Diese hätten hier vor dir erscheinen und aussagen müssen, was sie gegen mich vorzubringen haben. Oder lass diese hier selbst angeben, welches Vergehen man vor dem Hohen Rat mir nachweisen konnte. Mein Verbrechen müsste denn in dem einen Satz bestanden haben, den ich in ihrer Mitte stehend laut ausgerufen hatte und welcher lautete: "Wegen meiner Behauptung, dass die Toten auferstehen, seht ihr mich heute als Angeklagten vor euch!'" Felix vertagte darauf die Entscheidung in ihrer Sache. Er kannte ja recht gut die Lehren des neuen Glaubens. Darum sagte er zu den Juden: "Wenn der Oberst Lysias herkommt, will ich in eurer Sache die Entscheidung fällen. Dann gab er dem zuständigen Hauptmann den Befehl, Paulus in Gewahrsam zu halten, jedoch in gelinder Haft, und keinen von seinen Freunden zu hindern, ihm Liebesdienste zu erweisen oder ihn zu besuchen. Einige Tage später kam Felix mit seiner Frau Drusilla, die eine Jüdin war. Sie hatte darum gebeten, Paulus sehen und ein Wort von ihm hören zu dürfen. Um ihr diesen Gefallen zu tun, ließ Felix den Paulus holen und ihn einen Vortrag über den Glauben an Christus zu halten. Als er dabei auf Rechttun, auf Selbstbeherrschung und das kommende Gericht Gottes zu sprechen kam, da fühlte sich Felix sehr bedrückt und entließ ihn mit den Worten: "Für heute ist's genug; du kannst gehen. Sollte ich mal wieder Zeit haben, so werde ich dich rufen lassen." Gleichzeitig hegte er die stille Hoffnung, von Paulus eine Geldsumme zu bekommen, damit er ihn auf freien Fuß setzte. Deshalb ließ er ihn auch öfters rufen und unterhielt sich mit ihm. Nach Verlauf von zwei Jahren erhielt Felix einen Nachfolger in Porcius Festus. Aber, um seiner Frau Drusilla einen Gefallen zu erweisen, ließ er den Paulus im Gefängnis zurück. Drei Tage, nachdem Festus sein Amt als Statthalter angetreten hatte, begab er sich von Cäsarea nach Jerusalem. Dort erschienen die Oberpriester und vornehmsten Juden vor ihm und wurden in der gegen Paulus schwebenden Klage vorstellig. Sie baten ihn dringend, ihnen doch die Vergünstigung zu gewähren, den Paulus zu ihnen nach Jerusalem zu schicken. Sie hatten nämlich vor, ihm einen Hinterhalt zu legen und ihn unterwegs zu ermorden. Festus entgegnete, Paulus befinde sich in Cäsarea in Haft; er selbst werde binnen kurzem dahin zurückkehren. "Sollten nun Persönlichkeiten aus eurer Mitte", - fuhr er fort - "die für solche Angelegenheiten zuständig sind, mich begleiten wollen, so können sie dort ihre Anklage gegen den Mann erheben, wenn er sich etwas hat zuschulden kommen lassen." Er hielt sich acht bis zehn Tage bei ihnen auf und kehrte dann nach Cäsarea zurück. Am folgenden Tage beraumte er eine Gerichtssitzung an und ließ den Paulus vorführen. Bei seinem Erscheinen umringten ihn die Juden, die aus Jerusalem gekommen waren, und brachten viele und schwere Beschuldigungen gegen ihn vor, für die sie jedoch keine Beweise beibringen konnten. Demgegenüber betonte Paulus in seiner Verteidigungsrede, dass er sich weder gegen das jüdische Gesetz, noch gegen den Tempel, noch gegen den Kaiser in irgendeinem Punkte verfehlt habe. Weil Festus sich jedoch die Juden zum Danke verpflichten wollte, legte er Paulus die Frage vor: "Willst du nach Jerusalem hinaufgehen und dort in meinem Beisein das Urteil über diese Anklagepunkte fallen lassen?" Paulus aber erwiderte: "Ich stehe hier vor des Kaisers Richterstuhl, und hier habe ich auch mein Urteil zu empfangen. Den Juden habe ich kein Unrecht zugefügt, wie du nur zu gut weißt. Wäre ich jedoch im Unrecht, und hätte ich ein todeswürdiges Verbrechen begangen, so würde ich mich nicht weigern, zu sterben. Wenn aber an den Beschuldigungen, welche diese hier gegen mich vorbringen, kein wahres Wort ist, so darf mich keiner ihnen zu lieb opfern. Ich lege Berufung an den Kaiser ein." Darauf besprach sich Festus mit seinen Räten und fällte folgende Entscheidung: "An den Kaiser hast du Berufung eingelegt, - vor den Kaiser sollst du geführt werden!" Einige Tage später kamen dann der König Agrippa und Bernice nach Cäsarea, um dem Festus einen Besuch zu machen. Während ihres mehrtägigen Aufenthaltes kam Festus bei dem Könige auf die Sache des Paulus zu sprechen. "Hier ist ein Mann", - sagte er - "der von Felix als Gefangener zurückgelassen wurde. Wegen ihm wurden während meines Aufenthaltes in Jerusalem die jüdischen Oberpriester und Ältesten bei mir vorstellig und verlangten seine Verurteilung. Ich gab ihnen jedoch zur Antwort, dass es bei den Römern nicht üblich ist, einen Menschen aus Gefälligkeit gegen irgend jemand dem Tode zu überliefern, bevor der Angeklagte seinen Anklägern persönlich gegenüber gestanden und Gelegenheit gehabt hätte, sich gegen die Anklage zu verteidigen. Daraufhin gingen sie von dort zusammen mit mir hierher. Sofort am nächsten Tage hielt ich eine Gerichtssitzung ab und ließ den Mann vorführen. Seine Ankläger traten gegen ihn auf, aber eine Anklage wegen schwerer Verbrechen, wie ich sie erwartet hatte, vermochten sie nicht vorzubringen. Das Ganze, was sie ihm vorhielten, drehte sich um Streitfragen, die sich auf eine besondere Gottesverehrung und auf einen gewissen Jesus bezogen, der schon tot ist, von dem jedoch Paulus behauptete, dass er lebe. Ich verstand mich nicht auf eine Untersuchung derartiger Dinge. Darum fragte ich Paulus, ob er nicht nach Jerusalem gehen und dort einen Gerichtsspruch über diese Anklagepunkte herbeiführen wolle. Dagegen legte er Berufung ein und verlangte in Haft zu bleiben, bis der Herrscher selbst über ihn entschieden hätte. Deshalb gab ich Befehl, ihn so lange in Gewahrsam zu halten, bis ich ihn zum Kaiser senden kann." Agrippa sprach nun bei Festus die Bitte aus: "Ich wünschte, ich könnte selbst diesen Mann einmal hören." Dieser erwiderte ihm: "Morgen sollst du ihn hören!" Am folgenden Tage erschien Agrippa und Bernice unter großem Gepränge. In Begleitung von hohen Offizieren und den vornehmsten Männern der Stadt betraten sie den Vortragssaal. Auf Befehl des Festus wurde Paulus vorgeführt. Dann hielt Festus folgende Ansprache: "König Agrippa und alle andern hier anwesenden Männer! Ihr seht hier den Mann vor euch stehen, um dessentwillen das ganze jüdische Volk in Jerusalem und auch hierselbst bei mir vorstellig wurde und unter wildem Geschrei an mich das Verlangen stellte, ihn nicht länger am Leben zu lassen. Ich bin jedoch zu der Gewissheit gelangt, dass er nichts begangen hat, worauf eine Todesstrafe ruhen könnte. Und da er selbst Berufung an den Kaiser einlegte, so beschloss ich, ihn dorthin bringen zu lassen. Nun weiß ich aber meinem kaiserlichen Herrn nichts Zuverlässiges über ihn zu berichten. Darum habe ich ihn euch und vor allem dir, König Agrippa, hier vorführen lassen, damit ich nach erfolgtem Verhör eine Unterlage für meinen Bericht besitze. Denn es erscheint mir widersinnig, einen Gefangenen an die höhere Instanz zu senden, ohne angeben zu können, was ihm zur Last gelegt wird." Da wandte sich Agrippa an Paulus. "Es ist dir gestattet", - sagte er - "dich zu rechtfertigen. Paulus gab mit der Hand ein Zeichen, dass er beginnen wolle, und hielt folgende Verteidigungsrede: "Ich schätze mich glücklich, König Agrippa, mich gegenüber all den Anschuldigungen der Juden gerade vor dir heute verteidigen zu dürfen. Denn du bist ein ausgezeichneter Kenner aller religiösen Gebräuche und Streitfragen der Juden. Darum bitte ich dich, mir in Geduld zuzuhören." "Wie ich von meinen Kinderjahren an inmitten meiner Volksgenossen in Jerusalem aufgewachsen bin, das ist allen Juden, die mich von früher her kennen, genau bekannt. Wenn sie wollten, müssten sie mir das Zeugnis ausstellen, dass ich der Sekte der Pharisäer angehörte, also der strengsten Richtung, die unsere jüdische Religion kennt. Heute stehe ich nun vor Gericht, weil ich an der Hoffnung festhalte, dass alle Verheißungen sich erfüllen werden, die unsern Vätern von Gott gegeben wurden. Es ist dieselbe Hoffnung, zu deren Erfüllung alle zwölf Stämme unseres Volkes gelangen wollen. Zu diesem Zweck liegen sie Tag und Nacht dem Gottesdienst ob. Wegen dieser Hoffnung, o König, werde ich von den Juden unter Anklage gestellt. - - - Einst war allerdings auch ich ein Feind des Namens Jesu, des Nazareners, und habe es für meine Pflicht gehalten, alles zu tun, um ihn zu bekämpfen. Ich trat in Jerusalem gegen ihn auf. Ich ließ mir von den Oberpriestern eine Vollmacht geben und daraufhin viele von den Christen ins Gefängnis werfen. Bei allen, die hingerichtet wurden, hatte ich für die Todesstrafe gestimmt. In allen jüdischen Synagogen ließ ich die Anhänger Christi so oft auspeitschen, bis sie seinen Namen lästerten. Selbst bis in die entlegenen Städte verfolgte ich sie in maßloser Wut." "So zog ich denn eines Tages mit der Vollmacht und im Auftrag der Oberpriester auch nach Damaskus. Unterwegs - es war um die Mittagszeit - sah ich, o König, plötzlich vom Himmel her ein Licht, glänzender als die Sonne, mich und meine Begleiter umstrahlen. Wir stürzten alle zu Boden. Da hörte ich eine Stimme, die mir auf Hebräisch zurief: 'Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, gegen den Stachel auszuschlagen.' Ich fragte: 'Wer bist du, Herr?' Die Stimme antwortete: 'Ich bin Jesus von Nazareth, den du verfolgst. Doch stehe auf und stelle dich auf deine Füße! Denn ich bin dir erschienen, um dich zu meinem Diener zu machen. Du sollst Zeugnis von dem ablegen, was du soeben erlebt hast, und was du noch erleben wirst, so oft ich dir fernerhin erscheinen werde. Ich wähle dich hiermit aus dem Volke der Juden und Nichtjuden aus, um dich zu beiden zu senden. Du sollst ihnen die Augen öffnen, damit sie sich von der Finsternis zum Licht und aus dem Machtbereich Satans zu Gott wenden. Sie sollen Vergebung der Sünden ihres Abfalls erlangen und ihr Erbteil in der Gemeinschaft derer empfangen, die durch den Glauben an mich geheiligt worden sind." "Nicht wahr, o König Agrippa, - ich durfte doch dieser himmlischen Erscheinung nicht den Gehorsam verweigern? So predigte ich denn zuerst den Bewohnern von Damaskus und Jerusalem, dann im ganzen jüdischen Lande, dann den Nichtjuden. Alle forderte ich auf, ihre Gesinnung zu ändern, sich zu Gott zu bekehren und Werke zu verrichten, die einer solchen Sinnesänderung würdig wären. Aus diesem Grunde ergriffen mich die Juden im Tempel und suchten mich zu ermorden. Aber mit Gottes Hilfe blieb ich bis auf den heutigen Tag am Leben und lege Zeugnis für die Wahrheit ab vor hoch und niedrig. Doch enthält meine Lehre nichts anderes, als was die Propheten und auch Mose selbst vorausverkündet haben; nämlich: dass der Messias leiden musste und als erster aus dem Reich der Toten auferstehen und sowohl den Juden als auch den Nichtjuden den Weg zum Lichte verkünden sollte. Warum gilt es denn bei euch für so unglaublich, dass Gott Tote wieder zum Leben zurückführt?" Bei diesen Worten rief ihm Festus mit lauter Stimme zu: "Paulus, du bist von Sinnen! Das viele Studieren bringt dich um den Verstand!" Paulus gab ihm jedoch zur Antwort: "Ich bin nicht von Sinnen, hochedler Festus, sondern die Worte, die ich rede, sind Worte der Wahrheit und entspringen einem klaren Denken. Das weiß auch der König recht gut; und an ihn vor allem wende ich mich mit meinen freimütigen Äußerungen. Und ich bin überzeugt, dass ihm nichts von all diesen Dingen unbekannt geblieben ist. Denn sie haben sich ja nicht in irgendeinem verborgenen Winkel abgespielt. König Agrippa! Schenkst du den Propheten Glauben? Ich weiß, dass du ihnen Glauben schenkst." Da antwortete Agrippa dem Paulus: "Es fehlt nicht viel, und du bringst es fertig, aus mir einen Christen zu machen." - "Wollte Gott", - entgegnete Paulus - "dass über kurz oder lang nicht nur du, sondern alle, die mich heute hören, das werden, was ich selbst bin; nur die Fesseln, die ich trage, wünsche ich ihnen nicht." Darauf erhoben sich der König und der Statthalter und Bernice mit den übrigen Anwesenden. Beim Weggehen unterhielten sie sich untereinander und meinten: "Dieser Mann tut nichts, was Tod oder Gefängnis verdient." Und Agrippa erklärte dem Festus gegenüber: "Dieser Mann hätte freigelassen werden können, wenn er nicht Berufung an den Kaiser eingelegt hätte." So beschloss denn der Statthalter, den Paulus zum Kaiser zu senden, und der Tag unserer Abfahrt nach Italien wurde festgesetzt. Man übergab den Paulus und einige andere Gefangene einem Hauptmann der kaiserlichen Truppe namens Julius. Wir bestiegen ein Schiff aus Andramythium, das die Küstenplätze von Kleinasien anlaufen sollte und fuhren ab. In unserer Begleitung befand sich noch Aristarchus, ein Mazedonier aus Thessalonich. Am folgenden Tag legten wir in Sidon an. Weil Julius den Paulus sehr zuvorkommend behandelte, erlaubte er ihm, seine Freunde in Sidon zu besuchen. Diese durften ihn mit allem versorgen, was für die Reise notwendig war. Bei unserer Weiterfahrt mussten wir wegen des Gegenwindes an der Ostseite von Cypern entlang fahren. Dann segelten wir an der Küste von Zilizien und Pamphylien vorbei und gelangten in fünfzehntägiger Fahrt nach Myra in Lyzien. Hier fand der Hauptmann ein alexandrinisches Schiff vor, das auf der Fahrt nach Italien war, und brachte uns auf dieses Schiff. Nach einer ziemlich langen und mühseligen Fahrt kamen wir in die Nähe von Knidos. Doch widriger Wind verhinderte uns, dort anzulegen. So fuhren wir an der Küste von Kreta hin auf Kap Salmone zu. In schwerer Fahrt fuhren wir an diesem Ort vorbei und gelangten an einen Platz, der Schönhafen hieß, nicht weit von der Stadt mit Namen Lasea. Inzwischen war die Jahreszeit schon weit vorgeschritten; der große Festtag war bereits vorüber, und die Tage näherten sich, wo die Seefahrt sehr gefährlich zu werden pflegt. Da wandte sich Paulus an die Schiffsmannschaft mit den warnenden Worten: "Ihr Männer! Ich sehe voraus, dass unsere Weiterfahrt mit Gefahr und großem Schaden nicht nur für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unser Leben verbunden sein wird." Doch der Hauptmann schenkte dem Steuermann und dem Schiffskapitän mehr Glauben als den Worten des Paulus. Und da der Hafen zum Überwintern als ungeeignet erschien, fasste die Mehrzahl den Beschluss, die Weiterfahrt anzutreten, und wo möglich nach dem kretischen Hafen Phönix zu gelangen und dort zu überwintern. Denn dieser Hafen liegt gegen Südwestwind und Nordostwind geschützt. Gerade setzte ein Südwind ein, und so glaubte man, den gefassten Beschluss ohne Gefahr verwirklichen zu können. Man lichtete die Anker und fuhr dicht an der Küste von Kreta hin. Doch es dauerte nicht lange, da brach von der Insel her ein Sturmwind los - der sogenannte Euroaquilo, das heißt Ost-Nordostwind. Das Schiff wurde vom Sturm mitgerissen und war dagegen vollständig machtlos. So mussten wir uns denn auf gut Glück treiben lassen. Wir trieben unter einem Inselchen namens Klauda hin, und nur mit großer Mühe gelang es uns, das Rettungsboot zu sichern. Man zog es an Bord empor und suchte es dadurch zu schützen, dass man es mit Tauen festband. Weil man auf die Sandbänke der Syrte zu geraten fürchtete, holte man die Segel herunter, und so ließen wir uns weiter treiben. Wir hatten unter dem Sturm fürchterlich zu leiden. Am folgenden Tage warf man einen Teil der Ladung über Bord und ließ am dritten Tag das Schiffsgerät notgedrungen nachfolgen. Mehrere Tage hindurch waren weder Sonne, noch Sterne sichtbar. Der Sturm tobte ungeschwächt weiter. Da schwand uns schließlich alle Hoffnung auf Rettung. Niemand wollte mehr Nahrung zu sich nehmen. Da trat Paulus unter die Leute und sagte: "Ihr Männer, ihr hättet auf mich hören und nicht von Kreta abfahren sollen; dann wäre uns dieses Ungemach und dieser Schaden erspart geblieben. Doch wie immer die Dinge jetzt auch liegen mögen, ich fordere euch auf, guten Mutes zu sein. Denn keiner von euch wird das Leben verlieren; nur das Schiff ist verloren. In dieser Nacht stand nämlich ein Bote des Gottes vor mir, dem ich angehöre und dem ich auch diene, und sagte: 'Fürchte dich nicht, Paulus! Du sollst vor den Kaiser treten; und siehe, Gott hat dir das Leben aller deiner Reisegefährten geschenkt.' Darum schöpfet neuen Mut, ihr Männer! Denn ich vertraue fest auf Gott, dass alles so kommen wird, wie es mir gesagt wurde. Wir müssen jedoch an einer Insel stranden." Es war schon die vierzehnte Nacht, seitdem wir im adriatischen Meer umhertrieben. Da bemerkten die Schiffsleute um Mitternacht die Nähe von Land. Als sie nämlich das Senkblei auswarfen, stellten sie eine Tiefe von siebenunddreißig Meter fest. Als sie kurz darauf wieder loteten, waren es nur mehr siebzehn dreiviertel Meter. Weil man fürchtete, auf Klippen zu geraten, warf man vom Hinterteil des Schiffes vier Anker aus und erwartete mit Sehnsucht den Anbruch des Tages. Die Schiffsmannschaft suchte nun nach einer Gelegenheit, das Schiff zu verlassen. Unter dem Vorwand, auch an der Vorderseite des Schiffes Anker zu werfen, machten sie sich daran, das Rettungsboot ins Wasser zu lassen. Da sagte Paulus zu dem Hauptmann und seinen Soldaten: "Wenn diese Leute nicht auf dem Schiff bleiben, könnt ihr unmöglich gerettet werden." Sofort hieben die Soldaten die Taue des Rettungsbootes durch und ließen es ins Meer fallen. Als der Tag graute, redete Paulus allen zu, Speise zu sich zu nehmen. "Heute sind es bereits vierzehn Tage", - sagte er - "dass ihr in Hangen und Bangen ohne hinreichende Nahrung durchhaltet und nichts Rechtes zu euch nahmt. Darum gebe ich euch den guten Rat: Nehmt Nahrung zu euch! Denn auch dies ist zu eurer Rettung notwendig. Keinem von euch wird ein Haar vom Haupte verloren gehen." Nach diesen Worten nahm er Brot, sprach im Beisein aller ein Gebet, brach das Brot, gab uns davon und begann dann selbst zu essen. Da fassten alle neuen Mut und nahmen ebenfalls Speise zu sich. Es waren unser im ganzen zweihundertsechsundsiebzig Personen auf dem Schiff. Als sie sich durch Aufnahme von Nahrung gestärkt hatten, erleichterten sie das Schiff, indem sie die Getreideladung über Bord warfen. Endlich wurde es Tag; doch man konnte das Land noch nicht erkennen. Nur eine Bucht mit flachem Strande wurde sichtbar. Auf diesen Strand wollten sie, wenn möglich, das Schiff auflaufen lassen. So kappten sie denn die Ankertaue und ließen sie in die See fallen. Gleichzeitig machten sie die Riemen von den beiden Steuerrudern los, stellten das Vorsegel gegen den Wind und hielten auf den Strand zu. Dabei gerieten sie an eine Sandbank, auf die das Schiff auflief. Das Vorderteil des Schiffes bohrte sich tief in den Sand ein und saß darin unbeweglich fest. Das Hinterteil aber wurde durch die Gewalt der Wogen nach und nach auseinandergerissen. Aus Furcht, die Gefangenen möchten durch Schwimmen zu entkommen suchen, wollten die Soldaten sie töten. Weil jedoch der Hauptmann den Paulus am Leben erhalten wollte, hinderte er seine Mannschaft an der Ausführung ihres Vorhabens. Die, welche schwimmen konnten, ließ er zuerst ins Meer springen und sich ans Land retten. Die übrigen mussten teils auf Brettern, teils auf den verschiedenartigsten Schiffstrümmern das Ufer zu erreichen suchen. So gelang es allen, wohlbehalten an Land zu kommen. Jetzt, als wir uns in Sicherheit befanden, erfuhren wir erst, dass es die Insel Malta war. Die Eingeborenen erwiesen uns eine außergewöhnliche Freundlichkeit. Da wir vor Nässe trieften und vor Kalte zitterten, zündeten sie einen Holzstoß an und suchten für jeden einen Platz zum Wärmen aus. Als nun Paulus einen Haufen Reisig zusammenraffte und ihn auf den Holzstoß legen wollte, fuhr infolge der Hitze eine Natter heraus und biss sich in seine Hand fest. Als die Eingeborenen das Tier an seiner Hand hängen sahen, sagten sie zueinander: "Dieser Mensch muss wohl ein Mörder sein, den die Göttin der Rache nach seiner Rettung aus dem Meeressturm nicht am Leben lassen will." Paulus schleuderte jedoch das Tier von sich ins Feuer. Er hatte keinerlei Schaden gelitten. Jene freilich hatten erwartet, dass seine Hand anschwellen, und er plötzlich tot hinfallen würde. Als sie aber lange Zeit in gespannter Erwartung dagestanden hatten, ohne zu sehen, dass ihm etwas Außergewöhnliches widerfuhr, schlug ihre Meinung um, und sie hielten ihn für einen Gott. Nicht weit von diesem Platz hatte der vornehmste Mann der Insel, dessen Name Publius war ein Landgut. Dieser nahm uns bei sich auf und bewirtete uns drei Tage lang in der liebenswürdigsten Weise. Sein Vater lag gerade an Fieberanfällen und an der Ruhr krank danieder. Paulus trat an sein Krankenbett, legte ihm unter Gebet die Hände auf und machte ihn gesund. Als dies bekannt wurde, kamen auch die andern Kranken der Insel zu ihm und fanden Heilung. Diese erwiesen uns während unseres Aufenthaltes hohe Ehren und versahen uns bei unserer Abfahrt mit allem, was wir nötig hatten. Nach drei Monaten fuhren wir auf einem alexandrinischen Schiff weiter. Es hatte an der Insel überwintert und führte den Namen 'Dioskuren'. Wir landeten in Syrakus und blieben dort drei Tage. Dann segelten wir in einem weiten Bogen nach Regium. Da am folgenden Tage Südwind herrschte, brauchten wir bloß zwei Tage bis nach Puteoli. Dort trafen wir Brüder, die uns baten, sieben Tage bei ihnen zu bleiben. Von da gelangten wir nach Rom. Die dortigen Brüder hatten von unserer Ankunft gehört und kamen uns bis Forum Apii und Tres Tabernae entgegen. Als Paulus sie sah, dankte er Gott und fasste neuen Mut. Nach unserer Ankunft in Rom übergab der Hauptmann seine Gefangenen dem Befehlshaber der kaiserlichen Leibwache. Paulus erhielt jedoch die Erlaubnis, mit dem Soldaten, der ihn zu bewachen hatte, eine eigene Mietswohnung zu beziehen. Nach drei Tagen lud Paulus die Vorsteher der jüdischen Gemeinden zu sich. Als sie sich bei ihm eingefunden hatten, hielt er folgende Ansprache an sie: "Werte Brüder! Obgleich ich mich in keinem Punkte gegen unser Volk und die Gebräuche unserer Väter vergangen habe, wurde ich doch als Gefangener von Jerusalem weggeschleppt und in die Hände der Römer überliefert. Diese wollten mich nach erfolgter Untersuchung freilassen. Denn es lag nichts gegen mich vor, was den Tod verdiente. Aber die Juden erhoben dagegen Widerspruch und schrieen: 'Hinweg mit diesem Feinde unseres Volkes!' Infolgedessen sah ich mich gezwungen, Berufung an den Kaiser einzulegen; ich tat dies nicht etwa, um in der Berufungsinstanz eine Anklage gegen mein Volk zu erheben, sondern lediglich um mein Leben vor der Todesstrafe zu retten. Nur aus dem Grunde habe ich euch also sehen wollen und euch zu mir gebeten, weil ich euch dies mitteilen wollte. Denn nur wegen dessen, was die Hoffnung Israels bildet, habe ich diese Ketten zu tragen." Jene gaben ihm zur Antwort: "Wir haben weder schriftliche Mitteilungen über deine Sache aus Judäa erhalten, noch ist irgendeiner der Glaubensbrüder bei uns gewesen, der etwas Nachteiliges gegen dich vorgebracht oder auch nur gerüchtweise mitgeteilt hätte. Wir halten es jedoch für angebracht, über deine religiöse Anschauung Näheres von dir zu erfahren. Denn was diese Sekte der Christen betrifft, so ist uns allerdings das eine bekannt, dass sie überall auf Widerspruch stößt." Man setzte nun einen Tag dafür fest. An diesem erschienen sie in noch größerer Anzahl bei ihm in seiner Mietswohnung. Da legte er ihnen von morgens früh bis abends spät die Lehre vom Reiche Gottes in ihren Einzelheiten aus, indem er ihnen seine persönlichen Erlebnisse dabei mitteilte. Aus dem Gesetze des Mose und den Schriften der Propheten suchte er sie zu überzeugen, dass Jesus der Messias sei. Die einen von ihnen ließen sich durch seine Darlegungen überzeugen, die andern lehnten seine Ausführungen ab. So ging denn die Versammlung unter großem Zwiespalt auseinander. Zum Schluss hatte ihnen Paulus noch das eine zugerufen: "Treffend hat ein heiliger Geist durch den Propheten Jesaja zu euren Vätern die Worte gesprochen: 'Gehe hin zu diesem Volke und sprich: Ihr sollt immerfort hören und doch nichts verstehen; ihr sollt immerfort sehen und doch nichts erkennen; denn das Herz dieses Volkes ist verhärtet. Ihre Ohren sind schwerhörig, und ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören und in ihrem Herzen nicht zur Erkenntnis gelangen, so dass sie sich bekehrten und ich sie heilte.' So sei euch denn kundgetan, dass den Nichtjuden das Heil Gottes gesandt wurde. Sie werden auch darauf hören." Nach diesen Worten des Paulus entfernten sich die Juden und gerieten miteinander in heftigen Streit. Paulus blieb volle zwei Jahre in seiner Mietswohnung. Dort empfing er alle, die ihn besuchen wollten, Juden und Nichtjuden. Er verkündete ihnen die Lehre vom Reiche Gottes und die Wahrheit über Jesus mit allem Freimut, und ohne dass man ihn irgendwie zu behelligen suchte. Ich, Paulus, sende euch dieses Schreiben. Als Knecht Jesu Christi wurde ich zum Apostel berufen und mit der Aufgabe betraut, die Heilsbotschaft Gottes zu verkünden. Diese hatte Gott schon durch seine Propheten in heiligen Schriften vorher ankündigen lassen. Sie bezieht sich auf seinen Sohn. Seinem irdischen Leibe nach stammt dieser von David ab; doch als Sohn Gottes war er dazu ausersehen, mit Hilfe einer Gotteskraft aus dem Reich der geistig Toten wieder zu Gott zurückzukehren. Diese Kraft wurde ihm von Seiten einer Geisterwelt zuteil, die ihn zur vollendeten Gottestreue führte. Es ist Jesus Christus, unser Herr. Durch ihn empfingen wir Gnadengaben und Apostelamt, um unter den Nicht-Juden der ganzen Welt für den Glauben an seinen Namen und die Befolgung der Glaubenslehre zu wirken. Zu diesen gehört ja auch ihr; auch ihr seid berufen, Jesus Christus anzugehören. Allen denen in Rom, die Gott lieb hat, und die er dazu berief, ihr Leben Gott zu weihen, entbiete ich meinen Gruß. Gnade und Friede werde euch zuteil von Gott unserem Vater und von unserem Herrn Jesus Christus. Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus euer aller wegen, weil man allerorts über euren Glauben voll des Lobes ist. Gott, dessen Dienst ich mich widme unter Leitung der Geister, die mir zugeteilt wurden, indem ich die Heilsbotschaft seines Sohnes verkünde, - dieser Gott ist mein Zeuge, dass ich beständig an euch denke und ihm in meinen Gebeten stets die Bitte vortrage, er möchte mir, wenn es so sein Wille ist, das Glück zuteil werden lassen, euch besuchen zu können. Ich möchte euch ja so gern sehen, um euch zu eurer Glaubensstärkung das eine oder andere geistige Geschenk zu bringen; besser gesagt: wir alle könnten, sobald ich bei euch bin, eine gegenseitige innere Förderung erfahren, - ich durch eure Glaubenstreue, und ihr durch die meinige. Es ist euch wohl schon bekannt, liebe Brüder, dass ich mir öfters vorgenommen hatte, euch zu besuchen; doch bin ich bisher immer wieder an der Ausführung meines Vorhabens gehindert worden. Und doch möchte ich so gern bei euch, wie bei den übrigen Nichtjuden, die eine oder andere geistige Frucht zur Reife bringen. Ich bin nämlich Griechen wie Nichtgriechen, Weisen wie Ungelehrten zu dienen verpflichtet. Aus diesem Bewusstsein entspringt mein Wunsch, auch unter den Römern die Heilsbotschaft zu verkünden. Denn ich schäme mich dieser Heilsbotschaft nicht. Sie birgt ja eine Gotteskraft in sich, die allen denen Rettung bringt, die sie im rechten Glauben annehmen. Das gilt zunächst für die Juden, aber auch für die Nichtjuden. In der Heilsbotschaft wird nämlich klar gelegt, dass man das Wohlgefallen Gottes auf Grund eines Gottesglaubens erlangt, der zum Gottvertrauen führt. Es steht ja geschrieben: ?Jeder, der in allem meinen Willen tut, wird infolge seines gläubigen Vertrauens das Leben haben.' Andererseits wird darin aber auch die Strafe enthüllt, die nach einem höheren göttlichen Gesetz auf jeder Gottlosigkeit und jedem Unrecht von Menschen ruht, welche die Wahrheit durch ihr unrechtes Tun in den Staub treten. Denn was von den Wahrheiten über Gott für die Menschen erkennbar ist, liegt klar vor ihren Augen. Gott hat es ja offen vor sie hingelegt. Seit der Erschaffung des Weltalls kann nämlich das, was von Gott für menschliche Augen unsichtbar ist, in seinen Werken sichtbar erschaut werden; vor allem seine unvergängliche göttliche Macht. Für jene gibt es daher keine Entschuldigung, die, obwohl sie Gott erkennen konnten, dennoch das Dasein eines Gottes nicht anerkennen wollten und ihm keinen Dank abstatteten; die sich durch ihre Trugschlüsse selbst betörten und so ihr gottentfremdetes Herz in Finsternis hüllten; die sich für die 'Klugen' ausgaben, in Wirklichkeit aber die Toren waren; die das Bild von vergänglichen Menschen, von Vögeln, von vierfüßigen und kriechenden Tieren an die Stelle des herrlichen, unvergänglichen Gottes setzten. Darum überließ auch Gott sie den schändlichen Lüsten ihres Herzens, so dass sie in den Schmutz der Unsittlichkeit versanken, und ihre Leiber durch sie schmählich geschändet wurden. Sie stempelten die Wahrheit von dem Dasein Gottes zu einem Lügengebilde und erwiesen ihre Anbetung und Verehrung dem Geschöpfe, anstatt dem Schöpfer, der gepriesen sei für alle Zeiten - Amen. Deshalb gab Gott sie den schändlichsten Leidenschaften preis. Das weibliche Geschlecht unter ihnen huldigte dem widernatürlichen Geschlechtsverkehr, anstatt dem natürlichen. Das Gleiche taten die Männer. Sie gaben den natürlichen Verkehr mit dem Weibe auf und entbrannten in wilder Begierde zueinander. Männer verübten mit Männern die Werke der Schamlosigkeit und hatten die Strafe für ihre Verirrung an ihrem eigenen Leibe zu tragen. In dem Maße, wie sie die Erkenntnis Gottes von sich wiesen, ließ Gott sie in eine ehrlose Gesinnung hineingeraten, so dass sie alle Schandtaten verübten. Sie wurden voll Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier und Bosheit jeglicher Art; voll Neid, Mordlust, Streitsucht, Arglist und Tücke. Sie wurden Ohrenbläser, Verleumder, Gottesfeinde, gewalttätige und hoffärtige Menschen, Prahler, erfinderisch im Bösen, ungehorsam gegen die Eltern; sie wurden gewissenlos und treulos, waren ohne Liebe und Erbarmen. Sie hatten zwar die Rechtsordnung Gottes kennen gelernt, wonach jene den geistigen Tod verdienen, die so etwas tun. Trotzdem verübten sie es nicht nur selbst, sondern zollten auch denen Beifall, die derartiges trieben. Solltest du nun - wer du als Mensch auch immer sein magst - über solche Menschen dich als Richter aufspielen wollen, so wärest du darin nicht zu entschuldigen. Denn worin du deinen Mitmenschen 'schuldig' sprichst, darin fällst du dein eigenes Verdammungsurteil. Du, der Richter, begehst ja dieselben Verbrechen. Wir wissen doch, dass nur Gott ein richtiges Urteil über solche Übeltäter fällen kann. Wenn du, o Mensch, über derartige Sünder aburteilst, obwohl du zu denselben Sündern gehörst, dann rechnest du wohl im stillen damit, dass du der Strafe Gottes entrinnen werdest? Oder missachtest gar den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut, ohne zu bedenken, dass Gottes Güte dir Zeit zur Bekehrung lassen will. Bleibt dein Herz hart und verstockt, so häufst du dir Strafe auf Strafe, die an jenem Tage dich treffen wird, an dem das Strafurteil Gottes vollstreckt und seine Rechtsprechung als richtig sich erweisen wird. Dann wird er einem jeden vergelten nach seinen Werken: zukünftiges Leben denen, die Ruhm, Ehre und Unsterblichkeit durch Ausdauer im Guten zu erlangen suchten; - bittere Strafe dagegen denen, die aus Selbstsucht der erkannten Wahrheit widerstrebten, aber jedem Antrieb zum Bösen nachgaben. Trübsal und qualvolle Angst wird über die Seele eines jeden kommen, der das Schlechte tut; in erster Linie des Juden, aber auch des Nichtjuden; dagegen Herrlichkeit, Ehre und Friede über den, der das Gute vollbringt; zunächst über den Juden, aber auch über den Nichtjuden; denn bei Gott gilt kein äußeres Ansehen der Person. Wer also ohne Kenntnis des Mosaischen Gesetzes gesündigt hat, wird in den geistigen Tod sinken, ohne dass dabei das Mosaische Gesetz zur Anwendung kommt; und wer trotz der Kenntnis des Mosaischen Gesetzes sündigte, wird die in diesem Gesetz vorgesehene Strafe erhalten. Denn nicht die Kenntnis des Gesetzes macht jemand Gott wohlgefällig, sondern die Befolgung des Gesetzes verschafft ihm das Wohlgefallen Gottes. Wenn demnach Nichtjuden, die ja das Mosaische Gesetz nicht kennen, infolge ihrer natürlichen Erkenntnis die Forderungen erfüllen, die auch das Mosaische Gesetz enthält, dann hat für diese, die nicht im Besitze des Mosaischen Gesetzes sind, die eigene Erkenntnis Gesetzeskraft. Hierdurch beweisen sie, dass der Hauptinhalt des Mosaischen Gesetzes ihnen von Natur aus ins Herz geschrieben ist. Ihr Gewissen wird also zusammen mit dem Mosaischen Gesetz später einmal als Zeuge für oder gegen sie auftreten, weil die Überzeugung, die sie bei ihren Handlungen hatten, sie entweder warnte oder ihr Tun guthieß. Das wird an dem Tage sein, wo Gott die geheimen Vorgänge in den Herzen der Menschen richten wird und zwar - wie ich es in meiner Heilsbotschaft lehre - durch Jesus Christus. Angenommen also, du würdest mit Stolz den Namen 'Jude' führen, dich ruhig auf das Gesetz verlassen, dich des wahren Gottesglaubens rühmen und auch den Willen Gottes erkennen; du würdest infolge deiner Gesetzeskenntnis zu prüfen verstehen, was in jedem Falle das Richtige ist; du würdest dir zutrauen, ein Führer für Blinde zu sein, ein Licht für die in der Finsternis Sitzenden, ein Erzieher der Unverständigen und ein Lehrer der Unmündigen, weil du das wahre Wesen der Erkenntnis und der Wahrheit und den Buchstaben des Gesetzes schwarz auf weiß besitzest; - würdest aber bei der Belehrung anderer die eigene Belehrung außer acht lassen; würdest selbst stehlen, während du andern predigst, man dürfe nicht stehlen; würdest andern sagen, der Ehebruch sei verboten, wärest aber selbst ein Ehebrecher; würdest die Götzenbilder als einen Gräuel hinstellen, selbst aber den Tempel des wahren Gottes schänden, - wärest du dann nicht ein Mensch, der auf der einen Seite sich rühmt, im Besitze des göttlichen Gesetzes zu sein, während er auf der andern Seite durch die Übertretungen dieses Gesetzes Gott die größte Schmach antut? Würde da nicht auch bei dir das Wort zur Wahrheit werden, das da lautet: Wegen euch wird der Name Gottes unter den Nichtjuden gelästert!'? Die Beschneidung hat also nur dann einen Wert für dich, wenn du das Mosaische Gesetz beobachtest. Bist du jedoch ein Gesetzesübertreter, dann gilt deine Beschneidung so wenig, als wärest du unbeschnitten. Wenn umgekehrt ein Unbeschnittener die Gebote des Gesetzes erfüllt, sollte da das Fehlen der Beschneidung bei ihm nicht als Beschneidung gerechnet werden? Ja, wer leiblich unbeschnitten ist und doch das Gesetz erfüllt, wird dein Richter sein, wenn du trotz deines Mosaischen Gesetzes und trotz deiner Beschneidung ein Übertreter des Gesetzes bist. Denn nicht der ist ein Jude, der es bloß äußerlich ist; und die Beschneidung besteht nicht in dem, was äußerlich am Fleische entfernt wird; der ist vielmehr ein wahrer Jude, der es in seinem Innern ist; und nicht die Beschneidung, die nach dem Gesetzesbuchstaben vorgenommen wird, ist die wahre Beschneidung, sondern jene, die durch einen Geist Gottes am Herzen vollzogen wird. Wer diese Beschneidung besitzt, der erntet Anerkennung, zwar nicht von Seiten der Menschen, aber von Seiten Gottes. Was hat demnach der Jude vor dem Nichtjuden voraus? Oder was hat da die Beschneidung überhaupt noch für einen Wert? Nun, immerhin nach jeder Hinsicht einen recht großen. Zunächst einmal haben die Juden das voraus, dass ihnen die Verheißungen Gottes anvertraut wurden. Gewiss könnte man dagegen einwenden, dass manche von ihnen sich untreu erwiesen. Aber wird denn ihre Untreue die Treue Gottes etwa zunichte machen? Durchaus nicht; denn es bleibt ein für allemal das Wort bestehen: 'Gott ist wahrhaftig, jeder Mensch aber ein Lügner'; wie es ja auch in der Schrift heißt; "Du sollst in deinen Verheißungen Recht behalten und Sieger bleiben, wenn man mit dir rechtet." Im Gegenteil, unser Unrechttun stellt Gottes Rechttun in ein um so helleres Licht. Welchen Schluss sollen wir nun daraus ziehen? Etwa den, dass Gott ungerecht handelt, indem er eine Strafe verhängt, wenn ich mich nach menschlicher Weise so ausdrücken darf? In keiner Weise handelt er dadurch ungerecht; denn wie könnte sonst Gott der Richter des ganzen Weltalls sein? Wenn nun die Wahrhaftigkeit Gottes infolge meiner Lügenhaftigkeit zu seiner Verherrlichung in hellerem Lichte erstrahlt, wie kann ich da noch als Sünder verurteilt werden? Haben dann nicht einige Lästerzungen tatsächlich recht, wenn sie uns die Lehre in den Mundlegen, wir sollten das Böse tun, damit das Gute daraus entstehe? Leute, die so etwas behaupten, trifft das Strafurteil Gottes mit Fug und Recht. Wie liegen nun in Wirklichkeit die Dinge? Nehmen wir Juden als solche eine bevorzugte Stellung ein? Haben wir denn nicht schon vorher ganz uneingeschränkt die Anklage erheben müssen, dass sowohl Juden wie Nichtjuden ausnahmslos unter der Herrschaft der Sünde des Abfalls stehen? Es heißt ja auch in der Schrift: "Es gibt keinen Gottestreuen, auch nicht einen einzigen; es gibt keinen, der die rechte Einsicht hat, keinen, der von Herzen Gott sucht; alle sind abgewichen vom rechten Wege, allesamt entartet. Keinen gibt es, der Gutes tut, - nicht einen einzigen. Ihre Kehle gleicht einem geöffneten Grabe. Lug und Trug redet ihre Zunge. Ihre Lippen bergen Otterngift. Ihr Mund ist voll von Verwünschung und Bitterkeit. Schnell eilen ihre Füße, wenn es zum Blutvergießen geht. Verwüstung und Unheil kennzeichnet den Weg, den sie nehmen, und den Pfad des Friedens kennen sie nicht. Gottesfurcht ist nicht bei ihnen zu finden." - Nun wissen wir, dass das Mosaische Gesetz alle diese Worte an diejenigen richtet, die im Besitze dieses Gesetzes sind. So muss denn jeder Mund verstummen, und das ganze Weltall sich vor Gott schuldig bekennen. Es ist daher unmöglich, dass irgend ein Geschöpf durch äußere Beobachtung der Gesetzesvorschriften das Wohlgefallen Gottes erlangen kann. Denn das Gesetz hat nur den Zweck, die Erkenntnis der Sünde zu vermitteln. Auf welche Weise das Wohlgefallen Gottes ohne Beobachtung des Mosaischen Gesetzes erlangt werden kann, das ist jetzt offenbart worden. Auch das Mosaische Gesetz und die Propheten haben bereits darauf hingewiesen. Dieses Wohlgefallen Gottes wird nur durch den Glauben an Jesus Christus erlangt. Es wird allen denen zuteil, welche diesen Glauben besitzen, und zwar ohne jeden Unterschied. Denn alle begingen die Sünde des Abfalls und wurden infolgedessen aus der Herrlichkeit Gottes ausgeschlossen. Doch erlangen sie das Wohlgefallen Gottes wieder, - freilich nicht durch ihr eigenes Verdienst, sondern durch Gottes Erbarmen - und zwar infolge der Erlösung, die in Jesus Christus ihren Grund hat. Ihn bestimmte Gott zum Vermittler der Versöhnung infolge der Treue, die er in seinem blutigen Tode an den Tag legte. Durch diesen Tod sollte er nämlich den Beweis für seine Gottestreue erbringen, damit ihm die Verfehlungen erlassen werden konnten, die auch von ihm damals begangen worden waren, als Gott seine Hilfe ihm vorenthielt, um gerade in jenen Stunden der Entscheidung seine Gottestreue auf die Probe zu stellen. So sollte er zum Schluss als des Wohlgefallens Gottes vollkommen würdig dastehen und jeden Gott wohlgefällig machen, der treu zu Jesus Christus steht. Gibt es da also noch irgend einen Fall, in dem man Grund hätte, sich zu rühmen? Ein solcher Fall ist ausgeschlossen. Gibt es irgend eine Gesetzesnorm oder Erfüllungen von Gesetzesvorschriften, die Grund zum Rühmen geben könnten? Nein, nichts von alledem. Es gibt vielmehr nur eine Norm: die des Glaubens. Daraus haben wir nun den Schluss zu ziehen, dass der Mensch nur durch seine Glaubenstreue Gott wohlgefällig wird, ohne Erfüllung von äußern Gesetzesvorschriften. Oder ist Gott nur der Juden Gott und nicht auch der Heiden. Sicherlich auch der Heiden. Es gibt ja nur einen Gott. Dieser eine Gott wird sein Wohlgefallen an dem Beschnittenen haben, lediglich auf Grund seines Glaubens, und ebenso an dem Unbeschnittenen nur wegen seines Glaubens. Heben wir nun etwa das Mosaische Gesetz durch unsere Glaubenslehre auf? Keineswegs! Wir weisen vielmehr dem Gesetz nur den ihm gebührenden Platz an. Welche Ansicht werden wir nun nach dem Gesagten vertreten müssen, wenn wir fragen, was unser irdischer Stammvater Abraham von Gott erlangt hat? Würde er nämlich durch Erfüllung von Gesetzesvorschriften das Wohlgefallen Gottes gefunden haben, dann hätte er Ursache, sich dessen zu rühmen. Einen solchen Grund hat er jedoch nicht in den Augen Gottes. Denn was sagt die Schrift? "Abraham glaubte Gott, und dieser Glaube wurde ihm so angerechnet, dass er dadurch das Wohlgefallen Gottes erlangte." Für den, der äußere Werke verrichtet, ist der verdiente Lohn nicht etwas, das man ihm nur aus besonderer Gnade anrechnet, sondern etwas, das man ihm rechtmäßig schuldet. Wenn aber einer keine äußeren Werke verrichtet, sondern bloß seinen Glauben demjenigen entgegenbringt, der den Gottlosen zu einem Gottestreuen machen kann, so wird ihm sein Glaube so hoch angerechnet, dass er dadurch Gott wohlgefällig dasteht. Denselben Gedanken spricht ja auch David aus, wo er den Menschen glücklich preist, den Gott ohne Rücksicht auf äußere Gesetzeswerke als ihm wohlgefällig betrachtet. Seine Worte lauten: "Glücklich zu preisen sind die, deren Übertretungen vergeben und deren Sünden des Abfalls zugedeckt sind. Glücklich zu preisen ist der Mensch, dem der Herr die Sünde des Abfalls nicht mehr anrechnet." Gilt nun diese Glücklichpreisung bloß denen, welche die Beschneidung haben, oder auch den Unbeschnittenen? Wir behaupten ja: "Dem Abraham wurde sein Glaube so hoch angerechnet, dass er dadurch Gott wohlgefällig war." Wann wurde er ihm denn angerechnet? War das zu einer Zeit, als er schon beschnitten oder als er noch unbeschnitten war? Es war nicht nach, sondern vor seiner Beschneidung. Das äußere Zeichen der Beschneidung empfing er bloß als eine Besiegelung des Wohlgefallens Gottes, das er als Unbeschnittener infolge seines Glaubens erlangt hatte. So sollte er auch der Vater aller derer werden, die als Unbeschnittene zum Glauben kommen, und denen ebenfalls der Glaube so hoch angerechnet wird, dass sie dadurch das Wohlgefallen Gottes erlangen. Für die Beschnittenen ist er nur dann als Vater zu betrachten, wenn sie nicht bloß die leibliche Beschneidung haben, sondern auch auf den Wegen des Glaubens wandeln, den unser Vater Abraham als Unbeschnittener besaß. Denn nicht durch das Mosaische Gesetz wurde dem Abraham oder seinem Samen die Verheißung zuteil, dass er das Weltall ererben solle, sondern infolge des Wohlgefallens Gottes, das er durch seinen Glauben erlangt hatte. Wenn nämlich nur diejenigen die Erben wären, die das Mosaische Gesetz haben, dann hätte der Glaube überhaupt nichts zu bedeuten, und die Verheißung wäre aufgehoben. Denn das Mosaische Gesetz an sich wirkt nur Strafe. Wo nämlich kein Gesetz existiert, da kann auch von keiner Gesetzesübertretung die Rede sein. Deshalb wurde jene Verheißung nur an den Glauben geknüpft und zwar als ein Gnadengeschenk, damit die Verheißung für die gesamte Nachkommenschaft Gültigkeit habe; also nicht bloß für die, welche unter dem Mosaischen Gesetze stehen, sondern auch für jene, die nur den Glauben Abrahams besitzen, der so unser aller Vater ist. Von ihm steht ja geschrieben: "Zum Stammvater vieler Völker habe ich dich bestimmt." Er hat seinen Glauben vor dem Angesichte des Gottes bekannt, der die geistig Toten wieder zum geistigen Leben führen und der das, was noch nicht ist, als etwas Seiendes ins Dasein rufen kann. Abraham hielt da, wo nach menschlichem Urteil nichts mehr zu hoffen war, doch in seinem Glauben an der Hoffnung fest, dass er ein Vater vieler Völker werden würde, weil ihm gesagt worden war: "So unendlich zahlreich soll deine Nachkommenschaft sein!" Und so unerschütterlich war er in seinem Glauben, dass er, der fast Hundertjährige, die Tatsache nicht einmal in Erwägung zog, dass sein Leib bereits erstorben war, und dass auch der Mutterschoß der Sara nicht mehr empfangen konnte. Den Verheißungen Gottes gegenüber ließ er sich durch keinerlei Bedenken zum Unglauben verleiten, sondern wurde in seinem Glauben immer stärker, indem er Gott die Ehre gab und der festen Überzeugung lebte, dass Gott das, was er versprochen hatte, auch zu erfüllen vermöge. Darum wurde ihm dieser Glaube so hoch angerechnet, dass er durch ihn das Wohlgefallen Gottes erlangte. Aber nicht bloß seinetwegen wurde es in der Schrift niedergelegt, dass ihm sein Glaube so hoch angerechnet wurde, sondern auch unseretwegen. Denn auch uns soll der Glaube in gleicher Weise angerechnet werden, wenn wir an den glauben, der unsern Herrn Jesus aus dem Reich der geistig Toten heraufgeholt hat. Wegen der Sünde unseres Abfalls war er diesem Reich überantwortet worden, und aus diesem Reich wurde er wieder heraufgeführt, um uns wieder zu Freunden Gottes zu machen. Da wir nun durch den Glauben Freunde Gottes geworden sind, so sollen wir den Frieden mit Gott auch bewahren durch die Hilfe unseres Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir auch den Zutritt zu den geistigen Gaben erhalten, die jetzt unser festes Eigentum sind, und können uns der Hoffnung rühmen, zur Herrlichkeit Gottes zu gelangen. Doch nicht bloß dies, sondern selbst auf unsere Leiden können wir stolz sein, da wir wissen, dass Leiden Standhaftigkeit bewirken; dass in der Standhaftigkeit sich die Bewährung zeigt; dass die Bewährung unsere Hoffnung begründet, und dass diese Hoffnung uns nicht täuscht; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch einen heiligen Geist, der uns geschenkt wurde. Dazu kommt, dass Christus für uns Elende zu einer Zeit starb, als wir noch Feinde Gottes waren. Sonst im Leben wird wohl kaum jemand für einen gerecht Dastehenden sterben wollen; es ist schon eher möglich, dass einer für jemand sein Leben wagt, der gut zu ihm gewesen ist. Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch von Gott abgefallen waren. Um wie viel mehr werden wir also jetzt, wo wir durch sein Blut Freunde Gottes geworden sind, durch ihn von den Folgen unseres früheren Zustandes vollständig befreit werden. Denn wenn für uns durch den Tod seines Sohnes die Versöhnung mit Gott angebahnt wurde zu einer Zeit, wo wir noch Feinde Gottes waren, wie viel mehr werden wir dann in der lebendigen Gemeinschaft mit ihm unsere endgültige Rettung finden, sobald wir vollständig mit ihm ausgesöhnt sind. Noch mehr! Wir dürfen uns selbst der Gemeinschaft mit Gott rühmen, die uns Jesus Christus, unser Herr, dadurch vermittelt hat, dass wir durch ihn die vollkommene Versöhnung mit Gott erlangt haben. Wie daher die Sünde des Abfalls von Gott durch einen Einzigen in die Schöpfung Gottes kam, und infolge dieses Abfalls auch der geistige Tod der Trennung von Gott darin seinen Einzug hielt, so ging dieser geistige Tod auch auf alle Menschen über; denn diese waren ja auch alle von Gott abgefallen. Daraus folgt, dass die Sünde des Abfalls auch schon vor dem Mosaischen Gesetz in der Schöpfung war. Aber dass etwas eine Sünde ist, kommt uns erst dann klar zum Bewusstsein, wenn ein Gesetz vorhanden ist, das etwas als Sünde verbietet. So hat denn der Todesfürst auch in der Zeit von Adam bis Mose über alle diejenigen seine Herrschaft ausgeübt, die durch das gleiche Vergehen ihren Abfall vollzogen hatten, wie Adam. Dieser Todesfürst ist darin ein Gegenstück zu dem Fürsten, der später kommen sollte. Doch der Vergleich zwischen Abfall und Begnadigung stimmt nicht in allen Punkten. Denn wenn auf der einen Seite die Übertretung des Einen für die Vielen den geistigen Tod der Trennung von Gott zur Folge hatte, so erwies sich auf der andern Seite sowohl die Begnadigung Gottes bedeutend reicher als auch das Gnadengeschenk, das in der Menschwerdung Jesu Christi den Vielen verliehen wurde. Auch in der Wirkung unterscheidet sich der Abfall von Gott, der durch einen einzigen herbeigeführt wurde, von dem Gnadengeschenk, das ebenfalls durch einen Einzigen vermittelt wurde. Denn im ersten Fall rührte die Entscheidung, die der Eine getroffen hatte, zu dem Todesurteil der Trennung von Gott, und im andern Falle brachte das Gnadengeschenk für die vielen, die an dem Abfall beteiligt waren, den Urteilsspruch, dass die geistig Toten wieder zum geistigen Leben zurückkehren können. Wenn ferner der Todesfürst durch seinen einmaligen Abfall, der durch ihn allein zustande kam, sich ein Königreich aufbauen konnte, um wie viel mehr werden die, welche die überschwängliche Fülle der Gnade und Freundschaft Gottes genießen, im Reiche des geistigen Lebens ein Königreich bilden durch das Verdienst eines Einzigen - nämlich Jesu Christi. Wie also der Abfall, der durch einen Einzigen herbeigeführt wurde, auch für alle Menschen zu einem Todesurteil führte, so kam es infolge der Gottestreue eines Einzigen auch für alle Menschen zu einem Urteilsspruch, der ihnen wieder das Leben verleiht. Wie nämlich durch den Ungehorsam des Einen die Vielen zu Feinden Gottes wurden, so werden durch den Gehorsam des Einen die Vielen wieder zu Freunden Gottes werden. Dass das Mosaische Gesetz später noch dazu kam, hatte nur den einen Zweck, die übergroße Menge der Übertretungen nach außen hervortreten zu lassen; wo aber die Sünde überfloss, da kam in noch viel reicherem Maße das Erbarmen Gottes zum Überfließen. Wie die Sünde des Abfalls von Gott zur Gründung eines Reiches führte unter der Herrschaft des Todesfürsten, so sollte auch die Begnadigung die Abgefallenen auf dem Wege des Rechttuns zum Reiche des jenseitigen Lebens wieder zurückführen durch Jesus Christus, unsern Herrn. Welche Folgerung sollen wir nun aus dem Gesagten ziehen? Sollen wir etwa sagen: "Wir wollen in der Sünde des Abfalls verharren, damit die Begnadigung einen um so größeren Reichtum entfalten kann?" Das sei ferne von uns! Denn wie könnten wir in der Sünde des Abfalls weiterleben, wo wir doch dieser Sünde völlig entsagt haben? Oder wisst ihr nicht mehr, dass wir alle, die wir infolge der Taufe eine Gemeinschaft mit Christus bilden, durch dieselbe Taufe auch den Tod mit ihm gemeinsam haben, durch dieselbe Taufe in Gemeinschaft mit ihm in das Grab des geistigen Todes stiegen, um in seiner Gemeinschaft durch die herrliche Kraft des Vaters aus dem Reich der geistig Toten wieder heraufgeführt zu werden und die Wege eines neuen Lebens zu wandeln? Denn sind wir Glieder seines Leibes gewesen, als er in das Totenreich hinabstieg, dann sollen wir auch Glieder seines Leibes nach seiner Rückkehr aus den Totenreich sein. Wir wissen ja, dass der alte Mensch in uns mit Christus gekreuzigt wurde, damit der Leib der Sünde vernichtet würde, und wir von nun an nicht mehr Sklaven der Sünde wären. Denn wessen sündhaftes Wesen einmal tot ist, der ist die Sünde des Abfalls los und ein Freund Gottes. Wenn wir nun als Glieder des geistigen Leibes Christi mit ihm starben, dann haben wir die feste Gewissheit, dass wir auch mit ihm das geistige Leben haben werden. Wir wissen ja, dass Christus nach seiner Rückkehr aus dem Reich der geistig Toten nicht noch einmal dorthin zu gehen braucht; denn der Todesfürst kann ihm gegenüber keine Herrscherrechte mehr geltend machen. Den Abstieg zu den geistig Toten brauchte er bloß einmal zu machen, der Sünde des Abfalls wegen. Aber nach seiner Rückkehr in das geistige Leben lebt er nur noch für Gott. Dasselbe muss auch bei euch der Fall sein. Ihr müsst euch als solche ansehen, die infolge ihrer Sünde des Abfalls von Gott zu den geistig Toten gehörten, nun aber in der Gemeinschaft mit Jesus Christus nur noch für Gott leben. So lasst denn die Sünde des Abfalls von Gott nicht mehr die Herrschaft in eurem sterblichen Leibe an sich reißen, so dass ihr wieder Sklaven dieser Sünde wäret; stellt nicht eure Glieder als Werkzeuge des Unrechttuns in den Dienst der Gottlosigkeit, sondern stellt euch Gott zur Verfügung, wie es diejenigen tun müssen, die aus dem Reich der geistig Toten wieder in das Reich des geistigen Lebens zurückgekehrt sind. Der Begriff 'Sünde des Abfalls' soll keine Geltung mehr bei euch haben. Denn ihr steht ja nicht mehr unter dem Zwange eines Gesetzes, sondern lasst euch nun von dem Trieb der Liebe leiten. Was folgt nun daraus? Etwa dies, dass wir ruhig sündigen können, weil wir nicht mehr unter dem Zwange eines Gesetzes, sondern unter dem Antrieb der Liebe zu Gott stehen? Gott bewahre! Oder wisst ihr nicht, dass ihr Knechte dessen seid, dem ihr Gehorsam leistet; entweder Knechte der Sünde des Abfalls, die euch den geistigen Tod bringt, oder Knechte, die dem Antrieb zum Rechttun Folge leisten? Gott sei Dank, dass die Zeit vorüber ist, wo ihr Knechte der Sünde des Abfalls wart. Heute befolget ihr von ganzem Herzen die Lehre, so wie sie euch übermittelt worden ist. Seitdem ihr von der Knechtschaft der Sünde des Abfalls befreit wurdet, tratet ihr in den Dienst des Rechttuns, wenn ich diesen rein menschlichen Ausdruck gebrauchen darf; ich wähle ihn wegen der Schwäche eurer menschlichen Natur. Wie ihr also vorher eure Glieder in den Dienst alles Unreinen und Ungöttlichen gestellt hattet und dadurch selbst gottlos wurdet, so gebrauchet jetzt eure Glieder zum Rechttun als Leute, die ihr Leben Gott geweiht haben. Denn als ihr Knechte der Sünde des Abfalls wart, da kamt ihr für die Werke des Guten nicht in Betracht. Und was waren die Früchte, die ihr damals aufzuweisen hattet? Waren es nicht Dinge, deren ihr euch heute schämet? Das Ende von all dem ist ja der geistige Tod der Trennung von Gott. Jetzt aber, wo ihr von der Sünde des Abfalls losgekommen und wieder Gottes Kinder geworden seid, habt ihr Früchte aufzuweisen, die eure Heiligung bewirken, und deren Endergebnis das zukünftige Leben ist. Denn der Sold, den die Sünde des Abfalls zahlt, besteht in dem geistigen Tod der Trennung von Gott; das aber, was Gott uns als Gnadengeschenk gibt, besteht in einem zukünftigen Leben in der Gemeinschaft mit Christus Jesus, unserm Herrn. Es ist euch doch wohl bekannt, meine Brüder, - ich rede ja zu gesetzeskundigen Leuten - dass jede Gesetzesbestimmung bei Menschen nur für diese Lebenszeit Gültigkeit hat. So ist zum Beispiel eine verheiratete Frau gesetzlich an ihren Mann nur so lange gebunden, als er lebt. Stirbt der Mann, so ist die gesetzliche Bestimmung erloschen, nach der sie die Frau dieses Mannes war. Bei Lebzeiten ihres Mannes hätte sie als Ehebrecherin gegolten, wenn sie sich einem andern Manne hingegeben hätte; nun aber, wo ihr Mann tot ist, gilt nach dem Gesetze die Ehe mit ihm als gelöst; infolgedessen begeht sie keinen Ehebruch, sobald sie die Frau eines andern Mannes wird. So geltet auch ihr, meine Brüder, als Glieder des Leibes Christi dem gegenüber als tot, an den ihr früher durch das Gesetz gebunden wart; ihr könnt also einem andern angehören, nämlich dem, der aus dem Reiche der geistig Toten zurückgeführt wurde, damit wir in ihm Früchte für Gott bringen sollen. Denn solange wir nach den Trieben der niedern Menschennatur lebten, erkannten wir zwar infolge der Bestimmungen des Mosaischen Gesetzes die niedern Leidenscharten als sündhaft, ließen sie aber trotzdem in unsern Gliedern sich austoben und standen so im Dienste des Todesfürsten. Jetzt aber sind wir von der Gesetzesbestimmung befreit, die uns an den Todesfürsten band; denn wir gelten für den als tot, an den wir vorher gebunden waren; daher konnten wir in einen neuen Dienst treten, nämlich in den Dienst eines Geistes Gottes. Die alte Art des Buchstabendienstes besteht für uns nicht mehr. Welche Schlussfolgerung sollen wir nun daraus ziehen? Etwa die, dass das Mosaische Gesetz sündhaft wäre? Gott bewahre! Allerdings würde ich das Sündhafte nicht als 'Sünde' erkannt haben, wenn das Mosaische Gesetz nicht gewesen wäre. Von der bösen Lust hätte ich ja gar nicht gewusst, dass sie etwas Böses sei, wenn das Gesetz nicht gesagt hätte: "Lass dich nicht gelüsten!" Die Sünde nahm das Verbot zum Stützpunkte und rief in mir eine Begierde nach der andern wach. Denn wo kein gesetzliches Verbot besteht, da kommt das Sündhafte nicht als 'Sünde' zum Bewusstsein. Einst, als das Mosaische Gesetz noch nicht in Kraft war, pflegte ich so dahin zu leben. Als aber die Gebote und Verbote kamen, da lebte das Sündhafte als bewusste Sünde in mir auf; ich aber erlitt infolgedessen den geistigen Tod. Das Verbot, das mir das geistige Leben bringen sollte, erwies sich also bei mir als die Ursache des geistigen Todes. Die bewusste Sünde entstand aus der Tatsache, dass das Verbot bestand, und ich mich betören ließ, gegen das Verbot zu handeln; und so war das Verbot infolge meiner Zuwiderhandlung bei mir die Ursache des geistigen Todes. Demnach ist das Mosaische Gesetz an sich etwas Heiliges und ebenso das Verbot heilig, gerecht und gut. Dann hat mir also das Gute den geistigen Tod gebracht? O nein! Das hat vielmehr die bewusste Sünde getan. Die verborgene sündige Neigung brachte mir dadurch den geistigen Tod, dass sie infolge des an und für sich guten Verbotes zur wissentlichen Sünde führte. So sollte durch das Verbot uns zum Bewusstsein gebracht werden, wie über alle Maßen sündhaft wir seien. Wir wissen ja, dass das Mosaische Gesetz aus der Geisterwelt Gottes stammt. Ich aber bin irdisch gesinnt und unter die Herrschaft des Reiches der Sünde verkauft. Mein ganzes Tun und Treiben ist mir daher unbegreiflich. Denn das Gute, das ich tun möchte, tue ich nicht; und das Schlechte, das mein besseres Ich verabscheut, das führe ich aus. Wenn ich nun das Gesetzwidrige tue, das ich nach meinem besseren Empfinden nicht tun möchte, dann beweise ich damit, dass das Gesetz nur das Gute will. Also mein eigentliches Ich ist nicht schuld an meinem schlechten Tun, sondern die mir innewohnende Sündhaftigkeit. Ich weiß ja, dass in mir, das heißt in meinem niedern Selbst, nichts Gutes wohnt. Der Wunsch, das Gute zu tun, ist bei mir zwar vorhanden, aber ich kann nicht die Kraft finden, das Gute auszuführen; denn das Gute, das ich tun möchte, tue ich nicht, aber das Schlechte, das ich am liebsten nicht täte, das führe ich aus. Wenn ich nun das tue, was ich nicht tun möchte, so ist nicht mein eigentliches Ich der Übeltäter, sondern eine sündige Neigung, die sich bei mir eingenistet hat. Das ist also meine Erfahrung, die ich mit dem Gesetze gemacht habe: "Ich möchte das Rechte tun, aber was ich fertig bringe, ist nicht das Rechte. Der bessere Mensch in mir stimmt dem bei, was das Gesetz Gottes von mir verlangt, aber dann gewahre ich in meinen Gliedern ein ganz anderes Gesetz, das gegen die Forderung meines besseren Empfindens mit Macht ankämpft, und das mich zum Gefangenen jenes Sündengesetzes macht, das in meinen Gliedern herrscht. Mein besseres Selbst möchte also gern dem Gesetze Gottes dienen, aber meine niedere Natur gehorcht dem Gesetz der Sünde." Was bin ich doch ein unglücklicher Mensch! Wer wird mich endlich aus der Sklaverei dieses geistigen Todes befreien? Das Erbarmen Gottes wird es tun durch Jesus Christus, unsern Herrn. So kommt also für die, welche in der Gemeinschaft mit Christus sind, kein Verdammungsurteil mehr in Frage: Denn die Rechtsordnung im Reich der Geisterwelt, die in Gemeinschaft mit Christus Jesus lebt, befreite mich von der Rechtsordnung, die im Reiche der Sünde des Abfalls und des geistigen Todes der Trennung von Gott herrscht. Was das Mosaische Gesetz nicht fertig brachte, weil es sich den irdischen Gelüsten gegenüber als zu schwach erwies, das hat Gott fertiggebracht. Er sandte seinen eigenen Sohn in einem irdischen Leibe gleich dem der anderen sündigen Menschen. Er sandte ihn um der Sünde des Abfalls willen und fällte durch ihn das Vernichtungsurteil gegen die Herrschaft, welche diese Sünde in allem Irdischen führte, damit die Forderung des Mosaischen Gesetzes bei uns erfüllt würde, die wir nicht so leben, wie es den irdischen Gelüsten entspricht, sondern so, wie ein Geist Gottes uns leitet. Denn die irdisch Gesinnten sind bloß auf das Irdische bedacht, die aber von einem Geiste Gottes geleitet werden, sind auf das bedacht, wozu dieser Geist sie anleitet. Das Trachten nach dem, wozu die irdische Lust antreibt, bringt den geistigen Tod, aber das Trachten nach dem, wozu die Geisterwelt Gottes antreibt, bringt wahres Leben und Frieden. Darum ist das irdische Streben gottfeindlich. Es steht ja nicht im Einklang mit dem göttlichen Gesetz - und kann auch nicht damit im Einklang stehen. Die irdisch Gesinnten können daher nicht das Wohlgefallen Gottes finden. Ihr gehört nicht zu den irdisch Gesinnten, sondern zu denen, die sich von einem Geiste Gottes leiten lassen; denn ein Geist Gottes hat bei euch Wohnung genommen. Wer aber keinen von Christus gesandten Geist bei sich hat, der gehört Christus auch nicht an. Wenn jedoch Christus in Gemeinschaft mit euch steht, dann gehört euer Körper zwar noch dem Reiche des Todes an infolge der Sünde des Abfalls, aber euer Geist besitzt das geistige Leben infolge eurer Gottestreue. Wenn nun die Geisterwelt dessen unter euch Wohnung genommen hat, der Jesus aus dem Reich der geistig Toten heraufführte, so wird derselbe, der Christus Jesus aus dem Totenreiche befreite, auch eure dem Reich des geistigen Todes noch angehörigen Leiber mit der Strahlung des Lebens durchtränken durch seine Geisterwelt, die unter euch Wohnung genommen hat. So haben also, meine Brüder, die irdischen Lüste keinen Anspruch mehr an uns, dass wir nach ihrem Willen leben sollten; denn wenn ihr diesen Lüsten gemäß leben wolltet, so müsstet ihr den geistigen Tod erleiden. Wenn ihr jedoch mit Hilfe eines Geistes Gottes alles, was der sündhaften Lust entspringt, in euch ertötet, dann werdet ihr das wahre Leben erlangen. Die sich nämlich von einem Geiste Gottes leiten lassen, gehören zu den Kindern Gottes. Ihr habt ja nicht einen Geist empfangen, der euch wieder zu Sklaven machen will, so dass ihr euch vor ihm zu fürchten brauchtet, - sondern ihr empfinget einen Geist, der euch zu Kindern Gottes machen will, so dass wir mit ihm zusammen freudig ausrufen können: "Abba! Lieber Vater!" So tritt die Geisterwelt Gottes selbst gleichzeitig mit unserm eigenen Geist als Zeuge dafür auf, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann gehören wir auch zu den Erben; dann sind wir nämlich Erben Gottes und Miterben Christi, vorausgesetzt, dass wir an seinem Leiden teilnahmen, um auch an seiner Verherrlichung teilnehmen zu können. Ich bin nämlich der Meinung, dass die Leiden dieses Erdenlebens nicht in Vergleich gestellt werden können mit der Herrlichkeit, die sich später unsern Augen enthüllen wird. Auf diese Enthüllung der Herrlichkeit, die den Kindern Gottes zuteil werden soll, wartet ja mit Sehnsucht die ganze Schöpfung. Der Vergänglichkeit ist die materielle Schöpfung unterworfen worden, nicht aus eigener freier Entschließung, sondern infolge des Willens dessen, der ihre Unterwerfung veranlasst hat, und zwar in der Hoffnung veranlasst hat, dass sich diese Schöpfung frei machen werde von der Knechtschaft des Verderbens und so zur Freiheit gelange, die in der Herrlichkeit der Kinder Gottes besteht. Denn wir wissen, dass die ganze materielle Schöpfung bis auf diese Stunde seufzt und unter Schmerzen einer Neugeburt harrt, gleich wie wir. Denn nicht bloß sie, sondern auch wir selbst, die wir doch die Erstlingsgabe der Geisterwelt Gottes bereits besitzen, seufzen ebenfalls in unserm Innern, indem wir auf die Befreiung von unserm Leibe warten. Denn auf Grund unserer vertrauensvollen Hoffnung wurden wir errettet. Eine Hoffnung aber, die man schon verwirklicht sieht, ist keine Hoffnung mehr; denn wozu braucht einer noch zu hoffen, wenn er die Erfüllung bereits vor sich sieht? Wenn wir nun auf das hoffen, was wir noch nicht erfüllt sehen, dann warten wir ruhig und in Geduld die Erfüllung ab. Auch in diesem Punkte hilft uns die Geisterwelt Gottes mit Rücksicht auf unsere menschliche Schwäche. Wir wissen ja nicht einmal, um was und in welcher Weise wir beten sollen. Da kommt uns dann die Geisterwelt Gottes selbst in Gebetsseufzern zu Hilfe, die nicht in menschliche Worte gekleidet werden können. Und der, welcher die Herzen erforscht, kennt den Wunsch dieser Geisterwelt; er weiß, dass sie für Gottsucher mit ihrer Fürbitte bei Gott eintreten will. Es ist uns ja bekannt, dass für die, welche Gott lieben, alles Hand in Hand arbeitet, damit sie ihr hohes Ziel erreichen, für die nämlich, die nach dem Plan der göttlichen Berufung an der Reihe sind. Denn diejenigen, die Gott in erster Linie für geeignet erkannte, hat er auch in erster Linie dazu bestimmt, dem Bilde seines Sohnes ähnlich zu werden, damit dieser der Erstgeborne unter vielen Geschwistern sei. Die er nun in erster Linie dazu bestimmt hat, die hat er auch zu sich gerufen, und die er zu sich rief, machte er auch zu seinen Freunden, und die er zu seinen Freunden machte, die führte er auch in seine Herrlichkeit. Welch andern Schluss könnten wir nun aus diesen Tatsachen ziehen, als den: "Wenn Gott für uns ist, wer könnte dann noch gegen uns sein? Wenn er nicht einmal seinen eigenen Sohn schonte, sondern ihn für uns alle dahingab, wird er uns dann zugleich mit ihm nicht auch alles andere aus Erbarmen schenken?" Wer könnte gegen die von Gott Erwählten als Ankläger auftreten? Etwa Gott selbst? Aber der macht sie ja zu seinen Freunden. Wer wollte sie verurteilen? Etwa Christus? Aber der ist es doch, der für sie starb; und, was noch mehr ist, der für sie aus dem Totenreich zurückkehrte; der auch zur Rechten Gottes sitzt, und der mit seiner Fürbitte für uns eintritt. Wer könnte uns also von der Liebe Christi trennen? Etwa Trübsal oder Bedrängnis? Verfolgung oder Hunger oder Mangel an Kleidung? Todesgefahr oder Henkerbeil? Es heißt ja in der Schrift: "Um deinetwillen schweben wir Tag für Tag in Todesgefahr; für Schlachttiere wurden wir gehalten." Doch alle diese Leiden werden wir dem zuliebe siegreich bestehen, der uns so sehr geliebt hat. So habe ich denn die Gewissheit, dass weder Tod noch Leben, weder ein Satansengel noch sonstige Gewalten und Satansmächte, weder gegenwärtige noch zukünftige Ereignisse, weder Mächte der Erde noch solche der Luft oder der Tiefe, noch sonst etwas in der Schöpfung imstande sein wird, uns von der Liebe Gottes zu trennen, die sich in Christus Jesus; unserm Herrn, geoffenbart hat. Was ich euch jetzt sage, ist die Wahrheit; Christus Jesus ist mein Zeuge, dass ich nicht lüge; auch bezeugt es mir mein eigenes Gewissen unter Einwirkung eines heiligen Geistes: dass tiefe Trauer und unaufhörlicher Schmerz meine Seele bedrückt. Gern wollte ich selbst aus der Gemeinschaft mit Christus ausgestoßen sein, anstatt meiner Brüder, meiner irdischen Stammesgenossen, welche Israeliten sind. Einst waren sie das Gottesvolk; sie schauten die herrlichen Taten Gottes; mit ihnen schloss Gott seinen Bund; ihnen gab er das Gesetz; sie lehrte er die rechte Gottesverehrung; ihnen gab er die Verheißungen; zu ihnen gehörten die Erzväter; von ihnen stammt Christus seinem menschlichen Leibe nach ab; - der über allem waltende Gott sei dafür gepriesen immerdar! Amen. Doch sollt ihr diese meine Worte nicht so auffassen, als ob die Verheißungen, die Gott ihnen gab, jetzt keine Geltung mehr hätten. Denn nicht alle, die von Israel leiblich abstammen, zählen zu den wirklichen Israeliten. Und nicht alle sind deswegen Kinder Abrahams, weil sie ihren Stammbaum auf Abraham zurückführen. Vielmehr lautet die Verheißung: "Nur nach Isaak soll deine Nachkommenschaft benannt werden!" Das will besagen: "Nicht die, welche leibliche Kinder Abrahams sind, gehören dadurch schon zu den Kindern Gottes, sondern nur die gelten als wirkliche Nachkommen Abrahams, die es infolge der Verheißungen Gottes sind." Dies ist der Wortlaut einer Verheißung: "Um diese Zeit will ich kommen, und dann wird Sara einen Sohn haben!" Doch ist dies nicht die einzige Verheißung. Eine andere wurde der Rebekka zuteil, als sie von unserm Vater Isaak in Hoffnung war. Noch ehe ihre Zwillinge zur Welt kamen, diese also weder Gutes noch Böses hatten tun können, wurde ihr gesagt: "Der ältere soll dem jüngern dienen!" Damit wollte Gott zeigen, dass er nach freier Wahl die Reihenfolge vorherbestimmt und dabei nicht erst die Werke abwartet, sondern von sich aus vorher die Auswahl trifft. So heißt es ja auch ferner in der Schrift: "Den Jakob habe ich geliebt, aber um den Esau habe ich mich nicht gekümmert." Welche Folgerung sollen wir nun daraus ziehen? Sollen wir etwa sagen, dass Gott sich von der Ungerechtigkeit leiten lasse? Niemals! Hatte er doch schon zu Mose gesagt: "Ich werde gnädig sein, wem ich will, und ich werde Erbarmen erweisen, wem ich will." Das alles hängt also nicht von dem bloßen Wunsch und dem äußern Streben dessen ab, der zu etwas bestimmt werden soll, sondern allein von dem Erbarmen Gottes. Das bestätigt auch die Schrift an der Stelle, wo sie mit Bezug auf Pharao sagt: "Gerade dazu habe ich dich aus der Tiefe heraufgeführt, um an dir meine Allmacht zu zeigen und meinen Namen auf der ganzen Erde bekannt zu machen." Also Gott ist gnädig, wem er Gnade erweisen will, und wen er in seiner Verstocktheit belassen will, den lässt er darin. Nun wirst du mir allerdings einwenden: "Wie darf er dann überhaupt noch jemand tadeln? Denn wo gäbe es einen Fall, in dem sich einer dem Willen Gottes widersetzen könnte?" - O armer Mensch, wer bist du denn, dass du Gott zur Verantwortung ziehen willst? Darf etwa das Gebilde zu seinem Bildner sagen: "Warum hast du mich so gemacht?" Hat etwa der Töpfer nicht freie Machtbefugnis über seinen Ton? Darf er nicht aus derselben Tonmasse bald ein Gefäß zu ehrenvoller Bestimmung, bald eins zum niedrigen Gebrauch formen? Ist etwas dagegen einzuwenden, dass Gott, so oft er sein Strafgericht kundtun und seine Macht zu erkennen geben wollte, jene Gefäße der Strafe, für deren Vernichtung schon alles in Bereitschaft war, doch noch mit großer Langmut ertrug, um durch sie auch den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen des Erbarmens zu zeigen, die er vorher für die Teilnahme an dieser Herrlichkeit zurecht gemacht hatte? Als solche Gefäße des Erbarmens hat er auch uns berufen, und zwar nicht nur aus dem Judenvolke, sondern auch aus den nichtjüdischen Völkern. Sagt er doch bei dem Propheten Hosea: "Ich werde die, welche nicht mein Volk waren, mein Volk nennen, und die, welche ich nicht liebte, werde ich meine Geliebte nennen"; und an demselben Orte, wo ihnen gesagt worden war: "Ihr seid nicht mein Volk, da werden sie Kinder des lebendigen Gottes genannt werden." Und Jesaja ruft über Israel die Worte aus: "Wenn auch die Zahl der Kinder Israels wie der Sand am Meere wäre, so werden doch alle bis auf den letzten Rest gerettet werden. Denn seine Verheißung wird der Herr in ihrem ganzen Umfange erfüllen; er wird dabei nach seiner Rechtsordnung den kürzesten Weg wählen, damit er seine Verheißung so schnell wie möglich zur Ausführung bringt." Auch hatte Jesaja vorherverkündet: "Hätte der Herr der Heerscharen uns nicht einen Samen übriggelassen, so wäre es uns wie Sodom ergangen, und wir hätten das gleiche Schicksal wie Gomorrha gehabt." Was folgt nun für uns daraus? Die Nichtjuden, die nicht nach dem Wohlgefallen Gottes strebten, wurden Freunde Gottes, jedoch nur, weil sie glaubten. Israel dagegen, das sich um die Erfüllung des Gesetzes bemühte, das zur Freundschaft Gottes führen sollte, hat das vom Mosaischen Gesetz gesteckte Ziel nicht erreicht. Warum nicht? Sie haben nicht geglaubt, sondern sich bloß auf die äußern Gesetzeswerke verlassen. Sie stießen sich an dem Stein des Anstoßes, von dem geschrieben steht: "Siehe ich lege in Sion einen Stein hin, der ihre Feindschaft erregt, und einen Felsen, von dem sie sich abwenden. Wer aber auf ihn sein gläubiges Vertrauen setzt, wird sich nicht enttäuscht sehen." Liebe Brüder! Es ist mein Herzenswunsch und mein ständiges Flehen zu Gott, dass Israel gerettet werden möge. Das eine muss ich ja bei ihnen anerkennen, dass sie Eifer für Gott an den Tag legen; leider tun sie es nicht in der richtigen Erkenntnis. Sie verkennen nämlich, worin das wahre Rechttun vor Gott besteht, und suchen sich in diesem Punkte eine eigene Auffassung zurechtzulegen; das, was Gott als Rechttun von ihnen verlangt, lehnen sie ab. Ziel und Zweck des Mosaischen Gesetzes ist ja nur, zu Christus zuführen; und nur, wer an Christus glaubt, erlangt die Freundschaft Gottes. Darum schreibt Mose, dass nur derjenige in ihrer Mitte das geistige Leben haben werde, der die Forderung des Rechttuns erfülle, die das Mosaische Gesetz an ihn stellt. Doch das Rechttun, das in dem Glauben besteht, ist in folgenden Worten angedeutet: "Denke nicht in deinem Herzen: wer wird in den Himmel hinaufsteigen? - nämlich, um Christus herunter zu holen; oder: wer wird in die Unterwelt hinabgehen? - nämlich um Christus aus dem Totenreich heraufzuholen." Doch was antwortet darauf die Schrift: "Dicht an deiner Seite steht die Erfüllung der Verheißung; in deinem Munde ist sie und in deinem Herzen hast du sie", - nämlich die Verheißung vom Glauben, die wir predigen. Denn wenn du mit deinem Munde Jesus als den Herrn bekennest und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus dem Totenreich heraufgeführt hat, so wirst du gerettet werden. Denn mit dem Herzen glaubt man, um dadurch die Freundschaft Gottes zu erlangen; und mit dem Munde bekennt man, um dadurch gerettet zu werden. Sagt doch die Schrift: "Keiner, der auf ihn sein gläubiges Vertrauen setzt, wird sich enttäuscht sehen." In diesem Punkt gibt es nämlich keinen Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden. Sie alle haben ja ein und denselben Herrn, der sich reich erweist für alle, die ihn zu Hilfe rufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Doch wie sollten sie den zu Hilfe rufen, an den sie nicht glauben? Und wie sollten sie zum Glauben an den kommen, von dem sie noch nichts gehört haben? Und wie könnten sie etwas von ihm hören, wenn keiner kommt, der von ihm predigt? Und wie könnten Leute als Prediger auftreten, wenn sie von Gott nicht den Auftrag dazu erhalten haben? Es steht ja geschrieben: "Wie sieht man die so gerne kommen, welche die Botschaft vom Frieden bringen und die Botschaft vom Guten." Aber nicht alle haben dieser guten Botschaft Folge geleistet. Denn Jesaja sagt: "Herr, wer hat unsern Worten Glauben geschenkt?" Mithin kommt der Glaube vom Hören der Glaubenswahrheit, die Glaubenswahrheit aber wird gepredigt im Auftrag Christi. Nun frage ich euch: "Haben sie die Glaubenswahrheit vielleicht nicht zu hören bekommen?" O doch! Denn "über die ganze Erde ist ihr Schall gedrungen und ihre Worte bis ans Ende der Welt." Aber - so frage ich weiter - hat Israel sie vielleicht nicht verstanden? O doch! Denn schon Mose sagt als erster Zeuge: "Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Volk, das nicht als Volk Gottes gilt, und euch zum Zorne reizen gegen ein Volk, das Gott nicht kannte." Ferner sagt Jesaja: "Gefunden wurde ich von denen, die mich nicht suchten; und denen wurde ich bekannt, die nicht nach mir fragten." Dagegen bemerkt er in Bezug auf Israel: "Den ganzen Tag streckte ich vergeblich meine Arme aus nach einem ungehorsamen und widerspenstigen Volk." Ich möchte nun die Frage stellen: "Hat etwa Gott sein Volk verstoßen, das er sich vorher auserwählte?" Keineswegs! Ich bin doch auch ein Israelit, ein leiblicher Nachkomme Abrahams, aus dem Stamme Benjamin. Gott hat demnach sein Volk nicht verstoßen, das er sich vorher auserwählte. Wisset ihr ferner nicht, was die Schrift in der Geschichte des Elia berichtet? Wie Elia vor Gott tritt und gegen Israel die Klage erhebt: "Herr, man hat deine Propheten getötet und deine Altäre niedergerissen. Ich allein bin übrig geblieben, und nun trachten sie auch mir nach dem Leben?" Wie aber lautete die Antwort, die Gott ihm durch die Geisterwelt geben ließ?: "Siebentausend Männer" - so ließ er ihm antworten - "habe ich mir übrig gehalten, die ihre Knie nie vor der Baalsgöttin gebeugt haben." Ebenso ist auch jetzt ein Rest infolge seiner Gnadenwahl übrig geblieben. Ist aber diese Auswahl auf Grund eines Gnadenaktes geschehen, dann erfolgte sie nicht auf Grund von Gesetzeswerken; denn sonst könnte von einem Gnadenakt keine Rede mehr sein. Wie liegen nun in Wirklichkeit die Dinge? Was Israel bis heute erstrebt, das hat es nicht erreicht; aber der auserwählte Teil von ihm hat es erlangt; die andern blieben verstockt nach den Worten der Schrift: "Gott ließ es zu, dass ein Geist der Betäubung Besitz von ihnen ergriff; er ließ es zu, dass sie Augen hatten, mit denen sie nicht fähig waren, zu sehen; Ohren, mit denen sie nicht hören konnten, und zwar bis auf den heutigen Tag." Und David tat den Ausspruch: "Möge ihr Wahrsage-Tisch ihnen werden zur Schlinge und zum Fangnetz, zum Fallstrick und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen verfinstert bleiben; ihren Nacken beuge er ihnen vollständig!" Ich frage nun weiter: "Sind sie etwa gestrauchelt, damit sie bei ihrem Fallen gänzlich umkommen sollen?" Durchaus nicht! Vielmehr ist infolge ihres Abfalls das Heil den Nichtjuden zugefallen, um dadurch die Juden zur Nacheiferung anzuspornen. Wenn aber schon ihr Abfall ein Segen für die Welt war, und ihre Herabminderung auf einen kleinen Überrest von Gottestreuen schon zur geistigen Bereicherung der Nichtjuden führte, wie groß muss da der Segen erst sein, wenn die Juden vollzählig zum Heile gelangt sind? - Ich sage euch dies nämlich deswegen, weil ihr Nichtjuden seid. In meiner Eigenschaft als Apostel der Nichtjuden suche ich in Ausübung meines Apostelamtes eine Ehre darin, die einen oder andern aus meinen Volksgenossen durch eure Rettung zur Nacheiferung zu reizen und so auch sie zum Heile zu führen. Denn wenn schon ihre Verwerfung die übrige Welt zur Versöhnung mit Gott führt, was wird dann ihre Wiederaufnahme ins Volk Gottes anders sein, als ein Zurückführen von geistig Toten zum Leben! Ist das Erstlingsbrot gottgeweiht, dann ist es auch die ganze Teigmasse. Ist die Wurzel gottgeweiht, dann auch die Zweige. Mussten auch manche Zweige abgebrochen werden, und bist du Nichtjude, der du ein wilder Ölbaumzweig warst, an ihre Stelle eingepfropft werden und hast Anteil erhalten an der Wurzel und der Fruchtbarkeit des edlen Ölbaumes, so brauchst du dich deswegen doch nicht über die abgebrochenen Zweige zu erheben. Willst du es trotzdem tun, so bedenke wohl: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. Du magst nun einwenden: "Aber es sind doch Zweige abgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde." Ganz recht! Aber nur wegen ihres Unglaubens sind sie abgebrochen worden, und du stehst wegen deines Glaubens an ihrer Stelle. Werde deswegen nicht hochmütig, sondern sei auf deiner Hut! Denn wenn Gott diejenigen nicht verschont hat, die von Natur aus Zweige jenes Baumes waren, so wird er wahrlich auch dich nicht verschonen. Beachte darum sowohl die Güte als auch die Strenge Gottes! Seine Strenge gegen die, welche abgefallen sind; seine Güte dir gegenüber, sofern du in seiner Liebe verharrest; andernfalls wirst auch du abgehauen werden. Umgekehrt werden jene wieder eingepfropft, sobald sie ihren Unglauben aufgeben. Gott ist ja mächtig genug, sie wieder einzupfropfen. Denn wenn du aus dem von Natur aus wilden Ölbaum herausgeschnitten und entgegen dem Naturgesetz auf einen edlen Ölbaum aufgepfropft worden bist, wie viel eher werden die Zweige, die von Natur aus dahin gehören, ihrem Mutterbaum wieder einverleibt werden! Ich möchte euch, meine Brüder, über das Geheimnis, das hierin verborgen liegt, nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr in eurer Selbstklugheit nicht eine irrige Meinung in diesem Punkte heget: Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen, die bis zu dem Zeitpunkt andauern wird, wo die Gesamtheit der Nichtisraeliten in die Gemeinde Gottes eingereiht sein wird. Alsdann wird auch ganz Israel zum Heile gelangen nach den Worten der Schrift: "Aus Sion wird der Erlöser kommen; er wird Jakob von seinem gottlosen Wesen frei machen. Und darin, dass ich ihre Sünden des Abfalls von ihnen nehme, wird sich der Bund bewahrheiten, den ich mit ihnen geschlossen habe." So sind sie infolge der Ablehnung der Heilsbotschaft zwar Feinde Gottes, - zum Glück für euch; aber infolge ihrer Auserwählung besitzen sie noch die Liebe Gottes - wegen der Erzväter. Gnadenwahl und Berufung Gottes können nämlich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Denn wie ihr einst gegen Gott ungehorsam wart, jetzt aber infolge des Ungehorsams jener das Erbarmen Gottes erlangt habt, - so sind auch jene zwar jetzt noch ungehorsam gegen den, der euch sein Erbarmen schenkte; später aber werden auch sie Erbarmen finden. Denn Gott hat alles zusammen im Hinblick auf den früheren Ungehorsam hinter Schloss und Riegel gelegt, um später alles zu begnadigen. O welch eine Fülle des Reichtums an Weisheit und Wissen Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Pläne, und wie unerforschlich seine Wege. Denn wer hat des Herrn Wille erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm zuerst etwas geschenkt, wofür ihm Vergeltung zuteil werden müsste? Denn aus ihm und durch ihn ist alles, und alles kommt wieder zu ihm zurück. Ihm sei die Ehre in alle Zukunft! Amen. Ich ermahne euch, liebe Brüder, als Entgelt für das Erbarmen, das Gott euch erwiesen, euer irdisches Leben als ein lebendiges, gottgeweihtes und wohlgefälliges Opfer Gott darzubringen. Das wäre ein Gottesdienst, der auch eurem vernünftigen Denken entspricht. Gestaltet eure Lebensführung nicht so, wie ihr sie bei der heutigen Menschheit seht, sondern ändert sie so um, wie es eurer neuen inneren Gesinnung entspricht. Dann werdet ihr erkennen, was Gott von euch will; ihr werdet dann beurteilen können, was ihr als gut und gottwohlgefällig anzusehen habt. Denn für einen jeden unter euch gilt die Mahnung, die ich euch auf Grund der mir verliehenen Gnadengabe erteile, nämlich dass keiner höher von sich denken soll, als recht ist. Jeder soll in seiner Selbsteinschätzung bescheiden sein und nur das Maß der Glaubenserkenntnis für sich in Anspruch nehmen, das Gott ihm wirklich zugeteilt hat. Denn wie wir an einem Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder denselben Dienst verrichten, - so bilden wir Gläubige trotz unserer Vielheit einen einzigen geistigen Leib in Christus; doch in unserm Verhältnis zu einander sind wir bloß Glieder dieses Leibes. So sind denn auch die geistigen Gaben, die wir nach der uns verliehenen Gnade Gottes besitzen, ganz verschieden. Besitzt zum Beispiel einer die Gabe, dass ein Geist Gottes durch ihn spricht, so geschieht dies nur nach dem Maß seiner Glaubenstiefe. Hat einer ein Amt im Gemeindedienst, so widme er sich bloß diesem Amt. Wer die Gabe hat, die Glaubenswahrheiten zu erklären, der übe das Amt des Lehrers aus. Wer die Gabe hat, andern Trost zu spenden, der suche seine Mitmenschen zu trösten. Wer in der Lage ist, Mildtätigkeit zu üben, der tue es, ohne sich etwas darauf einzubilden. Wer als Leiter bestimmt ist, zeige den erforderlichen Eifer. Wer die Almosen zu verteilen hat, der tue es mit einem heiteren Gesicht. Eure Liebe sei aufrichtig. Verabscheut das Böse und haltet am Guten fest. In der gegenseitigem Bruderliebe seid voll Herzlichkeit. An Erweisen der Wertschätzung suche einer den andern zu übertreffen. Lasset in eurem Eifer nicht nach. Seid dem euch zugeteilten Geiste in glühender Liebe zugetan. Seid Diener des Herrn. Eure Hoffnung sei euch Veranlassung zur Freude. Im Leiden seid standhaft. Betet ohne Unterlass. Gottestreuen, die in Not sind, helfet durch Spenden. Übet gerne Gastfreundschaft. Segnet die, welche euch verfolgen; segnet anstatt zu fluchen. Freuet euch mit denen, die froh sind, und habet Mitempfinden mit denen, die weinen. Lebet in Eintracht miteinander. Lasset nicht Gedanken des Stolzes in euch aufkommen, sondern nehmt euch der geringen Leute an. Gehöret nicht zu denen, die alles besser wissen wollen. Vergeltet nicht Böses mit Bösem. Denket von allen Menschen nur das Beste. So viel an euch liegt, suchet nach Möglichkeit mit allen euren Mitmenschen in Frieden zu leben. Rächet euch nicht selbst, meine Lieben, sondern lasset euren Zorn verrauchen. Es steht ja geschrieben: "Mein ist die Rache; ich will vergelten, - spricht der Herr." Vielmehr, wenn dein Feind Hunger hat, so gib ihm satt zu essen, und hat er Durst, so gib ihm zu trinken. Denn wenn du das tust, dann wirst du glühende Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde du das Böse mit Hilfe des Guten. Allen Geistermächten, denen eure Leitung anvertraut ist, erweiset Gehorsam. Denn es gibt keine euch übergeordnete Geistermacht, die nicht von Gott herkäme. Und die, welche vorhanden sind, wurden von Gott bestimmt. Wer sich also einer solchen Macht widersetzt, stellt sich dem Willen Gottes entgegen. Und die sich widersetzen, ziehen sich dadurch eine Strafe zu. Diese Gebieter braucht man daher nicht zu fürchten, wenn man das Gute tut, sondern bloß dann, wenn man das Böse vollführt. Willst du also zu denen gehören, welche diese Macht nicht zu fürchten brauchen, so tue das Gute; dann wirst du Lob von ihr ernten. Sie ist dir nämlich als Dienerin Gottes zur Vollbringung des Guten zugeteilt. Tust du jedoch das Böse, dann hast du allen Grund zur Furcht. Sie trägt ja nicht umsonst das Strafschwert. Denn als Dienerin Gottes hat sie auch die Aufgabe, das Strafurteil bei dem zu vollstrecken, der das Böse tut. Darum seid gehorsam, nicht bloß aus Furcht vor der Strafe, sondern weil euer eigenes Gewissen euch dazu antreibt. Darum bringet auch gute Früchte zur Reife. Denn jene Mächte sind Beauftragte Gottes, die gerade zu diesem Zwecke beständig bei euch ausharren. Tut ihnen allen gegenüber eure Schuldigkeit. Fordert der eine Opfer von euch, so bringt sie; fordert ein anderer die Ausführung eines guten Werkes, so führt es aus; flößt ein anderer euch Furcht vor etwas ein, so fürchtet euch davor; zeigt einer euch etwas als wertvoll, so haltet es dafür; ihr bleibt keinem gegenüber in der Erfüllung eurer Pflicht im Rückstand, sofern ihr das Gebot der gegenseitigen Liebe beobachtet. Denn wer seinen Mitmenschen liebt, hat damit das ganze Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht begehren und jedes andere derartige Gebot Gottes sind in dem einen zusammengefasst: "Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst!" Die Liebe fügt nämlich dem Nächsten nichts Böses zu; darum ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. Diese Lehre haltet euch in jedem entscheidenden Augenblick vor Augen; denn die Stunde ist jetzt da, wo ihr aus dem Schlafe aufstehen müsst; die Rettung ist uns nämlich jetzt näher, wie damals, als wir zum Glauben kamen. Die Nacht ist bald zu Ende, und der Tag bricht an. So lasst uns denn abwerfen die Werke der Finsternis und uns kleiden in die Werke des Lichtes. Lasst uns ehrbar wandeln, wie Leute, die im hellen Tageslicht einhergehen, also nicht in Schwelgerei und Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Hader und Eifersucht. Kleidet euch vielmehr in das geistige Gewand unseres Herrn Jesus Christus. Wenn die Begierden, die eurer niedern Menschennatur innewohnen, euch wieder zur Tiefe ziehen wollen, dann gebet nicht nach. Nehmt euch dessen an, der im Glauben noch schwach ist, ohne euch mit ihm in Streitfragen einzulassen. Der eine hat die feste Überzeugung, jede Art von Speise genießen zu dürfen, während der im Glauben noch Schwache nur Pflanzenkost für erlaubt hält. Wer jede Art von Speisen mit ruhigem Gewissen zu sich nimmt, schaue nicht mit mitleidigem Lächeln auf den, der das nicht kann. Und wer nicht alle Speisen für erlaubt hält, der sitze nicht über den zu Gericht, der jede Speise als erlaubt betrachtet; denn letztern hat Gott sich bereits zum Diener erwählt. Wie kommst du also dazu, dich zum Richter über den Diener eines andern zu machen? Wenn ein Diener steht oder fällt, so geht das nur seinem Herrn etwas an. Aber er wird schon feststehen; denn sein Herr ist stark genug, ihn aufrecht zu halten. So glauben auch manche, ein Tag sei höher als der andere, während hinwiederum andere alle Tage als gleich ansehen. Jeder möge in solchen Dingen nach seiner eigenen Denkweise zu einer festen Überzeugung kommen. Wer einen Tag vor dem andern bevorzugt, tut es dem Herrn zuliebe; und wer alle Tage gleichstellt, tut es ebenfalls dem Herrn zuliebe. Wer keinen Unterschied unter den Speisen macht, tut es aus Liebe zum Herrn, weil er ja Gott dabei ein Dankgebet spricht. Und wer einen Unterschied dabei macht, tut es auch aus Liebe zum Herrn; denn auch er spricht bei seinem Essen Gott ein Dankgebet. Keiner von uns lebt und keiner von uns stirbt um seiner selbst willen; leben wir, so ist unser Leben der Sache des Herrn gewidmet; sterben wir, so dient unser Tod ebenfalls der Sache des Herrn. Wir mögen also leben oder sterben, stets sind wir Glieder am geistigen Leibe des Herrn. Denn dazu stieg Christus in das Reich der geistig Toten hinab und kehrte daraus wieder zum Reiche des geistigen Lebens zurück, damit er sich sowohl den geistig Toten als auch den geistig Lebenden gegenüber als Herrn erweise. Du nun, - wie kannst du dich zum Richter über deinen Bruder aufwerfen? Oder wie darfst du deinen Bruder verachten? Wir alle werden ja einst vor dem Throne Gottes stehen; denn es steht geschrieben: "So wahr ich lebe, - spricht der Herr - vor mir wird einmal jedes Knie sich beugen, und jede Zunge wird sich zu Gott bekennen." Jeder von uns hat also für sich selbst Rechenschaft abzulegen. Darum lasst uns nicht mehr einer des andern Richter sein, seid vielmehr darauf bedacht, dem Bruder keinen Anstoß und keine Veranlassung zur Sünde zu geben. Ich weiß mit aller Bestimmtheit, und zwar infolge einer Belehrung des Herrn, dass nichts an und für sich unrein ist. Hält jedoch jemand etwas für unrein, so ist es für ihn etwas Unreines. Wenn daher dein Bruder wegen einer Speise durch dich in Gewissensnot gerät, so bist du dabei nicht mehr auf dem Wege der Liebe. Bringe doch durch das Essen einer Speise den nicht ins Verderben, für den Christus gestorben ist. Du sollst nicht das lästern, was in unsern Augen gut ist. Das Reich Gottes besteht ja nicht in dem, was man isst und trinkt, sondern darin, dass man unter der Leitung eines heiligen Geistes das Rechte tut und dadurch wahren Frieden und Freude im Herzen trägt. Denn wer hierin den Dienst sieht, den er Christus schuldet, der ist Gott wohlgefällig und steht auch bei den Menschen in Ehren. Darum wollen wir mit Eifer nach dem trachten, was dem Frieden dient und alles das treu beobachten, was uns gegenseitig innerlich höher bringt. Zerstöre doch nicht wegen einer kleinlichen Streitfrage über die Erlaubtheit einer Speise das Rettungswerk Gottes! Wie gesagt, - alles ist rein; wer sich jedoch beim Essen einer Speise Gewissensbedenken macht, dem gereicht sie zur Sünde. In einem solchen Falle ist es etwas Schönes, lieber kein Fleisch zu essen und keinen Wein zu trinken und sich alles dessen zu enthalten, woran dein Bruder Anstoß nehmen, oder was ihm zu einer Sünde oder auch nur zu einer Schwäche Veranlassung geben könnte. Du hast in irgend einem Punkte eine feste Überzeugung: - Gut! Behalte sie für dich; nur Gott soll sie kennen. Glücklich, wer sich bei seiner Gewissenserforschung nichts vorzuwerfen hat. Wer jedoch trotz seiner Gewissensbedenken eine bestimmte Speise zu sich nimmt, der hat sich selbst das Strafurteil gesprochen; es fehlte ihm ja die Überzeugung, dass er die Speise essen dürfe. Alles aber, was man nicht in der festen Überzeugung tut, dass es erlaubt sei, so zu handeln - ist Sünde. Wir, die wir zu den Starken gehören, haben die Pflicht, die Schwächen derer zu ertragen, die nicht so stark sind. Doch dabei dürfen wir nicht alles tun, was wir tun möchten. Jeder von uns muss vielmehr auf seinen Nächsten Rücksicht nehmen und darf nur das tun, was in dessen Augen als etwas Gutes erscheint und infolgedessen ihm zur innern Erbauung gereicht. Auch Christus selbst tat nicht das, was ihm menschlich am angenehmsten war, sondern auf ihn beziehen sich die Worte der Schrift: "Die Schmähungen derer, die dich schmähen, trafen mich." Solche Worte, wie sie vor Zeiten in der Schrift niedergelegt wurden, sollen zu unserer Belehrung dienen, damit wir infolge der Ausdauer und Aufmunterung, die wir aus der Schrift schöpfen, an der Hoffnung unentwegt festhalten. Möge Gott, von dem jede Ausdauer und innere Aufmunterung kommt, euch die Gnade verleihen, in Eintracht miteinander zu leben, wie es Christus uns gebietet. Seid ihr untereinander ein Herz und eine Seele, dann könnt ihr auch wie aus einem Munde den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus loben und preisen. Darum reicht einander die Hand, wie Christus auch uns die Hand reichte, um uns in die Herrlichkeit Gottes zurückzuführen. Ich behaupte nämlich, dass Christus deswegen ein Diener jenes Volkes wurde, das die Beschneidung hat, damit die Wahrhaftigkeit Gottes dadurch bewiesen würde; dadurch wurden ja die den Vätern gegebenen Verheißungen erfüllt. Gleichzeitig aber sollten auch die Nichtjuden Gott preisen wegen seines Erbarmens mit ihnen, nach den Worten der Schrift: "Darum will ich dich preisen inmitten von Nichtisraeliten und lobsingen deinem Namen." Ferner heißt es: "Freuet euch, ihr Nichtisraeliten, zusammen mit seinem Volke Israel!" Und an einer andern Stelle: "Lobet ihr Nichtisraeliten alle den Herrn, ja alle Völker sollen ihn preisen!" Weiter sagt Jesaja: "Kommen wird der Schössling aus der Wurzel Isais - er, der sich erheben wird als Herrscher über die Nichtisraeliten. Auf ihn werden die Völker ihre Hoffnung setzen!" Gott aber, der allein Grund unseres Hoffens ist, erfülle euch mit dem höchsten Maß an Freude und Friede, damit sich die Hoffnung in euch unter der Mitwirkung eines heiligen Geistes überreich gestalte. Persönlich habe ich die feste Überzeugung, liebe Brüder, dass auch ihr vom besten Willen beseelt seid; dass ihr in jeder Beziehung die erforderliche Kenntnis der Heilswahrheiten besitzt und so imstande seid, euch gegenseitig zu belehren. Wenn ich euch, meine Brüder, trotzdem geschrieben habe, - und an manchen Stellen meines Briefes drückte ich mich ziemlich rückhaltlos aus - so tat ich es als einer, der euch gewisse Punkte nur wieder in Erinnerung bringen wollte. Damit erfülle ich eine Aufgabe, die mir von Gott in seiner Gnade zugeteilt wurde. Ich soll ja als Diener Jesu Christi unter den Nichtjuden wirken und bei ihnen ein Priester der Heilsbotschaft Gottes sein, damit die Nichtjuden eine Gott wohlgefällige Opfergabe werden, die Gott geweiht wurde unter der Mitwirkung eines heiligen Geistes. Wenn ich nun auch auf mein Arbeiten für die Sache Gottes stolz sein kann, so bin ich es nur, weil ich in der Gemeinschaft mit Jesus Christus stehe. Denn ich würde es nicht wagen, von irgendwelchen Erfolgen zu sprechen, wenn es nicht Christus wäre, der sie durch mich errungen hat, um Nichtjuden zum Gehorsam gegen Gott zurückzuführen durch Wort und Tat, durch Wirken von Zeichen und Wundern, durch die Kraft eines heiligen Geistes. Auf diese Weise habe ich von Jerusalem bis hin nach Illyrikum und weit darüber hinaus die Heilsbotschaft Jesu Christi in ihrem ganzen Umfang verkündigt. Dabei betrachte ich es als Ehrensache, die Heilsbotschaft nicht an den Orten zu predigen, wo der Name Christi bereits bekannt war. Ich wollte nämlich da nicht weiterbauen, wo andere schon den Grundstein gelegt hatten. Ich richtete mich vielmehr nach den Worten der Schrift: "Die sollen ihn kennen lernen, denen noch nichts über ihn mitgeteilt worden ist; und die noch keine Kunde von ihm hatten, die sollen von ihm vernehmen!" Das ist auch der Grund, weshalb ich so oft verhindert war, euch zu besuchen. Jetzt jedoch ist meine Anwesenheit in diesen Gegenden nicht mehr nötig. Da ich mich nun seit vielen Jahren danach sehne, euch einen Besuch abstatten zu können, so werde ich auf meiner Reise nach Spanien zu euch kommen. Ich hoffe also, auf meiner Durchreise euch zu besuchen, und dann bei meiner Weiterreise von euch das Geleit zu erhalten, sobald zunächst meine Sehnsucht nach euch durch den Aufenthalt in eurer Mitte wenigstens zum Teil gestillt sein wird. Augenblicklich bin ich im Begriff, nach Jerusalem zu reisen, um dort denen einen Dienst zu erweisen, die ihr Leben Gott geweiht haben. Die Gemeinden in Mazedonien und Griechenland haben nämlich beschlossen, für die Armen der Gemeinde der Gottestreuen in Jerusalem eine Geldsammlung zu veranstalten. Sie glaubten, ihnen diese Hilfe schuldig zu sein, und sie sind sie ihnen in der Tat schuldig. Denn wenn die nichtjüdischen Christen Anteil an den geistigen Gütern der Judenchristen erhalten haben, dann sind sie auch verpflichtet, ihnen mit ihren irdischen Gütern auszuhelfen. Sobald ich diese geschäftliche Angelegenheit erledigt und jenen den Betrag dieser Sammlung ausgehändigt habe, werde ich den Weg zu euch nehmen und von euch aus meine Reise nach Spanien antreten. Ich weiß, dass ich bei meiner Ankunft eine Fülle von Segen von Seiten Christi mitbringen werde. Ich bitte euch nun, meine Brüder, bei unserm Herrn Jesus Christus und bei der Liebe, welche die Geisterwelt Gottes zu euch hegt: Stehet mir in meinen Kämpfen bei, indem ihr für mich zu Gott betet, damit ich den Nachstellungen der Ungläubigen in Judäa entgehe, und damit der Umstand, dass gerade ich die Geldsammlung überbringe, bei den Gottestreuen in Jerusalem kein Missfallen erregen möge. Dann kann ich frohen Herzens, so Gott will, zu euch kommen und mich bei euch erholen. - Der Gott des Friedens sei mit euch allen! Amen. Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die im Dienst der Gemeinde in Kenchrea steht. Nehmt sie also als ein Glied der Gemeinschaft Christi auf, wie es Gottesgetreuen geziemt; steht ihr in allen Fällen, wo sie eurer Hilfe bedarf, hilfreich zur Seite. Denn auch sie hat schon vielen Beistand geleistet, - auch mir persönlich. Grüßt Priska und Aquila, meine Mitarbeiter im Dienste Christi Jesu, sowie die ganze Gemeinde, die sich in ihrem Hause versammelt. Sie haben, um mein Leben zu retten, ihr eigenes Leben eingesetzt. Dafür bin nicht bloß ich ihnen Dank schuldig, sondern auch sämtliche nichtjüdischen Christengemeinden. Grüßt meinen geliebten Epänatus, der in Kleinasien als erster ein Anhänger Christi wurde. Grüßt Maria, die sich so treu für euch abgemüht hat. Grüßt Andronikus und Junias, meine Volksgenossen und Mitgefangenen, die bei den Aposteln in hohen Ehren stehen, und die schon vor mir zum Glauben an Christus gekommen sind. Grüßt meinen im Herrn geliebten Ampliatus; grüßt Urbanus, unsern Mitarbeiter im Dienste des Herrn, und meinen geliebten Stachys. Grüßt den Apelles, der ein bewährter Diener Christi ist. Grüßt die Brüder unter den Leuten des Aristobulus. Grüßt meinen Volksgenossen Herodion. Grüßt diejenigen von den Leuten des Narzissus, die Christus angehören. Grüßt Tryphäna und Tryphosa, die eifrig im Dienst des Herrn tätig sind. Grüßt die geliebte Persis, die eine treue Arbeiterin im Dienst des Herrn gewesen ist. Grüßt den zur Gemeinschaft des Herrn berufenen Rufus und dessen Mutter, die auch ich als Mutter betrachte. Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die bei ihnen zusammenkommenden Brüder. Grüßt Philologus und Julias, sowie Nereus und dessen Schwester, Olympias und alle Gottestreuen, die bei ihm zusammenkommen. Grüßt euch gegenseitig mit heiligem Kusse! Ich bitte euch, liebe Brüder, doch ja auf der Hut zu sein vor jenen Leuten, die Spaltungen und Ärgernisse verursachen, indem sie sich in Gegensatz zu der Lehre stellen, die ihr von uns empfangen habt. Geht ihnen daher aus dem Wege. Solche Menschen dienen ja nicht Christus, unserm Herrn, sondern ihrem eigenen Bauche. Durch ihre Geisterbotschaften täuschen sie die Herzen der Arglosen. Es ist nämlich überall bekannt, dass ihr solchen Botschaften gern Gehör schenkt. An und für sich freue ich mich über euren Gehorsam in diesen Dingen. Doch liegt mir sehr viel daran, dass ihr in eurem Streben nach dem Guten die Vorsicht nicht außer acht lasset, und dass ihr vom Bösen unberührt bleibt. Der Gott des Friedens aber wird den Satan bald unter eure Füße treten. Es grüßen euch mein Mitarbeiter Timotheus und meine Volksgenossen Lazius, Jason und Sofipater und alle Gemeinden Christi. Auch ich, Tertius, der die Niederschrift dieses Briefes besorgte, sende euch Grüße im Herrn. Es grüßt euch Gajus, dessen Gastfreundschaft ich und die ganze Gemeinde genießen. Es grüßt euch der Stadtkämmerer Erastus und der Bruder Quartus. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen. Einer aber ist, der die Kraft besitzt, euch im Glauben zu befestigen, - in jenem Glauben, den ich euch gepredigt habe, - in jenem Glauben, den Jesus Christus selbst verkündet hat, - in jenem Glauben, der eine Offenbarung des Geheimnisses darstellt, das in den vergangenen Zeitperioden verborgen gewesen, jetzt aber durch Schriften enthüllt worden ist, die durch Medien im Auftrage Gottes, des Herrschers aller Zeiten, niedergeschrieben wurden, und zwar zu dem Zwecke niedergeschrieben wurden, damit alle Völker der Predigt des Glaubens Gehör schenken. - Ihm, dem allein weisen Gott, sei durch Jesus Christus die Ehre für jetzt und immerdar! Amen. Paulus, der durch den Willen Gottes zum Apostel Jesu Christi erkoren wurde, und Bruder Sosthenes senden dieses Schreiben der Kirche Gottes in Korinth, - denen, die sich der Gemeinschaft mit Christus Jesus geweiht haben und zur Heiligkeit berufen wurden, samt allen, jeden Standes und Berufes, die sich nach dem Namen unseres Herrn Jesus Christus benennen, - ihres und unseres Herrn. Gnade und Liebe werde euch zuteil von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Beständig danke ich Gott für die Gnade, die Gott euch durch Jesus Christus geschenkt hat; ihr seid ja durch die Gemeinschaft mit ihm in jeder Beziehung reich geworden, - reich an Belehrung und Erkenntnis jeglicher Art, und zwar in dem Maße, wie das Zeugnis stärker wurde, das ihr für Christus abgelegt, so dass ihr jetzt in keiner einzigen geistigen Gabe hinter andern zurückzustehen braucht und ruhig das Erscheinen unsers Herrn Jesus Christus abwarten könnt. Dieser wird euch auch bis zum Ende stärken, so dass ihr am Tage der Ankunft unsers Herrn Jesus Christus unsträflich dasteht. Treu ist Gott, von dem ihr zur Gemeinschaft mit seinem Sohne Jesus Christus, unserm Herrn, berufen wurdet. Ich bitte euch, liebe Brüder, im Namen unsers Herrn Jesus Christus: Seid doch einig in der Lehre! Lasst keine Spaltungen unter euch aufkommen! Bringt dadurch alles wieder in Ordnung, dass ihr die gleiche Gesinnung und die gleiche Glaubensüberzeugung an den Tag leget. Es wurde mir nämlich über euch, meine Brüder, von den Leuten der Chloe berichtet, dass Streitigkeiten unter euch herrschen. Ich möchte zum Beispiel die Tatsache erwähnen, dass man allgemein bei euch zu sagen pflegt: "Ich halte zu Paulus - ich zu Apollos - ich zu Kephas - ich zu Christus!" Ist Christus denn geteilt? Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden? Oder wurdet ihr auf den Namen des Paulus getauft? Ich danke Gott, dass ich keinen von euch, außer dem Krispus und dem Gajus, die Taufe gespendet habe. So kann niemand die Behauptung aufstellen, dass ich ihn auf meinen Namen getauft hätte. Doch da fällt mir ein, dass ich auch noch die Familie des Stephanas taufte. Sonst aber wüsste ich keinen mehr, den ich getauft haben könnte. Christus sandte mich ja auch nicht zum Taufen, sondern zum Predigen der Heilsbotschaft. Freilich verkündige ich sie nicht in hochklingenden Worten weltlicher Weisheit, damit das Kreuz Christi nicht entweiht wird. Die Erzählung vom Kreuze erscheint nämlich denen, die dem Verderben anheim fallen, als Torheit; uns aber, die wir vom Verderben errettet sind, ist sie eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben: "Ich will die Weisheit der Weisen zu schanden machen und den Verstand der Verständigen zur Torheit werden lassen." Was ist aus den Weisen, den Gelehrten, den Redekünstlern dieses Zeitalters geworden? Hat Gott nicht die Weisheit dieser Welt zur Torheit gestempelt? Die Welt hat nämlich vor lauter eigener 'Weisheit' Gott in seiner wahren Weisheit nicht erkannt; darum beschloss Gott, durch eine Heilsbotschaft, die wie Torheit klingt, diejenigen zu retten, die daran glauben. Während die Juden Wunderzeichen fordern und die Griechen Weltweisheit haben wollen, verkündigen wir einen ans Kreuz geschlagenen Christus, der den Juden ein Stein des Anstoßes ist und den Nichtjuden als ein Tor gilt; denen jedoch, die sowohl aus Juden wie auch aus Nichtjuden zum Glauben berufen sind, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die sogenannte 'Torheit' Gottes ist immer noch viel weiser als die sogenannte menschliche 'Weisheit', und die sogenannte 'Schwäche' Gottes ist immer noch viel stärker als die sogenannte 'Stärke' der Menschen. Schaut euch doch die zum Heile Berufenen in euren eigenen Reihen an, meine Brüder! Da werdet ihr nicht viele Weisen im Sinne der Welt, nicht viele einflussreiche Leute, nicht viele Vornehme finden; im Gegenteil, was der Welt für töricht gilt, das hat Gott erwählt, um die Weisen zu beschämen; und was der Welt für niedrig und verächtlich gilt, ja was der Welt nichts gilt, das hat Gott erwählt, um das zunichte zu machen, was in den Augen der Welt groß da steht. Denn kein Sterblicher soll sich seiner eigenen Leistungen vor Gott rühmen können. Nur ihm habt ihr es also zu verdanken, dass ihr in der Gemeinschaft mit Christus Jesus seid, der für uns von Seiten Gottes zu einem Geist der Weisheit, des Rechttuns, der Heiligung und der Erlösung gemacht wurde, damit nach den Worten der Schrift derjenige, der sich rühmen will, sich nur dessen rühmen soll, was er in der Kraft des Herrn vollbrachte. Auch ich, meine Brüder, trat damals, als ich zu euch kam, nicht in der Weise bei euch auf, dass ich euch das Geheimnis Gottes in hochtönenden und gelehrten Phrasen verkündigt hätte. Denn ich hatte mir vorgenommen, in euren Augen dazustehen als einer, der sonst nichts kennt, als nur Jesus Christus, und zwar den gekreuzigten Jesus Christus. Ich machte denn auch bei euch den Eindruck eines körperlich schwachen, furchtsamen und sehr ängstlichen Menschen; und was ich sagte und predigte, trug ich nicht in bestrickenden Redewendungen menschlicher Gelehrsamkeit vor, sondern Gottes Geist und Gottes Kraft sprach aus meinen Worten. Denn euer Glaube sollte nicht auf menschliche Gelehrsamkeit, sondern auf eine Gotteskraft gegründet sein. Und doch ist es wahre Weisheit, was wir vortragen, allerdings nur in den Augen derer, die reif dafür sind. Es ist nicht Weisheit dieser Welt oder der Herrscher dieser Welt, die ja sehr weit von der Weisheit entfernt sind. Gottes geheimnisvollen Weisheitsplan verkünden wir, der bisher verborgen war, den Gott aber vor allen Zeiten festgelegt hat, um uns zur Herrlichkeit zurückzuführen. Keinem der Herrscher dieser Welt war dieser Plan bekannt, sonst hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht ans Kreuz geschlagen. Wir predigen das, was in der Schrift mit den Worten ausgedrückt ist: "Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr gehört, und keines Menschen Herz hat es geahnt, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben." Uns aber hat es Gott durch seine Geisterwelt geoffenbart. Denn die Geisterwelt Gottes erforscht alles, auch die Tiefen der Gottheit. Denn wer von den Menschen kennt das Innere seines Mitmenschen? Keiner. Nur der Geist, der in dem Menschen wohnt, kennt sein eigenes Innere. So kannte auch nur die Geisterwelt Gottes die Gedanken und Pläne Gottes. Wir haben aber nicht einen der bösen Geister empfangen, die in der Welt die Herrschaft führen, sondern einen Geist, der von Gott her kommt, damit wir erkennen sollen, was uns Gott alles aus Gnade geschenkt hat. Darüber predigen wir auch, zwar nicht mit angelernten Worten menschlicher Gelehrsamkeit, sondern in Worten, wie sie ein Geist Gottes uns lehrt, so dass wir die Botschaft des Geistes auch mit den Worten wiedergeben, in denen der Geist sie mitteilte. Ein irdisch gesinnter Mensch nimmt freilich nichts an, was von einem Geiste Gottes kommt. Denn eine Verbindung mit der Geisterwelt Gottes hält er für Wahnsinn. Auch ist er nicht fähig, sie richtig zu verstehen; denn darüber kann man nur urteilen, wenn man die geistigen Gesetze kennt. Aber wer mit der Geisterwelt in Verbindung steht, kann das alles richtig beurteilen; freilich wird ein solcher von keinem irdisch Gesinnten richtig verstanden. Denn welcher irdisch Gesinnte hätte je die Gedanken des Herrn erkannt, so dass er einen belehren könnte, der im Verkehr mit den Geistern Gottes steht. Wir aber kennen durch unsern Geisterverkehr die Gedanken des Herrn. Auch ich, meine Brüder, konnte selbst zu euch nicht so reden, wie zu Leuten, die in Verbindung mit der Geisterwelt Gottes stehen, sondern nur wie zu solchen, deren ganzes Denken irdisch eingestellt ist. In Bezug auf die Heilswahrheit Christi glichet ihr Säuglingen; nur Milch durfte ich euch geben, noch keine feste Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen. Und selbst jetzt könnt ihr sie noch nicht vertragen; denn ihr seid immer noch zu irdisch gesinnt. Solange nämlich noch Eifersucht und Streit und Spaltungen unter euch herrschen, legt ihr eine niedere Gesinnung an den Tag und unterscheidet euch in nichts von den gewöhnlichen Alltagsmenschen. Wenn nämlich der eine sagt: "Ich halte zu Paulus!" Und der andere: "Ich halte zu Apollos!" - seid ihr da nicht Menschen gewöhnlichen Schlages? - Wer ist denn Apollos? Wer ist Paulus? - Nur Knechte Christi sind sie, durch die ihr zum Glauben geführt wurdet. Dabei fiel jedem die Aufgabe zu, die der Herr für ihn bestimmte. Ich besorgte das Anpflanzen, Apollos das Begießen, - aber Gott ist es, der das Wachstum verlieh. Darum ist weder der Pflanzende etwas Besonderes, noch der Begießende, sondern nur Gott, der das Wachstum verleiht. Der Pflanzende und der Begießende sind einander gleich; doch jeder von ihnen wird seinen besonderen Lohn empfangen nach seiner besondern Arbeitsleistung. Denn wir sind Gehilfen Gottes; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bauwerk. Nach der mir von Gott verliehenen Gnadengabe habe ich als erfahrener Baumeister bei euch das Fundament gelegt. Ein anderer baut nun darauf weiter. Jeder, mag er nun sein, wer er will, muss beim Weiterbauen sehr vorsichtig sein. Das Fundament habe ich ein für allemal gelegt; es ist Jesus Christus. Und niemand darf neben diesem Fundament ein neues legen. Was für einen Aufbau aber einer darauf errichtet, - ob von Gold, Silber, Edelsteinen oder von Holz, Heu und Stroh, - das wird sich später bei jedem zeigen. Was die Arbeit eines jeden wert ist, wird sich an dem Tage ergeben, wo die Feuerprobe abgehalten wird. Bleibt das Bauwerk, das einer darauf errichtet hat, in dem Feuer unversehrt, so wird er seinen Lohn dafür empfangen; wird jedoch sein Werk von den Flammen vernichtet, dann wird er seine Strafe erhalten. Er selbst wird zwar gerettet werden, aber nur so, dass er von neuem durch die Feuerprobe muss. Wisset ihr nicht, dass ihr ein geistiger Tempel Gottes seid, und dass die Geisterwelt Gottes unter euch weilt? Wer aber diesen Tempel Gottes zerstört, den vernichtet auch Gott; denn der Tempel Gottes ist Gott geweiht, und darum seid es auch ihr. Niemand lasse sich durch hohle Phrasen irreführen. Wer unter euch in den Augen der heutigen Welt als ein Weiser erscheint, der werde zuerst ein Tor; dann erst wird er ein Weiser. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit in den Augen Gottes. Es steht ja in der Schrift: "Er fängt die sogenannten 'Klugen' im Netze ihrer 'Schlauheit'." Und an einer andern Stelle heißt es: "Der Herr kennt die Gedanken der sogenannten 'Weisen' und weiß, dass sie töricht sind." Daher mache niemand viel Rühmens von Menschen. Ihr seid ja Herr über alles; - ihr seid Herr über Paulus und Apollos und Kephas; - ihr seid Herr über die ganze Welt, über Leben und Tod, Gegenwart und Zukunft; - über das alles seid ihr Herr; Christus ist Herr über euch, und Gott ist Herr über Christus. So halte uns denn jeder für nichts anderes, als Diener Christi und Verwalter der göttlichen Geheimnisse. Im übrigen habt ihr nur darauf zu sehen, dass jeder der Verwalter als treu erfunden werde. Mir ist es freilich eine meiner geringsten Sorgen, welches Urteil von euch oder von irgend einem menschlichen Gerichtshof über mich gefällt wird. Ja, ich enthalte mich sogar selbst des Urteils über mich. Ich bin mir zwar keiner Untreue bewusst, aber damit ist nicht gesagt, dass ich auch in den Augen Gottes als recht dastehe. Denn der Herr ist's, der das richtige Urteil über mich abgibt. Daher sollt ihr nie in irgend einem Punkte voreilig urteilen, sondern sollt warten, bis der Herr kommt. Er wird das ins Dunkel Gehüllte ans Licht ziehen und die geheimsten Gedanken der Herzen enthüllen. Dann wird einem jeden die Anerkennung zuteil, die er vor Gott verdient. In dem, was ich soeben erwähnte, habe ich euch, meine Brüder, einen Spiegel vorhalten wollen mit Rücksicht auf die Vorgänge in eurer Gemeinde, soweit sie mich und Apollos betreffen. Ihr solltet aus dem, was hier niedergeschrieben ist, das eine lernen, dass sich keiner höher dünken darf als den andern, und ihr nicht für den einen gegen den andern Partei ergreifen sollt. Wer gibt dir denn eine Vorzugsstellung? Und was könntest du aufweisen, das du nicht empfangen hättest? Hast du es aber empfangen, warum rühmst du dich denn und gibst dir dadurch den Anschein, als hättest du es nicht empfangen? Ihr seid wohl schon im vollen Besitz der Heilswahrheiten? Verfügt wohl schon über einen geistigen Reichtum? Fühlt euch schon als Könige im Reiche Gottes, so dass ihr uns nicht mehr braucht? Wollte Gott, ihr wäret schon in eurem Königreiche, damit auch wir mit euch uns in die Königswürde teilen könnten. Doch es hat den Anschein, als ob Gott uns Apostel zuletzt zur Schau habe stellen wollen, wie man es bei den zum Tode verurteilten Gladiatoren zu tun pflegt, damit wir der Welt, Engeln und Menschen ein Schauspiel würden. Wo es sich um die Sache Christi handelt, sind wir in euren Augen die Toren, ihr aber seid darin die klugen Leute; wir gelten als die Schwächlinge, ihr als die Starken; ihr seid die Leute, die hoch in Ehren stehen, wir sind die Verachteten. Wir sind so töricht, bis auf diese Stunde Hunger und Durst zu leiden; keine hinreichende Kleidung zu besitzen; uns mit Fäusten schlagen zu lassen; unstet umherzuwandern; uns abzumühen, um mit unserer Hände Arbeit unser tägliches Brot zu verdienen; zu segnen, wo man uns flucht; es in Geduld zu ertragen, wenn man uns verfolgt; denen gute Worte zu geben, die uns beschimpfen; ja, wegen unserer Torheit sind wir bis heute zum Kehricht der Welt und zum Auswurf der Menschheit geworden. Ich schreibe euch dies nicht, um euch die Schamröte ins Gesicht zu treiben, sondern bloß um euch als meinen geliebten Kindern eine Mahnung zu geben. Denn wenn ihr in der Sache Christi auch viele Tausend Lehrer hättet, so habt ihr doch nicht viele Väter. Denn in Bezug auf euer Leben in der Gemeinschaft mit Christus bin ich euer Vater, infolge der durch mich verkündigten Heilsbotschaft. Darum bitte ich euch: Machet, dass ihr als meine Kinder mir als eurem Vater ähnlich sehet, so wie auch ich mir Mühe gebe, Christus ähnlich zu werden. Den Timotheus, meinen im Herrn geliebten und treuen Sohn, habe ich deshalb zu euch geschickt, damit er euch die Mittel und Wege ins Gedächtnis zurückrufe, die ich bei der Verbreitung der Lehre des Herrn Jesus anzuwenden pflege, und zwar überall und in jeder Gemeinde. In der Annahme, dass ich nicht zu euch käme, haben einige unter euch in hohen Tönen geredet. Doch werde ich euch, so Gott will, bald besuchen. Dann werde ich ja bei diesen Aufgeblasenen herausfinden, nicht wie weit ihre Redekunst, sondern wie weit ihr Können reicht. Denn nicht im Reden zeigt sich das Reich Gottes, sondern im Können. Was seht ihr nun lieber: dass ich mit der Rute zu euch komme oder mit Liebe und im Geiste der Sanftmut? Überall muss man hören, dass Unzucht bei euch herrsche; noch davon von einer Art, wie sie nicht einmal bei den Heiden vorkommt; dass nämlich einer mit der Frau seines Vaters geschlechtlichen Verkehr hat. Und da wollt ihr euch noch in die Brust werfen? Solltet ihr da nicht vielmehr voll Trauer sein und machen, dass ein solcher Übeltäter aus eurem Kreise entfernt wird? Ich, der ich zwar dem Leibe nach nicht bei euch bin, aber mit meinem Geiste bei euch weile, habe über diesen Menschen, der sich so schwer vergangen hat, bereits das Strafurteil gefällt, genau so, als ob ich persönlich dort wäre. Mein Urteil lautet: "Im Namen unsers Herrn Jesus und in Anwesenheit von euch und von meinem Geiste, in der Kraft und Vollmacht unsers Herrn Jesus übergeben wir diesen Menschen dem Satan zur Vernichtung der niedern Leidenschaft, damit sein Geist am Tage des Herrn Jesus Christus gerettet werde." Nun habt ihr wohl alle Ursache, euch zu rühmen, - nicht wahr? Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig die ganze Teigmasse in Gärung bringt? Schaffet den alten Sauerteig fort, damit ihr eine neue Teigmasse werdet, weil dann kein Sauerteig mehr in euch ist. Denn Christus wurde auch für uns als Osterlamm geschlachtet; daher sollen auch wir das Osterfest feiern, nicht in dem alten Sauerteig der Schlechtigkeit und Unzucht, sondern in dem ungesäuerten Teig der Reinheit und Wahrheit. Ich schrieb euch in meinem letzten Brief, ihr möchtet keinen Verkehr mit unzüchtigen Menschen haben. Ich meinte damit nicht, dass ihr nun überhaupt nicht mit irgendeinem Unzüchtigen in der ganzen Welt zusammen sein dürftet oder mit Betrügern und Räubern oder Götzendienern, die es allenthalben gibt; sonst müsstet ihr ja aus der Welt auswandern. Ich meinte natürlich in meinem damaligen Schreiben, ihr möchtet keinen Verkehr mit jemand haben, der den christlichen Brudernamen führt und doch ein unzüchtiger Mensch oder ein Betrüger, Götzendiener, Verleumder, Trunkenbold oder Räuber ist; mit einem solchen sollt ihr nicht einmal zusammen essen. Denn was gehen mich die Leute an, die nicht zur christlichen Gemeinde gehören, dass ich auch diese noch zurechtweisen sollte? Ihr weist ja nicht einmal die zurecht, die zu eurem Kreise gehören. Den Leuten außerhalb eurer Gemeinschaft wird Gott ihre Fehler vor Augen führen. Kurz und gut: Machet, dass ihr jenen schlechten Menschen aus eurer Mitte entfernt! Hat jemand von euch mit seinem Mitbruder einen Rechtsstreit, sollte er es da über sich bringen, sein Recht vor nichtchristlichen Richtern zu suchen, anstatt vor den Gottestreuen. Wisst ihr denn nicht, dass die Gottestreuen einst über die Welt zu Gericht sitzen werden? Wenn euch also das Gericht über die Welt anvertraut wird, solltet ihr da nicht gut genug sein, jetzt die geringsten Rechtsstreitigkeiten zu schlichten? Ist euch ferner nicht bekannt, dass wir sogar Engel richten werden? Und da sollten wir nicht fähig sein, weltliche Angelegenheiten zu entscheiden? Wenn ihr also Rechtsstreitigkeiten über weltliche Dinge habt, wollt ihr dafür wirklich solche Leute zu Richtern nehmen, die in der Gemeinde keinerlei Achtung genießen? Es ist beschämend für euch, dass ich euch so etwas vorhalten muss. Gibt es denn wirklich keinen einzigen verständigen Mann unter euch, der befähigt wäre, einen Streitfall zwischen Bruder und Mitbruder zu schlichten? Leider führt der Bruder mit dem Mitbruder Prozesse vor weltlichen Richtern und dazu noch vor ungläubigen. Es ist schon ein sittlicher Mangel bei euch, dass ihr überhaupt Prozesse miteinander führt. Warum nehmt ihr nicht lieber das Unrecht ruhig hin? Warum lasst ihr euch nicht lieber übervorteilen? Statt dessen tut ihr selbst Unrecht und übervorteilt andere und dazu noch eure Mitbrüder. Denkt ihr denn nicht daran, dass die, welche Unrecht tun, das Reich Gottes nicht ererben werden. Täuschet euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lüstlinge und Knabenschänder, weder Diebe noch Betrüger, auch keine Trunkenbolde, keine Verleumder und Räuber werden das Reich Gottes als Erbteil erhalten. Und Leute solchen Schlages seid ihr einst gewesen. Aber ihr wurdet rein gewaschen, wurdet gottestreu, erlangtet das Wohlgefallen Gottes durch die Kraft des Namens des Herrn Jesu und durch die Geisterwelt, die unser Gott euch sandte. Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist gut für mich. Alles ist mir gestattet, aber ich soll mich von nichts beherrschen lassen. Die Speisen sind für den Magen da, und der Magen für die Speisen. Doch Gott wird sowohl Magen wie Speisen einmal von uns trennen. Der Leib ist nicht für die Unzucht bestimmt, sondern soll dem Herrn als Werkzeug dienen; denn der Herr muss euren Leib als Werkzeug benutzen. Und derselbe Gott, der den Herrn aus der Tiefe herausführte, wird auch uns durch seine Kraft herausführen. Ist euch etwa unbekannt, dass eure Leiber Werkzeuge Christi sind? Darf ich nun aus diesen Werkzeugen Christi Werkzeuge einer Buhlerin machen? Gott bewahre! Bedenkt ihr denn nicht, dass der, welcher sich mit einer Buhlerin abgibt, ein Leib mit ihr ist? Es heißt ja: "Die beiden werden zu einem Fleisch werden." Wer aber in Verbindung mit dem Herrn tritt, der ist ein Geist mit ihm. Fliehet daher die Unzucht! Jeder andere Fehltritt, den ein Mensch begehen kann, bezieht sich auf etwas, das außerhalb seines Leibes existiert. Wer Unzucht treibt, bei dem ist der eigne Leib Gegenstand der Sünde. Oder habt ihr schon vergessen, dass euer Leib ein Tempel der heiligen Geisterwelt ist, die unter euch weilt, und die ihr von Gott empfangen habt? Ihr könnt daher nicht mehr frei über euch verfügen. Denn um einen hohen Preis seid ihr erkauft worden. So traget denn mit eurem Leibe zur Verherrlichung Gottes bei. Was nun die einzelnen Punkte betrifft, die ihr in eurem Briefe an mich erwähntet, so möchte ich dazu folgendes sagen: Es ist ratsam für einen Mann, keinen Verkehr mit einer Frau zu haben. Doch wegen der Gefahr der Unzucht soll jeder Mann seine eigene Frau und jede Frau ihren eigenen Mann haben. Der Mann erfülle seiner Frau die eheliche Pflicht; ebenso die Frau dem Manne. Die Frau hat in diesem Punkte nicht über ihren Leib zu verfügen, sondern ihr Mann. Ebenso hat aber auch der Mann kein Verfügungsrecht über seinen Leib, sondern dies hat seine Frau. Versaget euch einander nicht, es sei denn unter gegenseitigem Einverständnis auf eine bestimmte Zeit, die ihr für einen besondern Zweck dem Gebet widmen wollt; danach sollt ihr aber den ehelichen Verkehr wieder aufnehmen, damit Satan eine längere Enthaltsamkeit nicht etwa als Gelegenheit zur Versuchung benutzt. Doch sage ich dies alles bloß als ein Zugeständnis und nicht als ein Gebot. Denn wenn es nach mir ging, dann wären alle Menschen in diesem Punkte, wie ich; doch hierin hat ein jeder seine besondere Gnadengabe von Gott, - der eine so, der andere anders. Den Unverheirateten und den Verwitweten möchte ich folgenden Rat geben: Sie tun gut daran, wenn sie ehelos bleiben, gleich mir. Ist es ihnen jedoch zu schwer, enthaltsam zu sein, so sollen sie heiraten. Denn Heiraten ist besser, als vom Feuer der Leidenschaft verzehrt zu werden. Den Verheirateten aber gebiete ich, - nein, nicht ich, sondern der Herr - dass eine Frau sich nicht von ihrem Manne scheiden darf. Ist jedoch die Scheidung vollzogen, so muss sie entweder unverheiratet bleiben oder sich wieder mit ihrem Manne aussöhnen. Andererseits darf aber auch der Mann seine Frau nicht entlassen. In den übrigen Punkten, die ich in dieser Frage noch berühren möchte, spreche ich allerdings bloß meine persönliche Meinung aus, rede also nicht im Auftrag des Herrn: Hat ein christlicher Bruder eine Nichtchristin zur Frau, und diese ist damit einverstanden, bei ihm zu bleiben, so darf er sie nicht entlassen. Ebenso darf eine christliche Frau, die einen nichtchristlichen Mann hat, ihren Mann nicht verlassen, wenn dieser einverstanden ist, mit ihr zu leben. Denn der nichtchristliche Mann wird durch die Verbindung mit seiner christlichen Frau auf den Weg zu Gott geführt, und ebenso die nichtchristliche Frau durch ihre Verbindung mit unserm christlichen Bruder; da ferner eure Kinder an und für sich nichts von Gott wissen, werden sie jedoch auf diese Weise zu Gott geführt. Will sich jedoch der nichtchristliche Teil scheiden, so mag er es tun. In solchen Fällen soll der christliche Bruder oder die christliche Schwester nicht länger durch das Band der Ehe gebunden sein. Denn zu einem Leben des Friedens hat Gott uns berufen. Weißt du denn, christliche Frau, ob du deinen nichtchristlichen Mann retten wirst? Und weißt du denn, christlicher Mann, ob du deine nichtchristliche Frau retten kannst? Doch, wie dem auch sein mag, - jeder soll so seinen Lebensweg gehen, wie es ihm der Herr als sein Los zugeteilt, und wie Gott einen jeden berufen hat. Folgende Bestimmung lege ich für alle Gemeinden fest: Wurde ein Beschnittener zum Glauben berufen, so soll er nicht auch von andern die Beschneidung fordern; und wer als Nichtjude berufen wurde, der braucht sich nicht zuerst beschneiden zu lassen. Die Beschneidung hat keine Bedeutung, und ob einer unbeschnitten ist, ist ebenfalls bedeutungslos. Wert hat bloß die Beobachtung der Gebote Gottes. Jeder bleibe in der Stellung, die er bei seiner Berufung hatte. Warst du ein Sklave, als du berufen wurdest, so gräme dich nicht wegen deines Sklavenstandes; wird dir jedoch die Möglichkeit gegeben, die Freiheit zu erlangen, so ziehe es vor, frei zu werden. Denn der Sklave, der infolge seiner Berufung in der Gemeinschaft mit dem Herrn steht, ist ein Freigelassener des Herrn. In gleichem Maße ist aber auch ein Freier infolge seiner Berufung ein Knecht Christi. Ihr seid teuer erkauft worden; werdet darum keine Menschenknechte. Ein jeder, meine Brüder, soll also in dem Stande bleiben, in dem er bei seiner Berufung war, solange es der Wille Gottes ist. Was die Unverheirateten betrifft, so habe ich keinen Auftrag von Seiten des Herrn, sondern spreche bloß meine persönliche Ansicht aus als ein Mann, zu dem man Vertrauen haben kann nach all den Beweisen des Erbarmens, die ihm der Herr hat zuteil werden lassen. Meine Ansicht ist folgende: Wegen der gegenwärtigen Not ist es ratsam, dass ein jeder so bleibt, wie er ist. Bist du durch das eheliche Band an eine Frau gebunden, so suche das Band nicht zu lösen. Bist du ledig, so bleibe unverheiratet. Selbstverständlich begehst du keine Sünde, wenn du dir eine Frau nimmst. Und auch eine Ledige sündigt nicht, wenn sie eine Ehe eingeht. Freilich, irdische Drangsale werden die Betreffenden auf sich nehmen müssen. Und solche möchte ich euch ersparen. Nur das eine will ich noch hinzufügen, meine Brüder: Es dauert nicht mehr lange, dann müssen auch die, welche eine Frau haben, so leben, als hätten sie keine; die, welche weinen möchten, müssen ihre Tränen zurückhalten; die Frohen ihre Freude unterdrücken; die welche kaufen, müssen dann daran denken, dass sie das Gekaufte nicht behalten; und die, welche den weltlichen Verkehr pflegen, müssen leben, als ob sie diesen Verkehr nie gekannt hätten. Denn die jetzigen Verhältnisse werden eine völlige Umgestaltung erfahren. Und für jenen Zeitpunkt möchte ich euch frei von allen unnötigen Sorgen wissen. Wer dann nicht verheiratet ist, ist nur auf die Sache des Herrn bedacht und darauf, wie er ihm wohlgefällig werde. Der Verheiratete jedoch muss sich auch um die weltlichen Angelegenheiten bekümmern, und dabei auf die Wünsche seiner Frau Rücksicht nehmen. So hat er auf zwei Schultern zu tragen. Die Witwe, die keine neue Ehe mehr eingeht und die Jungfrau, die nicht heiratet, sind ebenfalls nur auf die Sache des Herrn bedacht, damit sie an Leib und Seele vor ihm heilig dastehen. Die verheiratete Frau dagegen hat sich um die weltlichen Dinge zu kümmern und muss auf die Wünsche des Mannes Rücksicht nehmen. Doch das alles soll bloß ein Rat sein, den ich euch zu eurem Nutzen erteile. Es liegt mir fern, euch damit irgend eine Fessel anzulegen. Mit meinem Rat ist es mir nur darum zu tun, dass ihr untadelige und treue Anhänger des Herrn seid, die durch nichts von ihm abgelenkt werden. Sollte aber ein Vater es für eine Unehre ansehen, wenn seine Tochter als Ledige das heiratsfähige Alter überschreitet, - und muss es infolgedessen nun einmal sein - so tue er ganz nach seinem Belieben. Er begeht dadurch keine Sünde. Er lasse sie ruhig heiraten. Wer jedoch eine feste Gewissensüberzeugung gewonnen hat, und liegt sonst kein zwingender Grund dagegen vor, so dass er seinen eigenen Willen durchsetzen kann, und er ist nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss gekommen, seine Tochter nicht zu verheiraten, so wird er gut daran tun. Kurz gesagt: Wer seine Tochter verheiratet, tut gut; wer sie nicht verheiratet, tut besser. Die Frau ist durch das Band der Ehe solange gebunden, als ihr Mann lebt. Ist aber ihr Mann entschlafen, so steht es ihr frei, zu heiraten, wen sie will; nur muss er ein Anhänger des Herrn sein. Glücklicher jedoch würde sie sein, wenn sie unverheiratet bliebe. Das ist meine persönliche Ansicht, und ich glaube doch auch einen Geist Gottes zu besitzen. Nun gehe ich an die Beantwortung eurer Frage über die Erlaubtheit des Genusses von Götzenopferfleisch. Ohne Zweifel besitzen wir alle in diesem Punkte ein hinreichendes Wissen. Aber das Wissen für sich allein führt leicht zur Überhebung; die Liebe jedoch führt zum geistigen Aufbau. Wer sich nur einbildet, einen bestimmten Grad des Wissens erlangt zu haben, bei dem ist die Erkenntnis noch lange nicht so groß, wie sie sein müsste. Wer aber Gott liebt, dem ist von Gott auch das rechte Wissen verliehen worden. Was nun den Genuss des Fleisches betrifft, das den "Göttern" geopfert wurde, so wissen wir, dass es im Weltall in Wirklichkeit keine Götter gibt, und dass niemand ein Gott ist, als nur der Eine. Denn mag es sowohl in den überirdischen als auch in den irdischen Sphären viele geben, die sich 'Götter' nennen lassen, - und es gibt tatsächlich viele dieser 'Götter' und viele 'Herren' - so gibt es für uns Christen doch nur einen, der Gott ist, nämlich der Vater, von dem alles herrührt, und zu dem wir wieder zurück sollen; und es gibt nur einen Herrn, nämlich Jesus Christus, durch den alles ins Dasein trat, und durch den wir zu Gott zurückkehren. Nun haben aber nicht alle diese Erkenntnis. Es gibt manche, denen der früher geübte Götzendienst bis heute noch so sehr im Blute steckt, dass sie das beim Götzendienst geopferte Fleisch auch jetzt noch nicht wie gewöhnliches Fleisch essen. Dadurch wird ihr Gewissen, schwach wie es ist, befleckt. Der Genuss einer Speise beeinflusst unsere Stellung Gott gegenüber in keiner Weise. Essen wir eine gewisse Speise nicht, so haben wir dadurch keinen Gewinn; essen wir sie, so erwächst uns daraus kein Schaden. Doch sorget dafür, dass diese eure Freiheit im Essen den Schwachen nicht zu einem Stein des Anstoßes wird. Denn wenn ein Schwacher einen Mitbruder, der die rechte Erkenntnis besitzt, in einem Götzentempel sein Mahl einnehmen sieht, wird er dann nicht ermutigt, auch Götzenopferfleisch zu essen, obschon sein schwaches Gewissen ihm sagt, dass er es nicht darf? So erleidet der Schwache durch das, was du in deiner richtigen Erkenntnis erlaubterweise tust, geistig Schaden - und ist doch dein Bruder, für den Christus gestorben ist. Wenn ihr euch in solcher Weise an euren Brüdern verfehlt und deren schwaches Gewissen verletzt, so versündigt ihr euch an Christus. Wenn daher die Fleischspeise, die ich zu mir nähme, für meinen Bruder Anlass zur Sünde wäre, dann wollte ich lieber für alle Zukunft kein Fleisch mehr essen, um meinem Bruder ja keinen Anlass zur Sünde zu geben. Bin ich nicht ein freier Mann? Bin ich nicht ein Apostel? Habe ich nicht unsern Herrn Jesus gesehen? Seid ihr als christliche Gemeinde nicht mein Werk? Wenn ich auch in den Augen anderer kein Apostel bin, so bin ich es sicherlich doch für euch. Denn ihr als Gemeinde des Herrn tragt das Siegel meines Apostelamtes. Meine Rechtfertigung denen gegenüber, die über mich zu Gericht sitzen wollen, ist folgende: Haben nicht auch wir Anspruch auf freies Essen und Trinken? Haben nicht auch wir das Recht, eine christliche Schwester als Ehefrau auf unsern Reisen bei uns zu haben, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und Kephas? Oder sind wir beide - ich und Barnabas - die einzigen, die nicht das Recht hätten, ebenfalls die Handarbeit zu unterlassen, mit der wir unsern Lebensunterhalt verdienen? Wer tut denn jemals Kriegsdienste im eigenen Sold? Wer arbeitet in einem Weinberg, ohne von seinen Früchten zu essen? Wer ist Hirte einer Herde, ohne von der Milch der Herde zu genießen? Ist das, was ich hier sage, etwa bloß vom rein menschlichen Standpunkt aus gesprochen? Sagt nicht auch das Gesetz dasselbe? Im Mosaischen Gesetz steht nämlich geschrieben: "Du sollst dem dreschenden Ochsen das Maul nicht verbinden." Ist es Gott etwa bloß um die Ochsen zu tun? Oder finden seine Worte nicht erst recht auf uns Anwendung? Ja, unseretwegen wurden jene Worte niedergeschrieben, weil der, welcher pflügt, die Hoffnung haben muss etwas zu ernten; und der Drescher nur in der Hoffnung drischt, etwas von dem Ertrag mitzubekommen. Wenn wir nun bei euch die geistige Saat ausgestreut haben, ist es dann etwas Großes, wenn ihr uns an euren irdischen Gütern teilnehmen lasset? Wenn andere von euren Gütern mitbekommen, haben wir dann nicht in einem noch höheren Maße ein Recht darauf? Freilich machten wir bisher von diesem unserm Rechte keinen Gebrauch; wir decken alle Ausgaben für unsern Lebensunterhalt selbst, um der Heilsbotschaft Christi ja kein Hindernis in den Weg zu legen. Ist euch nicht bekannt, dass die, welche den Tempeldienst verrichten, aus den Einkünften des Tempels ihren Lebensunterhalt beziehen? Und dass die, welche am Opferaltar Dienst tun, auch ihren Anteil von den Opfergaben erhalten? So ist es auch ein Gebot des Herrn, dass die Verkünder der Heilsbotschaft daraus ihren Lebensunterhalt ziehen sollen. Ich persönlich habe von keinem dieser Rechte Gebrauch gemacht. Und ich schrieb es auch nicht deshalb, um von nun an solche Rechte für mich in Anspruch zu nehmen. Lieber wollte ich sterben, als dass mir einer diesen einzigen Ruhmestitel zunichte machte. Denn darin, dass ich das Evangelium predige, liegt für mich kein Ruhmestitel; dazu treibt mich nämlich ein innerer Zwang; und ein 'Wehe' würde mich treffen, wenn ich es nicht predigte. Tue ich es jedoch mit Freuden, dann liegt mein Lohn in dieser innern Freude. Habe ich aber nur ungern die Heilsarbeit übernommen, welcher Lohn bleibt mir da überhaupt noch übrig, der mich veranlassen könnte, die Arbeit der Verkündigung der Heilswahrheit unentgeltlich zu besorgen, so dass ich auf meine Unterhaltsrechte verzichte, die mir aus meiner Predigt zustehen? Obwohl ich auf diese Weise von allen unabhängig bin, so habe ich mich doch zum Diener aller gemacht, um recht viele zu gewinnen. War ich unter Juden, so lebte ich wie ein Jude, um Juden zu gewinnen; waren sie gesetzestreu, so war ich es auch, obschon mich das Gesetz nichts mehr angeht; nur um auch sie zu gewinnen, tat ich dies. War ich unter solchen, die vom Mosaischen Gesetz nichts wussten, so lebte auch ich, wie einer, der davon nichts weiß; freilich nicht in der Weise, dass ich mich nach keinem göttlichen Gesetz gerichtet hätte, sondern so, dass das Gesetz Christi meine Richtschnur war; damit wollte ich die gewinnen, die außerhalb des Gesetzes standen. Unter den Schwachen zeigte ich mich schwach, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um alle zu retten. Für die Heilsbotschaft bin ich alles zu tun bereit, um auch meinen Anteil an ihrem Segen zu erlangen. Wisst ihr nicht, dass die, welche in der Rennbahn ein Wettrennen mitmachen, zwar alle laufen, dass aber nur einer den Preis erhält? Laufet so, dass ihr die Preisträger werdet. Und jeder, der sich an einem Wettkampf beteiligen will, legt sich vorher strenge Enthaltsamkeit in allen Dingen auf. Diese tun es, um einen vergänglichen Kranz zu gewinnen, während uns ein unvergänglicher in Aussicht steht. Was mich betrifft, so habe ich bei meinem Wettlauf ein bestimmtes Ziel im Auge; meine Hiebe sind keine Lufthiebe; meinen Leib halte ich in strenger Zucht und mache ihn mir zum Diener, damit ich, der ich andern die Herrlichkeit des Reiches Gottes predige, nicht selbst dieser Herrlichkeit verlustig gehe. Ich möchte euch, meine Brüder, nämlich nicht in Unkenntnis darüber lassen, dass dieser Fall tatsächlich bei unsern Vätern eintrat. Sie waren alle unter dem Schutz der Wolke; alle waren durch das Meer gegangen; alle waren in der Wolke und dem Meere auf Mose getauft worden; alle hatten dieselbe Speise gegessen, die von der Geisterwelt Gottes bereitet worden war; und alle hatten denselben Trank aus Geisterhand getrunken; sie tranken nämlich aus einem Geisterfelsen, der immer bei ihnen war, - und dieser Felsen war Christus. Aber trotz alledem erlangten die meisten von ihnen nicht das Wohlgefallen Gottes. Denn in der Wüste wurden sie niedergestreckt. Das soll uns zum warnenden Beispiel dienen, damit wir unsern Sinn nicht auf das Böse richten, wie jene es getan haben. Werdet also keine Götzendiener, wie manche von ihnen, von denen es heißt: "Das Volk setzte sich nieder, um bei den Götzenfesten zu essen und zu trinken, und stand wieder auf, um ihre Tänze aufzuführen." Wir wollen auch keine Unzucht treiben, wie viele von ihnen es taten, so dass an einem Tage dreiundzwanzigtausend fielen. Wir wollen auch nicht Christus versuchen, wie so manche von ihnen es taten, und dafür von den Schlangen umgebracht wurden. Murret auch nicht, wie eine Anzahl von ihnen, die deswegen durch das Schwert des Strafengels ihren Tod fanden. Das alles ist jenen zugestoßen, damit es als Warnung dienen sollte, und es wurde niedergeschrieben als Warnung für uns, die wir auf der Grenze zweier Zeitalter leben. Wer daher meint, er stehe fest, der sehe zu, dass er nicht falle. Es ist bisher noch keine andere Versuchung an euch herangetreten, als wie sie im gewöhnlichen menschlichen Leben vorkommt. Und Gott ist getreu; er wird auch in Zukunft nicht zulassen, dass ihr über eure Krähe versucht werdet; sobald die Versuchung an euch herantritt, wird er einen Ausweg schaffen, auf dem ihr euch retten könnt. Vor allem, meine Lieben, fliehet den Götzendienst! Ich rede ja zu verständigen Leuten, und darum urteilet selbst über die Richtigkeit dessen, was ich jetzt sagen will: Der Kelch der Segnung, über den wir den Segen sprechen, ist er nicht das Sinnbild der Gemeinschaft mit dem Blute Christi? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht das Sinnbild der Gemeinschaft mit dem Leibe Christi? So, wie es nur ein einziges Brot ist, sind auch wir trotz unserer Vielheit nur ein einziger geistiger Leib. Denn wir alle teilen uns in das eine Brot und in den einen Kelch. Seht euch das irdische Israel an! Stehen nicht die, welche von den Opferspeisen essen, in Gemeinschaft mit dem Opferaltar? Brauche ich da noch lange zu erklären, was das Götzenopferfleisch für eine Bedeutung hat, oder was ein Götze bedeutet? Nur darauf möchte ich noch hinweisen, dass die Heiden ihre Opfer den bösen Geistern und nicht Gott darbringen. Ich will aber nicht, dass auch ihr in Verbindung mit bösen Geistern tretet. Ihr könnt nicht zugleich den Kelch des Herrn und den Kelch der bösen Geister trinken; ihr könnt nicht zugleich am Tisch des Herrn und am Tisch der bösen Geister Gäste sein. Oder wollen wir den Herrn zur Eifersucht reizen? Sind wir etwa stärker als er? Zwar ist alles erlaubt, - aber nicht alles ist von Nutzen. Alles ist erlaubt, - aber nicht alles trägt zum geistigen Wachstum bei. Jeder soll auf das Wohl des andern bedacht sein, und nicht bloß auf sein eigenes. Alles, was auf dem Fleischmarkt verkauft wird, dürft ihr mit ruhigem Gewissen essen, ohne zu fragen, woher es kommt. Denn dem Herrn gehört die Erde mit allem, was darin ist. Ladet euch ein Nichtchrist zum Mahle ein und ihr wollt der Einladung Folge leisten, so esst, was man euch vorsetzt, ohne euch weiter mit Gewissensbedenken abzugeben. Sagt euch aber jemand: "Das ist Opferfleisch!" - so esset nicht davon, mit Rücksicht auf den, der euch darauf hinwies; denn jetzt ist es eine Gewissenssache. Wenn ich von einer 'Gewissenssache' spreche, so meine ich damit das Gewissen des andern, nicht das deine. Denn was sollte ich meine Gewissensfreiheit durch die Gewissensbedenken eines andern beeinträchtigen lassen? Wenn ich für meine Person etwas unter einem Dankgebet genieße, was soll ich mich davon einem andern in ein übles Gerede bringen lassen wegen einer Speise, für die ich Gott danke? Möget ihr also essen oder trinken oder sonst etwas tun, tut alles zur Ehre Gottes! Gebt weder den Juden noch den Nichtjuden noch der Gemeinde Gottes irgendeinen Anstoß. Auch ich lebe ja in jeder Hinsicht allen zu Gefallen, suche nicht meinen eigenen Vorteil, sondern den der Masse meiner Mitmenschen, damit sie Rettung finden. Nehmet mich zum Vorbild, gleich wie ich mich nach dem Vorbild Christi richte. Ich muss es lobend anerkennen, meine Brüder, dass ihr bei allem euch meiner erinnert und an den Weisungen festhaltet, die ich euch gegeben habe. Zunächst möchte ich, dass ihr euch folgende Weisung gut einpräget: Das Haupt eines jeden Mannes ist Christus; der Mann ist das Haupt der Frau, und das Haupt Christi ist Gott. Jeder Mann, der in dem Augenblick, wo ein Geist Gottes durch ihn betet oder eine Botschaft Gottes überbringt, sein Haar lang herunterhängen hat, entehrt denjenigen, der sein Haupt ist; desgleichen entehrt die Frau den, der ihr Haupt ist, wenn sie in dem Augenblick, wo ein Geist Gottes durch sie betet oder eine Botschaft Gottes überbringt, ihren Kopf nicht mit ihrem Haar fest eingehüllt hat; denn sie steht in diesem Falle auf völlig gleicher Stufe mit einer Dirne. Wenn daher eine Frau ihr Haar nicht fest um den Kopf legen will, so mag sie sich auch scheren lassen. Ist es aber für eine Frau entehrend, das Haar abgeschnitten oder geschoren zu haben, so soll sie damit ihren Kopf verhüllen. Der Mann dagegen darf das Haupt nicht mit langem Haar umhüllt haben, weil er ein Ebenbild und Abglanz Gottes ist. Die Frau aber ist der Abglanz des Mannes. Der Mann stammt ja nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Manne. Auch ist der Mann nicht um der Frau willen geschaffen, sondern die Frau um des Mannes willen. Deshalb soll die Frau eine Haarkrone auf dem Haupte tragen um der Boten Gottes willen, die durch sie sprechen. Nebenbei möchte ich bemerken, dass in einer christlichen Gemeinschaft ein Mann mit seiner Frau und eine Frau mit ihrem Manne eine Einheit bildet. Denn wenn auch die Frau vom Manne stammt, so ist doch auch der Mann der Frau wegen da. Alles Männliche und Weibliche stammt aber von Gott. - Saget nun selbst: Ist es nicht unschicklich, dass ein Geist durch eine Frau zu Gott betet, während sie mit aufgelöstem Haar dasitzt? Lehrt euch nicht schon euer natürliches Gefühl, dass es auch einen Mann verunstaltet, wenn er sein Haar vom Kopfe lang herabhängen lässt; dass aber langes Haar bei der Frau an und für sich eine Zierde ist, jedoch nur dann, wenn sie es wie eine Kopfbedeckung um den Kopf herumlegt. Glaubt einer jedoch trotzdem bei seiner abweichenden Ansicht verharren zu müssen, so möchte ich ihm sagen, dass wir eine solche Sitte nicht kennen, und die Gemeinden Gottes auch nicht. Im folgenden muss ich euch nun etwas sagen, was euch nicht zum Lobe gereicht, nämlich: Durch eure gottesdienstlichen Zusammenkünfte werdet ihr nicht besser, sondern eher schlechter. Zunächst sollen, wie ich höre, bei eurem Gemeinschaftsgottesdienst Streitigkeiten unter euch herrschen, und ich bin überzeugt, dass etwas Wahres daran ist. Es muss ja auch Spaltungen geben, damit es sich herausstellt, welche unter euch sich bewähren. Doch nun zur Sache selbst: Wenn ihr in dieser Weise zusammenkommt, wie es bei euch der Fall ist, dann kann von einem 'Abendmahl des Herrn' keine Rede mehr sein. Ein jeder nimmt ja vor dem Empfang des 'Herrenmahles' zuerst die Mahlzeit zu sich, die er für sich von Hause mitgebracht hat. So kommt es, dass der eine hungrig da sitzt, während der andere überreichlich isst und trinkt. Könnt ihr nicht zu Hause genug essen und trinken? Habt ihr so wenig Ehrfurcht vor der Gemeinde Gottes und bringt die Unbemittelten durch euer Benehmen in die peinlichste Verlegenheit? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Punkte habt ihr wahrlich kein Lob verdient. Das, was ich euch früher schon über die Feier des Herrenmahles vortrug, hatte ich vom Herrn selbst empfangen. Ich sagte euch: In der Nacht, als der Herr Jesus verraten wurde, nahm er eine Scheibe Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und sprach: "Das ist das Sinnbild meines Leibes, der für euch gebrochen wird. Tut dies zum Andenken an mich!" Ebenso nahm er nach dem Mahle auch den Kelch und sprach: "Dieser Kelch ist das Sinnbild des neuen Bundes in meinem Blute; so oft ihr ihn trinkt, tut es zum Andenken an mich!" So oft ihr das Brot in dieser Weise esset und den Kelch trinket, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Wer daher in unwürdiger Weise das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt, der versündigt sich am Leibe und Blute des Herrn. Jeder prüfe sich daher selbst, und dann erst esse er von dem Brote und trinke aus dem Kelch. Denn wer unwürdig isst und trinkt, der zieht sich durch sein Essen und Trinken ein Strafurteil zu, da er den Leib des Herrn nicht gebührend würdigt. Dies ist auch der Grund, warum es unter euch so viele geistig Kranke und Schwache gibt, und ziemlich viele bereits dem geistigen Todesschlaf verfallen sind. Würden wir aber mit uns selbst ins Gericht gehen, dann brauchten wir überhaupt nicht mehr gerichtet zu werden. Sobald wir jedoch noch vom Herrn gerichtet werden müssen, werden wir zu unserer Besserung eine Strafe erhalten, damit wir nicht mit der Welt ein Verdammungsurteil erfahren. - Darum, meine Brüder, wartet aufeinander, sobald ihr zur Feier des 'Herrenmahles' euch versammelt. Hat einer Hunger, so stille er ihn zu Hause, damit eure Abendmahlsfeier kein Strafurteil für euch zur Folge hat. Über den Geisterverkehr will ich euch, meine Brüder, nicht im Unklaren lassen. Ihr wisst, dass ihr damals, als ihr noch Heiden waret, euch mit den hässlichen Geistern der Tiefe in Verbindung setztet, so oft ihr dazu verleitet wurdet. Darum will ich euch ein Erkennungszeichen geben, durch das ihr die Geister unterscheiden könnt: Kein von Gott kommender Geist, der durch ein Medium spricht, nennt Jesus einen Verfluchten. Und kein Geist kann Jesus als seinen Herrn bezeichnen, wenn er nicht zu den heiligen Geistern gehört. Die geistigen Gnadengaben treten in großer Mannigfaltigkeit auf. Aber es ist dieselbe Geisterwelt Gottes, durch die sie verliehen werden. Auch die Dienstleistungen in der christlichen Gemeinde sind mannigfacher Art; aber auch hier ist es derselbe Herr, der sie zuteilt. Ferner gibt es mannigfache Kraftwirkungen; aber es ist derselbe Gott, der in allem und bei allen als Kraftquelle in Frage kommt. Jedem Medium werden die Kundgebungen der guten Geisterwelt nur zum allgemeinen Besten zuteil. So wird dem einen durch die Geisterwelt Gottes die Rede der Weisheit verliehen; einem andern die Gabe der Erkenntnis unter der Kraftwirkung derselben Geisterwelt; einem andern das Verständnis der Glaubenswahrheiten durch dieselbe Geisterwelt; einem andern Heilkräfte durch dieselbe Geisterwelt; einem andern die Macht über böse Geister; einem andern die Gabe, Sprechmedium in der Muttersprache der Anwesenden zu sein; einem andern die Gabe, dass er die Geister unterscheiden kann; einem andern die Gabe, dass er Sprechmedium für fremde Sprachen ist; einem andern die Gabe, dass fremde Sprachen durch ihn in die Muttersprache übersetzt werden können. Alle diese Gaben verleiht ein und dieselbe Geisterwelt, die für einen jeden die Gabe auswählt, für die er sich eignet und in dem Grade, in dem die Geisterwelt es für gut findet. Der menschliche Leib gilt als ein Ganzes und hat doch viele Glieder; aber alle Glieder dieses einen Leibes bilden trotz ihrer Vielheit doch zusammen nur einen Leib. So ist es auch mit dem geistigen Leibe Christi. Durch die Taufe wurden wir nämlich alle in den einen Geist Christi eingetaucht und wurden so zu einem einzigen geistigen Leibe mit ihm; einerlei ob Juden oder Nichtjuden, ob Sklaven oder Freie: wir alle wurden mit einem und demselben Geiste durchtränkt Der menschliche Leib besteht ja nicht bloß aus einem Gliede, sondern aus vielen. Würde der Fuß sagen: weil ich nicht eine Hand bin, so gehöre ich nicht zum Leibe, - würde er deswegen kein Glied des Leibes sein? Und wenn das Ohr sagen würde: weil ich kein Auge bin, gehöre ich nicht zum Leibe, - würde es deswegen nicht zum Leibe gehören? Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe da das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe der Geruch? So aber hat Gott jedem einzelnen Gliede seinen besonderen Platz am Leibe angewiesen nach seinem eigenen Plane. Wäre das Ganze nur ein einziges Glied, wie könnte da noch von einem Leibe die Rede sein? Jetzt aber gibt es der Glieder viele, während der Leib nur einer ist. Demnach kann das Auge nicht zur Hand sagen: Ich habe dich nicht nötig; ebenso wenig der Kopf zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, die scheinbar schwächsten Glieder des Leibes sind ebenso notwendig wie die andern. Und gerade denjenigen Körperteilen, die wir für weniger anständig halten, erweisen wir besondere Aufmerksamkeit; und das, was mit einer gewissen Scham verbunden ist, erhält eine besonders sorgfältige Bekleidung, welche diejenigen Teile nicht nötig haben, deren Entblößung das Schamgefühl nicht verletzt. Ja, Gott hat die Glieder des Leibes so angeordnet, dass er dem weniger geachteten Gliede eine um so höhere Aufgabe zuwies, damit es keine Unstimmigkeiten unter den Gliedern des Leibes gäbe, sondern die Glieder in aller Eintracht füreinander sorgten. Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und wird ein Glied geehrt, so freuen sich alle andern mit. Ihr alle bildet mit Christus zusammen einen geistigen Leib, und ein jeder von euch ist ein Glied davon. Und unter den Gliedern, denen Gott in der Gemeinde ihren Platz angewiesen hat, kommen an erster Stelle die Apostel; an zweiter Stelle die Sprechmedien für die Muttersprache; an dritter Stelle die, welche die Lehrgabe besitzen; dann die, welche die Macht haben, böse Geister auszutreiben; dann die, denen die Heilskraft verliehen wurde; dann solche, welche die Gabe erlangten, andern seelische Hilfe zu bringen; dann die, welche die Gabe besitzen, die äußere Verwaltung einer Gemeinde zu besorgen, dann die Sprechmedien für die verschiedensten fremden Sprachen. Sind etwa alle Apostel? Sind etwa alle Sprechmedien für die Muttersprache? Haben alle die Gabe des Lehrens? Haben alle die Kraft, böse Geister auszutreiben? Haben alle die Gabe der Heilung? Sind alle Medien für fremde Sprachen? Sind alle Medien für die Übersetzung fremder Sprachen in die Muttersprache? Wetteifert miteinander, in euren Gaben immer vollkommener zu werden! Und nun möchte ich euch einen Weg zeigen, der wohl zu einem besonders hohen Grade der Vollkommenheit führt. Wenn ich alle Sprachen der Menschen und der Geisterboten Gottes sprechen könnte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich wie ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Und wäre ich ein Sprechmedium und schaute ich alle Geheimnisse und besäße alle Kenntnisse und wäre ich so stark im Glauben, dass ich Berge versetzen könnte - hätte aber die Liebe nicht, so wäre das alles für mich wertlos. Und wenn Ich alle meine Habe an die Armen verschenkte und meinen Leib dem Feuertode preisgäbe, aber die Liebe nicht hätte, so nützte es mir nichts. Die Liebe ist voll Geduld und Güte; die Liebe kennt keinen Neid; sie prahlt nicht und erhebt sich nicht stolz über andere; sie handelt nie rücksichtslos, kennt keine Selbstsucht, lässt sich nicht zu bitteren Worten hinreißen und trägt erlittenes Unrecht nicht nach; sie freut sich nicht, wenn das Unrecht die Oberhand gewinnt, sondern ist froh, wenn die Wahrheit den Sieg davon trägt; sie deckt nicht anderer Leute Fehler auf, sondern sucht sie zu entschuldigen; sie glaubt immer nur das Beste, gibt niemals die Hoffnung auf, verliert nie den Mut. Die Liebe stirbt nicht, mag auch das Sprechen der Geister Gottes durch Medien, sei es in der Muttersprache des Mediums, sei es in fremden Sprachen, einmal aufhören, mag auch das Erkennen durch Hellsehen einmal ein Ende haben. Die Wahrheiten Gottes werden uns nämlich teils durch eigenes Hellsehen und Hellhören, teils durch Geister zuteil, die sich menschlicher Medien bedienen. Haben wir aber einmal unsere geistige Vollreife erlangt, dann gibt es für uns kein 'teils, teils' mehr. In meiner Kindheit pflegte ich zu reden, wie ein Kind, hatte die Anschauung eines Kindes und urteilte nach Kinderweise. Seit ich aber die Vollreife des Mannes erlangte, habe ich das Kindische abgestreift. So schauen wir jetzt noch die Wahrheiten, wie in einem Spiegel und in schwer verständlichen Bildern; dereinst aber in ihrer wirklichen Gestalt. Jetzt erkenne ich nur Teilwahrheiten; später aber werde ich alles so genau erkennen, wie ich von der Geisterwelt Gottes erkannt wurde. Jetzt bleiben uns diese drei Geschenke zur Verfügung: Glaube, Hoffnung und Liebe; das größte unter ihnen aber ist die Liebe. Gebt euch die größte Mühe, die Liebe zu erringen. Seid freilich auch mit Eifer darauf bedacht, in Verbindung mit der Geisterwelt Gottes zu kommen. Vor allem strebt danach, Werkzeuge zu werden, durch die Gottes Geister in der Muttersprache zu euch reden. Denn spricht ein Geist in einer Sprache, die den Anwesenden unbekannt ist, so kann er sich diesen Leuten gegenüber nicht verständlich machen, sondern nur Gott versteht ihn. Er bleibt einem jeden deswegen unverständlich, weil der Geist Worte gebraucht, deren Sinn den Zuhörern verborgen ist. Spricht er jedoch in der Muttersprache der Anwesenden, so gereicht ihnen dies zur geistigen Erbauung, zur Ermahnung und Tröstung. Der in einer fremden Sprache redende Geist zieht nur für sich allein geistigen Nutzen daraus, während der in der Muttersprache der Zuhörer redende Geist die ganze Gemeinde erbaut. Ich wollte, ihr wäret in eurer medialen Ausbildung alle so weit, dass Geister durch einen jeden von euch in einer fremden Sprache reden könnten; aber noch viel lieber wäre es mir, wenn sie durch euch alle in eurer Muttersprache sprechen könnten. Denn ein Geist, der in eurer Muttersprache zu euch spricht, ist für euch von größerem Nutzen, als der, welcher in fremder Sprache redet; es müsste denn sein, dass er die fremde Sprache auch in eure Muttersprache übersetzte, damit die Gemeinde geistigen Nutzen daraus ziehen kann. Denn nehmen wir einmal an, meine Brüder, ich käme zu euch als einer, durch den die Geisterwelt in fremden Sprachen spräche; was würde ich euch damit nützen? Kann ich nicht so zu euch reden, dass ich euch durch meine Worte bisher unbekannte Wahrheiten enthülle oder durch meine Gabe des Hellsehens oder als Sprechmedium oder als Lehrer euch die Heilswahrheiten in eurer Muttersprache mitteile, - so hat mein Kommen keinen Zweck. - Ähnlich ist es ja auch bei den leblosen Musikinstrumenten. Gibt zum Beispiel eine Flöte oder Harfe zwar Töne von sich, sind aber die Töne nicht so, dass man eine Melodie unterscheiden kann, wie sollte man dann erkennen, was für ein Lied auf der Flöte oder Harfe gespielt wird? Dasselbe gilt von der Trompete. Hört man nur unverständliche Töne auf ihr Blasen, wer kann dann das Signal zum Kriegsalarm daraus erkennen? So ist es auch mit euch. Wenn durch ein Sprechmedium Worte in einer fremden Sprache gesprochen würden, wie könntet ihr da den Inhalt der Rede verstehen? Es wäre ja alles nur in den Wind geredet. Es gibt wer weiß wie viel Sprachen in der Welt und keine ist an und für sich unverständlich. Aber mir sind sie unverständlich, wenn ich nicht die Bedeutung der Worte dieser Sprachen kenne; redet dann einer in diesen Sprachen zu mir, so kann er sich mit mir nicht verständigen, und ich mich nicht mit ihm. Darum sollt ihr bei eurem eifrigen Bestreben, mit der Geisterwelt in Verbindung zu kommen, darauf bedacht sein, eine große Zahl der verschiedensten Geister Gottes zu erlangen. So soll der, welcher Sprechmedium für fremde Sprachen ist, auch um einen Geist bitten, der die fremde Sprache übersetzen kann. Denn angenommen, ich betete in einer fremden Sprache, dann würde zwar der Geist, der durch mich spricht, die Gebetsworte aussprechen, aber mein eigener Geist hätte nichts davon. Was hätte ein solches Gebet überhaupt für einen Wert? Ich möchte wohl die Gebetsworte aussprechen, die ein Geist Gottes spricht, aber ich möchte vor allem auch den Sinn der Gebetsworte verstehen und so selbst mitbeten können. Ich möchte mit den Worten des Geistes Gott lobpreisen, aber auch selbst den Lobpreis verstehen. Denn nimm einmal an, du sprächest ein Dankgebet als Medium eines Geistes, der in fremder Sprache spricht, wie sollte da das einfache Volk, das fremde Sprachen nicht kennt und als Zuhörer dasitzt, am Schluss deines Dankgebetes sein 'Amen' dazu sagen? Es verstand ja gar nicht, was du gesprochen hast. Es ist sicherlich an und für sich ein schönes Gebet, das du in solchen Fällen betest, doch der andere zieht keinen Nutzen daraus. Ich bin, Gott sei Dank, ein besseres Sprechmedium für fremde Sprachen als ihr alle; aber wenn ich beim Gemeindegottesdienst bin, dann spreche ich lieber bloß fünf Worte, die ich verstehe, um auch andere dadurch zu belehren, als viele Tausend Worte in fremder Sprache. Liebe Brüder, benehmt euch in der Beurteilung solcher Dinge doch nicht wie unerfahrene Kinder! Im Bösen möget ihr die Unwissenheit von Kindern besitzen. Aber in der Beurteilung anderer Dinge sollt ihr gereifte Menschen sein. Im Mosaischen Gesetz stehen die Worte: "In fremden Sprachen und mit fremden Lippen werde ich zu diesem Volke sprechen; aber selbst dann werden sie nicht auf mich hören, - spricht der Herr." Daraus folgt, dass das Reden in fremden Sprachen ein Beweis nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen ist. Nehmt einmal an, die ganze Gemeinde wäre an demselben Orte versammelt, und alle würden in fremden Sprachen sprechen, und es kämen Leute dazu, die nichts von einem Geisterverkehr wissen oder nicht an einen Geisterverkehr glauben, - würden diese nicht sagen, ihr hättet euren Verstand verloren? Würde aber durch euch in der Muttersprache gesprochen, und es käme ein Ungläubiger oder in diesen Dingen Unerfahrener hinzu, so würde ihm von allen der Beweis für den Geisterverkehr erbracht, und jeder Einwand dagegen beseitigt; die geheimsten Gedanken seines Herzens würden aufgedeckt; er würde auf sein Angesicht fallen und Gott die Ehre geben und bekennen, dass tatsächlich Gott in eurer Mitte ist. Wie soll also diese Sache gehandhabt werden, meine Brüder? Folgendermaßen: So oft ihr zum Gottesdienst euch versammelt habt, bekommt ein jeder von euch etwas von der Geisterwelt; bei dem einen besteht es in einem Lobpreis Gottes, bei dem andern in einer Belehrung, bei dem dritten in einer Offenbarung, bei einem vierten in einer Rede in fremder Sprache, bei einem fünften in der Übersetzung der fremden Sprache. All das soll zur Erbauung dienen. Soll in fremder Sprache gesprochen werden, so sind zwei oder höchstens drei Geister dafür zuzulassen, und zwar einer nach dem andern, und ein Geist soll die Übersetzung in die Muttersprache der Anwesenden vornehmen. Ist kein Geist anwesend, der die fremde Sprache übersetzen kann, so soll auch der andere Geist seine Ansprache unterlassen. Er mag anstatt dessen still für sich ein Gebet zu Gott richten. Auch Ansprachen in der Muttersprache sollen nur von zwei oder drei gehalten werden, und die Anwesenden sollen über das Gehörte sich aussprechen. Wird aber einem Teilnehmer der Versammlung plötzlich eine Eingebung zuteil, so soll das Sprechmedium schweigen. Die Sprechmedien können ja alle noch oft genug an die Reihe kommen, um die ganze Gemeinde zu belehren und zu ermuntern. Die in den Sprechmedien sich kundgebenden Geister leisten nämlich den Medien Gehorsam. Gott ist ja nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens. So lehre ich es in allen Gemeinden der Gottestreuen. Eure Frauen sollen in den Gemeindeversammlungen nicht das Wort ergreifen; denn sie haben nicht den Auftrag erhalten, zu reden, sondern sollen sich unterordnen, wie schon das Mosaische Gesetz es bestimmt. Möchten sie jedoch gerne über irgendeinen Punkt Auskunft haben, so sollen sie zu Hause ihrem Manne die Frage vorlegen; denn es steht einer Frau übel an, wenn sie in einem Gemeindegottesdienst eine Unterhaltung beginnt. Oder ist etwa von euch das Wort Gottes zuerst hergekommen oder zuerst zu euch gelangt, so dass ihr alles besser wüsstet? Wenn einer sich für ein Sprechmedium hält oder für einen, der auf andere Weise in Verbindung mit der Geisterwelt steht, der möge sich durch Befragen der Geisterwelt davon überzeugen, dass das, was ich euch schreibe, ein Auftrag des Herrn ist. Lässt einer es aber unbeachtet, o wird auch ihm keine Beachtung mehr geschenkt. - Also, meine Brüder, trachtet eifrig danach, Werkzeuge der Geisterwelt zum Sprechen in der Muttersprache zu werden; aber sucht auch das Sprechen der Geister in fremden Sprachen nicht ganz zu unterbinden. Alles aber gehe mit allem Anstand und in schönster Ordnung vor sich. Liebe Brüder, ich weise euch nochmals auf die Heilsbotschaft hin, die ich euch gepredigt habe. Ihr habt sie angenommen, seid auch fest von ihrer Wahrheit überzeugt, und werdet durch sie auch das Heil erlangen, wenn ihr an der Lehre festhaltet, die ich euch verkündet habe. Tut ihr das nicht, dann hatte es keinen Zweck für euch, überhaupt zum Glauben gekommen zu sein. Eine der ersten Lehren, die ich euch predigte, und die ich auch selbst als eine der ersten empfing, ist diese: Christus ist für unsere Sünden des Abfalls gestorben, wie es in der Schrift von ihm vorherverkündet war; er wurde begraben und am dritten Tage auferweckt, ebenfalls der Schrift gemäß; er erschien dem Petrus, und danach den Elfen. Hierauf ist er mehr als fünfhundert Gläubigen zugleich erschienen. Die meisten von ihnen sind heute noch am Leben, einige sind tot. Darauf erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln. Zuletzt ist er auch mir erschienen, der ich gewissermaßen eine Fehlgeburt war; denn ich bin der geringste unter den Aposteln, und verdiene eigentlich nicht den Namen 'Apostel', weil ich ein Verfolger der Gemeinde Gottes war. Doch durch die Gnade Gottes wurde ich, was ich jetzt bin; und die Gnade, die er mir erwies, war nicht fruchtlos; denn ich habe mehr gearbeitet als alle andern. Freilich war es nicht die eigene Kraft, die mich dazu befähigte, sondern die Gnade Gottes, die mir beistand. Es ist ja auch gleich, ob ich euch das Evangelium predigte oder jene; wir predigen alle dieselbe Wahrheit, und diese Wahrheit habt ihr gläubig angenommen. Wenn gepredigt wird, Christus sei von den Toten auferstanden, wie können dann einige von euch behaupten, es gäbe keine Auferstehung der Toten. Wenn es überhaupt keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, dann ist freilich sowohl unsere Predigt als auch unser Glaube ein leerer Wahn. Dann haben wir über Gott ein falsches Zeugnis abgelegt, da wir von ihm bezeugten, dass er Christus auferweckt habe, während er ihn in Wirklichkeit nicht auferweckte; denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht auferstanden, dann ist euer Glaube zwecklos; ihr seid dann noch in euren Sünden des Abfalls, und auch die, welche im Glauben an Christus starben, sind verloren. Wenn wir bloß in diesem Leben unsere Hoffnung auf Christus setzen dürfen, so sind wir die beklagenswertesten von allen Menschen. - Nun aber ist Christus wirklich von den Toten auferstanden als Erstling der Entschlafenen. Denn weil der geistige Tod der Menschen durch einen Menschen herbeigeführt wurde, darum erfolgt auch die Auferstehung der geistig Toten durch einen Menschen. Wie nämlich in der Gemeinschaft mit Adam alle des geistigen Todes starben, so werden in der Gemeinschaft mit Christus alle wieder zum geistigen Leben kommen, und zwar ein jeder dann, wann die Reihe an ihn kommt. Christus machte den Anfang; dann kommen die, welche Christus angehören, so oft er erscheint, um Auslese zu halten; die letzten kommen dann, wenn er Gott und dem Vater das Reich übergeben wird, sobald er jede andere Herrschaft und gottfeindliche Gewalt und Macht zum Aufhören gebracht hat. Christus muss ja so lange als König herrschen, bis Gott ihm alle Feinde zu Füßen gelegt hat. Der letzte Feind, der sich unterwirft, ist der Todesfürst; es heißt ja: "Bis er ihm alles zu Füßen gelegt hat." Sobald Christus sagen wird: "Alles ist unterworfen!" ist selbstverständlich derjenige von der Unterwerfung ausgenommen, der Christus alles unterworfen hat. Wenn aber Christus alles unterworfen ist, dann wird Christus selbst als der Sohn sich demjenigen unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei. Warum lassen manche sich für die Toten taufen? Wenn Tote überhaupt nicht auferstehen, weshalb lassen sie sich denn da noch für jene taufen? Und wir selbst, - was brauchen wir uns dann noch Stunde für Stunde Gefahren auszusetzen? Täglich schwebe ich ja in Todesgefahr, - ich schwöre es euch bei dem Stolze, den ich euretwegen habe, und auf den unser Herr Jesus Christus mir ein Anrecht gab. Wenn ich als gewöhnlicher Mensch in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft hätte, was könnte mir das nützen? Wenn keiner mehr aus dem Reiche der geistig Toten herauskommt, dann wollen wir essen und trinken; denn morgen sind wir tot. Doch lasst euch nicht irre führen. Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten. Werdet richtig wach und fallet nicht wieder m die alten Sünden zurück. Denn leider haben manche von euch noch nicht die rechte Gotteserkenntnis; - zu eurer Beschämung muss ich das sagen. Aber, - so wird der eine oder andere fragen - wie stehen die Toten auf? In was für einem Leibe wandeln sie? - Was bist du doch töricht! Betrachte dir doch einmal den irdischen Samen, den du in den Boden streuest! Muss der nicht zuerst im Boden ersterben, ehe aus ihm neues Leben sprosst? Und das Samenkorn, das du in den Boden legst, ist doch nicht gleichbedeutend mit der Pflanze, die später hervorwächst. Du säest vielmehr - zum Beispiel vom Weizen oder einem andern Gewächs - bloß das nackte Samenkorn. Gott aber gibt ihm einen Pflanzenkörper, wie er will, und zwar jeder Samenart den ihr eigentümlichen Körper. Nicht alle irdischen Lebewesen haben denselben materiellen Körper. Anders ist der materielle Leib beim Menschen, anders beim vierfüßigen Tiere, anders beim Vogel, anders beim Fisch. Auch gibt es himmlische Leiber und irdische Leiber. Eine andere Strahlung hat die Sonne, eine andere der Mond, eine andere die Sterne. Auch unterscheidet sich ein Stern von dem andern in seiner Strahlung. So verhält es sich auch mit der Auferstehung von den Toten. Das, was gesät wird, vergeht; was aber heranwächst, vergeht nicht. Was gesät wird, ist hässlich; was zum Leben kommt, ist herrlich. Was gesät wird, ist krank und schwach; was zum Leben kommt, ist gesund und kräftig. Was gesät wird, ist ein Astralleib, was zum Leben kommt, ist ein geistiger Leib. In diesem Sinne steht auch geschrieben: "Der erste Mensch Adam wurde zu einem Lebewesen mit einem Astralleib"; der letzte Adam zu einem lebenbringenden Geistwesen. Aber nicht der geistige Leib kommt zuerst, sondern der Astralleib und dann erst der geistige. Der erste Mensch ist von der Erde und daher irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel und daher himmlisch. Wie der Irdische war, so sind alle Irdischen; und wie der Himmlische war, so sind auch alle Himmlischen. Und wie wir die Gestalt des irdischen Menschen trugen, so werden wir auch die Gestalt des himmlischen tragen. Denn das eine möchte ich ganz besonders betonen, meine Brüder: "Irdisches Fleisch und Blut können nicht das Reich Gottes ererben, denn Vergängliches nimmt nie an Unvergänglichem teil!" Nun will ich euch noch etwas mitteilen, was euch bisher unbekannt war: Keiner von uns wird im Reich der geistig Toten verbleiben, sondern wir werden alle die Verwandlung in den geistigen Leib durchmachen. Mit großer Plötzlichkeit, in der Kürze eines Augenblicks, beim letzten Posaunenstoß wird die Verwandlung eintreten. Denn die Posaune wird erschallen, und die geistig Toten werden zu unvergänglichem Leben auferstehen; auch wir werden verwandelt werden. Denn es ist Bestimmung, dass dieses Vergängliche mit dem Unvergänglichen umkleidet wird, und dieses Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen soll. Wenn aber dieses Vergängliche mit dem Unvergänglichen umkleidet sein wird, und dieses Sterbliche das Kleid der Unsterblichkeit tragen wird, dann wird das Wort der Schrift erfüllt sein: "In den Staub getreten wurde der Todesfürst, bis der Sieg errungen war. Wo ist nun, o Todesfürst, dein Zepter? Wo ist, o Todesfürst, dein Sieg?!" Gott sei Dank, der uns den Sieg verliehen hat durch Jesus Christus, unsern Herrn! Daher, meine lieben Brüder, zeigt euch standhaft und unerschütterlich und wirket immer und an allen Orten für die Sache des Herrn. Ihr wisst ja, dass eure Arbeit nicht ohne Erfolg sein wird, sobald sie in der Gemeinschaft mit dem Herrn getan wird. Was nun die Sammlung für die Heiligen betrifft, so haltet es damit ebenso, wie ich es für die galatischen Gemeinden angeordnet habe. An jedem ersten Tage in der Woche lege jeder in seinem Hause etwas zurück und spare auf diese Weise so viel zusammen, wie seine Verhältnisse es gestatten, damit nicht etwa erst bei meiner Ankunft Sammlungen abgehalten zu werden brauchen. Nach meiner Ankunft werde ich dann Männer, die ihr für geeignet haltet, mit eurer Liebesgabe nach Jerusalem senden und ihnen ein Begleitschreiben mitgeben. Sollte es jedoch der Mühe wert sein, dass ich selbst dorthin reise, so sollen sie mich begleiten. Ich werde jedoch erst zu euch kommen, wenn ich Mazedonien bereist habe. Es ist dies bloß eine Durchreise durch Mazedonien. Bei euch werde ich aber länger bleiben und vielleicht den Winter zubringen, so dass ihr mir dann bei meiner Weiterreise das Geleit geben könnt. Ich möchte euch diesmal nämlich nicht bloß auf einer Durchreise flüchtig besuchen, sondern hoffe, eine Zeitlang bei euch bleiben zu können, wenn es der Herr so fügen sollte. Hier in Ephesus bleibe ich noch bis zum Pfingstfest. Denn es hat sich mir hier eine Gelegenheit zu vielseitiger und erfolgreicher Tätigkeit geboten. Freilich fehlt es auch nicht an Gegnern. Wenn Timotheus zu euch kommt, so sorget dafür, dass er ohne Furcht bei euch auftreten kann. Er arbeitet ja in der Sache des Herrn, wie auch ich. Niemand möge ihn daher geringschätzig behandeln. Nachher entlasst ihn dann in Frieden, damit er wieder zu mir zurückkehrt. Denn ich erwarte ihn samt den andern Brüdern. Was den Bruder Apollos betrifft, so möchte ich euch mitteilen, dass ich ihm dringend zugeredet habe, sich mit den Brüdern zu euch zu begeben. Doch er will jetzt durchaus nicht die Reise unternehmen. Er wird jedoch kommen, sobald sich eine günstige Gelegenheit dazu bietet. Seid wachsam, seid standhaft im Glauben, seid mannhaft, seid stark! Lasst alles bei euch in Liebe vor sich gehen! Noch auf eines möchte ich euch, liebe Brüder, aufmerksam machen: Ihr wisst, dass das Haus des Stephanas und des Fortunatus die ersten gewesen sind, die in Griechenland zum Glauben kamen und sich in den Dienst der Gottestreuen stellten. So ordnet denn auch ihr euch solchen Leuten unter, wie überhaupt jedem, der tatkräftig mitarbeitet und es sich sauer werden lässt. Ich freue mich über die Anwesenheit des Stephanas, des Fortunatus und des Achaikus. Sie haben mir dafür, dass ich das Zusammensein mit euch entbehren musste, Ersatz geleistet; denn ihre Anwesenheit war eine große geistige Beruhigung für mich, wie auch für euch. Männer, wie diese, solltet ihr wertschätzen. Es grüßen euch die Gemeinden von Kleinasien. Recht herzlich grüßen euch im Herrn Aquila und Priska nebst der Gemeinde, die in ihrem Hause zusammenkommt. Es grüßen euch die Brüder alle. Grüßt euch untereinander mit einem heiligen Kuss. Und mein Gruß, den ich, Paulus, euch mit eigener Hand schreibe, lautet: "Wer den Herrn nicht lieb hat, der werde ausgeschlossen aus seiner Gemeinschaft! Unser Herr komme! Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit euch! Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus. Amen.'' Paulus, der nach dem Willen Gottes ein Apostel Jesu Christi wurde, und der Bruder Timotheus entbieten der Gemeinde zu Korinth, sowie allen Gottestreuen in ganz Griechenland ihren Gruß. Mit euch sei Gnade und Friede von Gott, unserm Vater, und vom Herrn Jesus Christus! Lob und Preis sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist der Vater der Barmherzigkeit und der Gott jeglicher Tröstung. Er spendet uns seinen Trost in jeder Not, damit auch wir diejenigen, die sich in irgend einer Drangsal befinden, mit dem gleichen Troste aufrichten sollen, den wir selbst von Gott empfangen. Wie die Leiden, die Christus erduldete, in reichem Maße über uns kommen, so wird uns durch Christus auch der Trost in demselben reichem Maße zuteil. Mag uns also Leid zustoßen, so gereicht dieses Leid euch zum Trost; mag uns Trost zuteil werden, so gereicht auch dies euch selbst zur Tröstung und zum Heil; euer Heil könnt ihr nämlich dadurch wirken, dass ihr in denselben Leiden, die auch wir zu erdulden haben, stets standhaft bleibt. So sind wir denn in Bezug auf euch voller Hoffnung in dem Bewusstsein, dass ihr, wie an den Leiden, so auch an dem Trost in gleichem Maße Anteil habt. Wir möchten euch nämlich, liebe Brüder, die Drangsale nicht verschweigen, die uns in Kleinasien betroffen haben. Sie waren so über alle Maßen schwer und unerträglich, dass wir keine Hoffnung mehr hatten, unser Leben retten zu können. Vielmehr sahen wir bereits die Vollstreckung des Todesurteils vor unserem geistigen Auge. Dadurch sollten wir lernen, unser Vertrauen nicht auf uns selbst zu setzen, sondern auf Gott, der diejenigen, die schon zu den Toten gerechnet werden, dem Leben wiedergibt. Er, auf den wir unsere Hoffnung gesetzt haben, befreite uns aus dieser furchtbaren Todesnot und wird uns auch fernerhin befreien, weil auch ihr bei ihm mit eurer Fürbitte für uns eintretet, damit wegen unserer Rettung Dankgebete aus dem Munde der Vielen emporsteigen, deren Antlitz vorher im Gebete für unsere Rettung himmelwärts gerichtet war. Unser einziger Ruhm besteht in dem Zeugnis unseres Gewissens, dass wir ein Leben der Aufrichtigkeit und Gott wohlgefälliger Lauterkeit fühlten; dass wir in der Welt und ganz besonders im Verkehr mit euch nicht nach den Grundsätzen irdischer Klugheit wandelten, sondern so, wie uns die Gnade Gottes den Weg wies. Doch damit schreiben wir euch nichts, was ihr nicht schon selbst genau wisset und auch als richtig anerkennt; hoffentlich werdet ihr uns vollständig kennen lernen; denn bis jetzt kanntet ihr uns bloß zum Teil. Am Tage, wo der Herr Jesus kommt, gereichen wir dann euch zum Ruhm und ihr uns. Gestützt auf dieses Vertrauen auf euch, hatte ich mir vorgenommen, euch schon eher zu besuchen, um euch damit eine zweifache Freude zu bereiten; ich hatte nämlich zunächst vor, über Korinth nach Mazedonien zu reisen und von dort wieder zu euch zurückzukehren; dann aber wollte ich mir von euch das Geleit nach Judäa geben lassen. Habe ich nun, als ich diesen Plan fasste, etwa in gedankenloser Leichtfertigkeit gehandelt? Oder fasse ich meine Entschlüsse nach den Augenblicksstimmungen, wie die Weltmenschen, so dass ich jetzt 'Ja!' und im nächsten Augenblick 'Nein!' sage? Gott ist mein Zeuge, dass eine euch von uns gegebene Zusage nicht 'Ja' und 'Nein' zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der von uns bei euch gepredigt wurde, - nämlich durch mich, Silvanus und Timotheus, - war auch keiner von denen, die jetzt 'Ja' sagen und nachher dieses 'Ja' in ein 'Nein' umändern, sondern hatte er einmal 'Ja' gesagt, dann wurde dieses 'Ja' von ihm auch verwirklicht. So sind in ihm auch alle Verheißungen Gottes zu einem 'Ja' der Erfüllung geworden. Darum ist durch ihn auch das 'Amen' erfolgt, wofür wir Gott Lob und Preis darbringen. Und Gott ist es, der uns zusammen mit euch immer fester in die Gemeinschaft mit Christus einfügt; Gott ist es, der uns die geistige Salbung verlieh, und uns ein Siegel aufdrückte und als Pfand seinen Geist in unsere Herzen sandte. Wenn ich nun trotz meines Versprechens noch nicht zu euch nach Korinth gekommen bin, so geschah es nur aus schonender Rücksicht auf euch, - so wahr ein Gott ist, der mich an meinem Leben strafen soll, wenn ich die Unwahrheit sage. Unser Kommen sollte nicht den Anschein erwecken, als wollten wir uns als Herren über eure Glaubensüberzeugung aufspielen. Nur solche wollten wir sein, die dazu beitragen, eure Freude zu vergrößern. Im Glauben habt ihr ja einen festen Standpunkt gewonnen. Ich überlegte mir daher die Sache und kam zu dem Entschluss, nicht noch einmal in einem Zeitpunkt zu euch zu kommen, wo mein Besuch euch zur Betrübnis gereichen würde. Denn wenn ich euch wehe tue, wen gäbe es dann noch, der mir eine Freude machen könnte. Es bliebe ja nur der übrig, dem ich selbst Betrübnis bereitete. Und gerade aus dem Grunde schrieb ich euch diesen Brief, damit ich bei meiner Ankunft nicht Betrübnis über Betrübnis von Seiten derer erlebe, die mir Freude bereiten müssten. Ich darf zu euch allen doch wohl das Vertrauen hegen, dass meine Freude euer aller Freude ist. Denn aus großer Bedrängnis und Herzensangst heraus habe ich euch unter vielen Tränen geschrieben. Ich tat es nicht, um euch in Betrübnis zu versetzen, sondern damit ihr daraus die Liebe erkennen solltet, die ich euch in besonders reichem Maße entgegenbringe. Hat eine gewisse Person Betrübnis verursacht, so betrübte sie nicht so sehr mich, als einen Teil eurer Gemeinde, um nicht zu sagen eure ganze Gemeinde. Der überwiegende Teil der Gemeindemitglieder hat dieser Person eine Strafe auferlegt; damit soll es nun sein Bewenden haben; im Gegenteil, man sollte dem Betreffenden jetzt lieber mit "Güte entgegenkommen und ihn aufmuntern, damit er nicht durch ein Übermaß von Leid schließlich in Verzweiflung gerät. Darum empfehle ich euch, Liebe gegen ihn walten zu lassen; denn ich habe mich bei meinem letzten Schreiben auch von der Absicht leiten lassen, einmal festzustellen, ob ihr bereit wäret, in allen Stücken Gehorsam zu leisten. Wenn ihr nun jenem Manne Verzeihung gewährt, dann verzeihe auch ich. Denn ich habe alles im Angesicht Jesu Christi euretwegen verziehen, wenn ich überhaupt etwas zu verzeihen hatte. Wir wollen uns doch nicht von Satan überlisten lassen, dessen Anschläge wir ja nur zu gut kennen. Als ich nach Troas kam, um die Heilsbotschaft Christi zu verkünden, da öffnete sich dort der Sache des Herrn zwar Tür und Tor; aber innerlich fand ich infolge der Einwirkung des mir zugeteilten Geistes doch keine Ruhe, weil ich meinen Mitbruder Titus dort nicht antraf. Ich nahm also Abschied von der dortigen Gemeinde und begab mich nach Mazedonien. Dafür danke ich Gott, der ja allezeit über uns triumphiert durch die Macht Christi, und der die wahre Gotteserkenntnis wie einen geistigen Wohlgeruch durch unser Wirken überall aufsteigen lässt; ein Wohlgeruch sind wir, der von Christus zur Ehre Gottes auf die ausströmt, die gerettet werden, wie auch auf die, welche ins Verderben gehen; den letzteren wird er zum Verwesungsgeruch, wie er im Reich des geistigen Todes herrscht; den ersten zum Lebensodem, der im Reich des geistigen Lebens weht. Und wer ist geeignet für ein solches Wirken? Nun, wir sind es, da wir ja nicht, wie die übrigen, aus der Verkündigung des Wortes Gottes ein Geschäft zu machen suchen, sondern in selbstloser Gesinnung im Auftrage Gottes und unter den Augen Gottes als Diener Christi die Heilsbotschaft verkünden. Fangen wir schon wieder an, uns selbst zu empfehlen? Oder haben wir etwa, wie gewisse Leute, Empfehlungsbriefe an euch oder von euch nötig? Ihr seid unser Empfehlungsbrief, der uns ins Herz geschrieben ist. Er wird von aller Welt als solcher anerkannt und gelesen. An euch kann man deutlich sehen, dass ihr ein Brief Christi seid, der von uns in Ausübung des Dienstes Christi niedergeschrieben wurde, nicht mit Tinte, sondern mit einem Geiste des lebendigen Gottes; nicht auf Tafeln von Stein, sondern auf Tafeln des menschlichen Herzens. Ein so großes Gottvertrauen haben wir durch Christus erlangt, dass wir auf unsere eigene Fähigkeit, in irgend einer Sache ein rechtes Urteil abzugeben, uns nicht im geringsten verlassen; unsere Tauglichkeit dazu stammt vielmehr von Gott. Er befähigt uns auch, Diener eines neuen Bundes zu sein, der nicht in Buchstaben gefasst ist, sondern in das Wirken eines Geistes. Denn der Buchstabe sollte zum geistigen Tode führen, der Geist aber zum geistigen Leben. Nun verbreitete schon der Dienst, der zum geistigen Tode führte und auf Stein geschrieben war, einen solchen Glanz, dass die Israeliten nicht in das Angesicht des Mose schauen konnten wegen der Strahlung seines Antlitzes, die jedoch wieder schwand. Sollte da der Dienst des Geistes nicht einen noch höheren Glanz besitzen? Denn wenn dem Dienst, der das Verdammungsurteil im Gefolge hatte, eine solche Herrlichkeit beschieden war, in wie viel größerer Herrlichkeit muss dann wohl der Dienst erstrahlen, der das Wohlgefallen Gottes zur Folge hat? Ja, die dort zu Tage getretene Herrlichkeit des Buchstabens wird in dieser Beziehung ganz in Schatten gestellt von der überschwänglichen Herrlichkeit des Dienstes des Geistes; Denn wenn schon der vergängliche Glanz so herrlich war, um wie viel herrlicher muss dann der Glanz sein, der immerdar bleibt? Auf eine so große Hoffnung gestützt, treten wir mit großem Freimut auf. Wir machen es also nicht wie Mose. Dieser legte eine Decke über sein Angesicht aus Furcht, die Israeliten möchten das Verschwinden der vergänglichen Strahlung bemerken. Trotzdem blieb ihr Herz verhärtet. Denn bis auf den heutigen Tag ist diese Decke noch immer bei ihnen vorhanden, so oft ihnen die Schriften des alten Testaments vorgelesen werden. Diese Decke wird auch nicht weggenommen; denn sie kann nur entfernt werden durch den Glauben an Christus. Ja, bis heute liegt eine Decke auf ihrer Seele, so oft Mose vorgelesen wird. Sobald sich Israel aber zum Herrn bekehrt, wird die Decke beseitigt. Der Herr ist nämlich der Geist, und wo der Geist des Herrn ist, da ist wahre Freiheit. Sobald wir daher mit unverhülltem Antlitz unseres Geistes die Herrlichkeit des Herrn sich in uns spiegeln lassen, werden wir in sein Ebenbild umgestaltet, indem wir von einer Stufe der Herrlichkeit zur andern immer höher steigen, und zwar in dem Maße, wie dies von einem Geiste bewirkt wird, der vom Herrn kommt. Diesen Dienst des Geistes haben wir dem Erbarmen Gottes zu verdanken. Deshalb kennen wir auch keine Mutlosigkeit. Wir haben uns losgesagt von jenem Versteckenspielen, wie es die Menschenfurcht mit sich bringt. Wir gehen nicht mit Verstellung um und fälschen auch das Wort Gottes nicht. Wir legen die Wahrheit offen dar und geben uns so, dass jeder sein Urteil über uns nach bestem Gewissen vor dem Angesicht Gottes abgeben kann. Ist auch die von uns gepredigte Wahrheit dunkel, so ist sie doch nur dunkel für die, welche ins Verderben gehen. Denn den Ungläubigen hat der 'Gott dieser Welt' den Verstand verfinstert; so kann ihnen das helle Licht der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit Christi, der ein Ebenbild Gottes ist, nicht leuchten. Denn was wir predigen, ist ja nicht unsere Lehre, sondern die Lehre Jesu Christi, unsers Herrn; uns selbst betrachten wir nur als eure Knechte im Dienste Jesu. Denn der Gott, der da gesagt hat: 'Aus der Finsternis leuchte Licht hervor!', der hat das Licht auch in unsere Herzen leuchten lassen, damit auch andere durch dieses Licht zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes gelangen unter der Leitung Jesu Christi. Doch tragen wir diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen. Dadurch soll klar zu Tage treten, dass die überaus große Kraft, die uns zuteil wurde, nur von Gott kommen kann, und nicht von uns selbst. Darum werden wir zwar auf Schritt und Tritt hart bedrängt, aber erdrückt werden wir nicht; wir werden geängstigt, aber nicht zur Verzweiflung gebracht; wir werden verfolgt, bleiben aber nicht in den Händen der Verfolger; wir werden zu Boden geschleudert, aber nicht vernichtet; beständig haben wir ähnliches Leid auf unserm irdischen Lebensweg zu ertragen, wie Jesus bis zu seinem Tode erdulden musste, damit auch die Lebenskraft Jesu in unserem, dem leiblichen Leben offenbar werde. Denn wenn wir auch immer wieder mit dem Leben davonkommen, so schweben wir doch stets in Todesgefahr um Jesu willen, damit auch die Lebenskraft Jesu in unserm dem Tode geweihten Fleische zur Geltung komme. An uns versucht alles, was Tod' heißt, seine Kraft; bei euch alles, was 'Leben' heißt. Wir besitzen denselben Geist des Glaubens, von dem geschrieben steht: 'Ich glaubte, und darum redete ich!' ja, auch wir glauben, und darum reden wir. Auch haben wir die Gewissheit, dass Er, der Jesus auferweckte, auch uns, die wir in der Gemeinschaft mit Jesus stehen, auferwecken und mit euch zusammen an Jesu Seite stellen wird. Denn alles geschieht zu eurem Nutzen. Es sollen die Gnadenwirkungen immer reichlicher werden, so dass sie schließlich die höchste Stufe erreichen zur Verherrlichung Gottes, indem die Zahl derer, die Gott ihren Dank dafür darbringen, immer größer wird. Darum sind wir auch nie verzagt. Wird auch unser äußerer Mensch bis zu Tode gequält, so empfängt doch unser Inneres Tag für Tag neue Kraft. Denn das, was wir augenblicklich an Leiden zu tragen haben, ist nur vorübergehend und nicht schwer. Aber es verschafft uns für die andere Welt ein solches Maß von Herrlichkeit, dass es alle menschlichen Begriffe übersteigt. Darum wollen wir unsern Blick nicht auf das richten, was wir mit unsern leiblichen Augen sehen, sondern auf das, was wir nicht sehen können. Denn das uns jetzt Sichtbare vergeht, und das uns Unsichtbare dauert alle Zeiten hindurch. Wir wissen ja, dass wir nach Abbruch dieses irdischen Zeltes, das uns als Wohnung diente, von Gott eine Wohnung erhalten, - ein Haus, das nicht von Menschenhänden angefertigt ist, sondern das für alle Zukunft in den himmlischen Sphären für uns bereit gehalten wird. Das ist nämlich der Grund unseres Seufzens, dass wir uns danach sehnen, unter das Dach unserer himmlischen Wohnung zu gelangen, und dass wir nach Abbruch unserer irdischen Behausung nicht etwa als Obdachlose im Jenseits angetroffen werden. Solange wir jedoch in diesem irdischen Zelte hausen müssen, seufzen wir unter einem schweren Druck. Der Grund ist folgender: Wir möchten nicht erst nach und nach des Irdischen entkleidet werden, sondern sofort mit dem Himmlischen überkleidet werden, damit alles, was mit dem geistigen Tode zusammenhängt, von dem geistigen Leben aufgesogen wird. Der uns die Kraft gibt, dies Ziel zu erreichen, ist Gott; er hat uns ja bereits einen Geist als Pfand darauf gegeben. So sind wir denn allezeit guten Mutes. Wir wissen zwar, dass wir so lange fern vom Herrn wohnen müssen, als wir mit dem Niedrigen überkleidet sind. Doch wir wandeln ja auf dem Wege des Glaubens und nicht auf dem des Schauens. Dennoch sind wir voller Zuversicht und möchten eher annehmen, dass wir schon das Irdische abgelegt haben und infolgedessen in der Nähe des Herrn unsere Heimat finden können. Wie dem aber auch sei, - mögen wir dem Herrn nahe oder fern von ihm sein -, auf alle Fälle betrachten wir es als eine Ehrenpflicht, ihm wohlgefällig zu leben. Denn wie weit wir in Wirklichkeit sind, das muss sich zeigen, wenn wir alle vor Christus als unserm Richter stehen; dann wird ein jeder die ihm zukommende Gestaltung seines Leibes im Jenseits erhalten, je nachdem, was er getan hat, ob Gutes oder Schlechtes. Wenn wir 'Menschen für uns zu gewinnen suchen', so sind wir uns dabei stets der Furcht des Herrn bewusst. Unsere Handlungsweise liegt offen vor den Augen Gottes; auch offen vor den Augen eures bessern Ich, wie ich hoffe. Damit wollen wir uns bei euch nicht wieder in Empfehlung bringen, sondern euch bloß einen Grund geben, stolz auf uns zu sein, damit ihr jenen Leuten die rechte Antwort geben könnt, die bloß auf Äußerlichkeiten, anstatt auf das wahre innere Wesen stolz zu sein pflegen. Denn wenn wir für die Sache Gottes eintreten, dann sind wir in den Augen dieser Leute 'von Sinnen'; reden wir aber zu euren Gunsten, dann sind wir 'so vernünftig'. Und doch ist es in allem die Liebe zu Christus, die uns leitet. Stets haben wir die Wahrheit vor Augen: "Dieser Eine ist für alle gestorben; demnach waren alle zum geistigen Tode verurteilt. Er starb für alle, damit die, welche zum Leben kommen, nicht mehr für sich selbst leben, sondern dem ihr Leben weihen, der für sie starb und für sie aus dem Reich der geistig Toten wieder hervorkam." Daher spielen in unsern Augen von nun an die irdischen Schwächen eines Menschen keinerlei Rolle mehr; und wenn wir auch Christus als einen Menschen kannten, der irdische Schwächen besaß, so kann auch davon jetzt keine Rede mehr sein. Wenn vielmehr einer in der Gemeinschaft mit Christus lebt, so ist er dadurch ein vollständig neues Geschöpf geworden; das Alte ist geschwunden, und etwas Neues trat an seine Stelle. Dies alles ist aber das Werk Gottes, der uns durch Christus mit sich versöhnte und uns den Dienst übertrug, der die Versöhnung vermitteln soll: wie Gott es war, der die Versöhnung zwischen dem ganzen Weltall und Ihm durch Christus herbeiführte, indem er den Geschöpfen ihren einstigen Abfall nicht mehr anrechnete, so ist es derselbe Gott, der uns die Verbreitung der Lehre von dieser Versöhnung übertragen hat. So treten wir also an Stelle Christi als seine Gesandten auf, doch so, dass es als der Ruf Gottes anzusehen ist, wenn wir euch sagen: "An Christi statt bitten wir euch: Lasst euch mit Gott versöhnen!" Gott hat den, der die Sünde des Abfalls nicht kannte, für uns zum Sünder gemacht, damit wir in der Gemeinschaft mit ihm das Wohlgefallen Gottes erlangen. Als eure Mitarbeiter möchten wir euch ermahnen, doch dafür zu sorgen, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen habt. Es steht ja geschrieben: "Zu der für dich bestimmten Zeit erhörte ich dich, und an einem Tage, der dir Heil bringen sollte, half ich dir!" Seht, jetzt ist ein solcher für euch günstiger Zeitpunkt da; jetzt ist der Tag erschienen, der euch zum Heile dienen soll. Ihr dürft daher niemand irgend eine Veranlassung zur Sünde geben, damit man unsere Religion nicht mit Schmähungen überhäuft. Wir sollen uns vielmehr als wahre Diener Gottes erweisen, indem wir in jeder Lebenslage tapfer ausharren, - ausharren in Leiden, Nöten und Ängsten; ausharren unter Wunden und Kerkerhaft; ausharren trotz Volksaufständen und Geißelhieben; trotz Mangel an Schlaf und Nahrung; ausharren in Sittenreinheit und rechter Gotteserkenntnis, in Langmut und Güte, unter der Führung eines heiligen Geistes und in ungeheuchelter Liebe; ausharren im Predigen der Wahrheit unter Erweisen der Kraft Gottes, unter Anwendung von gottwohlgefälligen Waffen zum Angriff und zur Verteidigung; einerlei, ob wir dabei Ehre ernten oder Schmach; ob man uns Gutes nachredet oder Schlechtes; ob wir als Betrüger gelten, obschon wir die Wahrheit reden, oder als Leute behandelt werden, die man nicht kennen will, obwohl man sie sehr gut kennt; lasst uns ausharren als solche, die täglich dem Tode verfallen zu sein scheinen und doch am Leben bleiben; die vom Bösen versucht, aber nicht zum Abfall von Gott gebracht werden; die viel Leid zu tragen haben, aber dabei allezeit fröhlich sind; die arm sind, und doch viele reich machen; die nichts haben und doch alles besitzen. Meine lieben Korinther! Bei dem Überquellen unserer Herzen ließen wir soeben unsern Worten an euch freien Lauf; ihr nehmt ja in unsern Herzen keinen geringen Raum ein; aber eng ist der Raum, den ihr uns in euren Herzen gewährt. Vergeltet uns doch Gleiches mit Gleichem! Ich rede zu euch, wie zu meinen Kindern: "Lasst auch euer Herz weit werden!" Lasst euch nicht mit Ungläubigen in dasselbe Joch spannen! Denn was hat Gottestreue mit Gottlosigkeit gemein? Oder welche Gemeinschaft besteht zwischen Licht und Finsternis? Welche Übereinstimmung herrscht zwischen Christus und Belias? Oder was hat der Gläubige mit dem Ungläubigen zu schaffen? Wie verträgt sich der Tempel Gottes mit dem Tempel der Götzen? Wir sind ja doch ein Tempel des lebendigen Gottes, wie es Gott selbst in den Worten ausgesprochen hat: "Ich will unter ihnen wohnen und wandeln; ich will ihr Gott, und sie sollen mein Volk sein. Darum gehet fort aus ihrer Mitte und sondert euch von ihnen ab! - spricht der Herr." Ferner: "Rührt nichts Unreines an, so will ich euch annehmen." Ferner: "Ich will euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, - spricht der Herr, der Allmächtige." Auf Grund dieser Verheißungen Gottes wollen wir, meine Lieben, uns von jeder leiblichen und geistigen Befleckung rein halten und in der Furcht Gottes den Weg der Heiligung vollenden. Gewähret uns Zutritt zu euren Herzen! Wir haben niemand Unrecht getan, niemand einen Schaden zugefügt, niemand übervorteilt. Ich sage dies nicht, um euch einen Vorwurf zu machen. Ich habe ja eben erst erklärt, dass wir euch in unsern Herzen tragen und mit euch sterben und leben wollen. Ich habe volles Vertrauen zu euch; ich bin auf euch sehr stolz; ich bin voll des Trostes, und mein Herz fließt über vor Freude trotz aller äußerer Drangsal. Denn auch nach unserer Ankunft in Mazedonien fanden wir keine körperliche Ruhe; auf Schritt und Tritt gab es Leid und Bedrängnis; Angriffe von außen und Anfechtungen von Innen. Aber Gott, der sich stets der Gebeugten annimmt, gewährte uns Trost durch die Ankunft des Titus. Doch nicht bloß durch seine Ankunft, sondern auch durch die Tröstungen, die er von euch mitbrachte. Er berichtete uns von eurer Sehnsucht nach mir, von eurem Schmerz um mich, von eurer tiefen Liebe zu mir, so dass ein Übermaß von Freude mein Herz erfüllte. Habe ich euch durch meinen vorigen Brief betrübt, so tut mir dies jetzt doch nicht leid. Zwar hat es mir zuerst leid getan, weil ich sah, dass euch jener Brief, wenn auch nur vorübergehend, in große Betrübnis versetzte. Aber jetzt freue ich mich doch, zwar nicht darüber, dass ihr betrübt wurdet, sondern vielmehr darüber, dass ihr infolge der Betrübnis zur Reue gelangtet; denn eure Betrübnis war so, wie Gott sie von euch wollte, damit ihr durch unsern Brief keinen Schaden leiden solltet. Denn eine Betrübnis nach dem Willen Gottes wirkt eine Reue zur Besserung, die niemand zu bereuen braucht; eine Betrübnis aber, wie die Welt sie kennt, führt zum geistigen Tode. Seht doch nur, einen wie großen Eifer gerade diese gottgewollte Betrübnis bei euch bewirkt; und zwar nicht bloß Eifer, sondern ihr batet auch um Entschuldigung, wart unzufrieden mit euch selbst, empfandet eine heilige Furcht, sehntet euch nach Besserung, wurdet eifrig im Guten, bestraftet die Schuldigen. In jeder Beziehung habt ihr euch als solche erwiesen, die durch diese Angelegenheit eine innere Reinigung an sich erfuhren. Wenn ich euch also meinen Brief schrieb, so geschah es nicht mit Rücksicht auf die Übeltäter, noch auch mit Rücksicht auf die, denen Unrecht geschah; ich tat es, um euch Gelegenheit zu geben, euren Eifer für euer Seelenheil vor dem Angesichte Gottes an den Tag zu legen. Daraus habe ich großen Trost geschöpft. Zu diesem unserm Troste gesellte sich nun noch eine außerordentlich große Freude. Es war dies die Freude, die wir mit Titus mitempfanden, und die ihm dadurch widerfuhr, dass ihm eine große geistige Erquickung bei euch allen zuteil geworden ist. Hatte ich mich nämlich früher öfters bei ihm lobend über euch ausgesprochen, so erlebte ich jetzt euretwegen keine Beschämung. Denn mein Lob, das ich damals dem Titus gegenüber gespendet hatte, erwies sich nun als Wahrheit, wie sich ja auch alles das bewahrheitet hat, was ich euch gegenüber gesagt hatte. Darum ist sein Herz euch jetzt noch mehr zugetan, wenn er daran zurückdenkt, wie groß euer aller Gehorsam war, und wie ihr ihn mit Furcht und Zittern empfinget. Ich selbst freue mich, dass ich mich in jeder Beziehung auf euch verlassen kann. Wir wollen euch, liebe Brüder, nun einiges über die Gnadenerweise Gottes berichten, die den Gemeinden in Mazedonien zuteil wurden. Trotz der großen Prüfungen, die sie durch Leiden zu bestehen hatten, wurde ihnen doch eine übergroße Fülle geistiger Freude gewährt. Aus dieser Freudigkeit heraus legten sie trotz ihrer tiefen Armut eine so außerordentlich große Mildtätigkeit an den Tag, dass ein ganzer Reichtum an Gaben zusammenkam. Ich kann ihnen das Zeugnis ausstellen, dass sie nach Kräften, ja über ihre Kräfte beigesteuert haben. Aus eigenem Antrieb baten sie uns inständig um die Vergünstigung, sich an dem Liebeswerk für die Gottestreuen beteiligen zu dürfen. Sie gaben nicht bloß so viel, als wir wohl erwarten konnten, nein, sie gaben gleichsam sich selbst her, und zwar in erster Linie aus Liebe zum Herrn, dann allerdings auch uns zuliebe, wie dies ja ebenfalls dem Willen Gottes entspricht. Dies hat uns veranlasst, den Titus zu bitten, jetzt auch bei euch jene Sammlung der Liebesgaben zum Abschluss zu bringen, die er früher begonnen hat. Wie ihr euch nun in allen Beziehungen hervortut, - in der Tiefe des Glaubens, in der Kraft der Predigt, in der Erkenntnis der Heilswahrheiten, in dem Eifer in jeglichem Guten, in der Bekundung eurer Liebe zu uns, - so möget ihr euch auch jetzt bei diesem Liebeswerk vor allen anderen auszeichnen. Ich sage euch das nicht als Befehl; ich möchte bloß durch den Hinweis auf den Eifer der andern auch die Echtheit eurer Nächstenliebe erproben. Ihr kennt ja die Güte unseres Herrn Jesus Christus, der reich war, aber aus Liebe zu euch arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich würdet. Meine Meinung in diesem Punkte ist nämlich die, dass es auch für euch selbst eine Ehrensache ist, mitzuhelfen; denn ihr seid ja nicht bloß die ersten gewesen, die bereits vor Jahresfrist mit der Sammlung begonnen haben, sondern auch die ersten, welche die Sammlung anregten. So bringet denn jetzt das begonnene Werk auch zum Abschluss! Der gute Wille hat euch damals den Entschluss zu diesem Werke eingegeben; er soll euch auch zur Vollendung des Werkes führen; allerdings nur nach dem Maße eures Könnens. Denn wenn nur der gute Wille vorhanden ist, nach Kräften zu geben, dann ist jede Gabe ein gutes Werk; über seine Kräfte soll niemand geben. Denn die Hilfe, die ihr andern gewährt, soll euch nicht selbst in Not bringen. Es soll gewissermaßen nur ein Ausgleich geschaffen werden; das, was ihr, an den jetzigen Zeitverhältnissen gemessen, über den Durchschnitt besitzet, soll dazu dienen, diejenigen bis zum Durchschnitt aufzubessern, die unter diesem Durchschnitt sind. Auf diese Weise erhalten die letzteren einen materiellen Zuwachs, und ihr erleidet eine materielle Einbuße. So kommt der Ausgleich zustande, von dem geschrieben steht: "Wer viel sammelte, hatte doch keinen Überfluss, und wer wenig sammelte, hatte keinen Mangel." Dank sei Gott, der dem Titus den gleichen Eifer für euch ins Herz legte, wie mir. Er ging auf meinen Wunsch, zu euch zu reisen, nicht nur bereitwilligst ein, sondern wählte auch aus eigener Entschließung für seine Abreise einen noch früheren Zeitpunkt, um möglichst schnell zu euch zu kommen. Wir gaben ihm als Begleiter einen Bruder mit, dessen Lob wegen der Verkündigung der Heilsbotschaft in alle Gemeinden gedrungen ist. Auch wurde er von den Gemeinden zu meinem Reisebegleiter gewählt, wenn ich die Liebesgabe überbringe, die von uns zur Ehre des Herrn und zum Zeichen unseres guten Willens gesammelt wird. Durch diese Maßnahme vermieden wir die Gefahr, dass bei der reichen Gabe, die durch unser Bemühen zusammengebracht wird, uns schließlich jemand, wenn auch ohne Grund, verdächtigen könnte. Denn wir sorgen dafür, dass alles ehrlich hergeht, - ehrlich, nicht bloß in den Augen des Herrn, sondern auch in den Augen der Menschen. Jenen beiden haben wir noch einen dritten aus den Reihen unserer Brüder mitgegeben, dessen Eifer ich schon oft bei den verschiedensten Gelegenheiten erprobt habe. In dieser Sache aber wird er jetzt noch viel eifriger sein, weil er sein volles Vertrauen auf euch setzt. Ob es sich nun um den Titus handelt als meinen Genossen und Mitarbeiter, oder um unsere beiden andern Brüder als Abgeordnete der hiesigen Gemeinden, - es wird Christus zur Ehre gereichen, wenn ihr ihnen eure ganze Liebe entgegenbringt und dadurch den hiesigen Gemeinden den Beweis liefert, dass ihr das Lob wirklich verdient, das wir euch bei ihnen gespendet haben. In Betreff der Ausführung des Liebeswerkes für die Gottestreuen brauche ich euch ja weiter nichts mehr zu sagen. Ich kenne eure Bereitwilligkeit und hebe sie bei den mazedonischen Gemeinden rühmend hervor. Ich wies sie darauf hin, dass Griechenland schon seit Jahresfrist alles für die Sammlung bereit halte; und gerade der Hinweis auf euren Eifer hat die meisten zu gleichem Eifer angespornt. Aus dem Grunde habe ich die Brüder von hier mitgesandt, damit sie sich mit eigenen Augen überzeugen könnten, dass das Lob nicht unberechtigt sei, das ich euch in dieser Beziehung gespendet habe; sondern dass ihr tatsächlich alles so vorbereitet habt, wie ich es behauptete. Wenn nun Leute aus den mazedonischen Gemeinden zusammen mit mir zu euch kämen und fänden bei ihrer Ankunft euch noch ganz unvorbereitet, so müsste ich mich ja schämen, dass ich so zuversichtlich von euch gesprochen hatte, - ganz davon zu schweigen, wie sehr ihr selbst euch schämen müsstet. Ich hielt es daher für angebracht, den Brüdern den Rat zu geben, vor mir zu euch zu reisen und die von euch versprochene Liebesgabe rechtzeitig bereitzustellen und zwar in einem Maße bereitzustellen, dass man wirklich Segen damit stiften kann, und die Gabe nicht etwa so aussieht, als sei sie Geizhälsen abgezwackt. Das eine möget ihr euch dabei vor Augen halten: "Wer kärglich säet, wird auch kärglich ernten; wer reichlich säet, wird auch reichlich ernten." Jeder gebe, wie sein Herz ihn antreibt; aber nicht mit Unlust und unter dem Gefühl des Zwanges. Denn einen frohen Geber hat Gott lieb. Und Gott hat auch die Macht, euch jede Gabe überreich zu belohnen, so dass ihr stets in jeder Hinsicht für euch selbst genug habt und außerdem reiche Mittel besitzt, um damit jedes gute Werk zu unterstützen. Es steht ja geschrieben: "Er teilte reichlich aus, er gab den Bedürftigen; sein Rechttun wird ihm den Lohn sichern für alle Zukunft." Er aber, der dem Sämann die Saatfrucht gibt und daraus das Brot entstehen lässt, damit es zur Speise dient, wird auch euch das Saatgut reichlich liefern und wird die Früchte eures Rechttuns mehren. Dann werdet ihr mit allem so reich versehen sein, dass ihr jede Mildtätigkeit ausüben könnt. Und eure Mildtätigkeit wird die Menschen veranlassen, Gott ihren Dank dafür abzustatten. Die Hilfeleistung, die durch dieses Liebeswerk gewährt wird, hilft also nicht bloß der Not der Gottestreuen ab, sondern bringt auch überreichen Segen infolge der vielen Dankgebete, die zu Gott emporsteigen. An diesem Liebesdienst werden sie euren wahren innern Wert kennen und Gott dafür preisen, dass ihr euch zu der Heilsbotschaft Christi bekennt und ihr Gehorsam leistet, und dass ihr durch die Liebesgabe eure Mildtätigkeit gegen sie und alle andern an den Tag leget. Sie werden im Gebete eurer gedenken; denn sie fühlen sich zu euch hingezogen wegen der Gnade Gottes, die sich in euch so überaus wirksam erweist. Gott sei Dank gesagt für sein unaussprechlich großes Gnadengeschenk! Bei der Milde und Sanftmut Christi trage ich persönlich euch diese Bitte vor, - ich als derselbe Paulus, von dem ihr sagt, er sei so demütig im persönlichen Verkehr mit euch, aber so voll von Selbstbewusstsein, wenn er aus eurer Sehweite sei. Bitte, zwingt mich nicht, bei meinem nächsten Besuch recht selbstbewusst aufzutreten. Denn ich habe vor, gegen gewisse Leute mit allem Freimut vorzugehen. Es sind die, welche meinen, wir führten einen ganz irdisch gerichteten Lebenswandel. Wenn wir auch in irdischen Verhältnissen leben, so fechten wir die Kämpfe, die wir zu führen haben, nicht in der Weise aus, wie es die Weltkinder zu tun pflegen. Denn die Waffen, die wir bei unsern Kämpfen verwenden, sind nicht weltlicher Art. Es sind Gottes Waffen zur Zerstörung geistiger Bollwerke. Mit ihnen beseitigen wir all die falschen Einwände und geistigen Wälle, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erheben. Mit innen nehmen wir das verkehrte menschliche Denken gefangen und leiten es so, dass es sich der Lehre Christi unterwirft. Diese Waffen halten wir auch bereit, um jeden Ungehorsam auch bei euch zu strafen, sobald ihr einmal so weit seid, dass ihr euch den Forderungen der Lehre Christi voll und ganz unterwerft. Seht doch die Tatsachen so, wie sie in Wirklichkeit vor euch liegen. Hat dieser oder jener die Überzeugung gewonnen, dass er Christus wirklich angehört, so soll er sich auf der andern Seite auch wiederum klar machen, dass doch auch wir ebenso gut, wie er selbst, Anhänger Christi sind. Ja, selbst wenn ich mich rühmen würde, in diesem Punkte höher als andere zu stehen, so brauchte ich mich dieser Überhebung nicht zu schämen; denn sie wäre berechtigt in Anbetracht der Gotteskraft, die der Herr mir verliehen hat, um bei euch einen geistigen Bau neu aufzuführen, aber nicht, um Aufgebautes niederzureißen. Aber ich unterlasse lieber dieses Rühmen, denn ich möchte nicht den Anschein erwecken, als suchte ich euch durch meine Briefe gewissermaßen einzuschüchtern. Meine Gegner sagen freilich: "In seinen Briefen ist er streng und entschieden, aber in seinem persönlichen Auftreten ist er ein Schwächling; und reden kann er gar nicht." Doch, die eine solche Behauptung aufstellen, mögen sich dies gesagt sein lassen: Wir werden uns in eurer Gegenwart bei unserm Handeln genau so kraftvoll zeigen, wie wir es in unserer Abwesenheit in unsern Briefen sind. Wir möchten uns allerdings nicht dazu versteigen, mit Leuten verglichen und auf eine Stufe gestellt zu werden, die sich selbst als Muster hinstellen. Wir suchen den Maßstab, mit dem wir uns messen, in unserm eigenen Innern und vergleichen das, was wir sind, mit dem, was wir sein sollten. So werden wir niemals mehr Ruhm beanspruchen, als uns zukommt. Den Umfang unseres Arbeitsbezirkes hat uns Gott bestimmt, und danach richten wir uns. Und dieser Arbeitsbezirk erstreckt sich auch bis zu euch. Wir dehnen also unsere Befugnisse keineswegs zu weit aus, wenn wir euch in unser Arbeitsgebiet mit hineinbeziehen; denn ihr könnt nicht sagen, ihr gehörtet nicht dazu. Wir waren es doch, die zu euch kamen, um euch die Heilsbotschaft Christi zu verkünden, und zwar kamen wir als die ersten. Wir suchen also für uns nicht etwa an den Stellen Anerkennung, wo andere sich abgemüht haben. Eine solche käme uns nicht zu. Wir geben uns jedoch der Hoffnung hin, unsern Wirkungskreis noch bedeutend erweitern zu können, sobald der in euch erweckte Glaubenseifer noch größer geworden ist. Dann wollen wir nämlich in die über euch hinausliegenden Gebiete gehen, um dort die Heilsbotschaft zu verkünden. Jedoch werden wir nie unsern Ruhm auf einem Arbeitsfelde suchen, wo schon andere vor uns mit Erfolg tätig waren. Wer Ruhm sucht, der suche ihn beim Herrn! Denn nicht der gilt als bewährt, der sich selbst als Muster hinstellt, sondern nur der, den der Herr als vorbildlich bezeichnet. Möget ihr es mir zugute halten, wenn ich euch ein wenig töricht zu reden scheine. Nicht wahr, ihr haltet es mir ja auch zugute? Rede ich mich bei euch doch deswegen so in Eifer, weil ich für die Sache Gottes rede. Ich komme mir vor, als hätte ich euch dafür gewonnen, euch mit einem einzigen Gatten, nämlich Christus, zu verloben und sollte euch nun als seine reine Magd ihm zuführen. Aber gleichzeitig zittere ich bei dem Gedanken, die alte Schlange, die durch ihre List die Eva verführt hat, möchte am Ende auch euch dazu bringen, die Gesinnung der Einfalt und Lauterkeit aufzugeben, mit der ihr bisher treu zu Christus hieltet. Ihr lasst es euch nämlich jetzt schon ruhig gefallen, wenn jene Schlange in irgend einer Gestalt an euch herantritt und euch einen andern Christus predigt, als wir ihn euch gepredigt haben; oder wenn ihr einer ganz andern Art von Geistern den Zutritt gewährt, die ihr bisher nie zuließet; oder eine ganz andere Heilsbotschaft annehmet, als ihr sie bisher hörtet. Wir denken doch in keiner Beziehung hinter den 'ausgezeichneten Aposteln' zurückzustehen. Mag ich auch 'gar nicht reden können', so bin ich doch keiner, dem es an der rechten Erkenntnis mangelt; das habe ich euch doch wohl in jeder Hinsicht bewiesen. Oder habe ich vielleicht dadurch eine Sünde begangen, dass ich mich selbst erniedrigte, um euch zu erhöhen, indem ich euch die Heilsbotschaft Gottes ohne jegliche Vergütung von eurer Seite gepredigt habe? Andere Gemeinden habe ich ausgebeutet, indem ich eine Vergütung annahm, nur um euch meine Dienste ohne Vergütung gewähren zu können. Während meines Aufenthaltes bei euch bin ich keinem zur Last gefallen, selbst nicht in der Zeit, als ich in materielle Not geriet; denn die Brüder, die aus Mazedonien kamen, haben meiner Not abgeholfen. In allen Fällen habe ich mir so durchgeholfen, dass ich euch in keinem Punkte zur Last fiel; und so werde ich es auch in Zukunft halten. Diesen Ruhm lasse ich mir in den griechischen Landen nicht verkleinern, so wahr ich in der Gemeinschaft mit Christus stehe. Warum ich dies sage? Etwa, weil ich keine Liebe zu euch hätte? Gott kennt meine Liebe zu euch. Ich will vielmehr mein bisheriges Verhalten in diesem Punkte deshalb auch weiterhin fortsetzen, weil ich denen den Boden entziehen möchte, die alles Mögliche anstellen, um in ihrer Wirksamkeit, deren sie sich so sehr rühmen, als uns ebenbürtige Apostel anerkannt zu werden. Apostel? Nein, - Lügenapostel sind sie, in ihrem Auftreten voll List und Trug! Sie tragen bloß die Maske von Aposteln Christi. Das braucht uns nicht zu wundern; denn Satan selbst nimmt die Gestalt eines Lichtengels an. So ist es denn nichts Auffallendes, dass auch seine Handlanger unter der Maske von gottestreuen Dienern auftreten. Doch ihr Ende wird die Last ihrer Taten zu tragen haben. Ich wiederhole es: Niemand halte mich für einen Narren! Wenn aber doch, - dann habt, bitte, Geduld mit diesem Narren, damit auch ich mich ein bisschen rühmen kann, gleich den andern. Was ich jetzt sagen will, rede ich nicht in der Weise, wie der Herr reden würde; ich spiele jetzt ja auch nur die Rolle eines Narren, - jetzt, wo das Rühmen zum Geschäft zu gehören scheint. Weil so viele sich irdischer Vorzüge rühmen, will auch ich einmal dasselbe tun; ihr haltet es ja so gern mit den Narren, - ihr klugen Leute. Ihr haltet ja so schön still, wenn Narren euch knechten, euch euer Geld abholen, euch überlisten, sich gegen euch in die Brust werfen, euch ins Gesicht springen. Zu meiner Schande muss ich's sagen: Dazu waren wir zu schwache Narren. Hat einer noch andere Dinge, auf die er sich etwas einbildet, so tue ich es auch, natürlich alles in der Rolle eines Narren. Brüsten sie sich, Hebräer zu sein? Ich bin's auch. Israeliten? Ich auch. Nachkommen Abrahams? Ich auch. Diener Christi? Dann bin ich - um nun ganz im Wahnsinn zu sprechen - ein Oberdiener; denn ich habe mich viel mehr abgemüht, als sie; habe überreichlich Schläge erhalten; wurde oft ins Gefängnis geworfen; schwebte häufig in Todesgefahr. Von den Juden wurden mir fünfmal vierzig Streiche versetzt; nur einer ging fehl. Dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt; dreimal erlitt ich Schiffbruch und trieb einen Tag und eine Nacht auf den Wellen. Dazu die vielen beschwerlichen Reisen, bedroht von Gefahren auf Flüssen und durch Räuber, von Gefahren von Seiten der Juden und Nichtjuden, von Gefahren in den Städten, in der Wüste und auf dem Meer, von Gefahren von Seiten falscher christlicher Brüder. Was habe ich nicht alles an Mühsalen und Beschwerden zu erdulden gehabt! Wie manche Nacht brachte ich schlaflos zu; litt Hunger und Durst; wie oft musste ich das Notwendigste entbehren, zitterte vor Kälte und hatte nichts anzuziehen. Und so noch vieles andere dieser Art. Dann das tägliche Überlaufenwerden und die Sorge für alle Gemeinden. Denn wo wird jemand schwach, ohne dass ich mit ihm leide! Wo ist jemand in Gefahr, seinen Glauben zu verlieren, ohne dass ich von schmerzlicher Angst verzehrt würde. Wenn einmal gerühmt sein muss, dann will ich mich in dem rühmen, worin ich schwach gewesen. Der für alle Zeiten hochgelobte Gott und Vater unseres Herrn Jesus weiß, dass ich die Wahrheit sage. Als ich in Damaskus war, hat der Statthalter des Königs Aretas die Stadt bewachen lassen, um mich festzunehmen; da hat man mich durch eine Öffnung in der Stadtmauer in einem Korbe hinabgelassen, und so bin ich seinen Händen entkommen. Da ich nun einmal gezwungen bin, mich zu rühmen, obschon es keinerlei Nutzen bringt, so will ich auf Visionen und Offenbarungen zu sprechen kommen, die der Herr mir kundgetan hat. Ich kenne einen Jünger Christi, der vor vierzehn Jahren bis zu den Sphären des dritten Himmels entrückt wurde. Ob sein Geist dabei noch im Körper oder vom Körper gelöst war, weiß ich nicht, - Gott weiß es. Von dem betreffenden Menschen weiß ich bloß, dass er in die Sphäre des Paradieses entrückt wurde und dort Worte hörte, die Menschenzungen nicht aussprechen können. Wie gesagt, ob sein Geist dabei mit dem Körper verbunden blieb oder davon losgelöst war, weiß ich nicht; das weiß nur Gott. Ich rühme mich, der Mensch zu sein, der das erlebt hat. Meiner rein menschlichen Persönlichkeit rühme ich mich nicht. Denn da könnte ich bloß Unvollkommenheiten und Schwächen anführen. Wenn ich mich nun noch anderer Dinge rühmen wollte, so würde ich deshalb zwar kein Tor sein; denn was ich erzählen würde, wäre die Wahrheit. Doch ich unterlasse es lieber, damit niemand mich für mehr halte, als was er an mir sieht oder von mir hört. Und damit ich mich wegen der Fülle der Offenbarungen nicht überheben soll, wurde mir als quälender Stachel ein Satansengel auf meinen irdischen Schicksalsweg mitgegeben, damit er mir Faustschläge versetze. Wegen dieses Satansengels flehte ich dreimal im Gebete zum Herrn, er möchte doch von mir genommen werden. Doch der Herr gab mir zur Antwort: "Es genügt dir meine Gnade! Denn meine Kraft zeigt ihre höchste Wirkung dort, wo größte Schwäche ist." So will ich mich denn am liebsten meiner Schwäche rühmen, damit die Kraft Christi ihre Wirkung bei mir entfalte. Darum bin ich frohen Mutes, trotz aller Schwachheit, trotz aller Misshandlungen, trotz aller Drangsale, Verfolgungen und Nöten, die ich um Christi willen zu erdulden habe. Denn in den Zeiten meiner Schwäche bin ich stark. So, nun habe ich die Rolle des Narren ausgespielt. Aber ihr zwangt mich ja dazu, weil ihr nicht treu zu mir hieltet, wie ich es doch wohl verdient hätte. Denn wenn ich auch persönlich nichts bin, so blieb ich doch in keinem Punkte hinter den 'unvergleichlichen Aposteln' zurück. Die Beweise für mein Apostelamt sind doch unter euch in vollem Umfang erbracht worden durch all das, was ich erduldete, durch Geisterkundgebungen, durch Wunderheilungen und die Macht, die ich über die bösen Geister hatte. Könnt ihr mir einen einzigen Punkt anführen, in dem ihr den andern Gemeinden gegenüber im Rückstand geblieben wäret, außer darin, dass ich euch nicht zur Last gefallen bin? Und dieses Unrecht habt ihr mir ja wohl verziehen. Seht, ich halte mich jetzt zu meinem dritten Besuch bei euch bereit. Und auch diesmal werde ich euch nicht zur Last fallen. Nur nach euch sehne ich mich, - nicht nach eurem Gelde. Die Kinder sind ja nicht verpflichtet, für die Eltern beizusteuern, sondern die Eltern für die Kinder. Ich will gern das Liebste hergeben und mich selbst opfern, wenn ich damit eure Seelen retten kann. Ich liebe euch zu viel, und ihr mich zu wenig. - Es mag sein, dass ihr zugebet, dass ich euch nicht zur Last gefallen bin. Aber als ein 'schlauer Mann' habe ich euch übertölpelt! Wirklich? Habe ich euch etwa durch einen von denen ausbeuten lassen, die ich euch sandte? Den Titus bat ich, zu euch zu gehen und gab ihm den Bruder mit. Hat euch nun etwa Titus ausgebeutet? Wandeln wir beide nicht in demselben Geiste, nicht in denselben Fußstapfen? Ihr denkt wohl schon wieder, ich wolle mich vor euch verteidigen. Nein, - ich rede nur als Diener Christi vor dem Auge Gottes; und alle meine Worte, ihr Lieben, sollen zu eurem geistigen Aufbau dienen. Denn ich fürchte, euch bei meiner Ankunft nicht so zu finden, wie ich es wünsche, und selbst von euch so gefunden zu werden, wie ihr es nicht wünscht. Ich fürchte, Streitigkeiten und Eifersucht, Erbitterung und Parteiwesen, Verleumdung und Zuträgerei, Hochmut und Unordnung bei euch anzutreffen. Gott wird mich wohl nach meiner Ankunft wieder recht demütigende Dinge bei euch erleben lassen. Ich werde wohl wieder um viele Leid tragen müssen, die früher gesündigt haben, aber ihre Gesinnung nicht änderten, sondern in der Unsittlichkeit, Unzucht und den Ausschweifungen verharrten. Das wird also mein dritter Besuch bei euch sein. Jede Sache soll auf das Zeugnis von zwei oder drei entschieden werden. Ich warnte euch bereits bei meinem zweiten Besuch, und ich warne euch jetzt vor meiner Ankunft wieder, und zwar sowohl die, welche sich seinerzeit versündigt haben, als auch alle übrigen. Ich werde keine Schonung üben, wenn ich jetzt komme. Ihr wollt ja einen Beweis dafür haben, dass Christus durch mich spricht. Gut, ihr sollt ihn bekommen. Christus wird sich euch gegenüber nicht schwach zeigen, sondern unter euch seine Kraft an den Tag legen. Zwar war er ein schwacher Mensch, als er ans Kreuz geschlagen wurde, jetzt aber, wo er als Geist lebt, besitzt er Kraft von Gott. So sind auch wir als Menschen schwach, wie er es war, werden euch aber zeigen, dass wir das geistige Leben besitzen, wie er, und mit ihm eine Kraft von Gott. Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben feststeht, - nicht mich! Bildet euch ein Urteil über euch selbst! Oder könnt ihr nicht in eurem eigenen Innern erkennen, ob Christus mit euch in Verbindung steht? Dann wäret ihr ja unechte Christen. Dass wir keine unechten Christen sind, das werdet ihr hoffentlich erfahren. Doch wir beten zu Gott, dass ihr keinerlei Unrecht tun möget. Unser Gebet soll nicht den Schein erwecken, als seien wir wahre Christen, sondern hat nur den Zweck, euch auf den Weg des Guten zu führen, einerlei ob wir in euren Augen als echte oder unechte Christen dastehen. Denn es ist uns unmöglich, etwas gegen die Wahrheit zu tun; wir können nur das tun, was der Wahrheit entspricht. Ja, wir freuen uns über eure Stärke, selbst dann, wenn wir selbst bei euch als Schwächlinge gelten. Lasst euch auf den rechten Weg bringen! - das ist alles, was wir wünschen. Ich schreibe euch dies noch vor meiner Ankunft, um nicht gleich bei meiner Ankunft mit aller Strenge auftreten zu müssen. Die Kraft besitze ich. Der Herr gab sie mir. Ich empfing sie freilich nicht zum Niederreißen, sondern zum Aufbauen. Nun lebt wohl, meine Brüder! Strebt nach der Vollkommenheit! Hört auf unsere Ermahnungen! Lebt in Eintracht! Haltet Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. - Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kusse! Es grüßen euch die Gottestreuen alle! Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes werde euch allen zuteil! Amen. Der zweite Brief an die Korinther gesandt von Philippus in Mazedonien, durch Titus und Lukas. Ich, Paulus, schreibe euch diesen Brief. Nicht von Menschen wurde ich zum Apostel ausersehen und übe auch nicht im Auftrag eines Menschen mein Apostelamt aus, sondern nur im Auftrag Jesu Christi und Gottes des Vaters, der Jesus aus dem Reich der geistig Toten wieder zurückgeführt hat. Mit allen Brüdern, die bei mir sind, entbiete ich den Gemeinden in Galatien unsern Gruß. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und vom Herrn Jesus Christus, der sich wegen der Sünde des Abfalls von Gott opferte, um uns aus einer Weltperiode zu retten, in welcher der Böse die Herrschaft führt. So war es der Wille unseres Gottes und Vaters, der gepriesen sei für alle Zeiten. Amen. Ich muss mich sehr darüber wundern, dass ihr euch so schnell von dem losgesagt habt, der den Ruf zur Teilnahme an der Gnadengemeinschaft mit Jesus Christus an euch hat ergehen lassen, und dass ihr euch einer andern Heilsbotschaft zugewandt habt. Aber es kann doch gar keine andere Heilsbotschaft geben. Zwar gibt es Leute, die euch verwirren, indem sie die Heilsbotschaft Christi zu verdrehen suchen. Aber selbst wenn wir oder ein Bote aus dem Jenseits euch eine Heilsbotschaft verkünden würden, die anders wäre als die, welche wir euch bisher predigten, der sei von eurer Gemeinschaft ausgeschlossen. Was ich eben sagte, möchte ich noch einmal wiederholen: Wer euch eine Heilsbotschaft predigt, die anders ist als die, welche ihr vorher empfangen habt, der sei von eurer Gemeinschaft ausgeschlossen! Suche ich jetzt vielleicht auch, 'die Gunst von Menschen zu gewinnen' oder vielmehr die Gunst Gottes? Oder bemühe ich mich jetzt, 'Menschen zu gefallen'? Würde ich Menschen zu gefallen suchen, dann könnte ich kein Diener Christi sein. Denn das will ich euch sagen, meine Brüder: Die von mir verkündete Heilsbotschaft ist nicht Menschenwerk! Ich habe sie nicht von Menschen empfangen und sie auch nicht in einem menschlichen Unterricht erlernt, sondern sie wurde mir durch eine Offenbarung Jesu Christi zuteil. Ihr habt ja von meinem früheren Verhalten im Judentum gehört. Ihr wisst, dass ich als Jude die Gemeinde Gottes wütend verfolgte und sie zu vernichten suchte. Durch jüdischen Fanatismus tat ich mich unter den Altersgenossen meines Volkes hervor und war ein übergroßer Eiferer für die von meinen Vätern ererbten Satzungen. Gott aber hatte in einer Güte mir schon vom Mutterschoß an meine wirkliche Lebensaufgabe vorherbestimmt. Und als er den Augenblick für gekommen hielt, mir seinen Sohn zu offenbaren, damit ich seine Heilsbotschaft zu den Nichtjuden tragen möchte, da fasste ich meinen Entschluss nicht nach rein menschlichen Erwägungen. Ich ging auch nicht nach Jerusalem zu denen, die schon lange vor mir zum Apostel berufen wurden. Ich begab mich vielmehr nach Arabien und kehrte von dort wieder nach Damaskus zurück. Erst drei Jahre später ging ich nach Jerusalem, um Kephas kennen zu lernen. Vierzehn Tage blieb ich bei ihm. Von den andern Aposteln habe ich damals keinen gesehen, außer den Jakobus, den Bruder des Herrn. Was ich euch hier berichte, ist die volle Wahrheit. Ich beteure es vor dem Angesicht Gottes, dass ich euch nicht belüge. Hierauf begab ich mich in die Landstriche Syriens und Ziliziens. Doch den christlichen Gemeinden in Judäa war ich persönlich unbekannt. Nur hörten sie erzählen: Unser ehemaliger Verfolger predigt jetzt den Glauben, den er früher ausrotten wollte. Und sie priesen Gott wegen der Wandlung, die sich in mir vollzogen hatte. Nach Verlauf von vierzehn Jahren ging ich wieder nach Jerusalem. Barnabas begleitete mich. Auch den Titus nahm ich mit. Dass ich diese Reise überhaupt unternahm, geschah infolge einer Offenbarung. Ich erzählte ihnen von der Heilsbotschaft, die ich unter den Nichtjuden zu verkünden pflege; doch sprach ich davon nur rein persönlich mit denen, die zu den Häuptern der Gemeinde zählten. Ich wollte bloß sehen, ob ich in ihren Augen bei meiner Arbeit den rechten Weg gehe oder gegangen sei. Aber nicht einmal meinen Begleiter Titus, der doch ein Nichtjude war, suchte man dazu zu bewegen, die Beschneidung an sich vornehmen zu lassen. Zwar hatten sich falsche Brüder in die dortige Gemeinde eingeschlichen; sie hatten sich bloß zu dem Zwecke aufnehmen lassen, um auszuspionieren, wie weit die Freiheit ginge, die uns durch die Lehre Jesu Christi zuteil geworden sei. Sie wollten uns nämlich in die alte Knechtschaft des Mosaischen Gesetzes wieder zurückführen. Aber ihrem Verlangen gaben wir nicht einen Augenblick nach, damit die Lehre der Heilsbotschaft in ihrer vollen Reinheit euch erhalten bliebe. Doch von Seiten derer, die in der dortigen Gemeinde maßgebend waren, wurden mir keine weiteren Verpflichtungen auferlegt. Übrigens frage ich nichts danach, wie groß ihr Ansehen in der Gemeinde war. Auch Gott nimmt auf das äußere Ansehen eines Menschen keine Rücksicht. Kurz und gut, - jene hatten an meiner Wirksamkeit nichts auszusetzen. Im Gegenteil, sie gewannen die Überzeugung, dass ich mit der Predigt der Heilsbotschaft unter den Nichtjuden betraut worden sei, wie Petrus unter den Juden. Denn Gott, der dem Petrus die Kraft verlieh, unter den Juden sein Apostelamt auszuüben, gab mir dieselbe Kraft zum Apostelamt unter den Nichtjuden. Und weil sie die Gnadengabe kennen gelernt hatten, die mir verliehen worden war, reichten die sogenannten 'Säulen der Kirche' - Jakobus, Kephas und Johannes - mir und Barnabas als ihren Mitarbeitern die Hand. Wir sollten unter den Nichtjuden wirken, sie unter den Juden. Nur sollten auch wir der Armen in den juden-christlichen Gemeinden gedenken. Und ich gab mir ja alle erdenkliche Mühe, gerade diesem letztern Wunsche nachzukommen. Eines Tages kam nun Petrus nach Antiochien. Bei dieser Gelegenheit musste ich ihm offen entgegentreten; denn seine Handlungsweise war so, dass er sich dadurch selbst ins Unrecht setzte. Bevor nämlich die von Jakobus geschickten Vertreter ankamen, pflegte Petrus nach der Sitte der nichtjüdischen Christen mit diesen zusammen zu essen; als aber die Judenchristen ankamen, zog er sich von den nichtjüdischen Christen zurück und sonderte sich von ihnen ab aus Furcht vor den Judenchristen, welche die Notwendigkeit der Beschneidung lehrten. An dieser Heuchelei beteiligten sich mit ihm auch alle andern Judenchristen, so dass selbst Barnabas sich dazu verleiten ließ, diese Heuchelei mitzumachen. Als ich nun sah, dass ihre Handlungsweise mit der rechten Lehre der christlichen Heilsbotschaft durchaus nicht in Einklang stand, richtete ich im Beisein aller folgende Worte an Kephas: "Wenn du als Jude die nichtjüdischen Gebräuche anstatt der jüdischen mitmachst, wie kannst du dann die nichtjüdischen Christen durch dein Beispiel zwingen wollen, die jüdischen Gebräuche zu beobachten." Wohl sind wir von Geburt Juden und nicht Sünder heidnischer Abstammung; aber wir wissen doch, dass der Mensch nicht durch Befolgung der äußern Gesetzesvorschriften gottwohlgefällig wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus. Aus diesem Grunde haben auch wir den Glauben an Jesus Christus angenommen, um durch diesen Glauben an Christus und nicht infolge von Gesetzeswerken gottwohlgefällig zu werden. Denn auf Grund von Gesetzeswerken erlangt kein Geschöpf das Wohlgefallen Gottes. Zwar wird man auch an uns selbst Sünden entdecken, wiewohl wir uns bemühen, in der Gemeinschaft mit Christus das Wohlgefallen Gottes zu erlangen. Aber ist deshalb Christus etwa ein Diener der Sünde? Niemals. Wenn ich jedoch das, was ich niedergerissen hatte, wieder aufzubauen suche, dann bekenne ich mich damit der Übertretung schuldig. Ich für meinen Teil betrachte mich dem Mosaischen Gesetz gegenüber für tot erklärt und zwar auf Grund des Mosaischen Gesetzes, um das Leben in Gott zu haben. Als Glied des Leibes Christi habe ich mit Christus den Kreuzestod erlitten. Ich lebe also nicht mehr mein eigenes Leben, sondern ich lebe als ein Glied Christi. Das Leben, das ich jetzt noch auf Erden führe, ist also in Wirklichkeit bloß ein Leben des Glaubens an den Sohn Gottes, der mich liebte und sich für mich opferte. Die mir hierin gewährte Gnade Gottes darf ich nicht beiseite schieben. Denn wenn man das Wohlgefallen Gottes durch äußere Beobachtung von Gesetzesvorschriften hätte erlangen können, dann hätte ja Christus nicht zu sterben brauche. O ihr unvernünftigen Galater! Wer hat euch mit einem Zaubertrank die Besinnung genommen, - gerade euch, denen der Kreuzestod Christi in seiner Bedeutung für euch in so klarer Weise vor Augen geführt worden war? Nur die eine Frage möchte ich von euch beantwortet haben: War es eine Folge der Beobachtung von äußern Gesetzesvorschriften, dass ihr die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes erlangtet, oder war es die Folge der Annahme des Glaubens? Da könnt ihr sehen, wie töricht ihr seid. Unter der Leitung eines Geistes Gottes habt ihr den Grundstein zu einem neuen Leben gelegt und wollt nun den Schlussstein im rein Irdischen suchen? Solch gewaltige Geisterkundgebungen hättet ihr also umsonst erlebt! Wirklich, ganz umsonst? Der die Geisterwelt Gottes mit euch in Verbindung treten lässt und durch sie wunderbare Kräfte in euch hervorbringt, - tut er das deshalb, weil ihr die Mosaischen Gesetzesvorschriften erfüllt, oder weil ihr nach dem Glauben lebt? Es ist bei euch ebenso, wie es bei Abraham war. Abraham glaubte Gott, und dieser Glaube wurde ihm so hoch angerechnet, dass er dadurch das Wohlgefallen Gottes erlangte. Ihr sehet also: Die den Glauben haben, das sind die wirklichen Kinder Abrahams. Die Schrift wies somit schon im voraus darauf hin, dass die Nichtjuden nur infolge des Glaubens das Heil erlangen sollten; denn sie lässt dem Abraham die Verheißung zuteil werden: "In dir sollen alle Völker gesegnet werden!" Demnach empfangen alle, die den Glauben Abrahams haben, auch den Segen Abrahams. Alle dagegen, die in der Erfüllung von äußern Gesetzesvorschriften ihr Heil suchen, stehen unter einem Fluch. Dieser lautet in der Schrift: "Verflucht ist jeder, der nicht alle Verordnungen, die in dem Buch des Gesetzes geschrieben stehen, beharrlich erfüllt." Dass aber niemand infolge der Beobachtung des geschriebenen Gesetzes das Wohlgefallen Gottes erlangt, ist klar in den Worten ausgesprochen: "Der Gottwohlgefällige wird infolge seines Glaubens das geistige Leben haben." Das geschriebene Gesetz hat aber mit dem Glauben nichts zu tun, sondern da gilt das Wort: "Wer diese Gebote erfüllt hat, wird sich dadurch das irdische Leben sichern." Christus hat uns von dem im Gesetze ausgesprochenen Fluch befreit, indem er für uns den Fluch auf sich nahm. Denn in der Schrift heißt es: "Verflucht ist jeder, der am Holze hängt." So sollte der dem Abraham verheißene Segen den Nichtjuden in Christus Jesus zuteil werden; und diesen Segen sollten wir infolge unseres Glaubens durch die Geisterwelt Gottes empfangen. Liebe Brüder! Ich wähle ein Beispiel aus dem menschlichen Leben. Sobald einer sein Testament gemacht und rechtskräftig unterschrieben hat, kann kein anderer es umstoßen oder nachträglich mit Zusätzen versehen. Nun sind aber die göttlichen Verheißungen dem Abraham und seinem Nachkommen gegeben worden. Es heißt nicht: Und seinen Nachkommen, - als ob es mehrere wären; sondern es ist bloß von einem Nachkommen die Rede; es heißt ja: "Und seinem Nachkommen." Und dieser Nachkomme ist Christus. Ich will damit sagen: Eine von Gott rechtskräftig erlassene Verfügung kann nicht durch ein Gesetz umgestoßen werden, das erst vierhundertunddreißig Jahre später entstanden ist, so dass jene Verheißung dadurch aufgehoben wäre. Denn wenn das versprochene Erbe von dem späteren Gesetz abhinge, dann würde es nicht mehr infolge der Verheißung gewährt. Gott hat es aber dem Abraham auf Grund einer Verheißung als ein Gnadengeschenk verliehen. Hat nun bei dieser Sachlage das Mosaische Gesetz überhaupt noch eine Bedeutung? - Ja! Denn es wurde deswegen noch nachträglich gegeben, damit die Übertretungen klarer zu Tage träten, bis der Nachkomme käme, auf den die Verheißung sich bezieht. Das Gesetz wurde durch Boten Gottes übermittelt, und diese kamen im Auftrag eines, der zwischen zwei Parteien vermitteln wollte. Wenn aber einer vermitteln will, so gehört er nicht bloß einer Partei an. Gott aber kann nur einer Partei angehören. Steht nun etwa das Gesetz im Gegensatz zu den Verheißungen Gottes? Durchaus nicht! Freilich würde ein solcher Gegensatz dann bestehen, wenn ein äußeres Gesetz gegeben worden wäre, das ein geistiges Leben hätte bewirken können; denn in diesem Falle würde man das Wohlgefallen Gottes tatsächlich durch Befolgung von äußeren Gesetzesvorschriften erlangen. Doch nach den Worten der Schrift ist alles unter die Gewalt der Sünde des Abfalls von Gott gestellt, damit das verheißene Heil infolge des Glaubens an Jesus Christus denen zuteil würde, die diesen Glauben annehmen. Bevor jedoch der Glaube kam, fühlten wir uns infolge der Vorschriften des Gesetzes wie in einem Gefängnis, und mit Ketten beladen warteten wir auf die Zeit, wo der Glaube uns enthüllt werden sollte. So wurde das Mosaische Gesetz für uns zu einem Erzieher, der uns in harter Behandlung zu Christus führte, damit wir infolge des Glaubens an ihn das Wohlgefallen Gottes erlangten. Seitdem der Glaube bei uns Eingang gefunden, stehen wir daher nicht mehr unter der Vormundschaft eines Erziehers. Ihr seid ja alle Kinder Gottes infolge des Glaubens und befindet euch in der geistigen Verbindung mit Christus Jesus. Denn durch die Taufe seid ihr Christus geistig einverleibt worden, und sein geistiges Gewand umkleidet euch. In dieser geistigen Gemeinschaft gibt es keinen Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden, keinen Unterschied zwischen Sklaven und Freien, keinen Unterschied zwischen männlich und weiblich. In der geistigen Gemeinschaft mit Christus Jesus seid ihr alle gleich. Gehört ihr aber Christus an, dann seid ihr wahre Nachkommen Abrahams; dann gehört ihr zu denen, die infolge der Verheißung Erben Abrahams sind. Ich möchte noch etwas hinzufügen: Solange der Erbe noch unmündig ist, besteht zwischen ihm und dem Knechte der Familie äußerlich kein Unterschied, obgleich der Erbe doch der Herr über alle Güter ist. Er steht vielmehr unter Vormundschaft und unter Verwaltern bis zu dem vom Vater festgesetzten Zeitpunkt. So geht es auch mit uns. Auch wir waren unmündig und wurden von jenen Geistermächten in Knechtschaft gehalten, welche die Herrschaft in der Welt führen. Als aber die Zeit der Volljährigkeit gekommen war, da sandte Gott seinen Sohn. Dieser wurde vom Weibe geboren und ebenfalls unter die Knechtschaft des Gesetzes gestellt, damit er die loskaufen könnte, die unter derselben Knechtschaft des Gesetzes stehen, und wir die Möglichkeit hätten, Kinder Gottes zu werden. Weil ihr nun Gottes Kinder seid, darum sandte Gott die Geisterwelt seines Sohnes in unsere Herzen, die laut den Namen 'Vater' ruft. Nun giltst du also nicht mehr als Knecht, sondern als Kind. Bist du aber ein Kind Gottes, dann bist du auch ein Erbe Gottes infolge der geistigen Gemeinschaft mit Christus. Damals freilich, als ihr Gott noch nicht kanntet, habt ihr Göttern gedient, die in Wirklichkeit keine Götter waren. Jetzt aber habt ihr den wahren Gott erkannt; und, was noch viel mehr bedeutet, ihr seid auch von Gott als Kinder anerkannt. Wie könnt ihr euch da nur wieder den schwachen, armseligen Geistermächten der Tiefe zuwenden und ihnen von neuem Sklavendienste leisten wollen? Ihr feiert ja wieder die Tage, Monate, Jahreszeiten und Neujahrstage, die ihnen geweiht sind. Ich muss beinahe fürchten, dass meine Arbeit für euch vergeblich war. Werdet doch wieder so, wie ich bin, damit auch ich in euch meinesgleichen erblicken kann. Herzlich bitte ich euch darum, meine Brüder. - Ihr tatet mir nie etwas zu leide. Im Gegenteil! Wisst ihr noch, wie ich euch das erstemal während meiner Krankheit die Heilsbotschaft verkündete? Wie ihr damals vor meinem körperlichen Leiden keinen Ekel und keine Furcht empfandet, sondern mich wie einen Boten Gottes, ja wie Christus selbst bei euch aufnahmt? Was war das damals doch für euch eine selige Freude! Denn ich kann euch das Zeugnis geben, dass ihr, wenn es möglich gewesen wäre, euch die Augen ausgerissen hättet, um sie mir zu geben. Und ich sollte nun deshalb euer Feind geworden sein, weil ich euch die Wahrheit vorgehalten habe! O, man bewirbt sich von anderer Seite um eure Gunst, und zwar nicht in guter Absicht. Man möchte euch gern von mir wegdrängen, damit ihr euer Wohlwollen andern Leuten zuwendet. Ihr aber sollt euren Eifer einzig und allein darauf verwenden, die höheren Gaben zu erlangen. Es ist eine herrliche Sache, wenn ihr stets nur nach dem Hohen strebt, und nicht bloß dann, wenn ich bei euch bin. Ihr seid meine Kinder, um die ich nun von neuem Geburtswehen erdulden muss, bis ich euch wieder so weit habe, dass sich die Gestalt Christi in euch widerspiegelt. Was wäre ich so froh, wenn ich in diesem Augenblick bei euch sein könnte! Ich würde mündlich so gern in einem ganz andern Ton zu euch reden; denn ich weiß wirklich nicht, wie ich mich schriftlich euch gegenüber anders ausdrucken könnte. Saget mir nun, die ihr so gern unter dem Mosaischen Gesetz stehen möchtet: Leset ihr denn das Gesetz nicht? Es steht doch darin geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien. Der von der Magd war jedoch nur sein Sohn infolge rein natürlicher Zeugung: der von der Freien aber war ihm entgegen dem Naturgesetz auf Grund einer Verheißung geboren worden. Das alles hat eine sinnbildliche Bedeutung. Denn diese beiden Frauen versinnbilden eine zweifache Willenserklärung Gottes; die eine ist die, welche vom Berge Sinai herab verkündet wurde; sie macht den, dem sie gilt, zum Sklaven; sie wird durch Hagar versinnbildlicht; der Sinai-Berg in Arabien wird nämlich 'Hagar' genannt. Er hat geistig die gleiche Bedeutung, wie das heutige Jerusalem. Denn auch dieses befindet sich samt seinen Kindern in Knechtschaft. Aber das Jerusalem da oben in der Geisterwelt ist die Freie, und diese ist unsere Mutter. Es steht nämlich geschrieben: "Freue dich, du Kinderlose, die du bisher nicht Mutter geworden bist! Brich in Jubel aus und frohlocken die du keine Geburtswehen kennst! Denn die Unverehelichte wird viele Kinder haben, mehr als die Verehelichte." Ihr, meine Brüder, gehört nach dem Vorbild Isaaks zu den Kindern der Verheißung. Wie jedoch damals der natürliche Sohn den auf Grund der Verheißung eines Geistes Gottes gebornen Sohn verfolgt hat, so ist es auch jetzt der Fall. Doch was sagt die Schrift dazu? "Verstoße die Magd und ihren Sohn!" - sagt sie - "Denn der Sohn der Magd soll nicht mit dem Sohn Isaak, den ich dir gab, Erbe sein!" Darum, meine Brüder, sind wir nicht Kinder einer Magd, sondern der Freien. Christus machte uns frei, damit wir auch von der Freiheit Gebrauch machen. Seid also standhaft und lasst euch nicht wieder in das Joch der Knechtschaft spannen. Seht, ich - Paulus selbst - gebe euch die Versicherung: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so hat Christus für euch keinen Wert mehr. Wieder und wieder bezeuge ich einem jeden, der sich dem Gesetze der Beschneidung unterwirft, dass er sich damit zur Beobachtung des ganzen Mosaischen Gesetzes verpflichtet. Ihr alle, die ihr in der Erfüllung des Mosaischen Gesetzes das Wohlgefallen Gottes zu erlangen suchet, seid damit aus der Verbindung mit Christus ausgeschieden; ihr habt das Gnadengeschenk Gottes preisgegeben. Denn unsere Hoffnung, das Wohlgefallen Gottes zu erlangen, schöpfen wir aus einem gläubigen Vertrauen, das uns ein Geist Gottes lehrte. Für die nämlich, welche in der geistigen Verbindung mit Christus Jesus leben, hat es keinerlei Bedeutung, ob sie beschnitten sind oder nicht. Maßgebend ist da bloß der Glaube, - allerdings ein Glaube, der die Werke der Liebe hervorbringt. Ihr hattet einen so schönen Anlauf genommen. Wer hemmte euch in eurem Lauf, so dass ihr jetzt der Wahrheit den Gehorsam versagt? Nur der Gehorsam kommt von dem, der euch zur Wahrheit berief, - nicht der Ungehorsam. Ein wenig Sauerteig lässt die ganze Teigmasse als eine andere erscheinen. Ich für meinen Teil hege zu euch das feste Vertrauen im Herrn, dass ihr ganz meiner Meinung sein werdet. Wer euch irre zu machen sucht, wird seine Strafe dafür zu tragen haben, er mag sein, wer er will. Wenn es wahr wäre, meine Brüder, dass auch ich die Notwendigkeit der Beschneidung predige, warum werde ich dann noch verfolgt? Dann wäre ja das Ärgernis des Kreuzes beseitigt. Es wäre am besten, wenn auch die beseitigt würden, die euch aufzuwiegeln suchen. Denn Ihr seid zur Freiheit berufen, meine Brüder. Nur dürft ihr diese Freiheit nicht als einen Freibrief für irdische Gelüste missbrauchen, sondern ihr sollt einander durch Werke der Liebe dienen. Denn alle Vorschriften des Gesetzes finden ihre Erfüllung in dem Gebot: "Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst!" - Wenn ihr euch jedoch gegenseitig beißt und fresst, dann sehet zu, dass einer vom andern nicht ganz verschlungen wird. So gebe ich euch denn die Mahnung: Lasst euch bei eurem Lebenswandel von einem Geiste Gottes leiten; dann werdet ihr den irdischen Leidenschaften nicht nachgeben. Denn die irdische Lust widerstrebt dem Geiste Gottes und der Geist Gottes der irdischen Lust. So liegen diese beiden stets im Kampfe miteinander; ihr möget daher tun, was ihr wollt, ihr könnt es nicht ohne Kampf tun. Lasst ihr euch von einem Geiste Gottes leiten, dann kommen die Vorschriften des Mosaischen Gesetzes für euch überhaupt nicht mehr in Frage. Lasst ihr euch aber von der irdischen Lust leiten, dann treten die daraus entspringenden Werke bald zu Tage; die sind: Unzucht, Unsittlichkeit und Ausschweifung, Götzendienst und Zauberei, Feindseligkeit, Streit, Eifersucht und Zorn, Hinterlist, Zwietracht und Spaltungen, Neid und Mord, Trunkenheit, Völlerei und dergleichen. Von diesen Sünden habe ich schon einmal zu euch gesprochen und weise wiederum darauf hin, dass ein jeder, der sie begeht, das Reich Gottes nicht ererben kann. Im Gegensatz hierzu stehen die Früchte, welche die Geisterwelt Gottes bei euch hervorbringt. Es sind: Liebe, Freudigkeit und Friede, Geduld, Freundlichkeit und Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit. Keine einzige Vorschrift des Mosaischen Gesetzes steht hiermit im Widerspruch. Alle, die Christus geistig angehören, haben alles irdische Trachten samt den Leidenschaften und Lüsten gekreuzigt. Haben wir nun durch einen Geist Gottes das geistige Leben erlangt, so wollen wir auch einen Lebenswandel führen, der den Weisungen dieses Geistes entspricht. Darum lasst uns nicht in eitlem Ehrgeiz einander zum Streit herausfordern und einer den andern beneiden. Meine Brüder! Wenn jemand in der Übereilung auch mal einen Fehler begeht, so sollt ihr als von einem Geiste Gottes geleitete Menschen den Betreffenden im Geiste der Sanftmut wieder zurechtbringen; dabei gebe ein jeder auf sich selbst acht, damit nicht auch er in Versuchung falle. Einer helfe dem andern, seine Bürde zu tragen; so erfüllt ihr das Gebot Christi. Sollte aber einer in seinem Stolze meinen, er brauche das nicht, weil er etwas Besonderes sei, während er doch in Wirklichkeit nichts ist, so betrügt er sich selbst. Jeder mag sein eigenes Tun still für sich selbst prüfen; dann wird er sich nicht einmal in Gedanken rühmen, geschweige denn sich einem andern gegenüber in die Brust werfen. Denn jeder hat an seiner eigenen Last schwer genug zu tragen. Wer in den göttlichen Wahrheiten Unterricht empfängt, soll den, der ihm den Unterricht erteilt, auch an allen seinen irdischen Gütern teilnehmen lassen. Irret euch nicht! Gott lässt nicht Spott mit sich treiben. Denn was ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Wer auf das Ackerfeld seiner irdischen Leidenschaften sät, wird daraus Verderben ernten; wer aber auf das von der Geisterwelt Gottes bereitete Ackerfeld seinen Samen streut, wird von der Geisterwelt Gottes als Lohn das jenseitige Leben ernten. Lasst uns daher nicht müde werden, Gutes zu tun. Zur rechten Zeit werden wir ernten, wenn wir nicht entmutigt die Hände in den Schoß legen. So wollen wir denn, solange uns noch Gelegenheit dazu geboten ist, allen Menschen Gutes tun, besonders den Glaubensgenossen. Seht, mit welch großen Buchstaben ich euch nun noch eigenhändig folgendes Schlusswort schreibe: "Alle, die sich infolge ihrer irdischen Stellung etwas Besonderes dünken, suchen euch die Beschneidung aufzunötigen, um wegen der Lehre Christi, des Gekreuzigten, ja keine Verfolgung leiden zu müssen. Denn diese Leute halten trotz ihrer Beschneidung selbst nicht die Vorschriften des Mosaischen Gesetzes. Sie dringen bei euch bloß deswegen auf die Annahme der Beschneidung, um sich rühmen zu können, euch wenigstens äußerlich zu den Ihrigen zu rechnen. Es sei ferne von mir, mich in irgend einem Punkte zu rühmen, außer in dem Kreuze unseres Herrn Jesus Christus, durch das für mich die Welt gekreuzigt ist und ich für die Welt. Denn in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ist weder die Beschneidung noch das Fehlen der Beschneidung von irgendeiner Bedeutung, sondern da gilt bloß eine geistige Wiedergeburt. Auf alle, die nach diesen Richtlinien ihr Leben gestalten, komme Frieden und göttliches Erbarmen; denn sie sind das wahre Israel Gottes." "In der Zukunft bereite mir niemand noch weitere Leiden! Denn ich trage die Leidenszeichen des Herrn Jesus an meinem Körper." "Die Gnade unsers Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geiste, liebe Brüder! Amen." Paulus, der nach Gottes Willen ein Apostel Christi Jesu geworden ist, entbietet seinen Gruß den Gottestreuen in Ephesus, die auch treu zu Jesus Christus halten. Möge von Gott, unserm Vater, und vom Herrn Jesus Christus euch Gnade und Friede zuteil werden. Gepriesen sei der Gott und Vater unsers Herrn Jesus Christus! Er hat uns infolge unserer Gemeinschaft mit Christus durch seine Geisterwelt jede Art himmlischer Gaben verliehen. Er war es, der uns schon vor der Erschaffung des Weltalls in der Gemeinschaft mit Christus dazu ausersehen hatte, heilig und unsträflich vor seinen Augen zu leben; denn er hatte uns in seiner Liebe dazu vorher bestimmt, durch Jesus Christus wieder zur Kindschaft Gottes zu gelangen. So war es sein Willensentschluss. Ihn brachte er auch zur Ausführung, so dass ihm Lob und Preis gebührt für das herzliche Erbarmen, das er uns in seinem geliebten Sohn hat zuteil werden lassen; denn in diesem erlangten wir unsere Freigabe, für die er sein Blut hergab; wir erhielten die Befreiung von der Sünde unseres Abfalls. Überreich erwies sich die erbarmende Liebe Gottes, die er uns zuteil werden ließ, indem er uns Weisheit und Erkenntnis in Fülle verlieh und uns das Geheimnis seines Heilsplans offenbarte. Folgendes nämlich war sein Heilsplan, den er ausführen wollte: Sobald in der stufenweisen Aufwärtsentwicklung des Weltalls die volle Zahl der festgesetzten Zeitperioden erreicht wäre, wollte er mit Christus als dem Haupte alles wieder vereinigen, was in den außerirdischen und in den irdischen Sphären sich befindet, - mit demselben Christus, in dessen Gemeinschaft auch wir zum Heile berufen wurden. Dazu waren wir von Gott vorherbestimmt, der nach seinem freien Willensentschluss alles das zur Ausführung bringt, was er sich vorgenommen hat. Und zwar sollten wir jetzt zum Preise seiner göttlichen Macht dienen, - wir, die wir schon in einem früheren Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt hatten. Seiner Gemeinschaft gehört auch ihr an. Ihr höret die Predigt der Wahrheit als die frohe Botschaft eurer Rettung. Ihr glaubtet auch daran, und euer Glaube wurde besiegelt durch die heilige Geisterwelt, die euch verheißen worden war. Sie ist gleichsam die erste Abschlagszahlung auf unser Erbe im Geisterreiche Gottes, bis unser volles Erbe uns nach unserer endgültigen Rettung zuteil wird, zur Verherrlichung der Macht Gottes. Darum habe ich auf die Kunde von eurem Glauben an den Herrn Jesus und von der Liebe, die ihr zu allen Gottestreuen hegt, Gott beständig gedankt und gedenke auch eurer unaufhörlich in meinen Gebeten. Ich bitte den Gott unseres Herrn Jesus Christus, den Vater der Herrlichkeit, er möge euch einen Geist der Weisheit und des Verständnisses geben, damit ihr sein göttliches Wesen recht erkennt. Er möge euch das Auge eures Geistes öffnen, damit ihr sehet, welche Hoffnung infolge seiner Berufung euch zuteil wurde, und wie reich das Erbe in seiner Herrlichkeit ist, das ihr in der Gemeinschaft mit seinen Getreuen besitzen werdet; ferner wie übergroß seine Kraft sich an uns erweist, wenn wir an ihn glauben. Wir erfahren an uns dieselbe Wirkung seiner Macht und Stärke, die er an Christus bewiesen hat, als er ihn aus dem Reich der geistig Toten wieder heraufführte und ihn in den höchsten Himmels Sphären zu seiner Rechten sitzen ließ und ihn erhöhte über jede andere Herrschaft, Gewalt, Macht und Hoheit und über alles, was nicht nur in dieser Zeitperiode, sondern auch in den zukünftigen irgendeinen Namen haben wird. Alles hat Gott seiner Herrschaft unterstellt und ihn zum alles überragenden Haupte der Kirche bestimmt. Unter 'Kirche' ist sein geistiger Leib zu verstehen, den er in seiner ganzen Vollständigkeit wieder herstellt, indem er das ganze Weltall in allen seinen Teilen wieder mit sich vereinigt. Auch ihr wart geistig tot infolge eures Abfalls und eurer andern Sünden, in denen ihr die einzelnen Zeitalter hindurch seit Bestehen dieses Weltalls dahinlebtet. Ihr standet unter der Herrschaft des Fürsten der Finsternis, - jenes Geistes, der jetzt noch seine Macht über diejenigen ausübt, die in ihrem Ungehorsam verharren. Zu diesen gehörten auch wir. Wir alle hatten einst Gott den Rücken gewandt, indem wir dem Niedern in uns dienstbar wurden; wir führten das aus, wozu uns unsere sündige Willensrichtung antrieb, und was unsere verdorbene Denkweise uns eingab. Gleich allen andern waren wir unserm ganzen Zustande nach Kinder, über die das göttliche Strafgericht ergangen war. Gott aber ist reich an Erbarmen. Wegen seiner großen Liebe, die er gegen uns hegte, hat er uns, die wir infolge unseres Abfalls zu den geistig Toten gehörten, zusammen mit Christus aus dem Reich der geistig Toten in das Reich des geistigen Lebens zurückgeführt. So wurdet auch ihr durch seine Gnade gerettet. Als Glieder des geistigen Leibes Christi Jesu hat Gott uns mitauferweckt und uns zusammen mit ihm in die himmlischen Sphären versetzt. Er wollte in den Zeiten, die jetzt angebrochen sind, den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade offenbaren durch die Güte, die er uns als Gliedern Christi erweist. Denn nur seiner Gnade habt ihr eure Rettung zu verdanken, nachdem ihr den Glauben angenommen hattet. Diese Rettung ist also nicht euer Verdienst, sondern ein reines Gottesgeschenk. Sie ist nicht die Belohnung für eure Werke, damit sich niemand dieser Rettung rühmen könnte. Denn alles, was wir sind, ist bloß Sein Werk. Er hat uns zu Gliedern des geistigen Leibes Christi gemacht, damit wir dadurch gute Früchte hervorbrächten. Schon in früheren Zeitaltern hat Gottes vorbereitend Hand an uns gearbeitet, damit wir fähig wären, in unserm jetzigen Leben gute Früchte zu tragen. Darum vergesset nicht, dass ihr einst äußerlich nicht zum Volke Israel gerechnet wurdet. Man nannte euch ja Unbeschnittene im Gegensatz zu denen, welche jene Beschneidung empfangen hatten, die mit er Hand am Körper vollzogen wird. Vergesset nicht, dass ihr zu jener Zeit noch keine Glieder Christi wart; dass ihr ausgeschlossen wart von dem Bürgerrecht Israels: fremd waren euch die Bündnisse mit ihren Verheißungen; ihr lebtet ohne Hoffnung und ohne Gott in dem Weltall. Jetzt aber seid ihr, die ihr einst von Christus ganz getrennt wart, infolge des blutigen Todes Christi in engste Gemeinschaft mit ihm getreten. Denn er wurde für uns zum Friedensstifter. Die beiden feindlichen Reiche gestaltete er zu einem einzigen Reich, indem er durch seine Menschwerdung die tiefe Kluft überbrückte, die sie von einander trennte. Das Trennungsgesetz mit seinen unveränderlich festliegenden Satzungen hob er auf. Dadurch konnte er die beiden Feinde in seiner eigenen Person zu einem neuen Menschen aufbauen und so den Frieden wiederherstellen. Er wollte die beiden durch seinen Kreuzestod mit Gott wieder versöhnen, indem er sie zu Gliedern ein und desselben geistigen Leibes machte, und so der bisherigen Feindschaft durch Vereinigung der beiden in seiner Person ein Ende bereitete. Dann verkündete er sofort den Frieden als frohe Botschaft sowohl denen, die, wie ihr, ihm bisher ferne standen, als auch denen, die ihm bereits nahe gekommen waren. So ist denn durch seine Vermittlung für beide - für euch und uns - der Weg zum Vater wieder frei; dieser Weg besteht in ein und derselben Gemeinschaft mit der Geisterwelt Gottes. Nun geltet ihr nicht mehr als Fremdlinge und Ausländer, sondern ihr habt dieselbe Staatsangehörigkeit, wie die Gottestreuen und seid Hausgenossen Gottes. Ihr seid Steine in dem geistigen Bau, der auf dem von den Aposteln und den Medien der Geisterwelt Gottes gepredigten Fundamente ruht. In diesem Bau ist Christus Jesus selbst der Eckstein. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst immer höher empor zu einem heiligen Tempel, der da ist die geistige Gemeinschaft mit dem Herrn. Auch ihr werdet miteingebaut in diesem Tempel als geistige Wohnung Gottes. Zu diesem Zwecke trete ich, Paulus, der ich um Christi willen Fesseln trage, bei euch Nichtjuden als sein Gesandter auf. Ihr habt gewiss schon von den Fügungen der Gnade Gottes gehört, die mir zu eurem Besten zuteil wurde; dass mir nämlich infolge einer Offenbarung das Geheimnis kundgetan wurde, von dem ich euch bereits früher in kurzen Worten geschrieben habe. Ihr könnt das, was sich auf diesen Punkt bezieht, noch einmal nachlesen; dann werdet ihr daraus meine Kenntnis des Geheimnisses ersehen, das die Person Christi umgibt, - ein Geheimnis, das in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht mitgeteilt wurde. Erst jetzt wurde es seinen gottestreuen Aposteln und den Medien seiner Geisterwelt durch einen Geist geoffenbart. Es besteht in folgendem: Die Nichtjuden sind gleichberechtigte Erben des Gottesreiches, sind gleichberechtigte Glieder am geistigen Leibe Christi, nehmen mit teil an den Verheißungen, die denjenigen zuteil werden, die in Gemeinschaft mit Christus Jesus stehen. So lautet die Heilsbotschaft, deren Diener ich geworden bin, und für die ich arbeite gemäß der Gnadengabe, die mir durch die Auswirkung seiner Kraft verliehen wurde. Mir als dem geringsten von allen Gottestreuen wurde diese Gnade zuteil: Ich soll den Nichtjuden die frohe Botschaft von dem unergründlichen Gnadenreichtum Christi verkünden. Ich soll ihnen allen vollständige Aufklärung darüber geben, welche Bewandtnis es mit der Verwirklichung des Geheimnisses habe, das seit undenklichen Zeiten in Gott, dem Schöpfer aller Dinge, verborgen gewesen ist. Dadurch sollte den Fürsten und Machthabern in den jenseitigen Sphären infolge der in den Christengemeinden gegebenen Offenbarungen die unendlich vielgestaltige Weisheit Gottes kundgetan werden. So war es der Ratschluss Gottes, den er vor aller Zeit gefasst hatte, und den er in Christus Jesus, unserm Herrn, zur Ausführung brachte. In der Gemeinschaft mit ihm sind wir von einer großen Freudigkeit beseelt und befinden uns auf dem Wege zu unserer vollständigen Befreiung infolge unseres gläubigen Vertrauens auf ihn. Darum bitte ich euch, wegen der Drangsale, die ich euretwegen zu erdulden habe, nicht den Mut zu verlieren; im Gegenteil, sie gereichen euch zum Ruhme. Darum beuge ich meine Knie vor dem Vater unsers Herrn Jesus Christus. Jede Vaterschaft, die im Jenseits und im Diesseits diesen Namen führt, hat in Ihm ihren Ursprung. Er möge euch nach dem Reichtum seiner Macht die Gnade verleihen, in Bezug auf den Innern Menschen kräftig zu erstarken durch das Wirken des Geistes, der euch von ihm verliehen wurde; dann kann Christus infolge eures Glaubens in euren Herzen Wohnung nehmen, denn die Liebe schlägt dann in euch tiefe Wurzeln, und in ihr habt ihr ein festes Fundament. Infolgedessen werdet ihr auch imstande sein, mit allen Gottestreuen zu erfassen, was die Breite und Länge, die Tiefe und Höhe des geistigen Lebens bedeutet, und die Liebe Christi zu erkennen, deren Größe nie ausgedacht werden kann; auf diese Weise werdet ihr wieder zu der vollkommenen Vollendung gelangen, wie sie Gott einst auch an euch verwirklicht hatte. Ihm aber, der infolge seiner Kraft, die in uns wirksam ist, alles in unendlich höherem Maße zu wirken vermag, als wir es von ihm erflehen und auch nur begreifen können. - Ihm gilt der Lobpreis, der Ihm in der Gemeinde und durch Christus Jesus dargebracht wird durch alle Geschlechter und Zeiten hindurch. Amen. So ermahne ich euch denn als einer, der sich durch unzertrennliche Bande an den Herrn gefesselt fühlt: Zeiget euch in eurem Lebenswandel der Berufung würdig, die an euch ergangen ist! Wandelt in aller Demut, Sanftmut und Geduld! Einer trage des andern Schwächen in aller Liebe! Vor allem seid eifrig bemüht, die geistige Einheit zu wahren durch das Band des Friedens: Ein einziger geistiger Leib und nur ein einziger diesen Leib beherrschender Geist, wie ja auch die Hoffnung nur eine einzige ist, zu der ihr berufen seid. Nur ein Herr, nur ein Glaube, nur eine Taufe, nur ein Gott und Vater aller, der da steht über allem und vollkommener ist, als alles, und der mit uns allen in engster Verbindung steht. Jedem einzeln von uns ist eine Gnadengabe zuteil geworden, und zwar in dem Maße, wie Christus es für gut fand, sie uns als Geschenk zu gewähren. Es heißt ja: "Er ist zur Höhe hinaufgestiegen, hat solche, die in Gefangenschaft waren, für sich zu Gefangenen gemacht und Gaben an die Menschen ausgeteilt." Wenn es heißt: "Er ist zur Höhe hinaufgestiegen, welch andern Sinn könnten diese Worte haben, als den, dass er vorher in die Sphären hinabgestiegen war, die tiefer sind als die irdischen. Der in die Tiefe der Hölle hinabstieg, ist derselbe, der über alle Sphären hinaufstieg, um das All wieder zu der Vollendung zu bringen, wie es einst war. Er ist es auch, der die einen zu Aposteln bestimmte, andere zu Sprechmedien in deren Muttersprache, andere zu Wanderpredigern der Heilswahrheit, andere zu Leitern und Lehrern der Gemeinden; dadurch sollen die Gottestreuen jene innere Ausbildung erlangen, die sie befähigt, an dem Werke des geistigen Gemeindedienstes mitzuarbeiten und zu helfen, den geistigen Leib Christi nach und nach wieder aufzubauen, bis wir alle zu der großen Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangt und zu einem vollkommenen Menschen geworden sind, - zum Vollmaß des Wuchses, in dem Christus unser Vorbild ist. Wir sollen ja nicht länger unausgewachsene Kinder bleiben, die von jedem Winde trügerischer Menschenlehre infolge arglistiger Irreführung wie Meereswogen hin und her geworfen werden und sich bald hierin, bald dorthin treiben lassen. Wir sollen vielmehr der wahren Lehre treu bleiben und nach und nach alle Geschöpfe durch die Liebe zu geistigen Gliedern dessen machen, der das geistige Haupt ist, -nämlich Christi. Denn durch ihn wird der geistige Leib als ein Ganzes zusammengefügt und zusammengehalten. In diesem Gefüge hat jedes Glied seinen Dienst zu verrichten nach dem Maße der Kraft, die einem jeden als Teil des Ganzen verliehen wird. So hilft jedes Glied am Aufbau des geistigen Leibes mit, bis der geistige Bau Christi vollendet ist, aufgebaut auf dem Fundament der Liebe. So ermahne und beschwöre ich euch im Namen des Herrn: Führet nicht einen Lebenswandel, wie die Ungläubigen, die ihren Sinn auf die weltlichen Nichtigkeiten gerichtet haben. Diese tappen im Finstern und können nicht mehr klar sehen. Dem Leben in Gott sind sie entfremdet, weil sie wegen der Verstocktheit ihres Herzens keine Gotteserkenntnis mehr besitzen. Jedes sittliche Gefühl ist ihnen abhanden gekommen; darum geben sie sich jeder Ausschweifung hin. Als Menschen, die alle Hoffnung auf etwas Höheres verloren haben, treiben sie jede Art der Unzucht und Ausschweifung. So etwas habt ihr nicht aus der Lehre Christi gelernt. Was Christus lehrt, habt ihr ja vernommen, und darüber seid ihr vollkommen unterrichtet worden, dass diese Lehre im Leben Jesu selbst zur Wahrheit wurde; dass ihr daher infolge eurer vor kurzem erfolgten Bekehrung den alten Menschen abgelegt haben müsst, - jenen Menschen, der sich selbst zu Grunde richtete durch Befriedigung der niedern Sinnlichkeit, die sich ja doch nur als Trug erwies; dass ihr nun neu gestaltet werdet durch den Geist der Erkenntnis, der euch verliehen wurde, und den neuen Menschen anziehen sollt, - jenen Menschen, der einst nach dem Bilde Gottes geschaffen worden war in Gottestreue, Reinheit und Wahrheitsliebe. Darum entfernt die Lüge aus eurem Herzen und sprecht im Verkehr miteinander nur die Wahrheit! Wir stehen ja in demselben Verhältnis zu einander, wie die Glieder eines Leibes. Steigt plötzlich eine Zorneswallung in euch auf, so lasst euch dadurch nicht zur Sünde verleiten! Lasst die Sonne nicht über einer solchen Zornesstimmung untergehen, damit ihr dem Teufel keine Handhabe gegen euch gewähret. Wer bisher ein Dieb war, unterlasse das Stehlen und begebe sich lieber fleißig an die Arbeit, um sich mit eigenen Händen die irdischen Güter zu erwerben. Dann wird er imstande sein, auch den Notleidenden noch etwas mitzugeben. Lasst keine Bemerkung eurem Munde entschlüpfen, die wie Fäulnis wirkt, sondern redet nur dann, wenn ihr etwas zu sagen wisst, was zum Aufbau im Glauben dient, damit den Zuhörern dadurch eine Wohltat erwiesen wird. Betrübet nicht die heilige Geisterwelt, die euch von Gott zugeteilt wurde und die euch die Bestätigung dafür ist, dass der Tag eurer vollständigen Rettung naht. Alle Bitterkeit, aller Zorn und Groll, alles Schreien und Fluchen samt allem, was es sonst noch Böses gibt, haltet von euch fern! Seid freundlich und herzlich zueinander und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat, indem er euch zu geistigen Gliedern Christi machte. Ahmet also darin Gott nach als seine geliebten Kinder und führet ein Leben der Liebe, wie ja auch Christus uns geliebt und sich für uns als Opfergabe dargebracht hat, an der Gott das höchste Wohlgefallen empfand. Unzucht und Unreinheit jeglicher Art oder Habgier sollen nie den Gegenstand eurer Unterhaltung bilden; denn so geziemt es sich für Menschen, die ihr Leben Gott geweiht haben. Auch kein unanständiges Gebahren, kein fades Geschwätz, keine leichtfertigen Witze darf man bei euch finden; - das alles passt sich nicht für euch. Sprecht lieber von dem Dank, den ihr Gott schuldet. Denn darüber seid ihr euch doch wohl klar, dass keine unzüchtigen und unsittlichen oder habgierigen Menschen, die ja in Wirklichkeit nur Götzendiener sind, ein Erbteil im Reiche Christi und Gottes haben können. Lasst euch von niemand durch leere Worte täuschen! Denn wegen solcher Sünden ergeht Gottes Strafgericht über alle, die Gott den Gehorsam verweigern. Macht, dass ihr nicht zu diesen gehört! Einst seid ihr zwar Finsternis gewesen, jetzt aber Licht Gottes als Glieder am geistigen Leibe des Herrn. So lebt denn auch wie Kinder des Lichtes; denn die Frucht, die das Licht in euch zur Reife bringt, ist Güte, Rechttun und Wahrhaftigkeit. Bei allem, was ihr tut, sollt ihr prüfen, ob es dem Herrn wohlgefällig ist. Beteiligt euch nicht an den fruchtlosen Werken derer, die in der Finsternis wandeln. Sprechet vielmehr ganz offen euren Tadel über solche Werke aus. Denn was von diesen Leuten im Geheimen getrieben wird, ist derart, dass einem die Schamröte ins Gesicht steigt, wenn man es bloß erwähnt. Spricht man nun offen seine Missbilligung über derartige Dinge aus, dann werden sie dadurch ans Licht gezogen. Und was vom Licht beschienen ist, wird selbst Licht. Darum heißt es: "Wache auf, du Schläfer, und komme hervor aus dem Reich der geistig Toten! und du wirst in die Strahlung Christi treten." Achtet also sorgfältig auf euren Lebenswandel. Handelt nicht gedankenlos, sondern als Menschen, die genau überlegen, was sie tun. Machet von jeder Sekunde den besten Gebrauch; denn wir leben in schlimmen Zeiten. Betragt euch nicht wie Toren, sondern suchet zu erkennen, was der Wille des Herrn ist. Berauschet euch nicht im Wein; das führt zur Liederlichkeit. Statt dessen erfülle ein heiliger Geist euer ganzes Innere, dann wird euer Herz überströmen von Dank- und Lobliedern und geistigen Gedichten, in denen ihr den Herrn lobt und preist und eurem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus allezeit den Dank aussprecht für alle empfangenen Wohltaten. Dienet einander aus Ehrfurcht vor Christus. Die Frauen seien ihren Ehemännern untertan, als gelte es dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Gemeinde ist und der Beschirmer des geistigen Leibes. Wie also die Gemeinde Christus untenan ist, so sollen auch die Frauen ihren Männern in jeder Hinsicht sich untertänig erweisen. Andererseits müssen aber auch die Männer ihre Frauen lieben, wie Christus die Gemeinde liebt und sich für sie zum Opfer brachte, um sie Gott zu weihen, indem er sie im Bade seiner Lehre rein wusch. So stellte er die Kirche an seine Seite wie eine Braut, die im Glanze der Schönheit erstrahlte und keine Flecken und Runzeln oder ähnliche Fehler aufweist, sondern heilig und frei von jeder Makel ist. So haben auch die Männer die Pflicht, ihre Frauen wie ihr eigenes Ich zu lieben. Denn wer seine Frau lieb hat, erweist damit sich selbst die größte Liebe. Nun gibt es doch wohl niemand, der sein eigenes Ich hasst, vielmehr hegt und pflegt ein jeder seine eigene Person. So macht es Christus ja auch mit uns, seiner Kirche, weil wir Glieder seines geistigen Leibes sind, - Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein. Aus diesem Grunde wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und die beiden werden sein wie ein einziges Lebewesen. Hierin liegt ein großes Geheimnis verborgen. Ich für meine Person behaupte, dass dasselbe Geheimnis auch in dem Verhältnis Christi zur Gemeinde zu finden ist. Doch wie es sich damit auch verhalten mag, bei euch soll ein jeder seine Frau so lieb haben, wie sich selbst; ebenso die Frau ihren Mann, damit sie ihm mit Ehrerbietung begegnen kann. Ihr Kinder, seid euren Eltern gehorsam. Denn so entspricht es dem Willen Gottes. "Ehre deinen Vater und deine Mutter!" - das ist das einzige Gebot, mit dem die Verheißung verknüpft ist: "Damit es dir wohl ergehe, und du lange lebest auf Erden." Ihr Väter, erwecket nicht das Gefühl der Erbitterung in den Herzen eurer Kinder, sondern erziehet sie so, dass ihr sie in einer Art unterweiset, wie sie den Kindern angepasst ist, und ihnen die rechte Einsicht in die Lehre des Herrn vermittelt. Ihr Dienstboten, seid euren irdischen Herren gehorsam, nicht unter Furcht und Zittern, sondern in der Einfalt eures Herzens, als gelte es Christus. Werdet auch keine Augendiener, die bloß Menschen zu gefallen suchen, sondern zeiget euch als Diener Christi, die aus ehrlichem Herzen den Willen Gottes tun. Verrichtet eure Dienstbotenarbeit mit derselben wohlwollenden Gesinnung, als gelte sie dem Herrn und nicht bloß den Menschen. Ihr wisst ja, dass jeder für alle guten Werke, die er verrichtet, einen entsprechenden Lohn vom Herrn empfängt, sei er nun ein Dienstbote oder ein Freier. Und ihr Herren, handelt in gleicher Weise euren Dienstboten gegenüber. Lasst das Drohen! Ihr wisst ja, dass ihr Herr und der eurige im Himmel wohnt, und dass vor ihm kein Ansehen der Person gilt. Zum Schluss bitte ich euch: Fördert in der Gemeinschaft mit dem Herrn euer geistiges Können von Tag zu Tag mit Hilfe der Kraft, die aus seiner Kraftquelle auf euch überströmt. Ziehet die volle Waffenrüstung Gottes an, damit ihr fähig seid, den listigen Angriffen Satans die Spitze zu bieten. Ihr habt ja nicht gegen Wesen von Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen überirdische Mächte und Gewalten, gegen die Geister der Finsternis, die in dieser Welt die Herrschaft führen und gegen Machenschaften der bösen Geister in den jenseitigen Sphären. Darum ziehet die volle Waffenrüstung Gottes an, damit ihr stark genug seid, am 'Bösen-Geister-Tag' Widerstand zu leisten und alles daran setzt, um fest zu bleiben. Stehet also für alle Fälle bereit, - eure Hüften umgürtet mit der Wahrheit, angetan mit dem Panzer des Rechttuns, die Füße beschuht mit der Bereitschaft, die Heilsbotschaft des Friedens zu verkünden. Vor allem ergreifet den Schild des Glaubens; denn damit werdet ihr alle feurigen Pfeile des Bösen unwirksam machen. Setzt auf euer Haupt den Helm des Heiles und nehmet in eure Rechte das Schwert des Geistes, nämlich das Wort Gottes. Bei jeder Bitte und jedem Gebet flehet stets unter dem Beistand eines Geistes Gottes. Dabei seid allezeit darauf bedacht, dass ihr in eurem Gebet die Ausdauer bewahrt und auch alle Gottestreuen in euer Gebet mit einschließt. Betet auch für mich, damit mir die Gabe der Rede verliehen werde, und ich den Mund aufmachen kann, um mit größerer Redegewandtheit das Geheimnis der Heilsbotschaft zu verkünden. In diesem Punkte übe ich nämlich nur mit großer Befangenheit mein Amt als Ältester aus. Hierin möchte ich nun freier werden und so reden können, wie ich es wohl müsste. Damit aber auch ihr etwas über meine Lage und meine Arbeit erfahret, so wird euch Tychikus alles berichten, der ein lieber Bruder und treuer Diener in der Sache des Herrn ist. Nur aus dem einen Grunde sandte ich ihn zu euch, damit ihr von unserer hiesigen Lage Kenntnis erhaltet, und er eure Herzen aufrichtet. Allen Brüdern werde der Friede, sowie die Liebe und der Glaube von Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus zuteil. Die Gnade sei mit allen, die unsern Herrn Jesus Christus lieb haben in unwandelbarer Treue. Amen. Paulus und Timotheus, Diener Christi Jesu, entbieten allen Gottestreuen in Philippi, die Christus angehören, im Verein mit ihren Bischöfen und deren Mitarbeitern ihren Gruß. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. So oft ich an euch denke, danke ich unserm Herrn und schließe euch alle in jedes meiner Gebete ein; wenn ich so bete, empfinde ich stets eine große Freude; denn ich erinnere mich dabei eurer gemeinsamen Mithilfe in der Verkündigung der Heilswahrheit, die ihr mir vom ersten Tage an bis jetzt gewährt habt. Und es besteht bei mir die feste Überzeugung, dass der, welcher ein so gutes Werk in euch begonnen hat, es auch vollendet haben wird, wenn der Tag der Ankunft Christi Jesu anbricht. Mit Fug und Recht hege ich diese gute Meinung von euch allen, denn ich trage euer Bild in meinem Herzen von der Stunde an, wo ihr alle durch eure Liebesdienste mir so viel Teilnahme erwieset, und zwar sowohl bei meiner Gefangenschaft als auch bei meiner Verteidigung und durch die Bekräftigung der Heilsbotschaft. Gott ist mein Zeuge, wie sehr ich mich in der herzlichen Liebe Christi Jesu nach euch allen sehne. Und um das eine bete ich, dass eure Liebe von Tag zu Tag größer werde und überströme infolge der gewonnenen Erkenntnis und des ganzen geistigen Empfinden, das euch befähigt, im Entscheidungsfalle jedesmal das Richtige zu wählen; dann werdet ihr am Tage der Wiederkunft Christi lauter und unbescholten dastehen; ihr werdet ausgestattet sein mit einer Fülle von Früchten der Gottestreue, die durch Jesus Christus zur Reife gebracht werden zur Ehre und zum Lobpreis Gottes. Ich möchte euch nun wissen lassen, meine Brüder, dass die Lage, in der ich mich befinde, sich in Bezug auf die Heilsverkündigung besser gestaltet hat. Es ist nämlich bei der ganzen kaiserlichen Leibwache und auch in allen andern Kreisen bekannt geworden, dass ich um Christi willen in der Gefangenschaft bin. So hat denn die Mehrzahl der Brüder im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn aus meiner Gefangenschaft neue Zuversicht gewonnen, so dass sie es wagen, mit wachsender Furchtlosigkeit das Wort Gottes zu verkünden. Einige freilich predigen die Lehre Christi auch mit einem Herzen voll Neid und Eifersucht; andere wieder in guter Absicht. Die einen tun es aus Liebe zur Sache Gottes; sie sind sich bewusst, dass ich nur wegen der Verteidigung der Heilsbotschaft in Fesseln liege. Die selbstsüchtigen Prediger der Lehre Christi tun es nicht aus lauterer Absicht, sondern wissen nur zu gut, dass sie mir dadurch zu meinen Fesseln auch noch Kummer bereiten. Doch was tut's? Wird doch in jedem Fall - mit oder ohne Nebenabsichten - Christus gepredigt. Und darüber freue ich mich. Ja, ich werde mich auch fernerhin darüber freuen. Ich weiß ja, dass meine gegenwärtige Lage mir infolge eurer Fürbitte und unter dem Beistand des Geistes Jesu Christi zum Heil gereichen wird. Ich hege die feste Überzeugung und lebe in der frohen Hoffnung, dass ich in keiner Beziehung eine Beschämung erfahren werde. Im Gegenteil, Christus wird, wie bisher, so auch jetzt durch das, was ich leiblich zu erdulden habe, vor aller Welt verherrlicht werden, mag ich nun am Leben bleiben oder den Tod erleiden. Bleibe ich am Leben, so ist mein Leben Christus geweiht, - muss ich sterben, so ziehe ich auch daraus einen großen Gewinn. Sollte mir ein leibliches Weiterleben beschieden sein, so ist das für mich gleichbedeutend mit einer weitern fruchtbringenden Arbeit. Was von beiden vorzuziehen wäre, weiß ich nicht. Sowohl das eine, wie das andere, erscheint mir wünschenswert. Einerseits fühle ich große Sehnsucht danach, von diesem Leibe erlöst und mit Christus vereint zu werden; um wie viel besser wäre dies für mich! Andererseits wäre es im Hinblick auf euch doch notwendiger, dass ich am Leben bliebe. So hege ich denn die feste Überzeugung, dass ich noch bei euch bleiben und unter euch allen wirken werde, um euch noch größeren Nutzen und eine innigere Glaubensfreudigkeit bringen zu können. Da wird dann, wenn ich wieder unter euch bin, euer Herz wegen meiner Rettung vor Jubel überströmen, weil es sich dabei ja um die Sache Christi Jesu handelt. So führet denn auch in eurem öffentlichen Auftreten einen Lebenswandel, welcher der Heilsbotschaft würdig ist. Falls ich kommen sollte, möchte ich mich persönlich davon überzeugen - oder, wenn ich nicht kommen kann, von euch einen Bericht darüber erhalten, ob ein und derselbe Geist euch alle beherrscht; ob ihr in einmütiger Gesinnung Schulter an Schulter kämpft für den Glauben an die Heilsbotschaft, und euch durchaus nicht einschüchtern lasst von denen, die eure Widersacher sind. Eure Furchtlosigkeit ist für jene ein Wahrzeichen ihres Verderbens, für euch aber ein Wahrzeichen der Rettung, und zwar ein Wahrzeichen, das von Gott kommt. Denn was die Sache Christi betrifft, so ist euch die Gnade zuteil geworden, nicht bloß an Christus zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden. Ihr habt denselben Kampf durchzumachen, den ihr bei mir saht und der, wie ihr höret, auch jetzt wieder bei mir im Gange ist. Wenn nun eine im Namen Christi gegebene Mahnung, - wenn ein liebevolles Wort der Aufmunterung, - wenn das Gefühl der geistigen Zusammengehörigkeit, - wenn Herzlichkeit und gegenseitigem Mitempfinden noch etwas vermögen, dann bitte ich euch: Machet meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr dieselbe Gesinnung und dieselben Gefühle der Liebe heget, ein Herz und eine Seele seid, dasselbe Ziel verfolgt, nichts aus Selbstsucht oder eitlem Ehrgeiz tut, sondern in aller Demut einer den andern höher achtet als sich selbst, keiner bloß seinen eigenen Vorteil im Auge hat, sondern auch den seines Mitmenschen. Denn in euch allen soll dieselbe Gesinnung herrschen, die auch in Christus Jesus war. Wiewohl er in seiner geistigen Gestalt wie ein Gott aussah, so hat er es doch nicht als eine Selbstberaubung angesehen, sich vor Gott zu verdemütigen; er hat sich vielmehr selbst entäußert und die äußere Gestalt des Knechtes angenommen und ist den Menschen vollkommen gleich geworden; in seinem irdischen Leben ist er wie ein gewöhnlicher Mensch erfunden worden. Er verdemütigte sich selbst durch seinen Gehorsam bis zum Tode - dem Kreuzestode. Darum erhöhte ihn Gott über alles und gab ihm einen Namen, der alle Namen überragt, so dass im Namen Jesu sich die Knie aller derer beugen werden, die in den himmlischen, den irdischen und den höllischen Sphären sind; und jede Zunge wird einmal bekennen: Christus Jesus ist der Herr! Und durch dieses Bekenntnis wird Gott der Vater verherrlicht werden. Darum, meine Geliebten, befolget meine Mahnungen, wie ihr es ja bisher stets getan habt; aber befolget sie nicht bloß so, wie ihr es in meiner Gegenwart tatet, sondern jetzt in meiner Abwesenheit noch mit einer viel größeren Gewissenhaftigkeit und arbeitet an eurer Rettung mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist es, der euch nicht bloß zum Wollen, sondern auch zum Vollbringen soviel Kraft gibt, als er für nötig hält. Tuet alles ohne Murren und Wortzänkereien. Werdet rein und lauter als Kinder Gottes, die ohne Falsch und Tadel inmitten einer unredlichen und von Gott abgewichenen Menschheit leben. In ihr sollt ihr die Lichtträger sein, indem ihr der Welt die Leben spendende Wahrheit darreicht. Dann werdet ihr mir zum Ruhme gereichen an dem Tage, an dem Christus erscheint. Dann bin ich in der Rennbahn dieses Lebens nicht vergeblich gelaufen, und meine Mühe war nicht umsonst. Sollte ich auch mein Blut als Opfer dafür darbringen müssen, dass ich euch durch meinen priesterlichen Dienst den Glauben vermittelt habe, so freue ich mich darüber und nehme an der Freude von euch allen innigen Anteil. Aber auch euch soll dies eine Veranlassung zur Freude sein, so dass sich eure Freude mit der meinigen vereinigt. Sofern es der Wille Christi Jesu ist, hoffe ich, euch recht bald den Timotheus senden zu können, damit auch ich innerlich beruhigt bin, sobald ich durch ihn vernommen habe, wie es euch geht. Ich habe keinen Gleichgesinnten, der so, wie er, für euer Bestes besorgt sein wird. Alle andern denken leider nur an sich selbst und nicht an die Sache Jesu Christi. Seine bewährte Treue ist euch ja bereits bekannt. Ihr wisst, dass er mir beim Verkünden der Heilsbotschaft geholfen hat, wie ein Sohn seinem Vater. Ihn also hoffe ich sofort zu euch senden zu können, sobald sich meine hiesigen Verhältnisse hinreichend geklärt haben. Ich setze jedoch das Vertrauen auf den Herrn, dass ich gleichfalls bald werde kommen können. Ich fühlte mich gedrungen, meinen Bruder und Mitarbeiter und Mitkämpfer Epaphroditus, den ihr als Überbringer einer Gabe für meinen Lebensunterhalt zu mir sandtet, zu euch zurückzuschicken. Denn er hatte Heimweh nach euch allen und machte sich Sorge bei dem Gedanken, dass ihr von seiner Krankheit Kunde erhalten hattet. Er war in der Tat so krank, dass wir seinen Tod befürchteten. Doch Gott hatte Erbarmen mit ihm, und nicht bloß mit ihm, sondern auch mit mir, damit nicht Leid über Leid mich treffen sollte. So habe ich mich denn doppelt beeilt, ihn heim zu senden, -einmal, damit ihr euch über sein Wiedersehen freuen solltet, und zweitens, damit ich eine Sorge weniger hätte. Nehmet ihn also als einen Diener des Herrn mit aller Freude auf und haltet einen Mann wie ihn in Ehren; denn um der Sache Christi willen ist er dem Tode nahe gewesen. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, indem er die Dienste, die ihr mir nicht leisten konntet, an eurer statt in vollem Maße zu leisten sich bemühte. Wohlan denn, meine Brüder, freuet euch im Herrn! Dass ich euch immer dasselbe schreibe, ist mir durchaus nicht peinlich, euch aber dient es zur inneren Festigung. Hütet euch vor diesen Hunden, diesen böswilligen Mitarbeitern, vor diesem Beschneidungswahn. Denn wir tragen das Zeichen der wahren Beschneidung an uns, da wir unter der Leitung eines Geistes unsern Dienst Gott gegenüber verrichten und unsern Stolz darein setzen, in der Gemeinschaft mit Christus Jesus zu leben; wir geben nichts auf Zeichen, die bloß äußerlich am Körper hervortreten; denn sonst könnte ja auch ich mit solchen Zeichen groß tun. Wenn irgend jemand sich auf äußere Vorzüge verlassen zu dürfen glaubt, dann kann ich es erst recht. Ich wurde am achten Tage beschnitten, stamme aus dem Volke Israel, gehöre zum Stamme Benjamin, bin ein Hebräer von Geburt, gehörte, was die Auslegung des Gesetzes betraf, zu der Partei der Pharisäer. In meinem religiösen Fanatismus wurde ich zu einem Verfolger der Gemeinde Gottes; in dem, was nach dem Buchstaben des Gesetzes als das Rechte galt, gab es nichts, das ich nicht bis ins Kleinste erfüllte. - Aber alle diese Dinge, die ich damals als besonders wertvoll ansah, halte ich jetzt im Hinblick auf die Sache Christi für einen Nachteil. Ja, ich halte überhaupt alles für unvorteilhaft, wenn ich es mit der unendlich wertvollen Kenntnis meines Herrn Jesus Christus vergleiche, dessentwegen ich dies alles preisgab. Ich hielt es gewissermaßen für Straßenkot. Nur Christus wollte ich gewinnen. Hatte ich seine Gemeinschaft gefunden, was scherte mich dann mein bisheriges Rechttun, das in der Befolgung der jüdischen Gesetzesvorschriften bestand! Denn nun besaß ich jenes innere Rechtsein, das dem Glauben an Christus entspringt, und das Gott mir als Entgelt für meinen Glauben verlieh. Durch diesen Glauben lerne ich ihn verstehen, erfahre an mir die Kraft seiner Auferstehung und das Glück, mit ihm leiden zu dürfen und ihm in seinem Tode ähnlich zu werden, um so auch einmal zu der Auferstehung von den Toten zu gelangen. Denn auch ich bin keiner von denen, die das Ziel schon vollkommen erreicht hätten oder sich schon des Wohlgefallens Gottes erfreuten. Aber ich verfolge das Ziel und gebe mir Mühe, es zu erreichen. Das war ja auch der Grund, weshalb ich von Christus in seine Gemeinschaft hineingezogen wurde. Meine Brüder! Wenn ich auch nicht von mir zu behaupten wage, dass ich das Ziel erreicht hätte, so kann ich doch das eine von mir sagen: Ich suche zu vergessen, was hinter mir liegt und strecke meine Hand nach dem aus, was vor mir ist; ich laufe in der Rennbahn dem Ziele zu, um den Preis zu erringen, der uns dort oben hinterlegt ist und in der Rückberufung in das Vaterhaus Gottes besteht, wohin wir in der Gemeinschaft mit Christus gelangen sollen. Wir alle, die wir Ja wohl zu den Gereiften gezählt werden wollen, sollen dasselbe Bestreben haben. Und wenn ihr in irgendeinem Punkte anderer Meinung seid, so wird euch Gott auch darin Klarheit geben. Nur lasst uns nach derselben Richtschnur, nach der wir von Anfang an unser Glaubensleben gestalteten, auch fernerhin weiter schreiten. Folget meinem Beispiel, meine Brüder, und sehet, wie die es machen, die uns zum Vorbild genommen haben. Viele führen leider einen Lebenswandel, dass ich sie zu den Feinden des Kreuzes Christi zählen muss. Schon öfters habe ich euch auf diese Leute aufmerksam gemacht, und diesmal tue ich es unter Tränen. Sie enden im Verderben. Ihr Gott ist der Bauch. Der Dinge, deren sie sich schämen sollten, brüsten sie sich noch. Ihr ganzes Sinnen und Trachten ist bloß auf das irdische Wohlleben gerichtet. Und doch sind wir in einem himmlischen Reich als Bürger eingetragen und erwarten von dorther als unsern Befreier den Herrn Jesus Christus. Dieser wird den Leib unserer Erniedrigung so umgestalten, dass er seinem eigenen Lichtleib ähnlich sein wird. Diese Umgestaltung wird er vollziehen durch die Kraft, mit der er die ganze Schöpfung wieder als Glieder seines Leibes mit sich vereinigt. Ihr meine Brüder, die ich so liebe und nach denen ich mich sehne, die ihr meine Freude und der Kranz meines Ruhmes seid, haltet also treu zum Herrn. Evodia und Syntyche bitte ich, doch einträchtig zusammen zu arbeiten im Dienst des Herrn. Auch dich bitte ich, treuer Mitarbeiter, nimm dich dieser beiden an! Sie standen ja an meiner Seite im Kampfe für die Heilsbotschaft, zusammen mit Klemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens verzeichnet stehen. Freuet euch allezeit bei eurer Arbeit im Dienste des Herrn! Und immer wieder werde ich euch zurufen: Freuet euch! Das Gute in euch soll allen Menschen offenbar werden. Der Herr ist euch stets nahe. Machet euch daher keine Sorgen, sondern bringet in allen Lebenslagen eure Anliegen unter andächtigem Bitt- und Dankgebet vor Gott. Dann wird der Friede Gottes, der größer ist, als Menschen sich vorstellen können, euer Fühlen und Denken wie ein Schutzwall umgeben in der Kraft Christi Jesu. Schließlich möchte ich alles in den einen Satz zusammenfassen: Alles was der Wahrheit entspricht, alles, was wertvoll, was recht, was rein, was lieblich, was unanstößig, was tugendhaft, was zu wissen lobenswert ist, danach trachtet! Was ihr von mir gelernt und empfangen habt, was ihr mich sagen hörtet und was ihr mich tun saht, das bringet auch ihr im täglichen Leben zur Ausführung! Dann wird der Gott des Friedens mit euch sein. Bei meiner Arbeit im Dienste des Herrn war es mir eine große Freude, eure Sorge um mich wieder aufleben zu sehen. Gesorgt habt ihr euch freilich immer um mich, nur fehlte euch die Gelegenheit, eure Sorge praktisch zu zeigen. Nicht, dass ich über äußere Not zu klagen hätte. Ich habe ja gelernt, in allen meinen Lebenslagen mit wenigem auszukommen. Ich kann mich in der drückendsten Not zurechtfinden und weiß auch, wie ich im größten Überfluss zu leben habe. Ich kenne das Geheimnis, mich jedem Schicksal und jeder Lebenslage anzupassen. Ob ich satt zu essen habe oder ob ich hungern muss, ob ich alles im Überfluss besitze oder Mangel leide, zu allem finde ich die nötige Kraft in dem, der mich stärkt. Nun wart ihr so gütig, mir in meiner Drangsal eure Teilnahme zu beweisen. Ihr wisst selbst, meine lieben Philipper, dass in der ersten Zeit der Verkündigung der Heilsbotschaft, als ich Mazedonien verlassen hatte, keine Gemeinde mir gegenüber in das Verhältnis von Geben und Nehmen trat; ihr wart die einzigen. Selbst als ich in Thessalonich war, habt ihr mir mehr als einmal eine Unterstützung geschickt. Nicht, dass es mir um euer Geld zu tun wäre; für mich handelt es sich vielmehr darum, dass immer reichere Zinsen auf euer Guthaben bei Gott gebucht werden können. Ihr habt nun eure Schulden an mich abbezahlt, ja mehr als abbezahlt. Ich schwimme jetzt im Überfluss, seitdem ich durch Epaphroditus eure Zuwendung empfangen habe. Sie ist ein Wohlgeruch vor Gott und ein ihm willkommenes und wohlgefälliges Opfer. Mein Gott aber wird euch alles, dessen ihr bedürft, nach seinem großen Reichtum in herrlicher Fülle verleihen in Christus Jesus. Unserm Gott und Vater sei die Ehre immerdar! Amen. Grüßet jeden Gottestreuen als Glied der Gemeinschaft mit Christus Jesus. Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. Alle Gottestreuen lassen euch grüßen, besonders die vom kaiserlichen Hofe. Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen. Paulus, durch Gottes Willen ein Apostel Christi Jesu, und der Bruder Timotheus entbieten den gottestreuen und gläubigen Brüdern zu Kolossae, die sich in der Gemeinschaft mit Christus Jesus befinden, ihren Gruß. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater. Wir danken Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, so oft wir eurer im Gebet gedenken. Wir hörten von eurem Glauben an Christus Jesus und von der Liebe, die ihr zu allen Gottestreuen hegt. Wir danken Gott wegen der Hoffnung auf die Güter, die euch in den Himmels-Sphären hinterlegt sind. Von diesen Gütern habt ihr schon gleich im Anfang, als das Wort der Wahrheit infolge der Verkündigung der Heilsbotschaft zu euch drang, Kenntnis erhalten. Diese Botschaft wurde bereits in der ganzen Welt ausgestreut als ein Samenkorn, das fruchtbringend sich vermehrt. Das war auch bei euch der Fall seit dem Tage, wo ihr die Heilsbotschaft vernahmt und die Gnade Gottes erkanntet, die euch in der Verkündigung der Wahrheit zuteil wurde. Ihr lerntet sie durch unsern lieben Mitknecht Epaphras kennen, der als ein treuer Diener Christi an unserer Stelle bei euch wirkte. Er ist es auch, der uns von der Liebe berichtete, die unter der Wirkung eines heiligen Geistes in euch entfacht wurde. Seit dem Tage, wo wir dies vernahmen, beten wir daher unablässig für euch. Wir flehen zu Gott, er möchte euch ganz erfüllen mit der Erkenntnis seines Willens; er möchte euch durch seine Geisterwelt all die Weisheit und all die Einsicht verleihen, die notwendig ist, um ein Leben zu führen, das des Herrn würdig und ihm in jeder Beziehung wohlgefällig ist; er möchte euch fruchtbar werden lassen an allen guten Werken und euch wachsen lassen in der Erkenntnis Gottes; er möchte euch ausrüsten mit jeder erforderlichen Kraft, die seine herrliche Macht verleihen kann, damit ihr Standhaftigkeit und Ausdauer in vollem Maße bewahret. Alsdann könnt ihr mit Freuden dem Vater Dank sagen, der euch befähigte, an dem Erbe der Gottestreuen im Reiche des Lichtes teilzunehmen; der uns aus der Gewalt des Reiches der Finsternis befreite und uns in das Reich seines geliebten Sohnes zurückversetzte. In der Gemeinschaft mit ihm ward uns die Erlösung zuteil, die in der Befreiung von der Sünde des Abfalls von Gott besteht. Er ist ein Abbild des unsichtbaren Gottes, der Erstling der ganzen Schöpfung. In ihm ist nämlich alles erschaffen worden, was sich in den außerirdischen und in den irdischen Sphären befindet, das Sichtbare und das Unsichtbare, mögen es nun hohe himmlische Fürsten sein oder andere Machthaber, Herrschaftsbereiche oder Gewalten, - das alles ist durch ihn und zu einer geistigen Gemeinschaft mit ihm geschaffen worden. Er ist vor allen andern Geschöpfen ins Dasein getreten, und in ihm ist alles Geschaffene zu einer geistigen Einheit zusammengefasst worden. Er ist daher auch das Haupt des geistigen Leibes, den man 'Kirche' nennt. Er machte auch den Anfang in der Rückkehr der geistig Toten, indem er als Erster aus dem Reich der geistig Toten zurückkam. Er sollte ja in allem der Erste sein. Gottes Erlösungsplan bestand nämlich darin, dass Gott ihm die volle Zahl der abgefallenen Glieder wieder einverleiben wollte. Sobald Christus durch sein am Kreuze vergossenes Blut den Friedensvertrag herbeigeführt hätte, wollte Gott alles wieder mit sich aussöhnen, sowohl das, was in den irdischen, als auch das, was in den außerirdischen Welten sich befindet. Auch ihr gehörtet einst zu den vom Reiche Gottes Ausgeschlossenen und wart Untertanen des gottfeindlichen Reiches infolge der Gesinnung, die in euren schlechten Taten zum Ausdruck kam. Jetzt aber seid ihr wieder mit Gott ausgesöhnt, weil Christus seinen irdischen Leib durch den Kreuzestod zum Opfer brachte, um euch heilig, makellos und unsträflich vor Gottes Angesicht stellen zu können. Voraussetzung allerdings ist, dass ihr dem Glauben unerschütterlich treu bleibt und euch nicht von der Hoffnung abbringen lasst, die ihr der von euch vernommenen Heilsbotschaft verdankt. Sie ist in der ganzen Schöpfung verkündet worden; und auch ich - Paulus - bin einer von denen, die sie predigen. Jetzt freue ich mich, dass ich für euch leiden darf. Das, was die Gemeinde als der geistige Leib Christi noch zu wenig gelitten hat, gemessen an den Leiden Christi, das will ich durch meine leibliche Trübsal ersetzen. Ich bin ja der Diener der Gemeinde geworden infolge des Amtes eines Hausverwalters, das Gott mir anvertraut hat. Als solcher habe ich bei euch das Wort Gottes nach seinem ganzen Umfang zu verkündigen. Ich habe euch das Geheimnis zu enthüllen, das in allen früheren Zeitperioden und Geschlechtern verhüllt gewesen war und jetzt erst seinen Treuen geoffenbart wurde. Ihnen wollte Gott kundtun, worin der Reichtum dieses herrlichen Geheimnisses Gottes für die Nichtjuden bestehe, - was es bedeutet, dass Christus in Gemeinschaft mit euch steht, und dass ihr durch ihn die Hoffnung auf eure Herrlichkeit besitzet. Ihn verkünden wir, und seine Wahrheit legen wir jedem ans Herz; wir belehren jeden auf allen Gebieten des wahren Wissens. Dadurch wollen wir jedem Menschen dazu verhelfen, dass er als Glied des Leibes Christi seine ursprüngliche Vollkommenheit wiedererlangt. Das ist auch der Grund, weshalb ich mir alle erdenkliche Mühe gebe und mit all der Kraft zu kämpfen suche, die er mir verleiht, und die sich in machtvoller Weise in mir wirksam erweist. Ich möchte euch nämlich wissen lassen, welch schweren Kampf ich für euch und die Gemeinde in Laodizäa, sowie für alle andern, die mich persönlich noch nicht kennen, zu bestehen habe. Durch diese Mitteilung möchte ich erreichen, dass ihre Herzen neuen Mut fassen, und sie sich in Liebe immer fester aneinander schließen; dann werdet ihr den vollen geistigen Reichtum an euch erfahren, der in einem solchen Zusammenschluss liegt; ihr werdet zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes gelangen; und dieses Geheimnis ist Christus. In ihm liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen. Das sage ich nur deshalb, damit euch niemand durch seine Überredungskünste täuschen soll. Denn wenn ich auch leiblich euch fern bin, so weilt doch mein Geist unter euch, und mit Freuden sehe ich eure festgeschlossenen Kampfreihen und das starke Bollwerk eures Glaubens an Christus. So wie ihr das Bild des Herrn Christus Jesus in euer Herz aufgenommen habt, so sollt ihr nach seinem Vorbild auch eueren Lebenswandel einrichten. Schlaget Wurzel in ihm, bauet euch in ihm auf, werdet fest in dem Glauben, in dem ihr unterwiesen worden seid; und wenn ihr Christi gedenket, dann lasst euer Herz von Dank überströmen. Sehet zu, dass euch niemand gefangen nehme durch die sogenannte 'Wissenschaft', sowie durch die törichten und irreführenden Lehren, die sich auf menschliche Überlieferungen stützen und von den bösen, die Welt beherrschenden Geistermächten herrühren, aber mit der Lehre Christi nichts gemein haben. Denn in Christus ist nur das zu finden, was von Gott herrührt, und zwar in der ganzen Vollendung, wie es einem Geschöpf gewährt werden kann. Auch ihr habt die vollkommene Lehre, wenn ihr mit ihm in Gemeinschaft steht. Er ist ja der Herr aller Geistermächte und geistigen Kräfte. Weil ihr zu ihm gehört, habt auch ihr eine Beschneidung empfangen, aber eine solche, die nicht mit der Hand vollzogen wird, sondern die darin besteht, dass ihr die irdische Gesinnung aus eurem menschlichen Leben entfernt; das ist die Beschneidung durch Christus. Sie wurde dadurch vollzogen, dass ihr durch das Untertauchen bei der Taufe mit ihm gleichsam ins Grab der Unterwelt hinabgestiegen seid und mit ihm auch wieder aus der Tiefe heraufgeführt wurdet infolge eures Glaubens an dieselbe Kraft Gottes, die auch ihn aus dem Reich der geistig Toten wieder zur Höhe führte. Auch ihr gehörtet einst zu den Insassen des Totenreiches infolge eures Abfalls von Gott und als geistig Unbeschnittene. Aber Gott hat euch in Gemeinschaft mit ihm wieder zum geistigen Leben zurückgeführt, nachdem er uns für alle unsere Übertretungen eine Begnadigung hatte zuteil werden lassen. Vorher hatte er die Schuldurkunde, die gegen uns bestand, für ungültig erklärt; denn sie enthielt Bestimmungen, die ein unübersteigliches Hindernis für unsere Rettung bildeten. So hatte er also diese Scheidewand beseitigt. Die Schuldurkunde hatte er ans Kreuz genagelt. Die Mächte und Gewalten der Hölle hatte er entwaffnet und öffentlich an den Pranger gestellt und in der Person Christi über sie triumphiert. Darum soll niemand abfällig über euch urteilen, wenn ihr im Essen oder Trinken keinen Unterschied mehr macht oder auf die Feier von Festen, Neumonden und Sabbaten kein Gewicht mehr legt. Denn das alles ist ja nur der Schatten von dem, was da kommen soll. Die Hauptsache ist, Christus anzugehören. Um den Siegespreis soll euch keiner von denen betrügen, die so gern ein demütiges Gebaren und eine Verehrung für Engel zur Schau tragen, ihren Visionen eine große Wichtigkeit beimessen und so ganz von selbst unter die Eingebung ihres eigenen irdischen Denkens geraten, sich aber nicht an Christus als das Haupt halten, von dem aus der ganze geistige Leib durch Gelenke und Bänder verknüpft und zusammengehalten wird und so sein gottgeordnetes Wachstum vollzieht. Wenn ihr als Glieder Christi euch von jenen Geistermächten völlig getrennt habt, die in der Welt die Herrschaft führen, warum lasst ihr euch denn Satzungen auferlegen, als lebtet ihr noch immer als Glieder dieser Welt? Solche Satzungen sind zum Beispiel: Fasse das nicht an! - Iss jenes nicht! Berühre dies nicht! Wer diese Satzungen übertritt, dem gereicht es nach den Geboten und Lehren der Menschen zum Verderben. Alle derartigen Satzungen stehen zwar im Ruf der Weisheit, werden zu religiösen Vorschriften gestempelt und gelten als ein Zeichen einer demütigen Gesinnung und sollen zur Kasteiung des Leibes dienen; sie haben jedoch keinerlei Wert, sondern helfen bloß dazu, den niedern Menschen aufzublähen. Da ihr nun mit Christus aus der Tiefe heraufgekommen seid, so suchet auch das, was in der Höhe ist, wo Christus thront, der da sitzt zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem Himmlischen und nicht nach dem Irdischen. Denn für das Irdische seid ihr tot, und euer neues Leben, das ihr in der Gemeinschaft mit Christus habt, liegt in Gott verborgen. Wenn Christus, der Vermittler eures geistigen Lebens, erscheint, dann werdet auch ihr als seine Glieder vor der ganzen Welt in Herrlichkeit erstrahlen. So ertötet denn die irdisch gerichteten Neigungen in euch: die Neigung zur Unzucht, Unsittlichkeit, widernatürlichen Sinnlichkeit, zu schlimmen Begierden und zur Habgier, die nichts anderes sind als Götzendienst. Wegen dieses Götzendienstes ist das Strafgericht Gottes im Anzug, das die Kinder des Ungehorsams treffen wird. Einst gehörtet auch ihr dazu, als ihr in all diesen Sünden dahinlebtet. Aber jetzt fort mit alledem! Fort mit Zorn, Erbitterung und Bosheit! Fort mit den Schmähungen und den hässlichen Reden, die früher aus eurem Munde kamen! Fort mit dem gegenseitigen Belügen! Den alten Menschen samt seinem ganzen Tun sollt ihr ja ausgezogen und den neuen Menschen angezogen haben, mit dessen Neugestaltung so lange fortgefahren werden muss, bis in ihm das volle Ebenbild dessen wiederzuerkennen ist, der ihn einst geschaffen hat. Da gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Männlich und Weiblich, zwischen Griechen und Juden, Beschnittenen und Unbeschnittenen, Barbaren und Scythen, Sklaven und Freien. Christus ist eins und alles und steht in Gemeinschaft mit allen. Als Auserwählte Gottes, die gottestreu und der Liebe Gottes teilhaftig sind, kleidet euch in herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut und Geduld. Vertragt euch untereinander und vergebet einander, wenn jemand meint, er habe Grund zu einer Klage gegen einen andern. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben. Vor allem aber traget die Liebe in eurem Herzen; denn sie ist das Band der Einheit. Und als euer höchstes Gut wohne der Friede Christi in eurem Herzen; dieser Friede ist ja das Ziel eurer Berufung als Glieder ein und desselben geistigen Leibes. Werdet dankbare Menschen! Die Lehre Christi soll in ihrem ganzen Reichtum euer Inneres erfüllen, so dass ihr euch gegenseitig auf jedem Gebiet des Wissens belehren und unterweisen könnt; mit dankbarem Herzen sollt ihr Gott loben und preisen in Psalmen, Hymnen und Gesängen, die euch von Geistern Gottes eingegeben werden. Was immer ihr sprecht oder tut, soll im Namen Jesu geschehen; durch ihn sollt ihr eure Dankgebete hinaufsenden zu Gott dem Vater. Ihr Frauen, seid euren Männern gehorsam, soweit es nach der Lehre des Herrn gestattet ist. Ihr Männer, habt eure Frauen lieb und werdet nicht bitter gegen sie. Ihr Kinder, seid euren Eltern in allen Stücken willfährig; denn dies steht im Einklang mit der Lehre des Herrn. Ihr Väter, reizet eure Kinder nicht zum Zorn, damit sie eurer nicht überdrüssig werden. Ihr Dienstboten, leistet euren irdischen Herren in allen Dingen Gehorsam, nicht in Augendienerei, um Menschen zu gefallen, sondern in der Einfalt eures Herzens und aus Ehrfurcht vor Gott dem Herrn. Wenn ihr das tut, dann verrichtet eure Arbeit aus innerem Antrieb, als gelte sie dem Herrn und nicht Menschen; ihr wisst ja, dass ihr als Entgelt dafür euer Erbteil vom Herrn empfangen werdet. Ihr dienet ja Christus dem Herrn. Wer dagegen in der unrechten Weise handelt, wird für sein Unrecht die entsprechende Strafe erhalten. Dabei gibt es kein Ansehen der Person. Ihr Herren, gewähret euren Dienstboten das, was ihnen rechtmäßiger Weise zukommt. Erinnert euch, dass auch ihr einen Herrn im Himmel habt. Seid beharrlich im Gebet; bleibet beim Beten aber auch innerlich wach. Betet jedesmal auch für uns, damit Gott unserer Predigt Tür und Tor öffnen möge; dann können wir das Geheimnis von Christus, um dessen willen ich in Fesseln liege, ungehindert verkünden, und ich selbst werde imstande sein, es in einer Weise klarzulegen, wie meine Pflicht es erfordert. Im Verkehr mit den Nichtchristen müsst ihr große Klugheit walten lassen und dafür stets den geeigneten Zeitpunkt wählen. Eure Worte seien stets voll Milde und Güte, kein fades Geschwätz. Ihr sollt wissen, wie ihr jedem einzeln zu antworten habt. Über jede Einzelheit meiner persönlichen Lage wird euch Tychikus Bericht erstatten. Er ist mein geliebter Bruder und ein treuer Gehilfe und Mitarbeiter im Dienst des Herrn. Ihn sende ich eigens zu dem Zweck zu euch, damit ihr erfahret, wie es uns geht, und er dadurch euren Herzen Trost bringe. In seiner Begleitung befindet sich Onesimus. Er ist ein treuer und lieber Bruder und ein Landsmann von euch. Beide werden euch genau berichten, wie hier alles steht. Mein Mitgefangener Aristarchus lässt euch grüßen; ebenso Markus, der Vetter des Barnabas; in Bezug auf ihn habt ihr bereits die Mitteilung erhalten, ihn freundlich aufzunehmen, sobald er zu euch kommt. Ferner Jesus mit dem Beinamen der 'Gerechte'. Diese drei sind die einzigen Judenchristen, welche Mitarbeiter für die Sache des Reiches Gottes geworden sind und mir zum großen Troste gereichen. Euer Landsmann Epaphras lässt euch grüßen. Er ist ein Diener Christi Jesu, der allezeit in seinen Gebeten Tür euch ringt, damit ihr in allem, was der Wille Gottes ist, als möglichst vollkommene und überzeugte Christen dasteht. Ich muss ihm das Zeugnis geben, dass er sich für euch und für die Brüder in Laodizäa und in Hierapolis sehr abmüht. Es grüßt euch Lukas, der von uns so geliebte Arzt; ebenso Demas. Grüßt die Brüder in Laodizäa; grüßet auch Nymphas und die Gemeinde, die sich in seinem Hause versammelt. Wenn dieser Brief bei euch vorgelesen ist, so möget ihr dafür Sorge tragen, dass er auch in der Gemeinde zu Laodizäa zur Verlesung kommt; andererseits soll der an die Laodizäer gerichtete Brief an euch übergeben werden, damit ihr ihn in eurer Gemeinde ebenfalls vorleset. Dem Archippus teilet folgende Botschaft mit: "Achte darauf, dass du die Pflichten des Amtes, das du im Dienste des Herrn übernommen hast, treu erfüllst!" Meinen, des Paulus, persönlichen Gruß schreibe ich hier mit eigener Hand: "Gedenket meiner Fesseln! Die Gnade sei mit euch! Amen." Paulus, Silvanus und Timotheus entbieten der Gemeinde in Thessalonich, die in Gemeinschaft mit Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus steht, ihren Gruß. Gnade werde euch zuteil und Friede von Gott, unserm Vater, und vom Herrn Jesus Christus. Wir danken Gott allezeit euer aller wegen und gedenken eurer in unsern Gebeten. Beständig schwebt uns euer tatkräftiges Glaubensleben vor Augen, sowie eure eifrige Arbeit in Ausübung der Nächstenliebe und die Standhaftigkeit, mit der ihr an der Hoffnung festhaltet, die ihr auf unsern Herrn Jesus Christus gesetzt habt infolge eures Glaubens an Gott, unsern Vater. Wir wissen, meine von Gott geliebten Brüder, dass ihr auserwählt seid, weil unsere Heilsbotschaft euch nicht bloß in Worten dargelegt wurde, sondern auch in Erweisen göttlicher Kraft und unter Kundgebungen eines heiligen Geistes, so dass eine große Glaubensgewissheit die Folge war. Ihr wisst ja auch, wie vorbildlich unser Verhalten euch gegenüber war, als wir unter euch weilten, und wie ihr unsere und des Herrn Nachahmer wurdet; wie ihr die Lehre trotz schwerer Leiden mit einer Freudigkeit annahmt, die nur ein heiliger Geist zu wirken vermag. So wurdet ihr für alle Gläubigen in Mazedonien und Griechenland zum Vorbild. Denn von euch aus verbreitete sich das Wort des Herrn nicht bloß in Mazedonien und Griechenland; vielmehr drang die Kunde von eurem Glauben an Gott überallhin, so dass wir von uns aus nirgendwo etwas davon zu erwähnen brauchten. Denn überall erzählen die Leute selbst davon, welche Aufnahme wir bei euch gefunden hätten, und wie ihr euch vom Götzendienst zum wahren Gott bekehrtet, um diesem lebendigen, allein wahren Gott zu dienen und seinen Sohn vom Himmel her zu erwarten, den Gott aus dem Reich der geistig Toten zurückgerührt hat; dieser Sohn ist Jesus; er errettet uns von dem kommenden Strafgericht. Ihr wisst es ja auch selbst, liebe Brüder, dass unser erstes Auftreten bei euch nicht ohne Erfolg war. Vorher hatten wir, wie euch bekannt, in Philippi Leiden und Misshandlungen zu erdulden; trotzdem fanden wir im Vertrauen auf unsern Gott den Mut, vor euch die frohe Botschaft Gottes zu predigen, wenn auch unter großer Mühe. Unsere Predigt erfolgte ja nicht aus einem eitlen Wahn heraus oder aus unlautern Absichten, noch mit irgendwelchen Hintergedanken. Nein! Sondern, wie wir von Gott gewürdigt wurden, mit der Verkündung der Heilsbotschaft betraut zu werden, so predigen wir auch nur im Hinblick auf Gott; nicht Menschen suchen wir zu gefallen, sondern nur Gott, der unsere Herzen prüft. Darum kamen auch nie Schmeichelworte über unsere Lippen, wie ihr wohl wisst, noch war versteckte Habgier unser Beweggrund; dafür ist Gott unser Zeuge. Auch suchten wir nicht menschliche Ehren, weder bei euch, noch bei andern. Als Sendboten Christi hätten wir wohl Anspruch auf besondere Hochachtung erheben können; doch wir lebten in eurer Mitte als ganz einfache und einfältige Menschen und benahmen uns so, wie eine Pflegerin, welche die ihr anvertrauten Kinder betreut. Wir hingen so sehr an euch, dass wir nicht nur bereit waren, euch die Heilsbotschaft Gottes zu bringen, sondern auch unser Leben gerne für euch hingegeben hätten. So heb hatten wir euch. Ihr erinnert euch wohl noch, meine Brüder, unserer Mühe und Arbeitslast. Tag und Nacht verrichteten wir körperliche Arbeiten, mit denen wir unsern Lebensunterhalt verdienten, um ja keinem von euch zur Last zu fallen, und zwischendurch predigten wir euch die Heilsbotschaft Gottes. Ihr seid unsere Zeugen und Gott ist Zeuge dafür, wie gewissenhaft, gerecht und frei von allem Tadel wir euch als Gottesgläubige behandelten; ihr wisst, wie wir einen jeden von euch - wie ein Vater seine Kinder - ermahnten, aufmunterten und beschworen; des Gottes würdig zu wandeln, der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit zurückruft. Darum danken wir auch alle Tage Gott dafür, dass ihr das Wort Gottes infolge unserer Predigt annahmt, es nicht als Menschenwort betrachtet, sondern als das, was es in Wirklichkeit ist, - als Gottes Wort. Als solches erweist es sich auch an euch wirksam, weil ihr daran glaubet. Darum habt auch ihr, meine Brüder, dasselbe Schicksal, das den Gemeinden Gottes in Judäa beschieden ist, die den Anschluss an Christus Jesus gefunden haben. Ihr habet von euren eigenen Volksgenossen dieselben Leiden zu erdulden, wie jene von den Juden, - von jenen Juden, die den Herrn Jesus und die Propheten getötet haben und auch uns verfolgten; die nicht das Wohlgefallen Gottes besitzen und der ganzen nichtjüdischen Welt feindlich gesinnt sind; die auch uns zu verhindern suchen, den Nichtjuden die Botschaft zu bringen, dass auch sie das Heil erlangen. So machen sie das Maß ihrer Sünden täglich voller, bis sie schließlich das Strafgericht Gottes trifft. Für eine kurze Zeitspanne waren wir von euch, meine Brüder, getrennt; ihr wart uns aus dem Auge, aber nicht aus dem Sinn. Um so größer war nun unser sehnlichstes Verlangen, euch wieder zu sehen. Daher fassten wir den Entschluss, euch zu besuchen. Was mich - Paulus - persönlich betrifft, so wollte ich diesen Entschluss schon wiederholt zur Ausführung bringen. Aber Satan hat es zu verhindern gewusst. Denn wer ist unsere Hoffnung, unsere Freude und unser Ruhmeskranz? Seid ihr es nicht auch - an dem Tage, wo unser Herr Jesus wiedererscheint und ihr vor seinem Angesicht steht? Ja, ihr seid dann unser Ruhm und unsere Freude. Als wir es daher nicht mehr länger aushalten konnten, fassten wir den Entschluss, allein in Athen zurückzubleiben, und sandten den Timotheus zu euch. Er ist unser Mitbruder und Mitarbeiter im Dienste Gottes als Prediger der Heilsbotschaft Christi. Er sollte euch in eurem Glauben stärken und ermutigen, damit keiner von euch wankend werde bei all den Drangsalen, die ihr jetzt zu bestehen habt. Leiden sind ja, wie ihr selbst wisst, unser aller Los. Schon damals, als wir bei euch waren, haben wir euch wiederholt vorausgesagt, dass uns Leiden bevorstanden. Unsere Voraussage traf denn auch ein, wie ihr selbst wisst. Als nun auch ich es nicht mehr länger aushalten konnte, sandte ich einen Boten zu euch, um zu sehen, wie es mit eurem Glauben stehe. Ich fürchtete, der Versucher möchte mit seinen Versuchungen bei euch Erfolg gehabt haben, und unsere Arbeit könnte infolgedessen vergeblich gewesen sein. Eben kehrte nun Timotheus von seinem Besuch bei euch wieder zu uns zurück und brachte uns günstige Nachrichten in Bezug auf euren Glauben und eure Liebe. Er berichtete uns, dass ihr uns allezeit ein gutes Andenken bewahret und euch nach einem Wiedersehen mit uns ebenso sehnet, wie wir uns nach euch sehnen. So sind wir denn wieder von all der Not und den Sorgen befreit, die wir uns wegen eures Glaubens gemacht hatten. Jetzt, wo wir wissen, dass ihr fest mit dem Herrn verbunden seid, leben wir wieder neu auf. Ja, wir können dem Herrn nicht genug danken für all die Freude, die uns durch euch vor den Augen Gottes bereitet wurde. Tag und Nacht wollen wir inständig zu ihm beten, er möge es doch fügen, dass wir euch wiedersehen. Sollte in eurem Glauben hie und da eine kleine Lücke sein, so könnten wir dann diese Lücke ausfüllen. Unser Gott und Vater, sowie unser Herr Jesus möge uns selbst den Weg zu euch bahnen. Euch aber möge der Herr in überströmender Fülle die Liebe gewähren, die ihr zueinander und zu allen Menschen haben sollt, und die auch wir zu euch im Herzen tragen. Er möge eure Herzen stärken, damit sie in fleckenloser Heiligkeit vor unserm Gott und Vater erglänzen, - wenn unser Herr Jesus mit allen seinen Heiligen wiederkommt. Amen. Schließlich bitten und ermahnen wir euch, meine Brüder, im Namen des Herrn Jesus, den Unterweisungen Folge zu leisten, die wir euch bezüglich eures Lebenswandels gegeben haben, damit ihr gottwohlgefällig seid. Ihr tut dies ja auch. Aber vielleicht könnte es in einem noch vollkommeneren Maße geschehen. Ihr erinnert euch ja noch, welche Botschaft wir euch gaben, als der Herr Jesus durch uns sprach. Sie lautete nämlich: "Das ist der Wille Gottes: eure Heiligung. Ihr sollt die Unzucht meiden; jeder von euch soll nur mit seinem eigenen Weibe verkehren in Keuschheit und Ehrbarkeit und nicht, um bloß jener Sinnlichkeit zu frönen, wie sie bei den Heiden Sitte ist, die Gott nicht kennen: keiner soll seinem Mitbruder gegenüber in geschäftlichen Dingen zu weit gehen und ihn übervorteilen; denn der Herr wird wegen solcher Sünden seine gerechte Strafe verhängen." Alles das hatten auch wir euch schon früher vor Augen geführt und euch die Beweise für die Wahrheit erbracht. Gott hat uns ja nicht zur Unsittlichkeit berufen, sondern zur Heiligkeit. Wer daher diese Weisungen missachtet, der missachtet nicht einen Menschen, sondern Gott, - jenen Gott, der seine heilige Geisterwelt auch zu euch gesandt hat. Was sodann die Nächstenliebe betrifft, so brauchen wir euch darüber nicht erst zu schreiben. Denn ihr seid von Gott selbst belehrt worden, einander zu lieben. Ihr tut es ja auch gegenüber allen Brüdern in ganz Mazedonien. Dennoch ermahnen wir euch, liebe Brüder, dann noch vollkommener zu werden. Auch sollt ihr eure Ehre darein setzen, euch nicht in anderer Leute Angelegenheiten zu mischen, sondern euch nur um eure eigenen Sachen zu kümmern und mit eurer Hände. Arbeit euer Brot zu verdienen. Auch diese Mahnungen gaben wir euch schon früher. Wir wollen damit erreichen, dass ihr in den Augen der Nichtchristen ohne Tadel dasteht und niemandes Unterstützung nötig habt. Was nun eure Verstorbenen betrifft, so wollen wir euch über deren Schicksal nicht im Ungewissen lassen, damit ihr euch nicht einer Trauer hingebet, wie diejenigen sie an den Tag legen, die keine Hoffnung haben. Denn so gewiss wir glauben, dass Jesus ins Totenreich hinabstieg und daraus wieder emporkam, so gewiss wird Gott die Entschlafenen durch Jesus und mit Jesus zur Höhe führen. Denn folgendes können wir euch auf Grund eines Ausspruchs des Herrn mitteilen: Wir, die wir das geistige Leben besitzen und darin bis zum Erscheinen des Herrn verharren, werden vor den Entschlafenen nichts voraus haben; denn sobald der Weckruf ergeht, sobald die Stimme eines Erzengels und die Posaune Gottes erschallt, wird der Herr selbst vom Himmel herabkommen, und die in der Gemeinschaft mit Christus aus diesem Leben geschieden sind, werden als die ersten zur Höhe geführt. Darauf werden wir, sofern wir das geistige Leben besitzen, mit jenen in die geistige Welt entrückt werden, um unter den Geisterscharen dem Herrn entgegenzueilen; und dann werden wir immerdar mit dem Herrn Zusammensein. So tröstet euch denn gegenseitig, indem ihr euch dieser Worte erinnert. Was aber die Zeit und Stunde betrifft, so bedürft ihr, meine Brüder, darüber keiner brieflichen Belehrung. Es ist euch ja hinreichend bekannt, dass der Tag des Herrn kommt, wie ein Dieb in der Nacht. Wenn die Leute sagen: Jetzt herrscht Friede und Sicherheit, dann überfällt sie unerwartet das Verderben, so wie die Wehen ganz plötzlich über eine schwangere Frau kommen, und sie werden ihm nicht entrinnen können. Bei euch aber, meine Brüder, soll es nie Nacht sein, damit euch jener Tag nicht wie ein Dieb überrascht. Ihr seid ja alle Kinder des Lichtes, bei denen es stets Tag ist. Ihr habt mit Nacht und Finsternis nichts zu tun. Darum dürfen wir auch nicht, gleich den andern, uns zum Schlafe niederlegen, sondern müssen wach und nüchtern bleiben. Denn die sich schlafen legen wollen, tun es zur Nachtzeit, und die sich betrinken wollen, tun es nach Einbruch der Dunkelheit. Wir aber, bei denen es stets Tag sein soll, wollen nüchtern bleiben; wir wollen anziehen den Panzer des Glaubens und der Liebe und unser Haupt bedecken mit dem Helm der Hoffnung auf unsere Rettung. Denn Gott hat uns nicht für sein Strafgericht ausersehen, sondern für die Erlangung der Rettung, die uns zuteil wird durch unsern Herrn Jesus Christus. Er ist für uns gestorben, damit wir in Gemeinschaft mit ihm das geistige Leben haben, mögen wir uns nun im Zustande des Wachens oder des Schlafens befinden. In diesem Sinne richtet einander auf und helfe einer dem andern in seinem geistigen Wachstum, wie ihr es ja bereits tuet. Eine Bitte hätten wir noch an euch, meine Brüder: Wisset diejenigen zu schätzen, die sich zu eurem Besten in eurer Gemeinde abmühen und eure Vorsteher und Seelsorger im Dienste des Herrn sind. Bringet ihnen eure Liebe in besonderem Maße entgegen wegen der Aufgabe, die sie bei euch zu erfüllen haben. Lebet stets in Eintracht und Frieden mit ihnen. Sodann ermahnen wir euch, meine Brüder, diejenigen zurechtzuweisen, die sich nicht der Ordnung fügen wollen; den Verzagten sprechet Mut zu; stützet die Schwachen; habt mit allen Geduld! Achtet darauf, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergilt; trachtet vielmehr danach, untereinander und allen andern stets nur Gutes zu erweisen! Seid immer frohen Mutes! Betet ohne Unterlass und danket Gott in jeder Lebenslage! Denn das verlangt Gott von euch, die ihr in der Gemeinschaft mit Christus Jesus lebt. Machet nicht den Verkehr der Geister Gottes mit euch unmöglich. Das Reden der Geister Gottes durch Medien behandelt nicht geringschätzig. Doch prüfet alle Geisterkundgebungen und haltet nur an dem fest, was sich als gut erweist. Von allem, was dabei auch nur den Schein des Bösen an sich trägt, haltet euch fern. Er, der Gott des Friedens, mache eure Heiligung vollkommen! Ganz rein an Geist, Seele und Körper möget ihr an dem Tage erfunden werden, an dem unser Herr Jesus Christus erscheint. Treu ist der, welcher seinen Ruf an euch hat ergehen lassen. Er wird ihn auch zur Ausführung bringen. Liebe Brüder, schließet auch uns in euer Gebet ein! Grüßt alle Brüder mit heiligem Kuss. Ich beschwöre euch bei dem Herrn, dass ihr diesen Brief allen Glaubensbrüdern vorlesen möget. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch! Amen. Paulus, Silvanus und Timotheus senden ihre Grüße der Gemeinde zu Thessalonich, die in der Gemeinschaft mit Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus ist. Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Euretwegen, meine Brüder, sind wir Gott stets zu großem Danke verpflichtet. Dieser Dank ist vollauf berechtigt; denn euer Glaube vertieft sich von Tag zu Tag, und bei einem jeden von euch steigert sich die Nächstenliebe in einer Weise, dass wir bei den übrigen Gemeinden stolz auf euch sind, - stolz auf eure Standhaftigkeit, stolz auf eure Glaubenstreue trotz aller Verfolgungen und Leiden, die ihr zu erdulden habt. Hierin zeigt Gott, dass er nur nach einem gerechten Maßstab seine Auswahl trifft; denn er hält euch nur dann seines Reiches für würdig, wenn ihr dafür zu leiden bereit seid. Andererseits wendet er ebenfalls den Maßstab seiner Gerechtigkeit darin an, dass er sowohl denen, die euch Drangsal bereiteten, mit Drangsal vergilt, als auch euch als den Verfolgten, sowie uns selbst, erquickende Ruhe gewährt. Das wird an dem Tage sein, wo der Herr Jesus sich vom Himmel her in Begleitung seiner Heerscharen im Feuerschein offenbart, um Vergeltung an denen zu üben, die von Gott nichts wissen wollten, sowie an denen, die der Heilsbotschaft unseres Herrn Jesus den Gehorsam verweigerten. Diese werden eine Strafe abzubüßen haben, die in einem lange dauernden, unheilvollen Schicksal besteht. Sie werden weggewiesen von dem Angesicht des Herrn und von der Herrlichkeit seines mächtigen Reiches an dem Tage, wo er kommt, um in seinen Heiligen verherrlicht zu werden. Anstaunen werden ihn an jenem Tage alle die, welche deswegen zum Glauben an ihn kamen, weil sie das Zeugnis für wahr hielten, das auch wir euch gegenüber von ihm ablegten. Im Hinblick auf jenen Tag beten wir auch beständig für euch, dass unser Gott euch eurer Berufung würdig erfinden möge; dass er euch durch Verleihung seiner Kraft behilflich sein möge, jeden guten Entschluss und jedes Werk des Glaubens aufs Beste auszuführen, damit der Name unsers Herrn Jesus in euch verherrlicht werde, und ihr in ihm durch die Liebe unseres Gottes und unseres Herrn Jesus Christus. Was nun das Wiedererscheinen unsers Herrn Jesus Christus betrifft, vor dem wir alle versammelt werden, so bitte ich euch, meine Brüder; Lasst euch nicht so schnell aus dem seelischen Gleichgewicht bringen und nicht in Aufregung versetzen, und zwar weder unter Berufung auf die Kundgebung eines Geistes, noch auf eine mündliche oder schriftliche Äußerung von uns, in der wir uns angeblich in dem Sinne ausgedrückt hätten, als ob jener Tag des Herrn bereits nahe bevorstehe. Lasst euch in diesem Punkte in keiner Weise durch irgend jemand irreführen. Denn vorher muss der Abfall von der Wahrheit kommen; der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, muss als solcher offen zu Tage treten; er ist jener Widersacher, der sich gegen alles und über alles erhebt, was den wahren Gott oder die wahre Gottesverehrung betrifft. Er setzt sich selbst in den Tempel Gottes, und nach außen tritt er so auf, als ob er selbst Gott sei. Erinnert ihr euch nicht, dass ich während meines Aufenthaltes bei euch wiederholt davon gesprochen habe? Auch wisst ihr, was ihn jetzt noch zurückhält, bis der für ihn bestimmte Zeitpunkt gekommen ist, wo er die Maske abwirft. Denn seine Kräfte sind im Geheimen schon jetzt am Werk, Gesetze aufzustellen, die gegen Gottes Gesetz verstoßen. Doch wird dies geheime Wirken nur so lange dauern, bis derjenige aus dem Wege geräumt ist, der dem öffentlichen Wirken noch entgegensteht. Alsdann wird der öffentlich auftreten, der das Gesetz Gottes abschafft. Ihn möge der Herr Jesus durch seine Geister der Wahrheit zurückdrängen und unschädlich machen an dem Tage, wo die Wiederkunft des Herrn allen sichtbar wird. Das Auftreten jenes Feindes des Gesetzes Gottes ist dem Wirken Satans zuzuschreiben und ist begleitet von allen möglichen Kraftwirkungen, Zeichen und Wundern der Lüge und von lauter Trug des Bösen. Diejenigen fallen ihm zum Opfer, die deswegen ins Verderben gehen, weil sie der Liebe zur wahren Lehre Christi, die sie hätte retten können, keinen Zutritt in ihr Herz gewährten. Deshalb sucht Gott sie mit einem stark wirkenden Irrwahn heim, so dass sie ihr gläubiges Vertrauen auf die Lüge setzen. Die Folge wird sein, dass alle dem göttlichen Strafurteil verfallen, die der Wahrheit keinen Glauben schenkten, sondern ihr Wohlgefallen an dem hatten, was gegen das Gesetz Gottes verstieß. Im Hinblick auf alle von euch sind wir Gott zu großem Dank verpflichtet, meine vom Herrn geliebten Brüder, weil Gott euch von Anfang an dazu ausersehen hat, das Heil zu erlangen; es wird euch durch einen Geist der Heiligung zuteil und durch euren Glauben an die Wahrheit; Gott lud euch dazu ein durch die Heilsbotschaft, die wir euch verkündigten, damit ihr der Herrlichkeit unsers Herrn Jesus Christus teilhaftig würdet. Wohlan denn, meine Brüder, bleibet standhaft und haltet euch an die Lehren, die ihr von uns mündlich oder brieflich empfangen habt. Möge unser Herr Jesus Christus selbst und Gott unser Vater, der uns in seiner Liebe die vergangenen Zeitperioden hindurch immer wieder zu sich rief und uns in seiner Güte das herrliche Ziel unserer Hoffnung vor Augen hielt, eure Herzen aufrichten und euch die Kraft verleihen zu jedem guten Werke in Tat und Wort. Zum Schluss bitte ich euch, unser im Gebete zu gedenken, damit das Wort des Herrn sich schnell ausbreite und Triumphe feiere, wie es bei euch der Fall war; damit wir ferner von den übelgesinnten und gottlosen Widersachern befreit werden; denn nicht alle sind dem Glauben zugänglich. Gott aber ist treu, er wird euch stärken und vor dem Bösen bewahren. Wir haben zu euch das feste Vertrauen im Herrn, dass ihr unsere Weisungen sowohl jetzt als auch in Zukunft befolget. Möge der Herr eure Herzen lenken, damit ihr Gott liebet und die Standhaftigkeit erlangt, die Christus besaß. Meine Brüder, wir geben euch im Auftrag des Herrn Jesus Christus den Rat, euch von jedem Glaubensbruder zurückzuziehen, der einen unordentlichen Lebenswandel führt, anstatt die Lehren zu befolgen, die ihr von uns empfangen habt. Ihr wisst ja selbst, in welchen Punkten ihr uns zum Vorbild nehmen sollt; denn wir führten keinen unordentlichen Lebenswandel, als wir bei euch weilten; wir nahmen auch von niemand ein geschenktes Stück Brot an, sondern arbeiteten Tag und Nacht angestrengt auf unserm Handwerk, um keinem von euch zur Last zu fallen. Nicht, als ob wir kein Recht auf freien Unterhalt hätten; wir wollten euch bloß an uns ein Vorbild zur Nachahmung vor Augen führen. Wir pflegten schon während unseres Aufenthaltes bei euch den Grundsatz zu vertreten: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen!" Und nun müssen wir leider hören, dass einige unter euch einen unordentlichen Lebenswandel führen. Anstatt ernstlich zu arbeiten, treiben sie sich umher in geschäftigem Nichtstun. Diesen Leuten schärfen wir im Namen des Herrn Jesus Christus in allem Ernste ein, ruhig zu Hause zu bleiben, dort ihre Arbeit zu verrichten und dadurch sich selbst das tägliche Brot zu verdienen. Was euch selbst betrifft, meine Brüder, so werdet niemals müde, Gutes zu tun. Sollte jemand der brieflichen Weisung, die wir euch hiermit geben, nicht Folge leisten, so ist er für euch gekennzeichnet; brecht den Verkehr mit ihm ab, damit er sich beschämt fühlt; doch behandelt ihn nicht wie einen Feind, sondern weiset ihn als euren Bruder ernstlich zurecht. Er aber, der Herr des Friedens, schenke euch den Frieden immerdar und in jeder Lebenslage! Der Herr sei mit euch allen! Hier ist mein, des Paulus, eigenhändiger Gruß. Diese Schriftzüge gelten als Beglaubigungssiegel für jeden meiner Briefe. So schreibe ich: "Die Gnade unsers Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Amen." Paulus, der nach dem Willen Gottes, unseres Erretters, und Christi Jesu, unserer Hoffnung, ein Apostel Jesu Christi wurde, sendet seinem echten Glaubenssohn Timotheus seinen Gruß. Gnade, Erbarmen und Friede möge dir zuteil werden von Gott, dem Vater, und unserm Herrn Christus Jesus. Auf meiner Reise nach Mazedonien bat ich dich, in Ephesus zu bleiben. Dort solltest du gewissen Leuten einschärfen, keine von der Wahrheit abweichende Lehre vorzutragen und sich nicht auf das Studium von nichtssagenden Berichten und endlosen Geschlechtsregistern zu verlegen. Derartige Studien drehen sich mehr um spitzfindige Untersuchungen, als um das geistige Bauwerk Gottes, das im Glauben besteht. Was wir jedoch mit unserer Predigt erzielen wollen, ist jene Liebe, die aus reinem Herzen, aus einem guten Gewissen und aus einem echtem Glauben kommt. Einige haben dieses Ziel aus dem Auge verloren und dreschen in ihren Auseinandersetzungen leeres Stroh. Sie möchten als Gesetzesgelehrte angesehen werden; aber sie besitzen nicht das geringste Verständnis für die Bedeutung der von ihnen gebrauchten Ausdrücke, noch für die Dinge selbst, über die sie so zuversichtliche Behauptungen aufstellen. Wohl wissen wir, dass das Mosaische Gesetz an sich vortrefflich ist, wenn man es nach dem wirklichen Sinn des Gesetzes anwendet. Das eine muss man dabei bedenken, dass für Leute mit einer rechtlichen Gesinnung überhaupt kein Gesetz gemacht wird, sondern nur für Frevler und solche, die sich keiner Ordnung fügen wollen; für Gottlose und ähnliche Sünder; für die, denen weder Göttliches noch Menschliches heilig ist; für Leute, die sich an Vater und Mutter vergreifen; für Mörder, Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, Lügner, Meineidige; überhaupt für alle die, deren Taten in Widerspruch stehen mit der gesunden Lehre, die in jener herrlichen Heilsbotschaft des seligen Gottes niedergelegt ist, mit deren Verkündigung ich betraut wurde. Auch ich bin unserm Herrn Jesus Christus, der mir die Kraft dazu verlieh, von Herzen dankbar dafür, dass er mir so viel Vertrauen schenkte, mich zu seinem Dienst zu berufen. Vorher war ich ein Lästerer seines Namens, ein Verfolger seiner Gemeinde, ein übermütiger Frevler; doch ich fand Erbarmen, denn ich hatte aus Unwissenheit gehandelt, da ich damals den wahren Glauben noch nicht kannte. Wie eine hochgehende Flut strömten die Wogen der Gnade unsers Herrn in mein Leben und trugen mit sich die Kräfte des Glaubens und der Liebe, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus wirksam sind. Es ist eine zuverlässige Lehre, von jedem dankbar anerkannt werden sollte, dass Christus Jesus in die Welt kam, um die zu erlösen, welche die Sünde des Abfalls von Gott begangen hatten. Davon bin ich selbst einer der schlimmsten. Aber aus dem Grunde wurde mir Erbarmen zuteil, weil Christus Jesus an mir zuerst seine ganze Langmut beweisen wollte. Ich sollte als Musterbeispiel dienen für alle, die zum Glauben an ihn kommen und das künftige Heil erlangen werden. Dem König aller Zeiten, dem unsterblichen, unsichtbaren, alleinigen Gott sei Ehre und Preis für alle Zeiten! Amen. Diese Belehrung sende ich dir deswegen, mein lieber Sohn Timotheus, weil Botschaften der Geister Gottes, die sich auf dich bezogen, mich dazu veranlassen. Diesen Botschaften gemäß sollst du den guten Kampf bis zum Ende kämpfen, am Glauben unentwegt festhalten und ein gutes Gewissen bewahren. Gewisse Leute haben das, was man 'gutes Gewissen' nennt, einfach von sich geworfen und am Glauben Schiffbruch gelitten. Zu diesen gehören Hymenäus und Alexander, die ich den Satansmächten als Werkzeuge habe überlassen müssen, damit sie unter deren Behandlung so mürbe gemacht werden, dass sie es unterlassen, andere zu schmähen. Zuerst nun sollst du ermahnt werden, dass Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen für alle Menschen zu verrichten sind, auch für Könige und alle obrigkeitlichen Personen, damit wir ein Leben des Friedens und der Ruhe in aller Frömmigkeit und Gottestreue führen können. Das ist gut und Gott, unserm Retter, wohlgefällig; denn sein Wille ist es, dass alle Menschen gerettet werden und zur vollen Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn es ist nur ein Gott und nur ein Mittler zwischen Gott und Menschen; dieser Mittler ist Christus Jesus infolge seiner Menschwerdung. Er gab sich selbst als Lösegeld für alle hin. Die Predigt dieser Wahrheit wurde überall dort verkündigt, wo die Umstände dafür geeignet erschienen. Als Herold und Apostel dieser Wahrheit wurde auch ich bestellt, und zwar soll ich in Sachen des Glaubens und der Wahrheit ein Lehrer für die Nichtjuden sein. Was ich hier sage, ist die Wahrheit und keine Lüge. Es ist mein Wunsch, dass die Männer bei jeder gottesdienstlichen Versammlung reine Hände zum Gebet erheben, und dass ihre Herzen nicht befleckt sind mit Streit und Zwietracht. Ebenso wünsche ich, dass auch die Frauen in anständiger Kleidung zum Gottesdienst erscheinen; ihr Schmuck soll Schamhaftigkeit und Sittsamkeit sein, nicht künstliche Haarflechten, Goldgeschmeide, Perlen oder kostbare Gewänder; sie sollen so gekleidet sein, wie es für Frauen geziemt, die durch ihr äußeres gutes Benehmen die wahre Gottesverehrung predigen sollen. Eine Frau lerne die Wahrheit durch ruhiges Zuhören und in ganz bescheidenem Schweigen. Keiner Frau gestatte ich, als Lehrer aufzutreten oder sonstwie sich über den Mann zu stellen. Sie soll sich vielmehr einer ruhigen Zurückhaltung befleißigen. Adam wurde ja zuerst erschaffen, dann erst Eva. Und nicht Adam wurde verführt, sondern das Weib wurde verführt und beging die Sünde des Abfalles. Das Weib wird sein Heil dadurch wirken, dass es Kindern das Leben schenkt; doch die Voraussetzung ist, dass es im wahren Glauben und in einem heiligen Lebenswandel in aller Demut verharrt. Eine volkstümliche Redensart lautet: 'Wer sich um ein Amt bewirbt, erstrebt eine vortreffliche Lebensaufgabe.' Für das Amt eines Bischofs kommt nur ein Mann in Frage, dem keiner etwas vorwerfen kann; er muss ferner verheiratet sein und seiner Frau stets die Treue gehalten haben; er muss nüchtern, verständig, ehrenhaft, gastfreundlich und fähig sein, andere zu belehren; er darf nicht zu denen gehören, die dem übermäßigen Weingenuss frönen und infolgedessen leicht streitsüchtig werden. Er muss vielmehr sanft, friedfertig und frei von Geldgier sein. Seinem eigenen Haushalt muss er in vorbildlicher Weise vorstehen können und seine Kinder mit aller Würde zum Gehorsam erziehen. Denn wenn ein Mann seiner eigenen Familie nicht vorzustehen weiß, wie sollte er da befähigt sein, die Aufsicht über die Gemeinde Gottes zu führen. Es darf Keiner sein, der sich erst vor kurzem bekehrte; denn sonst besteht die Gefahr, dass er ein Opfer des Eigendünkels wird und auf Maßnahmen verfällt, die ihm vom Teufel eingegeben werden. Auch muss er sich bei den Nichtchristen eines guten Rufes erfreuen, damit er bei ihnen nicht in übles Gerede kommt und in das Netz des Teufels gerät. Ebenso müssen auch seine Gehilfen achtbare Männer sein, nicht doppelzüngig, nicht dem Trunke ergeben; keine, die schnödem Gewinn nachjagen; vielmehr Männer, welche die Geheimnisse, die ihnen der Glaube enthüllt, in reinem Herzen tragen. Auch sie sollen zunächst einer Prüfung unterzogen werden und erst dann ihr Amt übernehmen, wenn sie als unbescholten erfunden wurden. Ebenso sollen ihre Frauen achtbare Personen sein, nicht klatschsüchtig, sondern ernst und in jeder Weise zuverlässig. Auch die Gehilfen müssen verheiratet sein und ihrer Frau stets die Treue gehalten haben; in der Kindererziehung und in der Leitung der eigenen Familie müssen sie vorbildlich sein. Wenn sie ihre Berufspflichten treu erfüllen, gewinnen sie für sich selbst die Achtung und das Vertrauen ihrer Umgebung und können in Sachen des Glaubens an Jesus Christus mit rückhaltlosem Freimut auftreten. Obschon ich hoffe, dich bald besuchen zu können, so wollte ich dir dies doch noch schreiben für den Fall, dass mein Kommen sich verzögern sollte. Aus diesem Schreiben solltest du entnehmen, wie der Haushalt Gottes geführt werden muss. Zum Haushalt Gottes gehört diejenige Gemeinde, in der die Kraft Gottes ihre Wirkung entfaltet und die Gemeinde zu einer Säule und einem Bollwerk der Wahrheit macht. In ihr bekennen wir öffentlich, wie groß das Geheimnis ist, das unsere Religion in sich birgt, - jenes Geheimnis, das als Mensch hernieder kam, - das die Vollkommenheit erlangte im Geiste, - das seinen Aposteln erschienen ist, - das gepredigt wurde in der von Gott getrennten Geisterwelt, - auf das man im Weltall sein Vertrauen setzte - und das dann wieder zur Höhe geführt wurde in Herrlichkeit. Die Geisterwelt Gottes erklärt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten manche vom wahren Glauben abfallen werden, indem sie sich Geistern des Truges zuwenden und Lehren verbreiten, die von Dämonen stammen. Sie werden dazu verführt durch das heuchlerische Gebaren von Lügenpredigern, die ihrem eigenen Gewissen ein Brandmal der Schuld aufdrücken. Diese Leute verbieten das Heiraten; sie verlangen, dass man sich gewisser Speisen enthalte, die Gott dazu geschaffen hat, damit die Gläubigen und alle, welche die Wahrheit voll erkannt haben, sie mit Dank gegen Gott genießen. Denn alles von Gott Geschaffene ist gut; nichts kann zu den verbotenen Dingen gehören, wenn bei seiner Benutzung ein Dankgebet zu Gott vernichtet werden kann. Es ist ja durch das Schöpferwort Gottes, sowie durch das Gebet geheiligt. Trage dies deiner Gemeinde vor, und du wirst ein ausgezeichneter Diener Christi sein. Du hast ja die Glaubenswahrheiten und deren wunderbare Erklärung schon mit der Muttermilch in dich aufgenommen; du hast auch alles treu befolgt. Darum lasse die wertlosen Altweiberfabeln beiseite! Übe dich in der wahren Frömmigkeit! Denn körperliche Abtötungen bringen wenig Nutzen. Die echte Frömmigkeit dagegen ist von höchstem Werte; denn sie birgt das geistige Leben für jetzt und für die Zukunft in sich. Wir können uns ganz auf die Wahrheit unserer Lehre verlassen. Sie verdient es daher, von allen angenommen zu werden. Denn der Grund, weshalb wir uns Mühe geben, sie zur Richtschnur unseres Lebens zu machen, besteht darin, dass wir unsere Hoffnung auf Gott, die Quelle alles Lebens, gesetzt haben. Er ist der Retter aller Menschen. Er rettet sie in der Reihenfolge, wie sie zum Glauben an ihn gelangen. Das ist die Lehre, die du ihnen verkünden und in der du sie unterrichten sollst. Keiner soll dich wegen deiner Jugend geringschätzig behandeln. Tritt so auf, dass du in allem, was du sprichst und tust, ein Vorbild für die Gläubigen bist, - ein Vorbild in der Liebe, ein Vorbild im Glauben, ein Vorbild in der Sittenreinheit! Fahre fort mit dem Vorlesen der Schriften und den daran sich anschließenden Ermahnungen und Belehrungen, bis ich komme! Vernachlässige diese Gabe nicht, die dir in besonderem Maße zugeteilt wurde! Sie wurde dir damals verliehen, als die Ältesten infolge einer Geisterbotschaft dir die Hände auflegten. So mache denn recht ausgiebigen Gebrauch davon! Sieh darin deine Hauptaufgabe, damit der Erfolg deiner Arbeit bei allen zu Tage tritt! Achte besonders darauf, dass deine eigene Lebensführung mit deiner Lehre in Einklang steht! Halte treu bei deiner Gemeinde aus! Denn wenn du dies tust, dann wirst du sowohl dein eigenes Heil als auch das deiner Zuhörer sicherstellen. Einen älteren Mann fahre nicht hart an, sondern sprich zu ihm, wie zu einem Vater; jüngere Leute behandle wie Brüder; ältere Frauen wie Mütter, jüngere Frauen wie Schwestern in aller Sittsamkeit. Witwen, die sonst niemand haben und wirklich bedürftig sind, lasse eine Unterstützung zukommen. Hat eine Witwe jedoch Kinder oder Enkel, so sollen letztere darauf hingewiesen werden, dass die erste religiöse Pflicht darin besteht, sich der eigenen Angehörigen anzunehmen und den Eltern und Großeltern die empfangenen Wohltaten zu vergelten; denn das ist wohlgefällig in den Augen Gottes. Eine wirklich bedürftige und alleinstehende Witwe setzt ihre Hoffnung auf den Herrn; sie verharrt Tag und Nacht in inständigem Gebet. Lebt eine Witwe dagegen in Üppigkeit, so ist sie vor ihrem irdischen Tode bereits geistig tot. So lege denn für deine Gemeindemitglieder folgende Regeln fest, damit sie kein Tadel trifft: Wer für seine Verwandten, besonders für seine eigenen Familienangehörigen, nicht sorgt, hat den Glauben verleugnet und ist schlechter als ein Ungläubiger. Keine Witwe darf in das Verzeichnis der Mitarbeiterinnen im Gemeindedienst eingetragen werden, wenn sie nicht wenigstens sie muss vielmehr im Rufe stehen, dass sie in allem Guten, was sie tut, stets pflichttreu ist, - pflichttreu in der Erziehung ihrer Kinder, in der Gewährung der Gastfreundschaft, in Werken der Demut, in der Hilfeleistung für Bedrängte; mit einem Worte, sie muss eifrig sein in allem Guten. Jüngeren Witwen verweigere die Aufnahme in die Liste der Mitarbeiterinnen für den Gemeindedienst. Denn wenn die sinnliche Lust sie der Sache Christi wieder entfremdet, dann wollen sie heiraten und ziehen sich so den Vorwurf zu, das zuerst in sie gesetzte Vertrauen getäuscht zu haben. Gleichzeitig schleicht sich Nachlässigkeit im Verrichten ihrer Arbeit bei ihnen ein; doch nicht bloß das, sondern sie werden auch klatschsüchtig, mischen sich in fremde Angelegenheiten und reden über Dinge, die sie nichts angehen. Es ist daher mein Wille, dass jüngere Witwen wieder heiraten, Kindern das Leben schenken, sich um ihren Haushalt kümmern und keinem unserer Gegner Anlass zu übler Nachrede geben. Manche von diesen Witwen sind nämlich hinterher in die Schlingen Satans geraten. Hat ein Christ, sei es Mann oder Frau, Witwen in seiner Verwandtschaft, so soll er für sie sorgen. Sie sollen nicht der Gemeinde zur Last fallen. Diese hat genug zu tun, um den Witwen zu helfen, die ihrer Hilfe wirklich bedürfen. Die Ältesten, die ihr Amt in vorbildlicher Weise verwalten, sollen einer doppelten Entlohnung für würdig erachtet werden, besonders wenn sie gleichzeitig auch als Prediger und Lehrer tätig sind. Denn die Schrift sagt: "Du sollst einem Ochsen, der auf der Tenne das Getreide ausdrischt, keinen Maulkorb umbinden"; ferner: "Jeder Arbeiter hat ein Recht auf seinen Lohn." Gegen einen Ältesten nimm keine Klage an, außer wenn sie durch zwei oder drei Zeugen bestätigt wird. Solche Älteste, die sich etwas zu schulden kommen lassen, weise im Beisein aller Gemeindemitglieder zurecht, damit alle andern durch die Furcht von ähnlichen Verfehlungen abgehalten werden. Ich beschwöre dich vor dem Angesichte Gottes und Christi Jesu, sowie der auserwählten Boten Gottes, diese Weisungen unparteiisch auszuführen. Erledige jedoch keinen Fall in einer Weise, dass es wie eine gerichtliche Vorladung aussehen könnte. Lege niemand übereilt die Hände auf und mache dich nicht zum Mitschuldigen an den Sünden anderer. Halte du dich rein. Brich mit der Gewohnheit, bloß Wasser zu trinken; nimm täglich etwas Wein zu dir wegen deines Magenleidens und deiner Schwächeanfälle. Es gibt Leute, bei denen die Sünden offen zu Tage treten und daher eine öffentliche Verurteilung herausfordern. Bei andern werden sie jedoch erst später bekannt. So gibt es auch gute Werke, die in der Öffentlichkeit bekannt werden; die, bei denen dies nicht der Fall ist, können doch nicht für immer verborgen bleiben. Alle, die als Dienstboten bei fremden Herrschaften leben, sollen nicht vergessen, dass ihre Herren ein Recht darauf haben, von ihnen mit jeglicher Ehrerbietung behandelt zu werden. Wo das nicht beachtet wird, da gereicht es dem Namen Gottes und unserer Lehre zur Schmach. Haben sie Christen als Herren, so sollen sie nicht deswegen, weil jene ihre Glaubensbrüder sind, ihnen weniger Ehre erweisen. Im Gegenteil, sie sollen ihnen um so treuer dienen; denn es sind ja geliebte Mitchristen, denen ihr Dienst zugute kommt. Das sind die Belehrungen und Unterweisungen, die du deiner Gemeinde erteilen sollst. Wer eine andere Lehre vorträgt und so von der gesunden Lehre unseres Herrn Jesus Christus und unserer Religion abweicht, der ist verblendet und unwissend; er krankt an der Sucht nach Spitzfindigkeiten und Wortklaubereien; daraus entstehen dann Missgunst, Streitigkeiten, gegenseitige Beschimpfungen, falsche Schlussfolgerungen der schlimmsten Art; mit einem Wort: Fortdauernde Reibereien, wie sie bei Menschen an der Tagesordnung sind, denen das gesunde Denken abhanden gekommen ist, und die sich von der Wahrheit abgewandt haben. Diese Art Leute betrachten die Religion nur als ein gewinnbringendes Geschäft. Gewiss ist die Religion auch eine Erwerbsquelle im guten Sinne des Wortes, wenn einer bloß seinen notwendigsten Lebensunterhalt daraus gewinnen will. Denn wir bringen nichts mit, wenn wir zur Welt kommen und nehmen sicherlich auch nichts mit, wenn wir die Welt verlassen. Haben wir unsere Nahrung und Kleidung, so sollen wir damit zufrieden sein. Die reich werden wollen, geraten in die Anfechtungen und Fangnetze Satans, sie werden die Opfer einer ganzen Anzahl von törichten und schädlichen Begierden, welche den Menschen ins größte Verderben zu stürzen pflegen. Denn die Wurzel alles Bösen ist die Geldgier. Die Sucht, reich zu werden, hat schon manche zum Abfall vom Glauben gebracht und ihnen viele Seelenqualen bereitet. Wenn du daher ein Mann nach dem Herzen Gottes sein willst, dann weise alle diese Dinge weit von dir! Das Ziel deines Strebens sei Lauterkeit der Seele, echte Frömmigkeit, Glaube, Liebe, Standhaftigkeit und Geduld. Kämpfe du den guten Kampf des Glaubens und suche das künftige Leben zu erlangen; denn dazu wurdest du berufen, und zu diesem Zwecke legtest du vor vielen Zeugen dein herrliches Glaubensbekenntnis ab! Vor dem Angesicht Gottes, der alles wieder zum geistigen Leben zurückführt, und vor Christus Jesus, der vor Pontius Pilatus sein herrliches Bekenntnis abgelegt hat, gebe ich dir die Mahnung: Halte dein Amt frei von jeder Makel und jedem Schandfleck, bis unser Herr Jesus erscheint! Seine Wiederkunft wird der Hochgepriesene und allein Gewaltige zu der von Ihm festgesetzten Zeit herbeiführen, - Er, der König der Könige und Herr der Herren, - Er, der allein Unsterblichkeit besitzt, - Er, der da wohnt in einem unzugänglichen Licht, - Er, den kein Mensch je gesehen hat, noch sehen kann, - Er, dem die Ehre und die Macht gehört für alle Zeiten. Amen. Denen, die irdischen Reichtum besitzen, schärfe ein, dass sie sich nicht überheben und ihre Hoffnung nicht auf etwas so Unbeständiges setzen sollen, wie der Reichtum es ist. Nur auf Gott, die Quelle alles Lebens, sollen sie ihr Vertrauen setzen, der uns alles in reicher Fülle zuteilt, damit wir es genießen sollen. Die Reichen sollen Gutes tun und reich zu werden suchen an guten Werken; darum sollen sie freigebig sein und Mildtätigkeit üben und sich so ein schönes Kapital ansammeln für die Zukunft. Dann werden sie sich ein Leben sichern, das wirklich ein Leben genannt werden kann. Mein lieber Timotheus! Wache über das dir anvertraute Gut! Kümmere dich nicht um das leere Geschwätz und die Einwürfe der sogenannten 'Wissenschaft'. Manche, die sich 'Gelehrte' nennen, sind auf Wege geraten, die weit abliegen von den Wahrheiten, die der Glaube lehrt. Die Gnade Gottes sei mit dir! Amen. Paulus, der nach dem Willen Gottes ein Apostel Christi Jesu wurde, um die Botschaft von dem geistigen Leben zu verkünden, das in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ist, entbietet seinem lieben Sohn Timotheus seinen Gruß. Gnade, Erbarmen und Friede sei dir verliehen von Gott dem Vater und unserm Herrn Christus Jesus. Ich bin Gott, dem ich seit meiner Kindheit mit reinem Gewissen diene, so dankbar dafür, dass ich in meinen Gebeten auch deiner stets gedenken kann. Tag und Nacht sehne ich mich danach, dich wiederzusehen. Ich kann nämlich die Tränen nicht vergessen, die du bei unserer Trennung weintest. Auch würde es mich mit neuer Freude erfüllen, deinen ungeheuchelten Glauben aus nächster Nähe auf mich wirken zu lassen, - einen Glauben, von dem schon deine Großmutter Lois und deine Mutter Eunike beseelt waren, und der, wie ich überzeugt bin, auch dir eigen ist. Aus diesem Grunde möchte ich an dich die Mahnung richten, die Gnadengabe Gottes wieder frisch anzufachen, die du damals empfingest, als ich dir meine Hände auflegte. Gott hat uns ja nicht einen Geist der Verzagtheit verliehen, sondern einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich nicht, für unsern Herrn Zeugnis abzulegen; schäme dich auch meiner nicht, der ich des Herrn wegen in Fesseln liege. Im Gegenteil, nimm auch du an den Leiden teil, die mit der Verkündigung der Heilsbotschaft verbunden sind. Die Kraft dazu wird Gott dir geben. Gott hat uns ja errettet und dazu berufen, durch ein heiliges Leben die Seligkeit zu erlangen. Er tat es nicht auf Grund unserer Werke, sondern nach seinem freien Willensentschluss und wegen der Huld, die uns vor undenklichen Zeiten durch Jesus Christus zuteil wurde. Dadurch, dass Christus Jesus jetzt als unser Erlöser auf der Erde erschien, wurde diese Huld allen sichtbar. Er ist es, der dem Todesfürsten die Macht über uns genommen hat. Durch diese frohe Botschaft hat er das Licht eines unvergänglichen Lebens vor uns aufleuchten lassen. Und ich bin dazu bestimmt worden, als Herold, Apostel und Lehrer dieser frohen Botschaft unter den Nichtjuden zu wirken. Dies ist der Grund, weshalb ich all diese Leiden zu erdulden habe. Aber das ist keine Schande für mich. Ich weiß ja, wer der ist, dem ich geglaubt und vertraut habe. Und ich bin überzeugt, dass dieser auch stark genug ist, über das mir anvertraute Gut bis zu jenem Tage der Abrechnung seine schützende Hand zu halten. Auf Grund der gesunden Lehren, die du von mir hörtest, sollst du allen zum Vorbild werden, - zum Vorbild im Glauben an Christus Jesus und in der Liebe zu ihm. Behüte das herrliche Gut, das in deine Hand gelegt wurde; die Kraft dazu empfängst du durch einen heiligen Geist, der einem jeden von uns zugeteilt ist. Du weißt bereits, dass alle in Kleinasien mir den Rücken gekehrt haben; unter diesen befindet sich auch Phygelus und Hermogenes. Der Familie des Onesiphorus möge der Herr besondere Gnade erweisen; denn er hat mich oft innerlich aufgerichtet und sich meiner Gefangenschaft nicht geschämt. Nach seiner Ankunft in Rom hat er vielmehr eifrig nach mir gesucht und mich auch gefunden. Möge Gott der Herr ihn an jenem Tage des Gerichtes bei Christus dem Herrn Gnade finden lassen. Welch große Dienste er mir in Ephesus erwiesen hat, weißt du selbst am besten. Nun, mein lieber Sohn, werde immer leistungsfähiger in Ausübung der Gabe, die Christus Jesus dir verlieh. Das, was du von mir hörtest und für dessen Wahrheit du so viele Beweise bekommen hast, vertraue nur solchen Gläubigen an, die imstande sind, auch andere in der rechten Weise darüber zu belehren. Du aber ertrage die Leiden, wie es ein echter Soldat Christi Jesu tun soll. Kein Soldat kann sich um diejenigen Dinge des täglichen Lebens kümmern, die dem Broterwerb dienen; sonst ist er nicht in der Lage, die Pflichten zu erfüllen, die sein Kriegsherr von ihm verlangt. Und wenn einer den Siegeskranz erringen will, dann genügt es nicht, dass er beim Wettkampf bloß anwesend war; er muss vielmehr vorschriftsmäßig gekämpft haben. Der Landmann, der im Schweiße seines Angesichts den Acker bebaut, hat das erste Anrecht auf die Früchte des Ackers. Suche dir den Sinn meiner Worte selbst klarzumachen; der Herr wird dir schon das volle Verständnis dafür geben. Sei stets der Wahrheit eingedenk, dass Jesus Christus aus dem Reich der geistig Toten wieder Heraufgeführt wurde, - er, der als Mensch aus dem Samen Davids gezeugt worden ist. So lautet ja die von mir verkündete Heilsbotschaft. Für sie habe ich zu leiden, ja sogar Einkerkerung zu erdulden, als wäre ich ein gemeiner Verbrecher. Doch das Wort Gottes lässt sich nicht einkerkern. So ertrage ich denn alles gern der Auserwählten wegen, damit auch sie der Rettung teilhaftig werden, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus erlangt wird, und dadurch auch in die künftige Herrlichkeit eingehen. Über jeden Zweifel erhaben ist die Lehre: "Sterben wir mit Christus, so werden wir auch mit ihm leben; bleiben wir standhaft im Leiden, so werden wir auch mit ihm herrschen; verleugnen wir ihn, so wird er auch uns verleugnen; sind wir ihm untreu, so bleibt er uns dennoch treu; denn er kann ja nicht untreu gegen sich selbst sein." Bringe es allen wieder in Erinnerung und ermahne sie wieder eindringlich vor dem Angesicht des Herrn, sich doch nicht in einen Streit um Worte einzulassen; das führt zu nichts Gutem. Es dient nur zur Verwirrung der Zuhörer. Gib dir die größte Mühe, Gott zu zeigen, dass er sich auf dich verlassen kann; dass du ein Arbeiter bist, der sich seiner Arbeit nicht zu schämen braucht, sondern der das Wort der Wahrheit nach Inhalt und Form richtig darzubieten versteht! Vermeide die hohlen Phrasen! Sie sind wertlos; denn sie fördern nur noch mehr die verkehrten Religionsanschauungen der Leute. Eine solche Phrase verbreitet sich unter ihnen mit der Schnelligkeit eines Lauffeuers, das über eine dürre Heide dahineilt. Zu diesen Phrasendreschern gehören Hymenäus und Philetus. Sie sind von der Wahrheit abgeirrt und behaupten, die Auferstehung habe bereits stattgefunden. Dadurch bringen sie manchen um seinen Glauben. Trotz allem bleibt das von Gott gelegte Glaubensfundament unerschütterlich fest. Es trägt die mit dem Siegel Gottes versehene Inschrift: "Der Herr kennt die Seinen!" Ferner: "Von allem, was Unrecht ist, halte sich jeder fern, der den Namen des Herrn anruft!" In jedem vornehmen Haushalt gibt es nicht nur Geräte von Gold und Silber, sondern auch von Holz und Ton. Die ersteren werden dann gebraucht, wenn man nach außen besondere Ehre einlegen will, die andern benutzt man zu niedern Alltagszwecken. Hält sich nun jemand von allem Niedrigen rein, so wird er zu den Gefäßen gehören, mit denen der Hausherr besondere Ehre einlegen will. Er wird einem geheiligten Gefäß gleichen, das dem Hausherrn als besonders wertvoll gilt und bei jeder feierlichen Gelegenheit Verwendung findet. Fliehe die bösen Gelüste der Jugend! Suche das Rechte zu tun, bewahre den Glauben und das Gottesvertrauen und die Liebe, sowie den Frieden mit denen, die den Namen des Herrn mit lauterem Herzen anrufen! An törichten und kindischen Streitfragen beteilige dich nicht! Sie rufen, wie du weißt, nur Streit hervor. Und ein Diener des Herrn soll nicht streiten. Er soll gegen alle sanftmütig sein, stets die rechte Belehrung erteilen können und einen Widerspruch anderer nicht gleich übel nehmen. Seine Gegner hat er mit aller Milde zurechtzuweisen. Dadurch kann er es vielleicht erreichen, dass Gott schließlich doch noch eine Änderung ihrer Gesinnung herbeiführt, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. So können sie wieder zur Besinnung kommen und sich aus der Schlinge befreien, mit der Satan sie eingefangen hatte, um sie seinem Willen gefügig zu machen. Das Eine musst du dir merken: Gegen Ende eines jeden Zeitalters werden schlimme Verhältnisse herrschen. Denn die Menschen werden dann selbstsüchtig und geldgierig sein; in ihrer Großtuerei und ihrem Eigendünkel werden sie alles Hohe und Heilige verhöhnen; den Eltern werden sie den Gehorsam verweigern, keinen Dank mehr kennen und von Gott nichts mehr wissen wollen. Keine Liebe und keine Treue wird bei ihnen zu finden sein; als Teufel in Menschengestalt werden sie in Unmäßigkeit und Zügellosigkeit schwelgen; die Liebe zum Guten wird ausgelöscht sein; Verräterei und Kriechertum, Hochmut und Genusssucht werden an die Stelle der Gottesfurcht treten. Trotzdem werden sie an der äußern Form der Religion aus Gewohnheit festhalten, aber von der innern Kraft der Religion wird man bei ihnen auch nicht einen Hauch verspüren. Von Leuten dieser Art halte dich fern! Manche von ihnen schleichen sich nämlich in die Familien ein und fesseln jene Weibsbilder an sich, die eine schwere Sündenbürde mit sich schleppen und der Spielball aller möglichen Leidenschaften sind. Es sind jene Weibsbilder, die immer Neues lernen möchten und doch nie fähig sind, zur wirklichen Erkenntnis einer Wahrheit zu gelangen. Jene Leute treten in derselben Weise als Feinde der Wahrheit auf, wie Jannes und Jambres seinerzeit gegen Mose auftraten. Es sind Leute, deren Geisteszustand zerrüttet ist, und mit denen man in Glaubenssachen keine Ehre einlegt. Doch sie werden vor aller Welt ebenso entlarvt werden, wie es bei den eben genannten Männern der Fall war. Du aber bist mir in allem treu gefolgt: sowohl in der Lehre, wie m deinem ganzen Leben und Streben, im Glauben und in der Geduld, in der Liebe und der Standhaftigkeit, in Verfolgungen und Leiden, wie auch ich sie in Antiochien, Ikonium und Lystra habe erdulden müssen. Und was für Verfolgungen hatte ich zu bestehen! Aber aus allen hat der Herr mich errettet. Und ähnliche Verfolgungen müssen alle erleiden, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ein gottgefälliges Leben zu führen gewillt sind. Dafür sorgen schon all die bösen Menschen und jene Volksverführer, die es von Tag zu Tag ärger treiben; sie sind betrogene Betrüger. Halte du treu fest an dem, was du gelernt hast, und was dir zur vollen Gewissheit geworden ist. Du weißt ja, wer dein Lehrer war. Auch kennst du von Kind auf die Schriften. Aus ihnen kannst du die Weisheit schöpfen, die dir jenen Weg zur Rettung zeigt, der gefunden wird im Glauben an Christus Jesus. Jede der Schriften ist von einem Geiste Gottes eingegeben. Darum kann sie stets verwendet werden, um andere zu belehren und ihnen die Beweise für die Wahrheit zu erbringen; durch sie kann man andere bessern und sie in der Vollkommenheit so weit bringen, dass sie Menschen nach dem Herzen Gottes werden und zu jeder guten Tat bereit sind und darin auch verharren. Nun beschwöre ich dich bei Gott und bei Christus Jesus, der da als Richter sowohl der Lebenden als auch der geistig Toten auftreten wird, wenn er wiederkommt und als König erscheint: Verkünde die Wahrheit; doch musst du selbst entscheiden können, wann der Zeitpunkt dafür der geeignete ist und wann nicht; erbringe den Beweis für die Wahrheit! Bist du gezwungen, zu tadeln und zu ermahnen, so tue es mit der größten Sanftmut und Geduld. Es wird freilich eine Zeit kommen, wo man die gesunde Lehre nicht mehr gelten lassen will. Man wird sich die Prediger nach eigenem Geschmack und in großer Anzahl aussuchen, nur um sich einen Ohrenschmaus zu verschaffen. Der Wahrheit wird man sein Ohr verschließen und sich lieber leerem Gerede zuwenden. Gehe du in allem mit großer Besonnenheit zu Werke! Nimm die Leiden ruhig auf dich! In der Verkündigung der Heilsbotschaft erfülle deine Aufgabe und verrichte auch die andern Dienste in der Gemeinde voll und ganz! Was mich betrifft, so sind schon die ersten Anzeichen dafür da, dass ich den Opfertod erleiden muss, und der Augenblick meines Scheidens von dieser Welt nicht mehr fern ist. Ich habe auf dem Kampffeld des Lebens als guter Streiter Gottes gekämpft, als Wettläufer habe ich das Ziel erreicht; ich habe den Glauben und das Gottvertrauen treu bewahrt; als Letztes erwartet mich nun noch der Siegeskranz, der für die bestimmt ist, welche das Wohlgefallen Gottes erlangt haben. Ihn wird der Herr, der gerechte Kampfrichter, mir an jenem Tag überreichen, an dem die Kampfpreise verteilt werden. Aber nicht nur mir wird ein solcher Siegeskranz zuteil, sondern allen denen, die sich nach dem Wiedererscheinen des Herrn mit großer Liebe gesehnt haben. Beeile dich, bald zu mir zu kommen; denn Demas hat mich verlassen. Der Liebe zu dem, was die heutige Welt ihm bietet, konnte er nicht länger widerstehen. Er reiste nach Thessalonich. Krescens ist nach Galatien und Titus nach Dalmatien. Nur Lukas ist noch bei mir. Hole Markus ab und bring ihn mit; denn er kann mir gute Dienste leisten. Tychikus habe ich nach Ephesus gesandt. In Troas ließ ich bei Karpus meinen Reisemantel liegen. Bringe ihn mit, wenn du kommst; ebenso die Bücher, vor allem aber die Pergamentrollen. Der Schmied Alexander hat sich sehr bösartig gegen mich gezeigt. Der Herr wird ihm nach seinem Tun vergelten. Nimm auch du dich vor ihm in acht! Bei meiner ersten gerichtlichen Vernehmung ist er meiner Aussage mit aller Schärfe entgegengetreten. Für mich sprach niemand; alle ließen mich in Stich. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Doch der Herr stand mir zur Seite und stärkte mich, damit meine Verteidigungsrede im höchsten Maße überzeugend von meinen Lippen käme, und alle Nichtjuden sie hören sollten. So bin ich denn dem Rachen des Löwen glücklich entronnen. Auch wird der Herr mich fernerhin allen böswilligen Anschlägen entreißen und mich in seinem himmlischen Reich in Sicherheit bringen. Er sei gelobt und gepriesen immerdar! Amen. Grüße Priska und Aquila und alle in der Familie des Onesiphorus. Erastus ist in Korinth geblieben. Trophimus ließ ich in Milet zurück, weil er krank war. - Beeile dich, noch vor Einbruch des Winters zu kommen! Eubulus, Pudes, Linus, Klaudia und alle Brüder lassen dich grüßen. Der Herr Jesus Christus sei dein geistiger Führer! Lebewohl in Frieden! Amen. Ich, Paulus, schreibe diesen Brief. Ich bin zum Apostel Christi bestellt, um den von Gott Auserwählten den Glauben zu bringen und sie über die wahre Gottesverehrung zu belehren, damit sie die Hoffnung auf das zukünftige Leben erlangen, - ein Leben, das Gott, der nicht lügen kann, vor undenklichen Zeiten vorherverkündigte; erfüllt hat er sein Wort zu der von ihm festgesetzten Zeit, und lässt die Erfüllung seines Wortes durch die Predigt bekannt machen, mit der auch ich im Auftrag Gottes, unseres Erretters, betraut worden bin. Dieser Brief ist für dich, mein lieber Titus, bestimmt, der du mein ebenbürtiger geistiger Sohn wurdest, weil du denselben Glauben annahmst, den auch ich bekenne. - Gnade sei mit dir und Friede von Gott, dem Vater, und von Christus Jesus, unserm Erlöser. Ich ließ dich zu dem Zweck in Kreta zurück, damit du all das vollständig erledigen möchtest, was ich unerledigt lassen musste. Von Ort zu Ort solltest du gehen und in den Gemeinden Älteste aufstellen und dabei die Anweisungen befolgen, die ich dir gab. Diese lauteten: Als Ältester kommt nur jemand in Frage, der unbescholten und verheiratet ist und seiner Frau stets die Treue hielt; seine Kinder müssen gläubig sein, und man darf ihnen kein zügelloses Leben und keine Unbotmäßigkeit nachsagen können; denn wer die Aufsicht über eine Gemeinde hat, muss in seiner Stellung als Sachwalter Gottes unbescholten dastehen. Er darf nicht anmaßend sein, kein Heißsporn, kein Trinker, kein Streitsüchtiger und keiner, der von schmutziger Geldgier beherrscht wird. Er muss vielmehr gastfrei sein, wohltätig, besonnen, gerecht, gottesfürchtig, keusch; er muss festhalten an dem wahren Wortlaut der göttlichen Lehre, damit er imstande ist, in der gesunden Lehre andere zu unterrichten und diejenigen zu widerlegen, die ihm ihre Einwendungen dagegen vorbringen. Es gibt nämlich viele, die stets widersprechen müssen und dabei ganz sinnloses Zeug reden, aber dadurch andere in Verwirrung bringen; meistens sind es solche, die vorher Juden waren. Ihnen muss man den Mund stopfen; denn um schmutzigen Gewinnes willen lehren sie Dinge, die nicht recht sind, und bringen so ganze Familien durcheinander. Hat doch ein Prophet aus ihrer eigenen Mitte von ihnen gesagt: "Kreter sind immer verlogen, bösartig wie Tiere, faule Bäuche." Diese Aussage entspricht der Wahrheit. Darum weise sie scharf zurecht, damit sie sich die gesunde Glaubenslehre aneignen, sich nicht länger an jüdische Überlieferungen halten und nichts auf Menschensatzungen geben, die von der Wahrheit abweichen. Den Reinen ist alles rein; den Schuldbefleckten und Ungläubigen dagegen ist nichts rein, sondern ihr Denken und ihr Gewissen ist besudelt. Sie geben zwar vor, einen Gott anzuerkennen, verleugnen ihn jedoch in ihrem ganzen Tun. Sie tun das, was sie verabscheuen sollten, verweigern den Gehorsam und sind jeder guten Tat abhold. Alles, was du der Gemeinde vorträgst, entspreche der gesunden Lehre. So sollst du den bejahrten Männern einschärfen, beim Weingenuss stets mäßig zu sein, in ihrem Auftreten Würde und Besonnenheit an den Tag zu legen, in ihrem Glaubensleben, in der gegenseitigem Liebe und der Standhaftigkeit immer stärker zu werden. In gleicher Weise lege den älteren Frauen ans Herz, in ihrem Auftreten Priesterinnen zu gleichen, sich nicht mit Klatschereien abzugeben, nicht dem übermäßigen Weingenuss zu frönen, sondern andere in allem Guten zu belehren. Sie sollen die jüngeren Frauen dazu veranlassen, ihren Männern und Kindern ein Herz voll Liebe entgegenzubringen, sittsam, keusch, häuslich und hilfsbereit zu sein und sich ihren Männern unterzuordnen, damit sie der Sache Gottes nicht zur Schande gereichen. Ebenso ermahne die jungen Männer, sich in jeder Hinsicht im Zaume zu halten. Vor allem sei du ihnen ein Vorbild im Guten! Bei deinen Lehrvorträgen zeige Reinheit der Gesinnung und persönliche Würde; der Inhalt deiner Vorträge entspreche der gesunden Lehre, so dass man keinen Tadel dagegen vorbringen kann, und jeder Gegner sich beschämt fühlt, weil er keine Handhabe findet, uns etwas Schlechtes nachzusagen. Sage den Dienstboten, sie sollten ihren Herren gehorsam sein und jede ihrer Pflichten zu deren Zufriedenheit erfüllen, ihnen nicht widersprechen, nichts veruntreuen, sondern das in sie gesetzte Vertrauen voll und ganz rechtfertigen. So werden sie der Lehre Gottes, unseres Erretters, in allen Stücken zur Zierde gereichen. Denn erschienen ist die Gnade Gottes, die allen Menschen das Heil bringt. Sie leitet uns dazu an, die Gottlosigkeit und die irdischen Leidenschaften abzulegen und ein sittenreines, Gott wohlgefälliges und frommes Leben in dieser Welt zu führen; dabei sollen wir das erhabene Ziel unserer Hoffnung im Auge behalten und auf die Stunde warten, wo die Herrlichkeit des großen Gottes erscheint, sowie die Herrlichkeit unseres Erlösers Jesus Christus, der sich für uns opferte, um uns von aller Gottlosigkeit zu befreien und so rein zu machen, dass wir sein auserwähltes Volk wären, ein Volk, das nur das eine Bestreben hätte, das Gute zu tun. Diese Wahrheiten wähle zum Gegenstand deiner Predigt und nimm sie als Grundlage deiner Belehrungen! Sprich darüber mit allem Nachdruck! Denn niemand soll eine Veranlassung finden, geringschätzig auf dich herabzusehen. Erinnere deine Gemeindemitglieder daran, dass sie sich den Mächten und Gewalten der Geisterwelt Gottes zu unterwerfen haben; sie sollen ihren Anordnungen Folge leisten und gern bereit sein, jedes gute Werk zu verrichten. Sie sollen niemand schmähen, sondern sich friedfertig und nachgiebig zeigen. Allen Menschen sollen sie bei jeder Gelegenheit mit Sanftmut begegnen. Denn einst waren auch wir verblendet und ungehorsam und irrten vom rechten Weg ab; wir waren die Sklaven der mannigfachsten Begierden und Leidenschaften; unser Leben war voll von Schlechtigkeit und Missgunst; wir waren hasserfüllt, und einer war des andern Teufel. Da erschien die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Erretters; er rettete uns nicht etwa infolge unseres Rechttuns, sondern lediglich wegen seines Mitleids mit uns; er reinigte uns durch das Bad einer neuen geistigen Geburt und machte durch die Wirkung eines heiligen Geistes einen neuen Menschen aus uns, indem er durch Jesus Christus, unsern Erlöser, einen heiligen Geist in reicher Kraftfülle über uns ausgoss; infolge des Liebesdienstes des Erlösers sollten wir wieder das Wohlgefallen Gottes erlangen und die Hoffnung haben, das künftige Leben zu ererben. Die Lehren, die ich dir erteile, sind die Wahrheit; ich wünschte, du würdest dich in allem danach richten, damit die Gottesgläubigen sich bestrebten, sich durch gute Werke hervorzutun. Das wäre etwas Schönes und würde den Leuten zum Segen gereichen. Doch mit törichten Untersuchungen und Fragen der Abstammung, mit Streitfragen und Gezänk über die Vorschriften des Mosaischen Gesetzes gib du dich nicht ab! Denn das alles ist nutzlos, und nicht wert, dass man seine Zeit damit vergeudet. Bringt jemand durch solche Dinge Zwiespalt in die Gemeinde, so sollst du ihn wiederholt warnen. Bleibt deine Warnung fruchtlos, so halte ihn von der Gemeinde fern! Du weißt ja, dass ein solcher Mensch vom rechten Weg abgeirrt ist. Er sündigt, weil sein eigenes Gewissen ihn verurteilt. Sobald ich Artemas oder Tychikus zu dir senden werde, komme sofort zu mir nach Nikapolis. Ich habe mich nämlich entschlossen, dort den Winter zuzubringen. Den Gesetzgelehrten Zenas und den Apollos rüste für die Weiterreise gut aus, so dass es ihnen an nichts mangelt! Auch sollen unsere Leute in deiner Gemeinde bei dieser Gelegenheit lernen, sich durch gute Werke auszuzeichnen, indem sie die notwendigsten Bedürfnisse anderer befriedigen, damit sie nicht ganz ohne Früchte der Nächstenliebe dastehen. Alle, die bei mir sind, lassen dich grüßen. Grüße auch du alle, die in unserer Glaubensgemeinschaft uns in Liebe zugetan sind. Die Gnade des Herrn sei mit euch allen! Amen. Paulus, ein Apostel Christi Jesu, und der Bruder Timotheus senden dir, Philemon, dem geliebten Mitbruder und Mitarbeiter, sowie der Schwester Appia und unserm Mitstreiter Archippus, nebst der Gemeinde, die sich in deinem Hause versammelt, ihren Gruß. - Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Ich danke Gott, so oft ich in meinen Gebeten deiner gedenke. Ich höre ja so viel Gutes von deiner Glaubenstreue und deiner Liebe, die du zum Herrn Jesus und zu allen Gottestreuen im Herzen trägst. Ich bete, dass deine Zugehörigkeit zu der christlichen Glaubensgemeinschaft ein Antrieb für dich sein möge, noch weiter Umschau nach jedem guten Werke zu halten, das wir untereinander im Hinblick auf Christus Jesus vollbringen können. Ja, große Freude und reichen Trost haben wir deiner Nächstenliebe zu verdanken, mein lieber Bruder, weil durch dich die Herzen der Gottestreuen von so mancher Sorge befreit worden sind. Nun dürfte ich mir als Diener Christi wohl ohne Bedenken die Freiheit nehmen, dir einen Auftrag zu erteilen, wenn es sich um etwas handelt, was zu tun sich geziemt; doch ziehe ich es vor, dir in aller Liebe nur eine Bitte vorzutragen. Ich, Paulus, ein alter Mann und jetzt noch obendrein ein Gefangener um Christi Jesu willen, bitte dich für meinen lieben Sohn Onesimus, dessen geistiger Vater ich in meiner Gefangenschaft geworden bin. Vorher hatte er für dich wenig Wert, jetzt aber ist er sowohl für dich als auch für mich sehr wertvoll. Diesen sende ich zu dir; du aber nimm ihn auf, als empfingest du mein eigenes Herz. Gern hätte ich ihn bei mir behalten, damit er anstatt deiner mir in meiner Gefangenschaft, die ich wegen der Verkündigung der Heilsbotschaft erdulden muss, Dienste leisten möchte. Doch ohne dein Vorwissen wollte ich nichts tun, damit dies Werk deiner Nächstenliebe nicht erzwungen erscheine, sondern deinem freien Willen entspringe. Vielleicht ist er nämlich nur deswegen eine Zeitlang von dir getrennt gewesen, damit du ihn für zeitlebens zu eigen hättest, zwar nicht mehr als einen Sklaven, sondern als etwas Besseres, nämlich als einen Bruder, der mir in ganz besonderem Maße lieb und teuer ist; um wie viel mehr muss er es dir sein, dem er jetzt sowohl als Mensch als auch als Mitchrist angehört. Wenn du mich nun gewissermaßen als einen Familienangehörigen betrachtest, so nimm ihn auf, wie du mich aufnehmen würdest. Sollte er dir jedoch in irgendeinem Punkte Unrecht zugefügt haben oder dir etwas schuldig sein, so setze es mir auf die Rechnung. Ich, Paulus, gebe es dir hiermit schriftlich: "Ich will es bezahlen." Dabei möchte ich dich mit keinem Worte daran erinnern, dass auch du in deiner Eigenschaft als Christ mein Schuldner bist. Ja, mein lieber Bruder, ich möchte dich ein wenig ausnützen wegen deiner Zugehörigkeit zum Herrn. Erfülle mir also um Christi willen diesen meinen Herzenswunsch! Weil ich überzeugt bin, dass du mir diese Bitte gewährst, darum schrieb ich an dich. Ja, ich weiß, dass du bereit bist, noch mehr zu tun, als ich verlange. Gleichzeitig halte dich bereit, mich als deinen Gast bei dir aufzunehmen. Denn ich hoffe, infolge eurer Gebete euch wiedergeschenkt zu werden. Epaphras, der um Christus Jesus willen mit mir die Gefangenschaft teilt, lässt dich grüßen. Ebenso meine Mitarbeiter Markus, Aristarchus, Demas und Lukas. Die Gnade unsers Herrn Jesus Christus werde eurem Geiste zuteil! Amen. Bei vielen Gelegenheiten und auf mancherlei Art sprach Gott früher zu unsern Vätern durch die Propheten. Zuletzt sprach er in unseren Tagen zu uns durch einen Sohn, den er dazu bestimmt hatte, die Verwaltung des Alls zu übernehmen. Durch ihn hat er auch die Zeitperioden festsetzen lassen. In ihm strahlt Gottes Herrlichkeit wieder, und er ist das Abbild des wahren Wesens Gottes. Er bringt alles hervor durch den Machtspruch Gottes. Durch ihn hat Gott die Reinigung von den Sünden des Abfalls bewirkt und ihn dann in seinem himmlischen Reiche zu seiner allmächtigen Rechten gesetzt. Er steht um soviel über den Engeln, als der Name höher ist, den er als Erbteil erlangt hat. Denn wo hätte Gott je zu einem seiner Engel gesagt: "Mein Sohn bist du; ich selbst habe dich heute gezeugt?" Und an einer andern Stelle: "Ich werde sein Vater sein und er mein Sohn." Und als er den Erstgebornen nach der Neuordnung der Welt noch einmal in diese einführte, sprach er: "Und es sollen sich vor ihm beugen alle Engel Gottes." Mit Bezug auf seine Engel sagt er: "Und er macht die Geisterwelt zu seinen Boten und Feuerflammen zu seinen Dienern." Aber mit Bezug auf den Sohn spricht er die Worte: "Gott ist dein Thron immerdar; ein Zepter der Gerechtigkeit ist das Zepter der Königsherrschaft, die er dir verleiht. Gott wohlgefällig zu sein, das war das Trachten deines Herzens, und mit Abscheu wiesest du es von dir, von Ihm abzufallen. Darum hat Gott, der auch dein Gott ist, dich mit dem Öl der Freude gesalbt und dich höher gestellt als deinesgleichen." Ferner: "Du, o Herr, hast im Anfang die Erde gegründet, und alle Sphären unter dem Himmel sind deiner Hände Werk. Sie werden wieder vergehen, du aber wirst alles überdauern. Sie alle werden veralten, wie ein Gewand. Umtauschen wirst du jene Sphären, wie man einen alten Mantel gegen einen neuen umtauscht; genauso werden jene Sphären gegen neue umgetauscht werden. Du aber bleibst immer derselbe, und deine Jahre werden kein Ende nehmen." - Und wo hätte er je zu einem der Engel gesagt: "Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege?" Sind nicht alle Engel bloß dienende Geister, die ausgesandt werden, um denen zu helfen, die das Heil wiedererlangen sollen, das ihnen als Erbteil hinterlegt ist? Darum müssen wir uns noch eingehender mit dem beschäftigen, was wir soeben gehört haben, damit es uns nie mehr aus dem Gedächtnis entschwindet. Also: Wenn schon die durch Engel Gottes verkündete Botschaft unbedingt der Wahrheit entsprach, und jedes Zuwiderhandeln und jeglicher Ungehorsam gegen eine solche Botschaft die verdiente Strafe nach sich zog, um wie viel weniger werden wir dann der Strafe entgehen, wenn wir eine so herrliche Heilsbotschaft unbeachtet lassen, die zuerst durch den Herrn selbst verkündet und dann uns von denen als Wahrheit bestätigt wurde, die den Herrn persönlich gehört haben. Dazu wurden die Aussagen dieser Ohrenzeugen von Gott selbst als wahr bezeugt; denn er bekräftigte sie durch Zeichen und Wunder und sonstige Erweise göttlicher Macht, sowie dadurch, dass er den einzelnen einen heiligen Geist in dem Grade zuteilte, wie er es für gut fand. Denn nicht Engeln hat er das künftige Reich unterstellt, von dem wir hier reden. Wer der König dieses Reiches ist, das hat einmal einer in den Worten bezeugt: "Was ist ein Mensch, dass du dich seiner erinnerst, oder eines Menschen Sohn, dass du deine Blicke auf ihn lenktest? Und doch hast du einen als Menschensohn auf kurze Zeit unter die Engel erniedrigt, ihn dann aber mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt; hast ihm als König alles zu Untertanen gemacht und ihn zum Herrn über die Werke deiner Hände bestimmt." Wenn hier also gesagt wird, dass Gott ihm alles unterwarf, so soll damit ausdrücklich betont werden, dass er nichts von der Unterwerfung unter ihn ausgenommen hat. Jetzt ist allerdings, wie wir sehen können, ihm noch nicht alles unterworfen. Doch erkennen wir, dass es Jesus ist, der für kurze Zeit unter die Engel erniedrigt wurde, und dass er es ist, der durch seine Leiden und seinen Tod sich die Krone der Herrlichkeit und der Ehre verdiente, und dass er infolge des Erbarmens Gottes für einen jeden den Tod kostete. Denn es war im Heilsplan Gottes vorgesehen, denjenigen durch Leiden zur Vollkommenheit zu führen, um dessentwillen und durch den das Weltall geschaffen worden war, - ihn, der einst so vielen Kindern zur Herrlichkeit verholfen hatte, - ihn, der die abgefallenen Kinder nun auch wieder zum Heile zurückführen soll. Denn, der zur Heiligkeit führt und die, welche zur Heiligkeit geführt werden, haben alle denselben Vater. Darum verschmäht er es auch nicht, sie seine Brüder zu nennen, indem er sagt: "Ich will deinen Namen meinen Brüdern kundtun; inmitten der Gemeinde will ich dein Lob verkünden." Und an einer andern Stelle: "Ich werde es sein, der sein ganzes Vertrauen auf ihn setzt." Und wiederum: "Siehe, hier bin ich, und hier sind die Kinder, die Gott mir gab." Da er nun die Kinder in einen Leib von Fleisch und Blut gehüllt hatte, so musste auch er an dem gleichen Schicksal teilnehmen. Dadurch sollte er die Möglichkeit haben, den irdischen Tod zu erleiden, um dem die Macht zu nehmen, welcher der Herrscher über die geistig Toten ist, nämlich dem Teufel. Er sollte alle die wieder in Freiheit setzen, die während all der Zeitperioden ihres irdischen Daseins im Banne der Furcht vor dem Todesfürsten lebten und so in dessen Knechtschaft gehalten wurden. Es sind daher keineswegs Engel, deren er sich annehmen soll, sondern den wahren Nachkommen Abrahams sollte er Hilfe bringen. Darum musste er den Brüdern in allen Punkten gleich werden; er sollte ein barmherziger und treuer Hoherpriester für alle Geschöpfe werden, die wieder zu Gott zurückkehren wollen. Er sollte die Brücke bauen, über welche die Scharen heimkehren könnten, die die Sünde des Abfalls begangen hatten. Dadurch, dass er selbst so schwer unter der Versuchung zum Abfall zu leiden hatte, ist er besonders geeignet, denen Hilfe zu bringen, die derselben Versuchung ausgesetzt sind. Darum, ihr gottesgläubigen Mitbrüder und Mitgenossen auf dem Wege zur himmlischen Heimat, zu der ihr zurückgerufen werdet, richtet euren Blick auf den Gesandten und Hohenpriester - den Jesus unseres Glaubensbekenntnisses, der seinem Schöpfer die Treue bewahrte, so wie auch Mose in seinem Dienst im Zelte Gottes in allen Punkten treu erfunden wurde. Doch viel größerer Ehre möge jener würdig erachtet werden, als Mose. Denn der Erbauer eines Heiligtums wird mehr geehrt als das Heiligtum selbst. Jedes Bauwerk hat ja seinen Baumeister. Der Baumeister des Weltalls ist Gott. Mose war treu als ein Diener, der für den ganzen Dienst im Hause Gottes angestellt war. Er sollte die Worte treu wiedergeben, die Gott sprechen würde. Christus dagegen war als der Sohn Gottes als Verwalter über das Haus Gottes gesetzt. Das Haus Gottes sind wir, sofern wir mit Zuversicht und Stolz an der Hoffnung auf Gott bis zum Ende festhalten. Darum beachtet, was der heilige Geist sagt: "Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie es bei Marah geschah; wie dies ferner an dem Tage der Fall war, wo die Versuchung in der Wüste an eure Väter herantrat, und sie mich bei Massah auf die Probe stellen wollten, obschon sie meine Wunderwerke vierzig Jahre lang gesehen hatten. Darum war ich entrüstet über jenes Geschlecht und sagte: Allezeit sind sie in ihrem Sinne und Trachten auf Abwegen. Meine Wege wollten sie nicht anerkennen; daher schwur ich in meinem Zorne: 'Wahrlich, lange soll es dauern, bis diese eingehen in meine Ruhe'." Sehet zu, meine Brüder, dass keiner unter euch ist, dessen Herz verdorben wurde infolge des Unglaubens, der ihn zum Abfall von Gott, der Quelle alles Lebens, verleitete. Sprecht euch vielmehr Tag für Tag gegenseitig Mut zu, solange das Wort 'heute' für euch noch Geltung hat, damit keiner von euch infolge des Truges der Sünde des Abfalls sein Herz verhärte. Denn wir sind Mitgenossen Christi geworden, wofern wir das treue Festhalten an ihn bis zum Schluss bewahren. Wenn es heißt: 'Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie es bei Marah geschah' - so frage ich: Wer waren denn damals die Leute, die seine Stimme hörten und dennoch ihre Herzen verhärteten? Waren es nicht alle, die unter Mose aus Ägypten ausgezogen waren? Und wer waren die Leute, über die er vierzig Jahre entrüstet gewesen ist? Waren es nicht die, welche von ihm abgefallen waren, und deren Leiber in. der Wüste tot hinfielen? Und wer waren die Leute, denen er zugeschworen hatte, dass sie noch lange nicht in seine Ruhe eingehen würden? Waren es nicht die, die ihm den Gehorsam verweigert hatten? So sehen wir denn, dass sie nicht in die Ruhe eingehen konnten wegen ihres Unglaubens. Die Verheißung jedoch, dass alle in seine Ruhe eingehen sollen, bleibt bestehen. Darum wollen wir ängstlich darauf bedacht sein, dass keiner von uns auch nur den Schein erweckt, als sei er zurückgeblieben; denn jene Freudenbotschaft ist an uns ebenso gut ergangen, wie an jene. Ihnen hat freilich die Botschaft, die sie hörten, nichts genützt. Wohl hörten sie die Botschaft, doch es fehlte ihnen der Glaube. Wir dagegen gehen in die Ruhe ein infolge unsers Glaubens. Es steht ja geschrieben: "Ich schwur in meinem Zorn, dass sie noch lange nicht in meine Ruhe eingehen werden"; nun ist doch das Wirken Gottes mit der Vollendung der Weltschöpfung zum Abschluss gekommen; es steht ja irgendwo über den siebten Tag geschrieben: 'Gott ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken.' An unserer Stelle dagegen heißt es: 'Es wird lange dauern, bis sie in meine Ruhe eingehen. Es haben also noch manche in die Ruhe einzugehen; es sind diejenigen, die früher trotz der empfangenen Freudenbotschaft wegen ihres Unglaubens nicht eingegangen sind. Darum setzt Gott aufs neue einen Tag fest, - ein 'Heute' - indem er lange Zeit nachher durch David sagen lässt, viele bereits vorher erwähnt: 'Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!' Denn wenn Josua sie in die Ruhe eingeführt hatte, so würde Gott nicht von einem andern, spätem Tag reden. Somit ist dem Volke Gottes eine Sabbatruhe noch vorbehalten; denn wer in die Gottesruhe eingegangen ist, der ruht damit auch seinerseits von seinen Werken aus, sowie auch Gott von den seinigen. So wollen wir denn eifrig bemüht sein, in jene Ruhe einzugehen, damit keiner infolge seines Ungehorsams zu demselben warnenden Beispiele werde, wie jene. Denn das Wort Gottes ist Leben und Kraft und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt durch, bis es Seele und Geist, Mark und Bein voneinander trennt. Es stellt alle Gedanken und Regungen unseres Herzens vor die richtende Stimme unseres Gewissens. Nichts in der ganzen Schöpfung ist vor Gott verborgen. Alles liegt ohne Hülle und Decke vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft abzulegen haben. Da wir nun in Jesus, dem Sohn Gottes, einen erhabenen Hohenpriester haben, der durch alle Sphären hindurchgeschritten ist, so wollen wir uns treu zu ihm bekennen. Wir besitzen in ihm ja nicht einen Hohenpriester, der kein Mitgefühl mit unseren Schwächen hätte, sondern einen solchen, der in den an ihn herantretenden Versuchungen in jeder Richtung ähnliche Erfahrungen machte, wie wir: Nur die Sünde des Abfalls von Gott beging er nicht. So wollen wir uns denn mit großer Zuversicht dem Throne der Gnade nähern, um Barmherzigkeit zu erlangen und Gnade zu finden, die uns in der Stunde zu Hilfe kommt, wo wir ihrer bedürfen. Denn jeder Hohepriester, der aus Menschen für dieses Amt ausgewählt wird, übt sein Amt vor Gott zum Besten der Menschen aus, für deren Sünden er Gaben und Opfer Gott darzubringen hat. Da er selbst mit Schwachheiten aller Art behaftet ist, so weiß er diejenigen mit Nachsicht zu behandeln, die aus Mangel an der rechten Erkenntnis sündigten und in die Irre gingen. Deshalb hat er für seine eigenen Verfehlungen dieselben Sündopfer darzubringen, wie für die Sünden des Volkes. Diese Hohepriesterwürde kann sich keiner selbst nehmen. Nur Gott kann ihn dazu berufen, wie er den Aaron berief. So hat auch Christus sich nicht selbst die Würde des Hohenpriesters angeeignet, sondern der hat sie ihm verliehen, der zu ihm sprach: "Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt!" und der an einer andern Stelle sagt: "Du bist für immer ein Priester aus dem Rang des Melchisedek." Christus hat in den Tagen seines Erdenlebens unter lautem Aufschrei und unter vielen Tränen flehentliche Gebete zu dem hinaufgesendet, der ihn vor dem geistigen Tode des Abfalls bewahren konnte. Sein Flehen wurde erhört wegen seiner Gottesfurcht. Doch obschon er ein Sohn Gottes war, musste auch er durch das, was er durchzumachen hatte, erst Gehorsam lernen. Als er dann zur Vollendung gelangt war, ist er allen denen, die ihm nun gehorsam sind, der Urheber ihrer künftigen Rettung geworden. Er war ja von Gott als Hoherpriester im Rang des Melchisedek bezeichnet worden. Über diesen Punkt hätte ich noch viel zu sagen. Doch es ist zu schwer, euch das klarzumachen. Eure Fassungskraft reicht dazu nicht aus. In Anbetracht der Länge der Zeit müsstet ihr freilich schon Lehrer der Heilswahrheiten sein. Anstatt dessen bedürft ihr selbst von neuem eines Lehrers, der euch in die Anfangsgründe der göttlichen Heilswahrheiten einführt. Ihr gleicht Säuglingen, denen man Milch anstatt fester Nahrung verabreichen muss. Wer aber in geistigen Dingen noch auf Milch angewiesen ist, der ist noch zu unerfahren, als dass man ihm die volle Wahrheit anvertrauen könnte. Er ist ja noch ein unmündiges Kind. Die feste Nahrung der vollen Wahrheit ist nur für die geistig Reifen. Denn diese haben sich infolge langer geistiger Übung ein feines seelisches Empfinden angeeignet, mit dem sie unterscheiden können, ob eine Lehre wahr oder falsch ist. Trotzdem wollen wir uns jetzt nicht mit den Anfangsgründen der Lehre Christi beschäftigen, sondern uns zur geistigen Reife erheben. Wir wollen also nicht damit beginnen, die Glaubensgrundlagen neu zu legen, als da sind: die Lehre von der Sinnesänderung, Abkehr von toten Gesetzeswerken, die Lehre vom Glauben an einen Gott, von der Taufe, der Handauflegung, der Auferstehung der geistig Toten und dem Weltgericht, das nach einem jeden Zeitalter stattfindet. Auch dies können wir später einmal tun, sofern es Gott überhaupt erlauben sollte. Denn wenn jemand schon einmal die innere Erleuchtung empfangen und die himmlische Gabe schon einmal gekostet hat, schon einmal eines heiligen Geistes teilhaftig geworden ist, schon einmal die herrlichen Botschaften Gottes empfangen hat und so die Kräfte des künftigen Lebens an sich verspürte - und trotzdem wieder abfällt, dann ist es unmöglich, ihn noch einmal umzustimmen; er gehört zu denen, die in ihrer innern Gesinnung den Sohn Gottes noch einmal kreuzigen und ihn öffentlich an den Pranger stellen. Wenn nämlich ein Stück Ackerland den immer wieder darauf fallenden Regen in sich hineintrinkt und denen, die es bearbeiten, einen schönen Ertrag bringt, so macht es sich den von Gott kommenden Segen zunutze. Bringt es jedoch nur Dornen und Disteln hervor, so war es des Segens nicht wert, und ein Fluch steht ihm bevor, der damit endigt, dass das Feld durch Abbrennen gereinigt werden muss. Von euch, meine Lieben, haben wir jedoch die feste Überzeugung, dass Ihr den bessern Teil erwählt und an dem festhaltet, was euch zum Heile führt, wenn wir euch auch obiges Beispiel angeführt haben. Denn Gott begeht nicht die Ungerechtigkeit, dass er eure guten Werke und die Liebe vergessen könnte, die ihr für seine Sache an den Tag legtet, indem ihr den Gläubigen große Dienste erwieset und noch erweiset. Es ist mein sehnlichster Wunsch, dass jeder einzelne von euch den gleichen Eifer zeige, wenn es sich darum handelt, dem Ziel eurer Hoffnung immer näher zu kommen, bis ihr es schließlich erreicht habt. In diesem Eifer dürft ihr nie ermatten. Nehmt euch die zum Vorbild, die infolge ihres Glaubens und ihrer Ausdauer das Erbteil erlangten, das ihnen verheißen worden war. Als Gott dem Abraham eine Verheißung gab, schwur er bei sich selbst; es gab ja keinen Höheren, bei dem er hätte schwören können. Er sprach: "Fürwahr, ich will dich reichlich segnen und dich überaus zahlreich machen." Auf Grund dieses Eides wartete jener geduldig, bis er das erlangte, was ihm verheißen worden war. Wenn Menschen schwören, so schwören sie bei etwas, das höher steht, als sie selbst. Der Eid bedeutet ihnen eine solche Bekräftigung dessen, was sie aussprechen, dass jede Widerrede verstummen muss. In noch weit höherem Maße wollte Gott denen, welchen er sein Versprechen gab, die sichere Erfüllung des Versprechens dadurch in Aussicht stellen, dass er sich dafür mit einem Eide verbürgte. So sollten wir durch diese zwei unabänderlichen Tatsachen, nämlich das Versprechen und den Eid, durch die eine Lüge Gottes ausgeschlossen ist, ein felsenfestes Vertrauen gewinnen; die Hoffnung auf die Erfüllung des Versprechens sollte uns eine sichere Zuflucht gewähren. In dieser Hoffnung sollten wir einen zuverlässigen und festen Anker für unsere Seele besitzen - einen Anker, dessen Tau bis hinter den Vorhang des Jenseits reicht, wohin Jesus unseretwegen vorauseilte, - er, der ein Hoherpriester für alle Zukunft geworden und in seiner Bedeutung durch Melchisedek vorgebildet war. Dieser Melchisedek war nämlich König von Salem und ein Priester Gottes, des Allerhöchsten. Er war dem Abraham entgegengegangen, als dieser von seinem Siege über die Könige zurückkehrte, und hatte ihm den Segen erteilt. Ihm gab Abraham auch den Zehnten als seinen Anteil an der ganzen Beute. Deutet man den Namen 'Melchisedek', so heißt er: "König der Gerechtigkeit", und da er König von 'Salem' war, so kann man ihn auch "König des Friedens" nennen. Weder sein Vater noch seine Mutter noch seine Vorfahren sind erwähnt, auch nicht der Anfang und das Ende seines Lebens. So kann er mit dem Sohne Gottes verglichen werden. Er bleibt Priester immerdar. Betrachtet ferner die Würde dieses Mannes! Der Erzvater gab ihm den Zehnten von der Beute. Nun haben aber nur die Nachkommen Levis, welche die Würde des Priestertums bekleiden, nach dem Gesetz das Recht, den Zehnten vom Volke, also von ihren eigenen Brüdern, zu erheben, obgleich doch auch diese leibliche Nachkommen Abrahams sind. Melchisedek aber steht seiner Abstammung nach mit ihnen in keiner Verbindung, und doch empfing er von Abraham den Zehnten und segnete den, der schon im Besitz der Verheißungen Gottes war. Nun ist es unbestreitbar, dass der Geringere nur von einem gesegnet werden kann, der höher steht. Ferner empfangen in dem Falle der Nachkommen Levis sterbliche Menschen den Zehnten, in dem Falle Melchisedeks aber einer, von dem bezeugt wird, dass er lebe. In der Person Abrahams hat also sozusagen auch der Zehntenempfänger Levi dem Melchisedek den Zehnten entrichtet. Denn Levi war noch in den Lenden seines Stammvaters, als Melchisedek mit Abraham zusammentraf. Wenn nun durch das levitische Priestertum, an welches das Volk durch das Gesetz gebunden war, die Vollendung hätte erreicht werden können, warum war es denn notwendig, dass ein anderer Priester auftrat, den man nach dem Range Melchisedeks benannte und nicht nach dem Range Aarons? Denn wenn das Priestertum geändert werden soll, dann muss notwendigerweise auch eine Änderung des priesterlichen Gesetzes erfolgen. Der nämlich, auf den sich das alles bezieht hat einem andern Stamme angehört. Niemand aus diesem Stamme hatte je etwas mit dem Priestertum zu tun. Wie bekannt, ist unser Herr aus dem Stamme Juda hervorgegangen, und in Bezug auf diesen Stamm hat Mose keinerlei Bestimmungen getroffen, dass daraus Priester genommen werden dürften. Und vollends klar liegt die Sache dadurch, dass ein Priester einer ganz andern Art, nämlich der Art des Melchisedek, erstehen sollte; der also nicht Priester wäre nach dem Gesetz, welches das Priestertum an eine ganz bestimmte leibliche Abstammung bindet, sondern der Priester sein sollte infolge der ihm innewohnenden Kraft unzerstörbaren Lebens. Denn die Worte der Verheißung lauten: "Du bist Priester immerdar nach der Art des Melchisedek." Hiermit wird ein bis dahin gültiges Gesetz aufgehoben, weil es sich als unwirksam und daher als unbrauchbar erwies. Das Gesetz hat ja auch wirklich nichts Vollkommenes zustande gebracht; es bahnte jedoch der Hoffnung auf etwas Besseres den Weg, nämlich der Hoffnung, Gott immer näher zu kommen. Und dieses Bessere wurde nicht ohne Eidschwur verheißen. Die bisherigen Priester empfingen ihr Priesteramt, ohne dass ein Eid von Seiten Gottes geschworen wurde. Dieser eine aber wurde zum Priester ernannt, indem Gott ihm folgenden Schwur leistete: "Geschworen hat es der Herr, und es wird Ihn nicht gereuen: Du bist Priester für immer nach dem Rang des Melchisedek!" Gemäß diesen Worten wurde Jesus der Mittler eines bessern Bundes. Und während früher viele das Priesteramt empfingen, weil der Tod sie hinderte, es länger zu bekleiden, haben wir jetzt nur einen, der immerdar am Leben bleibt und dadurch ein Priesteramt besitzt, das nie auf einen andern übergeht. Darum kann er auch denen, die durch ihn zu Gott gelangen wollen, vollkommene Rettung bringen; er lebt ja allezeit und hat die Aufgabe, sich ihrer anzunehmen. So besitzen wir denn einen solchen Hohenpriester, - und ihn brauchten wir - der heilig, schuldlos, unbefleckt, frei von allen Sünden und über die irdischen Sphären erhöht ist; der es nicht gleich den früheren Hohenpriestern Tag für Tag nötig hat, zuerst für die eigenen Sünden ein Opfer darzubringen und dann für die Sünden des Volkes. Dies hat er ein für allemal dadurch erledigt, dass er sich selbst als Opfer auf den Altar legte. Denn das Gesetz bestellt zu Hohenpriestern mit Schwachheiten behaftete Menschen. Der Wortlaut des Eidschwures dagegen, der nach der Einführung des Gesetzes geleistet wurde, setzt als Hohenpriester einen Sohn ein, der für alle Zeiten die Vollkommenheit erlangt hat. Wenn wir das bisher Gesagte kurz zusammenfassen, so ergibt sich folgendes: Wir besitzen einen Hohenpriester, der seinen Platz im Himmel zur Rechten des Thrones der göttlichen Majestät eingenommen hat; er ist der Oberpriester der Heiligen und des wahren heiligen Zeltes, das Gott der Herr selbst, und nicht ein Mensch, aufgeschlagen hat. Denn, wie jeder Oberpriester dazu da ist, Gaben und Opfer darzubringen, so muss auch er etwas haben, was er als Opfer auf den Altar legen kann. Wäre er auf Erden, so würde er überhaupt nicht als Priester zugelassen werden; denn dort sind bereits solche, welche die nach dem Mosaischen Gesetz vorgeschriebenen Opfergaben darbringen; es sind Menschen, die nur einer Nachbildung und einem Schattenbild des himmlischen Heiligtums dienen, gemäß der Anweisung, die Mose empfing, als er das Zelt Gottes herstellen sollte. "Gib wohl acht", - sagte der Herr - "dass du alles nach dem Muster anfertigst, das dir auf dem Berge gezeigt wurde!" Jetzt aber hat er einen um so vorzüglicheren Priesterdienst erhalten, als er Mittler eines besseren Bundes ist, der auf der Grundlage besserer Verheißungen gesetzlich festgelegt wurde. Ich sage: eines besseren Bundes; denn wenn jener erste Bund vollkommen gewesen wäre, dann hätte es sich nicht als notwendig erwiesen, einen zweiten an seine Stelle zu setzen. Gott spricht jedoch einen Tadel gegen die Menschen des ersten Bundes aus mit den Worten: "Wisset wohl, es kommt die Zeit, - spricht der Herr - da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen; nicht einen Bund in der Weise, wie ich ihn mit ihren Vorfahren damals geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland herauszuführen; denn jenem Bunde sind sie nicht treu geblieben, und ich habe mich deshalb nicht mehr um sie kümmern können", - spricht der Herr. "Darin soll nun der Bund bestehen, den ich nach jener Zeit mit dem Hause Israel schließen werde: Ich will meine Gesetze in ihr Inneres hineinlegen und sie ihnen ins Herz schreiben; dann will ich wieder ihr Gott sein und sie sollen wieder mein Volk sein. Dann braucht niemand seinem Mitbürger und keiner seinem Bruder Belehrungen zu erteilen und ihm zu sagen: Lerne den Herrn kennen! Denn sie werden allesamt mich kennen, vom Kleinsten bis zum Größten unter ihnen; ich werde nämlich gegen ihre Verfehlungen gnädig sein und ihrer Sünden des Abfalls und ihrer Gottlosigkeit nie mehr gedenken." Mit den Worten 'Neuer Bund' hat er den ersten für veraltet erklärt. Was aber veraltet ist und sich überlebt hat, das ist reif, abgeschafft zu werden. Allerdings hatte auch der erste Bund seine gottesdienstlichen Satzungen und sein irdisches Heiligtum. Es wurde nämlich ein Zelt hergerichtet, dessen Vorraum einen Leuchter und den Tisch mit den Schaubroten enthielt. Man nannte diesen Teil des Zeltes das 'Heilige'. Hinter dem zweiten Vorhang lag der Teil des Zeltes, der das 'Allerheiligste' genannt wurde. Darin befand sich der goldne Räucheraltar und die ganz mit Gold überzogene Bundeslade. Diese enthielt einen goldnen Krug mit Manna, den Stab Aarons, der einst grünte, und die Bundestafeln. Oben über ihr standen die beiden Cherube der Herrlichkeit, die den Deckel der Bundeslade überschatteten. Doch über die Bedeutung dieser Dinge will ich jetzt nicht weiter im einzelnen sprechen. Das war also die Einrichtung des Zeltes. Die Priester durften nur den Vorraum des Zeltes betreten, um ihre gottesdienstlichen Verrichtungen vorzunehmen. In den zweiten Raum dagegen durfte nur der Hohepriester, und dies nur einmal im Jahre, eintreten; aber nicht ohne Blut. Denn dies musste er für die eigenen Verfehlungen und für die des Volkes darbringen. Damit wies die heilige Geisterwelt klar darauf hin, dass der Weg ins Allerheiligste solange nicht frei war, als noch der Vorraum des Zeltes bestand. Dieser Vorraum ist ein Sinnbild der bisherigen Zeit, in der Gaben und Opfer dargebracht wurden, die jedoch nicht imstande waren, das Gewissen desjenigen zu reinigen, der in dieser Weise seinen Gottesdienst feierte. Es handelt sich ja hierbei, wie auch bei den Verordnungen über den Genuss von Speisen und Getränken, sowie über allerlei Waschungen, um rein äußere Satzungen, die nur bis zu der Zeit Geltung haben sollten, wo etwas Besseres an ihre Stelle tritt. Als nun Christus als Hoherpriester eingesetzt wurde, um die von ihm errungenen himmlischen Güter zu verwalten, da trat er durch ein größeres und vollkommeneres Zelt ein, das nicht von Menschenhänden errichtet wurde, das also nicht der materiellen Schöpfung angehörte. Er trat in das himmlische Heiligtum ein, nicht mit dem Blut von Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blute, und zwar nur einmal; denn mit diesem einen Male bewirkte er eine immerdauernde Erlösung. Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer jungen Kuh denjenigen eine gewisse Weihe bringt, die damit in Berührung kommen, und zwar eine Reinigung der körperlichen Strahlung, - um wie viel mehr wird das Blut Christi, der ja durch die Kraft eines heiligen Geistes sich selbst als ein fehlerloses Opfer Gott darbrachte, unser Gewissen reinigen, so dass wir uns nicht mehr als geistig Tote betätigen, sondern Gott als der Quelle alles Lebens unsere Dienste leisten. Das ist auch der Grund, weshalb es ihm möglich war, ein ganz neues Verhältnis zwischen den beiden Reichen zu vermitteln. Sein Tod war erforderlich, damit die von Gott Abgefallenen von den Folgen ihres Abfalls wieder befreit werden konnten, die sie sich unter der zuerst bestehenden Ordnung der Dinge zugezogen hatten. Doch sollte dies nur für diejenigen Geltung haben, welche die Botschaft gläubig aufnehmen, die ihnen verkündet, dass sie heimgerufen werden, um das vor undenklichen Zeiten durch Gottes Gesetz für sie bestimmte himmlische Erbteil wieder in Besitz zu nehmen. Denn wo ein Vermächtnis als letzter Wille festgelegt ist, muss erst der Tod desjenigen eintreten, der das Vermächtnis bestimmt hat. Vermächtnisse werden nämlich erst rechtskräftig nach dem Tode der Stifter. Sie haben keine Geltung, solange der Stifter noch am Leben ist. Daher ist auch die erste Heilsstiftung nicht ohne Blut eingeweiht worden. Als nämlich Mose alle im Gesetz enthaltenen Verordnungen dem ganzen Volke vorgetragen hatte, nahm er das Blut von Kälbern und Böcken nebst Wasser, Purpurwolle und Ysop und besprengte damit die Buchrolle des Gesetzes, dann das ganze Volk mit den Worten: "Das ist das Blut der Stiftung, die Gott für euch bestimmt hat." Aber auch das Zelt und alle gottesdienstlichen Geräte besprengte er in gleicher Weise mit dem Blut. So wird nach den Vorschriften des Mosaischen Gesetzes fast alles mit Blut gereinigt, und ohne Besprengung mit Blut gibt es keine Befreiung. Es musste also das, was das Abbild der im Himmel befindlichen Heiligtümer darstellt, auf die geschilderte An gereinigt werden. Aber für die himmlischen Heiligtümer selbst muss es bessere Opfer geben als diese. Christus ist ja nicht in ein von Menschenhänden hergestelltes Heiligtum eingetreten; denn das irdische Heiligtum war nur ein Abbild des wahren Heiligtums. Er ging vielmehr in den Himmel selbst ein, um nun vor dem Angesicht Gottes für unsere Rettung einzutreten. Auch braucht er sich nicht immer wieder als Opfer darzubringen, während der Hohepriester jährlich einmal mit fremdem Blut in das Allerheiligste einzutreten hat; denn sonst müsste Christus, so lange die Welt steht, immer wieder leiden. So aber ist er nur einmal erschienen, um den Tribut für alle Zeiten zu zahlen und so die Sünde des Abfalls von Gott durch sein Opfer zu tilgen. Und wie es eine feststehende Tatsache ist, dass die Menschen nur einmal des geistigen Todes starben und daraufhin die Entscheidung für sie ein für allemal gefallen war, so gewiss ist es auch, dass Christus sich nur einmal zu opfern brauchte, um die Sünde des Abfalls der vielen rückgängig zu machen, und dass es nicht mehr wegen der Sünde des Abfalls ist, wenn er später denen erscheint, die auf ihn als ihren Retter sehnsüchtig gewartet haben. Das Mosaische Gesetz enthält nur ein schattenhaftes Abbild der zukünftigen Heilsgüter und nicht deren wirkliches Wesen. Daher ist es auch nicht imstande, durch die alljährlich wiederkehrenden Opfer diejenigen zur endgültigen Erlangung des Heils zu führen, die an den Opfern teilnehmen. Sonst hätte man doch wohl schon längst mit den Opfern aufgehört, weil die, welche den Gottesdienst feierten, sich keiner Schuld mehr bewusst wären; sie waren ja dann ein für allemal rein. So aber wird durch die Opfer alljährlich die Erinnerung an das Vorhandensein der Sünden des Abfalls wachgerufen. Denn das Blut von Stieren und Böcken kann unmöglich solche Sünden wegschaffen. Darum sprach der Messias, als er in die Welt kam: "Schlachtopfer und Speiseopfer hast du nicht gewollt; aber einen Leib werde ich mir bereiten. An Brandopfern und Sündopfern hattest du kein Wohlgefallen; da sagte ich: Siehe, hier bin ich! In der Buchrolle steht von mir geschrieben, dass ich deinen Willen tue, o Gott." Vorher sagte er: "Schlachtopfer und Speiseopfer, Brandopfer und Sündopfer hast du nicht gewollt und kein Wohlgefallen daran gehabt." Und doch werden diese Opfer infolge der Vorschrift des Mosaischen Gesetzes dargebracht. Dann fuhr er jedoch fort: "Siehe, hier bin ich, um deinen Willen zu erfüllen!" Damit hebt er das Erstere auf, damit nur das Zweite von nun an Gültigkeit habe. Auf Grund der Erfüllung dieses Willens Gottes sind wir also wieder Gottgeweihte, weil Jesus Christus ein für allemal sein Blut zum Opfer dargebracht hat. Jeder gewöhnliche Priester steht täglich am Altare und bringt immer wieder dieselben Opfer dar, - Opfer, die niemals von der Sünde des Abfalls befreien können. Christus jedoch brachte bloß ein einziges Sündopfer dar und setzte sich dann für immer zur Rechten Gottes. Er wartet nunmehr den Zeitpunkt ab, wo alle seine Feinde sich ihm unterworfen haben. Denn durch ein einziges Opfer hat er es für immer erreicht, dass diejenigen endgültig das Heil erlangen, die an ihrer Heiligung arbeiten. Dieselbe Wahrheit bezeugt uns auch der heilige Geist. Denn nach den Worten: 'Dies nun soll die neue Ordnung sein, die ich nach jenen Tagen bei ihnen einführen werde', fährt der Herr folgendermaßen fort: "Ich will meine Gesetze in ihr Herz legen und sie hineinschreiben in ihr Gewissen und will ihrer Sünden und Gesetzesübertretungen nicht mehr gedenken." Wo diese aber vergeben sind, da ist ein Opfer zur Tilgung von Sünden des Abfalls nicht mehr erforderlich. So haben wir also, liebe Brüder, infolge des Blutopfers Jesu die frohe Zuversicht, in das himmlische Heiligtum eintreten zu können. Das ist der neue Weg des Lebens, den er uns durch den Vorhang hindurch - nämlich durch seine Menschwerdung - eröffnet hat. Nun haben wir einen Hohenpriester, der als Statthalter über das Reich Gottes gesetzt ist. Ihm wollen wir mit aufrichtigem Herzen in voller Glaubenszuversicht nahen. Wir haben ja unsere Herzen von dem Schuldbewusstsein befreit und unsern geistigen Leib in reinem Wasser gebadet. Wir wollen an dem Bekenntnis unserer Hoffnung unentwegt festhalten. Denn treu ist der, welcher uns das Versprechen gegeben hat, unsere Hoffnung in Erfüllung gehen zu lassen. Wir wollen darauf bedacht sein, uns gegenseitig zur Nächstenliebe und zur Verrichtung von guten Werken anzuspornen. Wir wollen uns nicht von den gemeinsamen Gottesdiensten fernhalten, wie dies leider bei einigen schon zur Gewohnheit geworden ist. Lasst uns vielmehr einander zur Teilnahme ermahnen, und zwar dies um so mehr, als ihr den Tag des Herrn bereits herannahen seht. Wenn wir nämlich mit voller Überlegung von neuem sündigen, nachdem wir in die ganze Erkenntnis der Wahrheit eingeführt wurden, so bleibt uns kein zweites Opfer zur Tilgung dieser Sünden mehr übrig. Wir haben dann nur noch ein schreckliches Strafurteil zu erwarten und ein Feuer, das gierig darauf ist, die Widersacher Gottes zu verzehren. Hatte jemand das Mosaische Gesetz freventlich verletzt, so musste er ohne Erbarmen auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin sterben. Einer um wie viel härteren Strafe wird der wohl für schuldig befunden werden, der den Sohn Gottes mit Füßen trat, das Blut für wertlos erachtete, dem ihr die neue Heilsordnung, sowie eure Heiligung zu verdanken habt, und der mit der Geisterwelt, welche die Liebe Gottes ihm sandte, seinen Spott trieb. Wir kennen ja den, der gesagt hat: "Mein ist die Rache, ich will Vergeltung üben!" Und der Ferner sprach: "Der Herr wird sein Volk richten!" Schrecklich ist es daher, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen. Denkt doch zurück an die erste Zeit eurer Bekehrung! Da habt ihr nach empfangener Erleuchtung so manchen harten Leidenskampf bestanden, indem ihr bald in eigener Person Schmähungen und Beschimpfungen zu erdulden hattet, bald das Schicksal derer innerlich mitempfandet, denen Ähnliches widerfuhr. Mit denen nämlich, die ins Gefängnis geworfen wurden, legtet ihr eurer Mitgefühl öffentlich an den Tag; und wenn euch euer Vermögen weggenommen wurde, so erfüllte euch dies mit Freude. Ihr wusstet ja, dass ihr einen wertvolleren Besitz euer eigen nanntet, - einen Besitz, den euch niemand rauben kann. Werfet doch jene freudige Zuversicht von damals jetzt nicht beiseite! Sie trägt ja einen so hohen Lohn in sich. Es ist nämlich unbedingt erforderlich, dass ihr standhaft bleibt, sofern ihr den Willen Gottes erfüllen und die verheißenen Güter erlangen wollt. Denn nur noch eine kleine, ganz kleine Weile, dann wird der erscheinen, der zu kommen hat, und er wird sein Kommen nicht verzögern. "Wer infolge seines gläubigen Vertrauens mein Wohlgefallen besitzt, wird das geistige Leben erlangen; zieht sich aber einer kleinmütig zurück, so hat mein Herz kein Wohlgefallen an ihm." Wir jedoch haben nichts mit jenem Kleinmut zu tun, der das Verderben nach sich zieht, sondern wir halten an dem gläubigen Vertrauen fest, durch das unser geistiges Leben bis zur Vollendung aufgebaut wird. Der Glaube ist nämlich ein zuversichtliches Vertrauen auf das, was man erhofft und ein festes Überzeugtsein von Dingen, die man mit den leiblichen Augen nicht sehen kann. Durch einen solchen Glauben haben sich die Männer der alten Zeit rühmlichst hervorgetan. Durch den Glauben erkennen wir, dass die Welten mit ihren Entwicklungsperioden durch Gottes Wort ins Dasein traten, dass also das, was wir jetzt vor uns sehen, aus dem Unsichtbaren geworden ist. Infolge seines Glaubens brachte Abel dem Herrn ein wertvolleres Opfer dar als Kain. Es wurde ihm auch das Zeugnis ausgestellt, dass er wegen dieses Glaubens das Wohlgefallen Gottes erlangt hatte. Gott selbst stellte ihm dieses Zeugnis bei der Opferung seiner Gaben aus. Und wenn er auch schon längst tot ist, so spricht man gerade wegen seines Glaubens noch heute von ihm. Infolge seines Glaubens wurde Henoch von der Erde entrückt, damit er den Tod nicht schauen sollte; er war nicht mehr auf der Erde zu finden, weil Gott ihn weggenommen hatte. Denn vor seiner Wegnahme war ihm bezeugt worden, dass er das Wohlgefallen Gottes besaß. Ohne Glauben ist es nämlich unmöglich, Gott wohlgefällig zu werden. Denn wer zu Gott will, muss zuerst glauben, dass es einen Gott gibt, und dass er denen, die ihn suchen, ihren Lohn aushändigen wird. Infolge seines Glaubens wurde Noah durch Geisterbotschaften über Dinge in Kenntnis gesetzt, von denen er noch nichts sehen konnte. Er nahm die Botschaft gläubig an und baute die Arche, um seine Familie zu retten. Durch diese Rettung zeigte er, dass das über seine ungläubige Mitwelt hereinbrechende Strafurteil gerecht war; er wurde des Wohlgefallens Gottes teilhaftig, das nach einem göttlichen Gesetz stets die Frucht des Glaubens ist. Im Glauben leistete Abraham dem Rufe Gottes Folge, der ihn aufforderte, in ein Land zu ziehen, das er als Erbteil erlangen sollte. Er zog fort, ohne zu wissen wohin. Im Glauben siedelte er sich als Fremdling in dem Lande an, das ihm von Gott angegeben worden war. Er wohnte dort in Zelten samt Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. Denn er wartete auf die himmlische Stadt mit den festen Fundamenten, deren Bildner und Baumeister Gott selbst ist. Durch den Glauben empfing auch die unfruchtbare Sarah die Kraft, trotz ihres hohen Alters Mutter zu werden, weil sie fest auf den vertraute, der ihr die Mutterschaft verheißen hatte. Deswegen stammten von diesem Einen selbst nach seinem Tode Nachkommen ab, die so zahlreich sind, wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meeresstrand, den niemand zählen kann. Alle diese Menschen sind im Glauben gestorben, ohne die Erfüllung der Verheißung erlangt zu haben. Nur von ferne haben sie die Erfüllung gesehen und sie freudig begrüßt. Sie bekannten dass sie auf Erden nur Fremdlinge und Gäste seien. Wer sich aber als Fremdling bekennt, gibt dadurch zu erkennen, dass er nach seinem wirklichen Vaterland zu gelangen sucht. Hätten sie dabei an das irdische Vaterland gedacht, das sie verlassen hatten, so hätten sie ja die Möglichkeit gehabt, wieder dahin zurückzukehren. Nun aber trugen sie nach einem besseren Vaterland Verlangen, nämlich nach dem himmlischen. Darum trägt auch Gott durchaus kein Bedenken, sich ihren Gott zu nennen. Denn er ist es ja, der ihnen ein himmlisches Vaterland bereitete. Als Abraham auf eine Probe gestellt wurde, war er infolge seines Glaubens bereit, den Isaak zu opfern. Seinen einzigen Sohn wollte er dahin geben, obgleich er die Verheißung empfangen hatte, durch die ihm in Bezug auf Isaak mitgeteilt wurde: "Nach Isaak soll deine Nachkommenschaft benannt werden." Sein einziger Gedanke war, dass Gott die Macht habe, einen Toten auch wieder zum Leben zu erwecken. Und gerade deshalb, weil er ihn hergab, erhielt er ihn wieder zurück. Auf Grund seines Glaubens segnete Isaak den Jakob und den Esau sogar mit Bezug auf zukünftige Ereignisse. Im Glauben segnete Jakob in seiner Todesstunde jeden der Söhne Josefs, und auf die Krücke seines Stabes gelehnt, betete er über sie. Im Glauben gedachte Josef sterbend des Auszugs der Israeliten aus Ägypten und traf Anordnungen in Betreff der Mitnahme seiner Gebeine. Im Glauben wurde Mose drei Monate lang nach seiner Geburt von seinen Eltern verborgen gehalten, weil sie die göttliche Schönheit des Kindes sahen; sie fürchteten sich nicht vor dem Befehle des Königs. Als Mose herangewachsen war, tötete er auf Grund seines Glaubens den Ägypter als er die Erniedrigung seiner Brüder sah. Wegen seines Glaubens verschmähte es der zum Manne herangewachsene Mose, für den Sohn einer Tochter Pharaos gehalten zu werden. Er wollte lieber mit dem Volke Gottes Drangsal leiden, als einen zeitlichen Vorteil aus diesem Irrtum zu ziehen. Für den Messias Schmach leiden zu dürfen, hielt er für einen größeren Reichtum, als alle Schätze Ägyptens; denn er schaute nur auf die künftige Belohnung. Gestützt auf seinen Glauben verließ er Ägypten, ohne den Zorn des Königs zu fürchten. Er fühlte sich deshalb so stark, weil es ihm war, als sähe er den Unsichtbaren vor sich. Auf Grund seines Glaubens ordnete er das Passahmahl an und ließ die Türpfosten mit dem Blut des Lammes bestreichen, damit der Strafengel nicht die Erstgeburt der Israeliten antaste. Im Glauben zogen diese durch das Rote Meer wie über trockenes Land, während die Ägypter ertranken, als sie denselben Versuch wagten. Der Glaube war der Grund dafür, dass die Mauern Jerichos einstürzten, nachdem man sieben Tage lang um sie herumgezogen war. Infolge des Glaubens fand die Dirne Rahab nicht den Tod, als ihre ungläubigen Landsleute umkamen; denn sie hatte die Kundschafter freundlich bei sich aufgenommen. Doch was soll ich noch weitere Einzelheiten anführen? Die Zeit würde ja nicht ausreichen, wenn ich alles aufzählen wollte von Gideon und Barak, von Simson und Jephta, von David und Samuel und den übrigen Propheten. Durch den Glauben haben diese Männer Königreiche erobert, vergeltende Gerechtigkeit geübt, die Erfüllung von Verheißungen erlangt, den Rachen von Löwen verschlossen; gewaltige Feuerbrände vermochten sie auszulöschen; sie entrannen der Scharfe des Schwertes; schwand ihre Kraft, so erstarkten sie wieder; im Kriege blieben sie Sieger und schlugen die Heere fremder Völker in die Flucht. Frauen erhielten durch Wiedererweckung ihre Toten zurück; andere haben sich martern lassen und wiesen jede Freigabe für Lösegeld zurück, um einer bessern Auferstehung teilhaftig zu werden. Wieder andere haben Verhöhnung und Geißelung über sich ergehen lassen und dazu Ketten und Kerker erduldet. Sie wurden gesteinigt, gefoltert, zersägt, mit dem Schwerte hingerichtet. Sie sind in Schaf- und Ziegenfellen umhergezogen unter Bedrängnissen, Entbehrungen und Misshandlungen. Sie, deren die Welt nicht wert war, haben in Einöden und Gebirgen, in Höhlen und Erdklüften hausen müssen. Sie alle, denen wegen ihres Glaubens ein rühmliches Zeugnis ausgestellt worden ist, haben in diesem Leben die Erfüllung der Verheißung Gottes nicht erlangt; denn er hatte mit Rücksicht auf uns etwas Besseres für sie vorgesehen, und jene sollten dieses Bessere nicht ohne uns erreichen. Da wir uns von einer solchen Schar von Glaubenszeugen umgeben sehen, so wollen auch wir alles ablegen, was uns innerlich beschwert. Wir wollen ablegen die Sünde, die uns so fest umstrickt. Wir wollen an dem uns vorgeschriebenen Wettlauf mit Ausdauer teilnehmen. Dabei wollen wir auf Jesus blicken; er legte den Grundstein zu unserm Glaubensgebäude und ist auch dessen Vollender. Er hat im Hinblick auf die Freude, die ihm als Siegeslohn winkte, den Kreuzestod erduldet. Die damit verbundene Schmach achtete er für nichts. Dann aber durfte er sich zur Rechten des Thrones Gottes setzen. Bedenket doch die maßlose Feindschaft, die er von Seiten der Sünder auszuhalten hatte; dann werdet ihr in eurem eigenen Kampfe nicht so leicht ermatten und den Mut nicht sinken lassen. Denn bis jetzt hat euer Kampf gegen die Sünde euch noch keinen Blutstropfen gekostet. Ihr habt wohl ganz das Mahnwort vergessen, das an euch als Gottes Kinder gerichtet ist: "Mein Kind, achte die Züchtigung des Herrn nicht gering und verzage nicht, wenn du von ihm durch Leiden heimgesucht wirst; denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und mit der Rute schlägt er jedes Kind, das er als das seinige betrachtet." Ertraget die Leiden, weil dies notwendig ist für eure Erziehung; denn Gott behandelt euch, wie man Kinder behandelt. Oder wo gibt es ein Kind, das nicht von seinem Vater in Zucht genommen wird? Bliebet ihr jedoch von der Züchtigung verschont, die alle Kinder durchmachen müssen, dann wäret ihr ja Bastarde und keine rechtmäßigen Kinder. Ferner: Auch wir haben unter der Zucht unserer Väter gestanden, die doch bloß Väter unseres Leibes sind, und waren ihnen trotzdem in Liebe zugetan. Sollten wir uns da nicht in noch weit höherem Maße dem Vater unseres Geistes in Liebe unterwerfen und so zum geistigen Leben gelangen? Zudem pflegten unsere leiblichen Väter uns für geringfügige Dinge nach ihrer Augenblicks-Laune zu strafen. Gott aber tut es nur zu unserm wahren Innern Besten, um uns nämlich zu befähigen, an seiner eigenen Heiligkeit teilzunehmen. Jede seiner Züchtigungen erscheint uns freilich für den ersten Augenblick recht unerfreulich und schmerzlich. Hinterher aber bringt sie für die, welche durch die Züchtigung innerlich erstarkten, als Frucht jenen Frieden, der in dem Bewusstsein der Freundschaft Gottes liegt. Darum richtet empor die erschlafften Hände! Stärkt eure schwachen Knie! Machet gerade die Pfade, auf denen eure Füße gehen sollen, damit die Lahmen nicht noch weiter zurückbleiben, sondern vielmehr geheilt werden. Gebet euch Mühe, mit allen in Frieden zu leben und jenen Grad der Heiligung zu erreichen, ohne den keiner zur Anschauung des Herrn gelangen kann. Achte einer auf den andern, damit keiner von den Gnadengaben Gottes einen zu geringen Gebrauch macht, und keine Wurzel aufschießen kann, aus der gegenseitige Erbitterung hervorsprießt, und die Unheil anrichtet und durch die viele vergiftet werden; dass ferner keiner sich mit der niedern Geisterwelt abgibt und sich Gott entfremdet, wie Esau es tat, der für eine einzige Mahlzeit sein Erstgeburtsrecht verkaufte. Ihr wisst ja, wie er nachher abgewiesen wurde, als er den Erstgeburtssegen auf Grund des Erstgeburtsrechtes für sich beanspruchte. Er fand nämlich keine Möglichkeit mehr, seine Gesinnung zu ändern, wie sehr er sich auch bemühte, durch Tränen das Geschehene rückgängig zu machen. Ihr seid ja nicht zu einem Berge herangetreten, den man mit Hände berühren kann, und zu keinem brennenden Feuer; nicht zu Wolkendunkel, Finsternis und Gewittersturm; nicht zu Posaunenschall und nicht zu jener Donnerstimme, bei der die Zuhörer dringend baten, von jedem weiteren Wort verschont zu bleiben; denn sie konnten das Mark und Bein Erschütternde in dieser Stimme nicht länger ertragen. Selbst ein Tier, das dem Berg zu nahe zu kommen suchte, musste gesteinigt werden. So furchtbar war die Erscheinung, dass selbst Mose sagte: "Ich bin außer mir vor Furcht und Zittern." - Ihr seid vielmehr gekommen zu dem Berge Sion, zu der Stadt des lebendigen Gottes, zum himmlischen Jerusalem, zu einer Festversammlung von vielen Tausenden heiliger Boten Gottes; zu der Gemeinde der im Himmel eingeschriebenen Erstgeborenen und zu einem Richter, dem Gott aller, und zu den Geistern der gottestreuen Menschen, die ihr Ziel im Jenseits bereits erreicht haben, und zu Jesus, der die neue Heilsordnung vermittelte durch sein Blut der Reinigung, das lauter zum Himmel schrie als das Blut Abels. Sehet zu, dass ihr nicht zu denen gehört, die seine Stimme nicht hören wollen. Denn wenn jene nicht entrinnen konnten, die dessen Stimme nicht hören wollten, der sich ihnen auf Erden kundgab, um wie viel weniger werden wir entrinnen können, wenn wir die Stimme dessen von uns weisen, der aus den überirdischen Sphären zu uns redet! Damals hat seine Stimme die Erde erbeben lassen; jetzt aber hat er die Verheißung gegeben: "Noch einmal erschüttere ich nicht nur die Erde, sondern auch die außerirdischen Sphären." Das Wort 'noch einmal' weist auf die Verwandlung dessen hin, was erschüttert wird, weil dies etwas Geschaffenes ist, zum Unterschied von dem, was beständig ist, weil es nicht erschüttert werden kann. Darum wollen wir von Herzen dankbar sein, dass wir ein Reich erlangen, das keine Erschütterung erfährt. Im Hinblick auf dieses Reich wollen wir Gott so gut wie möglich dienen, in Gottesfurcht und heiliger Scheu. Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Eure Nächstenliebe darf durch nichts erschüttert werden. Vergesset nicht die Pflichten der Gastfreundschaft. Haben doch manche in Erfüllung dieser Pflicht Boten Gottes beherbergt und wussten es nicht. Gedenket derer, die im Gefängnis sind, mit denselben Gefühlen, als wäret ihr selbst im Gefängnis, und derer, die körperliche Misshandlungen zu erleiden haben, als ob ihr selbst derartiges an eurem Leibe auszuhalten hättet. In Ehre stehe bei euch die Ehe, und unbefleckt sei euer Ehebett; denn Unzüchtige und Ehebrecher werden dem Strafgericht Gottes verfallen. Euer Lebenswandel sei frei von Geldgier. Begnügt euch mit dem, was ihr habt; denn Gott selbst hat gesagt: "Ich will dir nie meine Hilfe versagen und dich niemals verlassen." Daher dürfen wir mit aller Zuversicht sagen: "Der Herr ist meine Hilfe, und ich brauche mich nicht zu fürchten; was können mir die Menschen tun?" Vergesset nicht eure Führer, die euch das Wort Gottes verkündigt haben! Betrachtet immer wieder das Ende ihrer Erdenlaufbahn und nehmt euch ihren Glauben zum Vorbild! Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in alle Zukunft! Amen! Daher lasst euch nicht durch allerlei fremdartige Lehren in die Irre führen. Das Beste ist es, wenn ein Herz in der Gnade Gottes fest gegründet bleibt, und sich nicht um Speisegesetze kümmert; denn die in ihrem täglichen Leben sich ängstlich nach derartigen Gesetzen richteten, haben keinerlei geistigen Nutzen daraus ziehen können. Auch wir haben einen Opferaltar, von dem jene nicht essen dürfen, die noch an den Opfern des jüdischen Tempels festhalten. Denn die Leiber der Tiere, deren Blut vom Hohenpriester als Sühneopfer für die Sünde ins Allerheiligste gebracht wird, müssen außerhalb des Lagers verbrannt werden. Deshalb hat auch Jesus, um das Volk durch sein eigenes Blut von der Sünde zu reinigen, außerhalb des Stadttores den Tod erlitten. Darum lasst uns zu ihm aus dem jüdischen Lager hinausgehen und seine Schmach auf uns nehmen. Denn wir haben hier keine bleibende Wohnstätte, sondern suchen die, welche in der Zukunft für uns bestimmt ist. So wollen wir durch Jesus täglich ein Lobopfer unserem Gott auf den Altar legen; dieses Opfer besteht in der geistigen Frucht, die von den Lippen derer fällt, die den Namen Gottes preisen. Vergesset nicht, andern wohl zu tun und sie an euren Gütern teilnehmen zu lassen; denn an solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen. Gehorchet euren Führern und füget euch ihrer Leitung; denn sie haben über eure Seelen zu wachen und einst Rechenschaft über euch abzulegen. Mögen sie das dann mit Freuden tun können und nicht mit Seufzern; denn letzteres wäre euch nicht zum Heile. Betet auch für uns! Wir sind nämlich überzeugt, ein gutes Gewissen zu besitzen, da wir bestrebt sind, in allen Punkten ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen. Um so dringender ist meine Bitte um euer Gebet, damit ich um so schneller euch wiedergeschenkt werde. Der Gott des Friedens, der unsern Herrn Jesus Christus aus dem Reich der geistig Toten herauf geführt hat - jenen großen Hirten, der mit seinem Blute für alle Zukunft eine neue Heilsordnung begründete -21 dieser Gott möge euch mit jeder guten Gabe ausrüsten, damit ihr imstande seid, Seinen Willen zu erfüllen. Er möge in uns allen durch Jesus Christus das zur Ausführung bringen, was in Seinen Augen wohlgefällig ist. Ihm sei die Ehre für alle Zukunft! Amen. - - - Ich bitte euch, liebe Brüder, diese Worte der Ermahnung ruhig hinnehmen zu wollen. Sie bilden ja auch nur einen ganz kurzen Teil meines Briefes an euch. Ich möchte euch noch mitteilen, dass unser Bruder Timotheus wieder in Freiheit gesetzt worden ist. Sobald er kommt, werde ich mit ihm zusammen euch besuchen. Grüßet alle eure Führer und alle Gottestreuen. Es grüßen euch die Christen aus Italien. Die Gnade sei mit euch allen! Amen. Jakobus, ein Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus, entbietet den zwölf Gemeinden, die unter den Heiden zerstreut leben, seinen Gruß. Begrüßet es mit großer Freude, meine Brüder, wenn ihr durch die verschiedensten Versuchungen hindurchgehen müsst; denn nur dann, wenn euer Glaube auf die Probe gestellt wird, könnt ihr zeigen, ob ihr standhaft seid. Das wisst ihr. Eure Standhaftigkeit soll aber in einem so hohen Grade vorhanden sein, dass ihr als Menschen angesehen werden könnt, die vollendet dastehen und in keinem Punkt mehr etwas zu wünschen übrig lassen. Sollte es einem von euch an Weisheit mangeln, so bitte er Gott darum; denn Er gibt allen ohne weiteren Umstände und ohne lange Vorhaltungen zu machen. Seine Bitte wird daher auch ihm gewährt werden. Er muss jedoch im gläubigen Vertrauen beten und darf nicht den geringsten Zweifel hegen. Wer zweifelt, der gleicht einer Meereswoge, die vom Winde hin und her geworfen wird. Ein solcher darf nicht erwarten, etwas vom Herrn zu empfangen. Denn er gehört zu den Menschen mit zwei Seelen in einer Brust; zu den Menschen, die auf allen ihren Wegen stets auf zwei Schultern tragen. Lebt ein Mitbruder in einer niedern menschlichen Stellung, so sei er innerlich stolz auf seine hohe Stellung vor Gott. Gehört einer zu den irdisch Reichen, so gereicht es ihm zum Ruhme, wenn er sich verdemütigt in dem Gedanken, dass sein Reichtum vergehen wird, wie eine Blume im Garten. Die Sonne steigt höher und höher und trocknet durch ihre Glut den Garten aus; die Blüten der Blumen fallen zu Boden, und das anmutige Aussehen des Gartens ist dahin. So wird auch der Reichtum des Reichen auf den Schicksalswegen des Lebens dahinwelken. Glücklich zu preisen ist der Mensch, der die Probe besteht; denn wer sich bewährt, wird den Siegeskranz des geistigen Lebens erhalten, den der Herr denen versprochen hat, die ihn lieb haben. Keiner, der zum Bösen versucht wird, darf sagen: "Von Seiten Gottes wird mir die Versuchung bereitet." Denn wie Gott selbst keiner Versuchung zum Bösen unterworfen werden kann, so versucht er auch selbst niemand zum Bösen. Die Versuchung entsteht bei einem jeden vielmehr dadurch, dass er von seiner eigenen bösen Lust gereizt und verlockt wird. Hat die böse Lust die Einwilligung des Menschen erlangt, dann gebiert sie die Sünde des Abfalls von Gott. Hat diese Sünde sich zur vollen Reife entwickelt, dann hat sie den geistigen Tod der Trennung von Gott zur Folge. Huldigt also, meine lieben Brüder, in diesem Punkte keiner irrigen Ansicht. Nur jene Gaben, die gut sind, und nur jene Geschenke, die vollkommen sind, kommen von oben; sie stammen von dem Vater alles dessen, was Licht ist. Bei ihm gibt es keine Veränderung, keine ab- und zunehmende Verfinsterung. Aus eigener freien Entschließung hat er uns durch das Wort der Wahrheit geistig wiedergeboren. Unter seinen irdischen Geschöpfen sollten wir gewissermaßen seine geistigen Erstlingskinder werden. Auch folgende Lehre sollt ihr euch merken, meine geliebten Brüder: Jeder soll schnell bereit sein, zuzuhören, aber nicht so leicht, etwas zu reden oder sich zum Zorn reizen zu lassen; denn ein zorniger Mensch tut nicht, was recht ist in den Augen Gottes. Darum entfernt aus euren Herzen jede niedrige Gesinnung und den letzten Rest alles Schlechten. Pflegt mit zarten Händen die Pflanze der göttlichen Wahrheit. Sie ist imstande, eure Seelen zu retten. Höret euch aber die Wahrheit nicht bloß an, sondern befolget sie auch; sonst betrügt ihr euch selbst. Denn wer die Wahrheit bloß anhört, sie aber nicht in die Tat umsetzt, der gleicht einem Menschen, der in den Spiegel schaut, um festzustellen, wie er aussieht, - dann aber, sobald er sich besehen hat, wieder weggeht und weiter nicht mehr darüber nachdenkt, wie er ausgesehen hat. Wer aber in das vollkommene Gesetz der wahren Freiheit schaute und das, was er darin sah, beharrlich zur Ausführung bringt, der gehört nicht zu den vergesslichen Hörern, sondern zu denen, die das Gute vollbringen. Wer so handelt, wird glücklich zu preisen sein. Wer der Meinung ist, er diene Gott, hält aber seine Zunge nicht im Zaum, der gibt sich einer großen Täuschung hin; denn sein 'Gott dienen' ist wertlos. Von Gott, dem Vater, wird das als ein wahrer und untadelhafter Gottesdienst angesehen, wenn einer für Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis sorgt und sich selbst von der Welt nicht beflecken lässt. Meine Brüder! Traget den Glauben an die Verherrlichung unseres Herrn Jesus Christus nicht äußerlich zur Schau, um Menschengunst zu erringen. Gesetzt den Fall, es käme ein Mann in eure Versammlung, geschmückt mit goldnen Ringen und in prächtiger Gewandung, und zugleich mit ihm ein Armer in schäbiger Kleidung, und ihr würdet eure Blicke auf den prächtig Gekleideten richten und zu ihm sagen: "Setze du dich hierher auf den feinen Stuhl!" - während ihr dem Armen die Anweisung gäbet: "Dort ist ein Stehplatz für dich!" oder: "Nimm du dort auf dem Fußbänkchen Platz!" - würdet ihr da in eurem Herzen den einen nicht höher stellen als den andern? Würdet ihr euch innerlich nicht als Richter aufspielen, die sich bei ihrem Urteil von ganz verkehrten Ansichten leiten ließen? - Höret einmal zu, meine lieben Brüder! Hat Gott nicht gerade die, welche in den Augen der Welt für arm galten, dazu ausersehen, reich an Glauben zu werden und das Himmelreich zu ererben, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? Ihr aber hättet in dem angeführten Falle den Armen mit Geringschätzung behandelt. Auf der andern Seite, sind es da nicht gerade die Reichen, die euch zu unterdrücken suchen und euch vor die Gerichte schleppen? Sind sie es nicht, die mit dem wunderbaren Namen, den ihr führt, ihren Spott treiben? s In der Schrift ist das herrliche Gebot niedergelegt: "Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst!" Wenn ihr dies wirklich erfüllt, dann handelt ihr recht. - - - Lasst ihr euch jedoch von dem äußern Ansehn der Person leiten, dann begeht ihr eine Sünde, und ihr werdet von dem Gesetz als Übertreter gebrandmarkt. Wenn nämlich einer im übrigen das ganze Gesetz befolgt, es aber in einem einzigen Punkte übertritt, so hat er sich damit gegen das ganze Gesetz vergangen. Denn der da geboten hat: "Du sollst nicht ehebrechen!" der hat auch gesagt: "Du sollst nicht töten!" Wenn du nun zwar keinen Ehebruch, aber einen Mord begehst, so hast du das Gesetz als Ganzes übertreten. In euren Reden und Taten erweiset euch als Menschen, die einmal nach einem Gesetze gerichtet werden sollen, das frei ist von allen Menschensatzungen. Dieses Gericht wird kein Erbarmen mit denen haben, die ihren Mitmenschen gegenüber kein Erbarmen übten. Nur der Barmherzige wird als Sieger aus jenem Gericht hervorgehen. Was kann es einem helfen, meine Brüder, wenn er sagt, er habe Glauben, - kann jedoch keine guten Werke aufweisen? Wird sein bloßer Glaube ihn retten? Nehmen wir an, ein Mitbruder oder eine Mitschwester hätten keine Kleidung und litten auch Mangel an der täglichen Nahrung; nun würde einer zu diesen sagen: "Gehet in Frieden! Sehet zu, wie ihr euch wärmen und satt essen könnt!" - ihr gäbet aber selbst nichts her, womit sie ihre leibliche Not lindern könnten, - was für einen Nutzen hätten sie davon? So ist denn der Glaube, der keine Taten aufzuweisen hat, in sich selbst tot. Nun könnte einer sagen: "Du hast den Glauben und ich die Werke." Ihm antworte ich: "Zeige mir mal deinen Glauben ohne Werke, und ich will dir meinen Glauben zeigen, der sich in den Werken offenbart!" Glaubst du, dass es nur einen wahren Gott gibt? - Gut! Aber diesen Glauben haben auch die Teufel - und zittern. Wird dir an diesem Beispiel klar, du gedankenloser Mensch, dass der Glaube ohne gute Werke wertlos ist? Als unser Vater Abraham seinen Sohn Isaak auf dem Altar opfern wollte, war es da nicht diese Tat, durch die er das Wohlgefallen Gottes erlangte? Da siehst du, dass sein Glaube mit seinen Taten zusammen wirkte, und der Glaube durch die Werke die naturgemäße Ergänzung fand. So bewahrheiteten sich die Worte der Schrift: "Abraham glaubte Gott, und dadurch erlangte er das Wohlgefallen Gottes und wurde 'Freund Gottes' genannt." So seht ihr, dass der Mensch durch gute Werke Gott wohlgefällig wird und nicht durch den Glauben allein. Hat sich nicht ebenso die Dirne Rahab durch das, was sie tat, das Wohlgefallen Gottes erworben, indem sie die Kundschafter bei sich aufnahm und sie wieder auf einem andern Wege in Freiheit setzte? Wie daher der Leib ohne Geist tot ist, ebenso ist auch der Glaube ohne Werke tot. Meine Brüder! Ihr sollt nicht in so großer Zahl als Lehrer der Heilswahrheiten auftreten. Bedenket, dass wir bei Ausübung dieser Tätigkeit eine viel größere Verantwortung zu tragen haben. Wir alle sind in vielen Punkten fehlerhaft. Wer jedoch beim Reden keinen Fehltritt begeht, der ist ein vollkommener Mann; denn er hat die Kraft, seine ganze Persönlichkeit im Zaume zu halten. Wenn es uns nämlich gelingt, dem Maule der Pferde das Zaumzeug anzulegen, um sie uns gefügig zu machen, dann bekommen wir damit ihren ganzen Körper in die Gewalt. Sehet euch ferner die Schiffe an. Sie sind so groß und werden von so starken Winden vorwärts getrieben. Aber durch ein ganz kleines Steuerruder können sie dahin gelenkt werden, wohin der Steuermann sie haben will. So ist auch die Zunge nur ein ganz kleines Glied des Körpers und kann sich doch rühmen, Gewaltiges vollbracht zu haben. Seht ferner, wie klein ein Feuer sein kann und wie groß der Wald, den es in Brand setzt! Auch die Zunge ist ein solches Feuer. Sie birgt eine weltvoll Unheil in sich. Sie erweist sich als dasjenige unter unsern Gliedern, das den ganzen Leib mit Brandflecken bedecken kann. Sie wirft die Brandfackel zwischen die Speichen des Schicksalsrades der Völker und holt sich ihren Brennstoff aus dem Höllenpfuhle. Jede Art der vierfüßigen Tiere, der Vögel, der Schlangen und Seetiere wird durch die Kraft des Menschen gebändigt und ist stets von ihr gebändigt worden. Doch kein Mensch vermag die Zunge eines andern zu bändigen. Sie kann zu einem zügellosen, unheilvollen Ding werden, das mit tödlichem Gift angefüllt ist. Andererseits ist sie es, mit der wir den Herrn und Vater loben und preisen. Aber auch wieder fluchen wir mit ihr den Menschen, die nach dem Ebenbild desselben Gottes geschaffen sind. Segen und Fluch - beides strömt aus demselben Munde. So etwas dürfte nicht vorkommen, meine Brüder. Lässt denn irgend eine Quelle aus derselben Öffnung Süßes und Bitteres hervorströmen. Keine Quelle kann zu gleicher Zeit eine Süßwasserquelle und eine Salzwasserquelle sein. Oder kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven tragen oder ein Weinstock Feigen? Wer von euch als weise und einsichtsvoll gelten will, der möge in aller Bescheidenheit, wie sie der Weisheit eigen ist, die Werke vorzeigen, die seiner Bekehrung entspringen. Tragt ihr aber bittern Neid und Feindschaft in eurem Herzen, dann tuet nicht nach außen so groß mit eurem Christentum und lüget nicht so schmählich der Wahrheit ins Gesicht! Eine solche Art von Weisheit würde wahrlich nicht von oben her stammen, sondern sie wäre eine auf der Erde gewachsene, eine von den niedern Leidenschaften eingegebene, eine teuflische Weisheit. Denn wo Neid und Feindschaft herrschen, da ist Unfriede und alles sonstige Unheil. Die Weisheit jedoch, die von oben stammt, zeigt sich vor allem in einer lautem Gesinnung; sie macht ferner den Menschen friedfertig, milde, gehorsam, reich an Erbarmen und andern guten Früchten; sie befreit von Zweifelsucht und Heuchelei. Der Samen, aus dem als Frucht die Freundschaft Gottes hervorkommen soll, kann nur in den Garten des Friedens gesät werden und ist nur für die bestimmt, welche die Werke des Friedens vollbringen. Woher kommt es, dass Streit und Zank unter euch herrschen? Kommt es nicht daher, dass eure Leidenschaften in euren Gliedern Krieg mit euch rühren? Ihr möchtet gern haben und bekommt es nicht; ihr seid neidisch und eifersüchtig und könnt trotzdem euer Ziel nicht erreichen. Ihr kämpfet und ringet und erlangt es doch nicht, weil ihr nicht betet. Ihr betet, aber ihr empfanget nicht, um was ihr bittet, weil ihr in der schlechten Absicht betet, nur noch mehr euren Leidenschaften frönen zu können. O ihr Opfer der Lust! Wisset ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott bedeutet? Wer demnach mit der Welt Freund sein will, macht sich zum Feinde Gottes. Oder meint ihr, die Schrift sage umsonst, dass die Geisterwelt Gottes, die ihre Wohnung in unserer Mitte aufschlug, das eifersüchtige Verlangen hat, uns allein zu besitzen und uns deshalb eine größere Liebe entgegenbringt? Darum sagt die Schrift: "Den Stolzen widersteht Gott, aber den Demütigen schenkt er seine Liebe." Stellt euch also unter die Führung Gottes und setzt euch gegen den Teufel zur Wehr; dann wird er vor euch fliehen. Kommt ihr Gott näher, so wird Er auch euch näher kommen. Säubert eure Hände, ihr Sünder, und reinigt eure Herzen, ihr Menschen mit den zwei Seelen in einer Brust. Fühlet eure Not, trauert und wehklaget! Euer Lachen verwandle sich in Weinen und eure Freude in Betrübnis. Verdemütigt euch vor dem Herrn, so wird Er euch erhöhen. Führet keine üblen Nachreden gegeneinander, meine Brüder. Wer einem Bruder Böses nachsagt oder über seinen Bruder abfällig urteilt, der urteilt auch über das Gesetz abfällig; er macht sich zum Richter über das Gesetz. Wenn du dich als Richter über das Gesetz aufspielst, so tust du selbstverständlich nicht mehr das, was das Gesetz vorschreibt; du sitzest ja über das Gesetz selbst zu Gericht. Und doch gibt es nur einen, der Gesetzgeber ist, und nur dieser Eine kann Richter sein. Es ist der, welcher die Macht hat, zu retten und ins Verderben zu stürzen. Wer bist du also, dass auch du noch Richter spielen willst, - Richter über deinen Nächsten? Und nun zu euch, die ihr sagt: "Heute oder morgen werden wir in die oder die Stadt reisen, werden dort ein Jahr bleiben, werden Geschäfte machen und Geld verdienen." - Wisst ihr denn, was der morgige Tag euch bringen wird, und wie es morgen mit eurem Leben steht? Ihr seid doch nur ein Rauch, der für kurze Zeit sichtbar ist und dann wieder verschwindet. Ihr solltet also lieber sagen: "Wenn es der Wille des Herrn ist und wir noch leben, dann werden wir dies oder jenes tun." Nun aber rühmt ihr euch eurer hochfahrenden Pläne. Jedes derartige Rühmen ist vom Bösen. Wer also weiß, wie er Gutes tun kann und es zu tun unterlässt, dem wird eine solche Unterlassung zur Sünde gerechnet. Nun zu euch, ihr Reichen! Weinet und jammert über die Drangsale, die einmal über euch kommen werden. Euer Reichtum wird dann vermodert sein; eure Gewänder sind Mottenfraß geworden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird Zeugnis gegen euch ablegen und verzehrt das Ungöttliche an euch, wie Feuer. Noch bis in eure letzten Tage hinein suchtet ihr euch Schätze aufzuhäufen. Sehet, wie der Lohn, den ihr euren Arbeitern vorenthieltet, als sie euch die Felder mähten, aus euren Häusern zum Himmel schreit. Und die Klagerufe eurer Schnitter sind zu den Ohren des Herrn der Heerscharen gedrungen. Auf Erden habt ihr in Üppigkeit geschwelgt, habt euer Herz gemästet, als ob ihr es für einen Schlachttag fett machen wolltet. Als Richter habt ihr den, der in seinem Rechte war, verurteilt und ihn dem Tode überliefert; denn jeder Widerstand gegen euch war unmöglich. So harret denn geduldig aus, meine Brüder, bis zur Wiederkunft des Herrn. Seht, so wartet ja auch der Landmann auf die köstliche Frucht seines Feldes. Er lässt ihr Zeit, bis sie den Frühregen und den Spätregen empfangen hat. So müsst auch ihr euch gedulden und eure Herzen stark erhalten; denn das Erscheinen des Herrn ist nahe. Darum jammert einander nicht so viel vor, meine Brüder, damit ihr euch wegen dieses Jammerns nicht vor dem Richter verantworten müsst. Bedenkt, dass der Richter bereits vor der Türe steht. Nehmet euch, meine Brüder, in Bezug auf das Leiden und die Standhaftigkeit die Propheten zum Vorbild, die im Auftrag des Herrn geredet haben. Seht, wir preisen sie glücklich, weil sie standhaft blieben. So habt ihr von der Standhaftigkeit des Hiob gehört und wisset, welches Ziel der Herr bei ihm verfolgte. Ihr könnt daraus lernen, dass der Herr reich an Mitleid und voll Erbarmen ist. Vor allem aber, meine Brüder, wenn ihr jemand ein Versprechen gebet, dann leistet dabei nicht einen Schwur beim Himmel oder bei der Erde oder irgend einen andern Schwur. Aber das Ja-Wort, das ihr gebet, soll ein "Ja" bleiben und darf nicht in ein "Nein" verwandelt werden; sonst würdet ihr die Rolle eines Heuchlers spielen. Hat jemand unter euch Leid zu tragen, so bete er; geht es ihm gut, so singe er Gott ein Lob- und Danklied. Ist einer von euch krank, so lasse er die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen. Diese sollen ihn unter Gebet im Namen des Herrn mit Öl salben. Und das in gläubigem Vertrauen verrichtete Gebet wird dem krank danieder Liegenden Hilfe bringen. Der Herr wird ihn wieder aufrichten. Und wenn er Sünden begangen hat, so werden sie ihm vergeben werden. Bekennet also einander die Fehltritte, die ihr gegeneinander begangen habt, und es bete einer für den andern, damit ihr von euren Krankheiten geheilt werdet. Das inständige Gebet eines gottestreuen Menschen hat eine große Kraft. Elia war ein Mensch wie wir. Er betete inbrünstig, es möchte kein Regen fallen. Da regnete es in jenem Lande drei Jahre und sechs Monate nicht mehr. Und wieder betete er, und der Himmel spendete Regen, und die Erde brachte wieder ihre Früchte hervor. Meine Brüder! Ist einer von euch vom Wege der Wahrheit abgeirrt, und ein anderer bringt ihn wieder auf den rechten Weg zurück, so sollt ihr wissen: Wer einen Sünder von seinem Irrweg zurückbringt, der wird dessen Seele vom geistigen Tode erretten und eine Menge eigener Sünden zudecken. - Amen. Petrus, ein Apostel Jesu Christi, entbietet seinen Gruß den Auserwählten, die als Fremdlinge in Pontus, Galatien, Kappadozien, Kleinasien und Bythinien zerstreut leben, und nach dem Heilsplan Gottes des Vaters dazu ausersehen sind, durch die Kraft eines heiligen Geistes zum Gehorsam gegen Gott und zu der Reinigung zu gelangen, die durch das Blut Jesu Christi bewirkt wird. - Die Fülle der Gnade und des Friedens werde euch zuteil. Gepriesen sei der Gott und Vater unsers Herrn Jesus Christus; denn er hat nach seiner großen Barmherzigkeit infolge der Rückkehr Jesu Christi aus dem Reich der geistig Toten auch uns wieder zurückgeführt zu der Hoffnung auf ein neues Leben, zu einem unvergänglichen, vollkommenen, unzerstörbaren Erbe, das in den himmlischen Sphären auf euch wartet. Ihr werdet infolge eures Glaubens durch eine Kraft Gottes beschützt, damit das für euch bereit gehaltene Heil am Ende der für euch bestimmten Zeitperiode euch enthüllt werden kann. Dieser Gedanke soll euch innerlich aufjubeln lassen, selbst wenn es nötig sein sollte, dass ihr für eine kurze Zeit durch mancherlei äußere Trübsale hindurchgehen müsst. Dadurch soll ja die Echtheit eures Glaubens einer Prüfung unterzogen werden. Euer Glaube muss viel kostbarer erfunden werden als das vergängliche Gold, dessen Echtheit man durch Feuer erprobt; eure Erprobung möge euch zum Lob, zur Ehre und zum Ruhm ausfallen an dem Tage, an dem Jesus Christus vor euch erscheint. Ihr habt ihn nie gesehen, und doch liebt ihr ihn; ihr könnt ihn auch jetzt nicht sehen, und doch setzt ihr euer gläubiges Vertrauen in ihn, und in diesem Vertrauen jubelt ihr ihm entgegen mit einer unaussprechlichen, herrlichen Freude, indem ihr das Ziel eures Glaubens vor Augen habt, nämlich das Heil eurer Seelen. Über dieses Heil haben die Propheten, welche die uns zuteil gewordene Gnade vorherverkündigten, nachgeforscht und nachgesonnen. Sie suchten herauszufinden, auf welche Zeit und Zeitumstände der durch sie redende Geist wohl hindeuten, wenn er auf die Leiden hinwies, die der kommende Gesalbte Gottes zu erdulden habe, sowie auf die große Verherrlichung, die seinem Leiden folgen sollte. Da wurde ihnen kundgetan, dass sie als Werkzeuge Gottes etwas vorherzusagen hätten, das nicht für die Menschheit ihrer eigenen Zeit gelte, sondern für die Menschheit eurer Tage. Es ist dasselbe, was euch jetzt durch diejenigen als Heilsbotschaft verkündigt wurde, welche ihre Botschaft ebenfalls durch einen heiligen Geist empfingen, der ihnen vom Himmel her gesandt wurde. Selbst die Engel sehnen sich danach, in diese Heilsbotschaft einen tieferen Einblick zu gewinnen. Darum gürtet die Lenden eures Geistes; enthaltet euch von allem, was euch schaden könnte und setzt eure ganze Hoffnung auf das Gnadengeschenk, das euch bei dem Erscheinen Jesu Christi zuteil wird. Seid gehorsame Kinder Gottes! Lasset nicht mehr jene Leidenschaften euer Leben beherrschen, die früher bei euch zu finden waren, als ihr noch in geistiger Unwissenheit dahinlebtet. Werdet vielmehr in eurem ganzen Wandel heilige Menschen nach dem Vorbild des Heiligen, der euch berufen hat; denn es steht geschrieben: "Ihr sollt heilig sein, weil auch Ich heilig bin!" Und wenn ihr den euren Vater nennt, der ohne Ansehen der Person einen jeden nach seinem Tun richten wird, dann möge für die kurze Zeit eurer irdischen Wanderschaft eine heilige Furcht eure Schritte lenken. Ihr wisst ja, dass ihr nicht mit vergänglichem Gold oder Silber aus der Knechtschaft losgekauft wurdet, in die euch der frevelhafte Abfall brachte, den ihr nach dem Beispiel eurer Väter mitmachtet. Ihr seid losgekauft worden durch das kostbare Blut Christi, der als ein unschuldiges, fleckenloses Lamm zur Schlachtbank geführt wurde. Schon vor der Grundlegung des Weltalls war er dazu ausersehen. Doch unsertwegen ist er erst in einer der letzten Zeitperioden erschienen, damit wir durch ihm zum Glauben an Gott gelangten - zum Glauben an den Gott, der ihn aus dem Reich der geistig Toten wieder heraufführte und ihn mit Herrlichkeit krönte, damit auch ihr das gläubige Vertrauen und die Hoffnung erlangtet, wieder zu Gott zu kommen. Eure Seelen habt ihr dadurch Gott geweiht, dass ihr die Lehre der Wahrheit befolgtet, die euch die echte ungeheuchelte Nächstenliebe lehrt. Aber lasset diese aus reinem Herzen kommende Liebe zueinander vor allem eine beharrliche sein. Ihr seid ja nicht aus einem Samen wiedergeboren, der wieder vergeht, sondern aus einem unvergänglichen Samen, und zwar durch das Wort eines Gottes, der die Quelle alles Lebens ist und immerdar am Leben bleibt. Alles Irdische dagegen ist einem Garten gleich, und alle irdische Herrlichkeit vergeht, wie Blumen im Garten. Der Garten trocknet aus und der Blumen Blüte fällt ab. Aber des Herrn Wort bleibt immer bestehen; und eben dieses Wort ist euch als Heilsbotschaft verkündigt worden. Also fort mit allem Schlechten! Fort mit aller Unaufrichtigkeit! Fort mit aller Heuchelei, allem Neid und jeder Art von üblen Nachreden! Seid wie neugeborne Kinder und traget Verlangen nach unverfälschter Milch, die euch in Gottes Wort dargeboten wird. Durch sie genährt werdet ihr heranwachsen, bis ihr reif seid, euer Heil zu erlangen. Ihr habt ja bereits einen Geschmack von der Güte des Herrn bekommen, seit ihr mit ihm in Verbindung kamt. Er ist der Stein des Lebens. Die Menschen haben ihn zwar als wertlos beiseite geworfen. Aber vor Gott ist er ein auserlesener Edelstein. Durch ihn werdet auch ihr Leben spendende Steine, die zum Aufbau eines geistigen Hauses Verwendung finden; ihr werdet eine heilige Priesterschaft, die geistige Opfer darbringt, - Opfer, die Gott deswegen so wohlgefällig sind, weil sie in der Gemeinschaft mit Christus Jesus verrichtet werden. Denn die Schrift enthält die Worte: "Siehe, ich lege in Sion einen auserlesenen, kostbaren Eckstein nieder. Wer auf ihn sein gläubiges Vertrauen setzt, wird sich nicht enttäuscht sehen." Für euch, die ihr euer Vertrauen auf ihn setzt, ist er also ein Stein der Ehre; für die jedoch, die kein Vertrauen zu ihm haben, ist er der Stein, den die Bauleute als wertlos beiseite warfen, der aber zum Eckstein wurde und daher zu einem Prellstein, gegen den man anrennt und zu einem Felsblock, an dem man zerschellt; jene stoßen gegen diesen Stein, weil sie dem Worte Gottes den Gehorsam verweigern; diese Gehorsamsverweigerung ist auch in ihrem Schicksal für sie festgelegt. Ihr dagegen seid eine auserlesene Schar, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Gemeinde, ein für Gott gewonnenes Volk; ihr sollt die gewaltige Macht dessen verkünden, der euch aus dem Reich der Finsternis in sein wunderbares Lichtreich zurückgerufen hat. Einst hießet ihr "Volk ohne Gott", jetzt aber werdet ihr "Volk Gottes" genannt; einst wart ihr "die von Gottes Erbarmen Ausgeschlossenen"; heute seid ihr "die in Gottes Erbarmen Eingeschlossenen". Meine Lieben, ich richte folgende Ermahnungen an euch als an Leute, die auf dieser Welt keine wahre Heimat und kein wahres Vaterland haben: Enthaltet euch dessen, wozu irdische Leidenschaften euch zu verführen suchen; denn die irdische Lust ist eine Feindin der Seele. Führet unter den Heiden einen schönen Lebenswandel, damit jene, die euch jetzt zu Verbrechern stempeln, eure edlen Taten sehen und infolgedessen Gott die Ehre geben, wenn eines Tages Gottes Auge mit erbarmender Liebe auch auf ihnen ruht. Füget euch jeder Anordnung, die von Menschen auf Veranlassung des Herrn getroffen wird, sei es nun, dass sie von dem Herrn selbst als dem König und obersten Machthaber ausgeht oder von den ihm unterstehenden Führern, die von ihm gesandt werden, um die Übeltäter zur Rede zu stellen und denen Lob zu spenden, die das Gute tun. Denn es ist der Wille Gottes, dass ihr das Gute auch deshalb tut, damit jene zum Schweigen gebracht werden, die euch allerhand Törichtes nachsagen, weil sie es nicht besser wissen. Ihr sollt zu den wahrhaft freien Menschen gehören, nicht frei in dem Sinne, dass ihr die Freiheit zum Deckmantel der Schlechtigkeit benutzt, sondern frei insofern, als ihr keinem andern als nur Gott dienstbar seid. Seid zuvorkommend gegen jeden, liebet eure Nächsten, fürchtet euch, Gott zu beleidigen und zollet auch dem König die ihm gebührende Ehre. Ihr, die ihr im Dienste anderer steht, seid ängstlich bemüht, den Anordnungen eurer Herren Folge zu leisten, und zwar nicht bloß der gütigen und milden Herren, sondern auch der launenhaften. Denn wenn jemand im Hinblick auf Gott unverschuldetes Leid geduldig erträgt, so bringt ihm dies Belohnung ein. Was für ein besonderer Ruhm wäre es jedoch für euch, wenn ihr nur in solchen Trübsalen geduldig aushalten würdet, die eine Züchtigung für eure Verfehlungen wären? Aber wenn ihr trotz eures guten Lebenswandels Leiden durchzumachen habt, und ihr ertraget diese mit Geduld, dann habt ihr eine Belohnung von Seiten Gottes zu erwarten. Denn Leid ist mit eurer Berufung unzertrennlich verbunden. Auch Christus hat für euch gelitten und euch dadurch ein Vorbild hinterlassen. Ihr sollt in seine Fußstapfen treten. Die Sünde des Abfalls von Gott hat er nicht begangen, und eine Falschheit gegen Gott wurde nie in seinem Munde gefunden. Wenn er geschmäht wurde, hat er nie wieder geschmäht, und gegen die, welche ihm Qualen bereiteten, stieß er keine Drohungen aus, sondern stellte alles dem anheim, der ein gerechtes Gericht abhalten wird. Unsere Sünden des Abfalls hat er an seinem Leibe mit hinauf ans Marterholz genommen, damit wir dem Sündenleben absterben und ein neues Leben, - ein Leben nach dem Wohlgefallen Gottes, beginnen sollten. Durch seine Todeswunden wurdet auch ihr geheilt. Denn auch ihr irrtet einst umher, wie Schafe ohne Hirten; jetzt aber seid ihr zurückgekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen. Nun zu Euch ihr Frauen! Seid eurem Ehegatten gehorsam. Auf diese Weise könnten Männer, die nichts auf das Wort der Heilswahrheit geben, infolge des guten Lebenswandels ihrer Frauen auch ohne mündliche Predigt für die Sache Gottes gewonnen werden, wenn sie sehen, wie ihre Frauen jetzt ein so gottesfürchtiges und reines Leben führen. Ihr sollt nichts auf äußern Schmuck geben, nichts auf kunstvolles Flechten der Haare, nichts auf das Tragen von goldenem Geschmeide und prächtigen Kleidern. Euer Schmuck sei vielmehr ein innerer. Er bestehe in dem Unvergänglichen, das in der Sanftheit und Ruhe eures Geistes liegt, und das in den Augen Gottes so kostbar ist. Diesen Schmuck zogen einst auch jene gottestreuen Frauen an, die ihre Hoffnung auf Gott setzten. Auch sie waren ihren Ehegatten gehorsam. Eine Sarah war folgsam einem Abraham und nannte ihn ihren 'Herrn'. Ihr seid ihre geistigen Töchter, wenn ihr euch des Guten befleißiget. Dabei braucht ihr euch nicht aus Furcht vor eurem Ehegatten zu ducken oder zu verkriechen. Nun zu euch, ihr Männer! Seid echte Kameraden eurer Frauen als dem schwächern Geschlecht. Begegnet ihnen mit der gebührenden Zuvorkommenheit; denn auch sie sind ja bestimmt, mit euch zusammen das Gnadengeschenk des jenseitigen Lebens zu ererben; sonst könnte ja auch von einem gemeinsamen Gebet bei euch keine Rede mehr sein. Endlich, lebt in Eintracht mit einander; seid voll Mitgefühl und Nächstenliebe; seid barmherzig und demütig; vergeltet nicht Böses mit Bösem, nicht Scheltwort mit Scheltwort. Im Gegenteil: Machet andere glücklich; betrachtet dies als euren Beruf! Dann werdet ihr selbst das Glück als Erbteil erlangen. Es steht ja geschrieben: "Wer seines Lebens froh werden und sich guter Tage erfreuen möchte, dessen Zunge muss ablassen vom Bösen und seine Lippen von Lug und Trug; vom Schlechten wende er sich ab und tue das Gute; er suche das, was dem Frieden dient; und Frieden zu bringen, sei das Ziel, das er verfolgt; denn die Augen des Herrn sind auf die Gottestreuen gerichtet, und seine Ohren auf deren Flehen; sein Antlitz ist jedoch gegen die gewendet, die das Schlechte tun." Und wer könnte euch Schaden zufügen, wenn ihr eifrig bemüht seid Gutes zu tun. Aber selbst wenn ihr wegen eurer Gottestreue Leiden zu erdulden hättet, so wäret ihr glücklich zu preisen. Darum habet keine Angst vor ihren Drohungen und lasst euch durch sie nicht in Schrecken versetzen. Weihet eure Herzen Christus dem Herrn; dann seid ihr stets in der Lage, jedem die rechte Antwort zu geben, der euch fragt, weshalb ihr solche Hoffnung in eurem Herzen tragt. Antwortet jedoch in aller Sanftmut und mit großer Vorsicht nach bestem Wissen und Gewissen, damit die, welche euren christlichen Lebenswandel verdächtigen, sich beschämt fühlen. Denn es ist besser, wegen des Guten, das man tut, Leiden erdulden zu müssen, wenn es so Gottes Wille ist, als dass man leidet wegen des Schlechten, das man vollbringt. Auch Christus hat einmal für unsere Sünden des Abfalls den Tod erleiden müssen, - er, der Gottestreue für die von Gott Abgefallenen - um uns wieder zu Gott zurückzuführen. Nur sein Leib wurde getötet, sein Geist jedoch zum himmlischen Leben geführt. Als Geist stieg er auch hinab zu den Geistern in den Gefängnissen Satans und predigte ihnen. Diese waren einst ungehorsam. Es war dies zur Zeit Noahs, als Gott in seiner Langmut immer noch mit der Strafe zögerte und die Arche bauen ließ, in der nur wenige, nämlich bloß acht Personen, sich vor der Flut mit Hilfe der Flut retten konnten. Dieser Vorgang ist für euch sinnbildlich; denn auch ihr werdet jetzt gerettet durch das Wasser der Taufe. Die Taufe ist nicht eine äußere Entfernung des leiblichen Schmutzes, sondern das äußere Bekenntnis eines aufrichtigen Herzens, den Willen Gottes tun zu wollen; dies wird ermöglicht durch die Auferstehung Jesu Christi, der zum Himmel emporstieg und nun zur Rechten Gottes sitzt, und dessen Herrschaft Engel, Mächte und Gewalten unterstehen. Weil nun Christus als Mensch so viel für euch gelitten hat, so rüstet euch mit demselben Mut aus, auch für ihn zu leiden; denn wer für ihn körperliche Leiden zu erdulden bereit ist, der ist auch von der Sünde des Abfalls befreit. Er bringt die ihm noch verbleibende Zeit seines irdischen Lebens nicht mehr im Dienst menschlicher Leidenschaften zu, sondern so, wie es dem Willen Gottes entspricht; denn lange genug hat die Zeit gedauert, wo die Willensrichtung der Ungläubigen für euch maßgebend war; wo ihr in Ausschweifungen und Befriedigung eurer Leidenschaften, in Trunkenheit, Schwelgereien und Zechgelagen und all den sonstigen schändlichen Dingen dahinlebtet, die mit dem Götzendienst verbunden waren. Es wundern sich heute die Ungläubigen darüber, dass ihr euch nicht mehr mit ihnen in demselben Schlamm der Liederlichkeit wälzt; und weil ihr das nicht mehr tut, darum schmähen sie euch. Dafür werden sie sich jedoch vor dem zu verantworten haben, der die Macht besitzt, Lebende und geistig Tote vor sein Gericht zu ziehen. Aus diesem Grunde wurde die Heilsbotschaft auch den geistig Toten verkündigt, damit sie zwar als Menschen an ihrem menschlichen Leib bestraft, aber als Geister wieder zu dem Leben in Gott zurückgeführt würden. Das Endziel aller ist näher gerückt. Handelt also in allem mit ruhiger Besonnenheit, und auch in euren Gebeten meidet alles Überschwängliche! Vor allem aber heget eine innige Liebe zu einander. Denn Liebe deckt eine Menge Sünden zu. Übt unter einander Gastfreundschaft, aber ohne innerlich darüber zu murren. Einer diene dem andern mit der Gabe, die er empfangen hat, so dass ihr euch als gute Verwalter der verschiedenen Gnadengaben Gottes erweiset. Ist einer ein Sprechmedium, so betrachtet seine Worte als Aussprüche Gottes. Hat einer eine Gabe zum Besten des äußern Gemeindedienstes, so übe er sie gemäß der Kraft aus, die Gott ihm dafür zur Verfügung stellt; so soll in allen Fällen die Verherrlichung Gottes das einzige Ziel sein in der Gemeinschaft mit Jesus Christus. Gott sei die Ehre und ihm gehört die Macht für alle Zeiten! Amen. Wundert euch nicht, meine Lieben, über die Feuerprobe der Leiden, die zu eurer Prüfung über euch kommt, als ob euch damit etwas ganz Außergewöhnliches widerführe. Freuet euch vielmehr darüber, dass ihr auf diese Weise an den Leiden Christi teilnehmen dürft. Dann werdet ihr euch auch freuen und werdet aufjubeln, wenn einmal seine Herrlichkeit sich vor euren Augen enthüllt. Werdet ihr Christi wegen geschmäht, so seid ihr glücklich zu preisen; denn ein Geist der Herrlichkeit und der Macht, ein Geist, der von Gott kommt, ruht auf euch. Von Seiten jener Schmäher wird dieser Geist gelästert, aber von eurer Seite wird ihm die gebührende Ehre zuteil. Doch das hier erwähnte Leiden ist nicht mit dem Leiden zu verwechseln, das einer zu erdulden hat, weil er ein Mörder oder Dieb oder irgendein anderer Missetäter ist, oder auch, weil er sich in Dinge einmischte, die ihn nichts angingen. Hat einer aber nur deswegen zu leiden, weil er ein Anhänger Christi ist, so schäme er sich dessen nicht, sondern preise Gott dafür, dass er den Christennamen führen darf. Die Zeit ist nämlich da, wo das Gericht bei denen beginnt, die zur Gemeinde Gottes gehören. Wenn es nun bei uns seinen Anfang nimmt, wie wird dann das Endschicksal derer sein, die der Heilsbotschaft Gottes keinen Glauben schenkten? Und wenn der Gottestreue nur mit Mühe sein Heil erlangt, wo wird dann der Gottlose und von Gott Abgefallene bleiben? Darum sollen auch die, welche in Erfüllung des Willens Gottes Leiden zu erdulden haben, ihre Seelen durch Verrichtung guter Werke in die Hände des treuen Schöpfers empfehlen. Die, welche die Stellung als Älteste unter euch bekleiden, ermahne ich schließlich als ihr Mitältester und als Zeuge der Leiden Christi, wie auch als Mitteilnehmer an der Herrlichkeit, die bald offenbar werden soll: Seid gute Hirten der euch anvertrauten Herde Gottes! Wachet über sie, nicht etwa, weil euer Amt euch dazu zwingt, sondern aus freiem Innern Antrieb um Gottes willen; auch nicht des schnöden Geldes wegen, sondern aus Liebe zur Sache. Spielt euch nicht als unbeschränkte Herren über die euch zugeteilte Gemeinde auf, sondern dienet eurer Herde in allen Punkten als Vorbild. Erscheint dann der Oberste Hirte, so werdet ihr den unverwelklichen Ehrenkranz als Lohn empfangen. An euch, ihr jungem Leute, wende ich mich nun. Seid den Altesten gehorsam! Einer möge dem andern dienen. Leget dabei das Dienstgewand der Demut an; denn dem Stolzen widersteht Gott, und nur dem Demütigen gibt er seine Gnade. So beugt euch denn in Demut unter die allmächtige Hand Gottes! Er wird euch dann, sobald die Zeit dafür da ist, zur Höhe führen. Leget alles, was euch bedrückt, in seine Hand; er sorgt für euch. Bleibet besonnen und wachsam; denn euer Widersacher, der Teufel, geht wie ein hungriger Löwe umher und sucht auszufinden, wen er verschlingen könne. Leistet ihm Widerstand durch eure Glaubensstärke. Ihr wisst ja, dass das gleiche Leidensschicksal euren Brüdern in der ganzen Welt zugeteilt ist. Der Gott, von dem jede gute Gabe kommt, und der euch durch Christus Jesus zu seiner ewigen Herrlichkeit zurückgerufen hat, er wird euch nach einer kurzen Leidenszeit selbst mit seinen Gaben ausrüsten, euch stützen, kräftigen und festigen. Sein ist die Herrlichkeit und Macht für immer. Amen. Durch die Hand des Silvanus, eines nach meiner Überzeugung treuen Mitbruders, habe ich euch dies in aller Kürze geschrieben. Ich wollte euch dadurch neuen Mut einflößen und euch bezeugen, dass das, was ihr jetzt als Glaubensüberzeugung festhaltet, der wahre Gnadenweg Gottes ist. Es grüßt euch eure Schwestergemeinde in Babylon, die auf gleiche Weise, wie ihr, von Gott erwählt wurde. Auch mein Sohn Markus sendet euch Grüße. Grüßet einander mit dem Kuss der Liebe! Friede sei mit euch allen, die ihr in der Gemeinschaft mit Christus Jesus steht. Amen. Simon Petrus, ein Knecht und Apostel Jesu Christi, entbietet seinen Gruß denen, die infolge des gerechten Waltens unseres Gottes und des Erlösers Jesu Christi den gleichen Glauben erlangten, wie wir. Gnade und Friede möge euch immer reichlicher zufließen, je tiefer ihr in die Erkenntnis Gottes und unseren Herrn Jesus Christus eindringt. Alles, was in der ihm von Gott verliehenen Macht lag, hat er uns geschenkt, um uns das geistige Leben und die wahre Gottesverehrung zu vermitteln. Dieses Geschenk wurde uns zuteil, nachdem wir den erkannt hatten, der uns zu seiner eigenen Herrlichkeit und Glückseligkeit wieder zurückrief. Durch ihn wurden uns auch jene überaus großen und wertvollen Verheißungen geschenkt, denen zufolge ihr wieder Glieder des Vaterhauses Gottes werden sollt, aus dem ihr stammt. Zuerst aber müsst ihr dem Verderben entronnen sein, das infolge der bösen Lust in die Schöpfung Gottes gekommen ist. Darum sollt ihr mit allem Eifer darauf bedacht sein, mit eurem Glauben die Tugend Hand in Hand gehen zu lassen, mit der Tugend die rechte Selbsterkenntnis, mit der rechten Selbsterkenntnis die Selbstbeherrschung, mit der Selbstbeherrschung die Standhaftigkeit, mit der Standhaftigkeit die Gottesliebe, mit der Gottesliebe die Liebe zu den Mitbrüdern, mit der Liebe zu den Mitbrüdern die Liebe zu allen Geschöpfen. Sind diese Tugenden bei euch vorhanden und beständig am wachsen, dann ist das ein Beweis dafür, dass eure Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus bei euch nicht ohne Erfolg und nicht ohne Frucht geblieben ist. Bei wem jedoch das alles fehlt, der leidet an geistiger Blindheit; sein Auge ist kurzsichtig geworden; eine Vergesslichkeit hat bei ihm Platz gegriffen, die so groß ist, dass er sich der Reinigung von seinen früheren Sünden nicht mehr erinnert. Seid daher eifrig bemüht, meine Brüder, durch gute Werke das Ziel eurer Berufung und Erwählung sicher zu erreichen. Tut ihr das, dann ist ein Verfehlen des rechten Weges für immer ausgeschlossen. Vielmehr wird euch in diesem Falle der Weg zu dem himmlischen Reiche unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus weit offen stehen. Daher liegt es mir sehr am Herzen, euch immer wieder an diese Wahrheiten zu erinnern, obschon sie euch bereits bekannt sind, und ihr in der Wahrheit, die euch zuteil wurde, auch hinreichend gefestigt seid. Doch so lange ich in diesem irdischen Zelte wohne, halte ich es trotzdem für meine Pflicht, euch immer wieder aufzurütteln, indem ich euch diese Wahrheiten ins Gedächtnis rufe. Ich weiß ja, dass mein irdisches Zelt bald abgebrochen wird; das hat mir unser Herr Jesus Christus offenbart. Ich möchte nun dazu beitragen, dass ihr auch nach meinem Heimgang euch jederzeit dieser Wahrheiten erinnert. Es handelt sich hierbei ja nicht um selbsterfundene Fabeln, denen wir gefolgt wären, als wir euch die machtvolle Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus zur Kenntnis brachten; wir sind vielmehr Augenzeugen seiner Verherrlichung gewesen. Die Ehre seiner Verherrlichung empfing er von Gott dem Vater. Es war damals, als aus der erhabenen Gottesherrlichkeit jener Zuruf erscholl: "Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen hatte!" Dieser Ruf ist vom Himmel her an unser Ohr gedrungen, als wir mit ihm zusammen auf dem heiligen Berge waren. Dieses vom Geiste Gottes gesprochene Wort halten wir für im höchsten Grade zuverlässig, und auch ihr tätet gut, daran unentwegt festzuhalten; es dient euch als ein Licht, das an einem dunkeln Ort aufleuchtet, bis der Tag in euren Herzen dämmert und der Morgenstern darin aufgeht. Ihr müsst euch von vornherein darüber klar sein, dass kein Ausspruch eines Geistes Gottes nach eigenem Gutdünken gedeutet werden kann; denn noch nie ist ein solcher Ausspruch durch menschlichen Willen zustande gekommen, sondern nur auf Veranlassung Gottes haben Menschen als Werkzeuge eines heiligen Geistes geredet. Allerdings haben im Volke Israels auch Lügengeister durch Menschen gesprochen, wie es auch unter euch Medien geben wird, durch welche niedere Geister ihre falschen Lehren vortragen. Dadurch werden sie unheilvolle Spaltungen hervorrufen; sie werden den nicht als ihren Herrn anerkennen, der sie losgekauft hat, und infolgedessen gar bald dem geistigen Verderben anheimfallen. Sie werden bei ihrem zuchtlosen Treiben viele, Anhänger finden. Solche Leute werden die Schuld dafür tragen, dass der Weg der Wahrheit in schlimmen Ruf kommt. Aus Gewinnsucht werden sie euch unwahre Geisterbotschaften mitteilen und euch so das Geld aus den Taschen ziehen. Bei ihnen wird das Strafgericht, das von jeher einem solchen Treiben auf dem Fuße folgte, nicht lange auf sich warten lassen, und das Unheil bald über sie hereinbrechen. Gott übte ja nicht einmal gegen abgefallene Engel Schonung, sondern stürzte sie in die Hölle hinab, in die Höhlen der Finsternis, wo sie so lange festgehalten werden, bis sie sich wieder zu Gott wenden. Auch die erste Menschheit hat er nicht verschont; als sie gottlos geworden war, ließ er die Flut über sie hereinbrechen. Nur die achtköpfige Familie des Noah rettete er, weil Noah bei seinen Mitmenschen als Prediger des Rechttuns aufgetreten war. Die Städte Sodom und Gomorrha hat er in Asche gelegt und so das Strafurteil an ihren Einwohnern vollstreckt. Sie sollten zum warnenden Beispiel für solche dienen, die sich in Zukunft der Gottlosigkeit zuwenden würden. Nur den gottestreuen Lot rettete er, der unter dem zuchtlosen Lebenswandel jener Frevler schwer zu leiden hatte; denn was dieser gottesfürchtige Mann Tag für Tag bei seinen Mitbürgern an Schlechtigkeiten sehen und hören musste, schnitt ihm tief in seine gottliebende Seele. So weiß der Herr die Gottestreuen aus den Prüfungen zu erretten; die Gottlosen aber hält er in Strafhaft bis zu dem Tage, wo sie sich zum Guten wenden. Besonders verfährt er so mit denjenigen, die ihre niedrige Sinnenlust in widernatürlichen Fleischessünden zu befriedigen suchen und keinen höheren Herrn über sich anerkennen. In ihrer unverschämten Frechheit schrecken diese nicht einmal davor zurück, hohe himmlische Mächte zu lästern, während die Engel Gottes, die doch an Kraft und Macht ihnen weit überlegen sind, kein abfälliges Urteil beim Herrn über sie vorbringen. Solche Menschen gleichen unvernünftigen Tieren, deren natürliche Bestimmung darin besteht, dass sie gefangen und getötet werden. Über alles, was sie nicht verstehen, gießen sie die Schale ihres Spottes aus. Darum werden sie auch gleich den Tieren zu Grunde gehen und vernichtet werden und so für ihre Gottlosigkeit die verdiente Strafe empfangen. Sie finden ihr Vergnügen darin, Tag für Tag den Schwelgereien nachzugehen; und es ist eine Schmach und Schande, wie sie euch bei solchen Gelegenheiten mit Betrügereien zum besten halten. Ihre Augen spähen nur nach Gelegenheiten, Ehebruch zu treiben und sind unersättlich im Sündigen. Schwache Seelen wissen sie an sich zu locken, und das ganze Trachten ihres Herzens haben sie auf Gelderwerb eingestellt, - diese Kinder des Fluches! Den rechten Weg haben sie verlassen und gingen in die Irre. Sie folgten den Spuren Bileams, des Sohnes Bosors, der sich ja auch aus Liebe zum Gelde zum Unrecht verleiten ließ und für seine Verfehlung eine Zurechtweisung erhielt. Ein Lasttier, dem die Sprache versagt ist, murrte gegen ihn mit der Stimme eines Menschen und verhinderte so das törichte Beginnen des Propheten. Jene Leute gleichen den Quellen ohne Wasser; sie gleichen den Nebelschwaden, die der Sturm vor sich hertreibt. Für sie wird die dunkelste Finsternis in Bereitschaft gehalten. Denn mit hochtönenden, aber nichtssagenden Reden verfahren sie in schwachen Augenblicken sinnlicher Aufregung diejenigen zu neuen Ausschweifungen, die erst seit kurzem der Gesellschaft jener entronnen sind, die von Sünde zu Sünde taumeln. Sie verheißen ihnen 'Freiheit', sind aber selbst die Sklaven des Verderbens. Denn wer einem andern im Kampf unterlag, der muss ihm auch als Sklave dienen. Wer einmal den Befleckungen des irdischen Treibens dadurch entronnen ist, dass er den Herrn und Erlöser Jesus Christus kennen lernte, dann aber aufs neue solchen Menschen ins Garn geht und ihrer Verführung zum Opfer fällt, für den ist der letzte Zustand schlimmer als der erste; denn es wäre besser für ihn gewesen, er hätte den Weg des Rechttuns gar nicht kennen gelernt, als dass er nach erlangter Kenntnis sich der heiligen Aufgabe, die ihm anvertraut worden war, wieder entzog. Bei solchen Menschen bestätigt sich die Wahrheit des Sprichwortes: "Der Hund kehrt zu dem zurück, was er ausgespieen hat, und die Sau wälzt sich nach dem Bad von neuem im Morast." Dies ist nun schon der zweite Brief, den ich euch, meine Lieben, schreibe. Durch beide wollte ich in eurem Gedächtnis das rechte Verständnis für die Worte wieder auffrischen, die von den gottestreuen Propheten vorher verkündigt wurden, sowie für die Lehre eurer Apostel, die sie vom Herrn und Erlöser selbst empfangen haben. Zunächst müsst ihr euch vor Augen halten, dass am Ende einer jeden Zeitperiode Spötter auftreten werden, denen die Sucht, über alles Höhere zu spotten, im innern Wesen liegt, weil sie sich nur von ihren niedern Trieben leiten lassen. Sie stellen höhnisch die Frage: "Wo bleibt denn seine verheißene Wiederkunft? Denn seit dem Hinscheiden der Väter ist alles genau so, wie es seit Anfang der Welt war." Denen, die so sprechen, ist es unbekannt, dass die Himmelskörper und die Erde vor undenklichen Zeiten aus einem wolkenähnlichen Zustand zu einer festen Masse verdichtet wurden, und zwar durch Geister Gottes und auf Anordnung Gottes. Dadurch verschwand der wolkenähnliche Zustand des Weltalls. Doch werden die Himmelskörper und die Erde in ihrem jetzigen Zustand nur solange verharren, bis der Tag kommt, an dem sie nach derselben Anordnung Gottes wieder aufgelöst werden und zwar durch Feuer. Das wird an dem Tage sein, wo bei den gottlosen Menschen eine Änderung in ihrer Gottlosigkeit eintritt und sie sich zu Gott wenden. Doch das Eine dürft ihr nicht außer acht lassen, meine Lieben, dass bei dem Herrn ein Tag ist wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr ist mit der Erfüllung seiner Verheißung nicht saumselig, wie manche meinen; er übt nur Langmut gegen euch; denn er will nicht, dass auch nur ein einziger verloren geht, sondern dass alle ihre Gesinnung ändern. Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht; dann werden die Himmelskörper unter Zischen vergehen, die Elemente ihrer Zusammensetzung werden sich in der Flammenglut auflösen, und auch die Erde wird samt allen ihren Menschenwerken in Feuer aufgehen. Wenn nun dies alles der Auflösung verfällt, wie müsst ihr da auf einen heiligen und Gott wohlgefälligen Lebenswandel bedacht sein. Ihr wartet ja mit Sehnsucht auf das Eintreffen dieses Tages Gottes und möchtet ihn beschleunigen, - jenen Tag, um dessentwillen die Himmelskörper sich in Feuer auflösen und die Elementarstoffe in der Flammenglut schmelzen. Neue Himmelskörper und eine neue Erde, auf denen jeder den Willen Gottes tut, haben wir dann nach seiner Verheißung zu erwarten. Darum, meine Lieben, seid im Hinblick auf diese Dinge eifrig bemüht, rein und makellos und im Frieden mit Gott vom Herrn erfunden zu werden. Die vom Herrn bewiesene Langmut betrachtet als ein Mittel zu eurer Rettung. Darüber hat ja auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm verliehenen Weisheit euch bereits geschrieben. Auch in allen seinen übrigen Briefen macht er an den Stellen, wo er über diese Dinge spricht, ähnliche Ausführungen. In ihnen findet sich allerdings manches, das schwer zu verstehen ist. Das pflegen nun die, welche in der Erkenntnis der Wahrheit noch nicht weit fortgeschritten und befestigt sind, zu ihrem eigenen Verderben falsch auszulegen; so machen sie es auch mit den übrigen Schriften. Seid darum auf eurer Hut, meine Lieben, da ihr jetzt gewarnt seid. Lasst euch nicht von den Wahngebilden des Irrtums gottloser Leute mit fortreißen, damit ihr nicht euren festen Halt verliert. Nehmet vielmehr zu in der Gnade und der Erkenntnis unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus. Ihm gebührt die Ehre von jetzt an bis zu einem gewissen Tage einer zukünftigen Zeitperiode. Amen. Ich möchte euch schreiben über den, der da ist das 'Wort des Lebens'; was sich nämlich von Anfang an mit ihm zugetragen, was wir selbst von ihm hörten, was wir selbst mit eigenen Augen sahen, was wir bei ihm beobachteten, was uns so nahe gerückt war, dass wir es mit unsern Händen greifen konnten; und so mussten wir denn feststellen, dass das wahre Leben tatsächlich in ihm erschienen ist. Wir sahen es vor unsern Augen; darum können wir auch als Zeugen dafür auftreten und euch Kunde geben von dem Leben, das nach dieser Zeit unser harrt. Der Träger dieses Lebens war beim Vater und kam hernieder zu uns. Was wir bei ihm sahen und von ihm hörten, das verkündigen wir euch, damit auch ihr in unsere Glaubensgemeinschaft tretet. Durch diese Glaubensgemeinschaft sind wir mit dem Vater und seinem Sohne Jesus Christus eng verbunden. Wir schreiben euch dies, damit eure Freude eine vollständige sei. Folgendes ist nun die Botschaft, die wir von ihm vernahmen und die wir euch mitteilen möchten: "Gott ist Licht, und nicht der geringste dunkle Schatten ist in ihm zu finden." Würden wir daher behaupten, in Gemeinschaft mit ihm zu stehen, aber auf den dunkeln Pfaden der Sünde wandeln, so wären wir Lügner und würden in unserm Tun nicht der Wahrheit folgen. Lenken wir jedoch unsere Schritte auf den Weg des Lichtes, in dem Er selbst wohnt, so treten wir in Gemeinschaft mit Ihm, und das Blut seines Sohnes Jesus Christus reinigt uns von jeder Sünde. Würden wir behaupten, wir hätten keine Sünde begangen, so gäben wir uns einer großen Selbsttäuschung hin, und die Wahrheit wäre nicht in uns. Bekennen wir Ihm jedoch unsere Sünden, so können wir uns darauf verlassen, dass Er sein gegebenes Versprechen hält, wonach Er uns unsere Sünden vergeben und uns von allem unrechten Tun reinigen will. Würden wir behaupten, wir hätten nicht gesündigt, so stempelten wir Ihn zum Lügner, und sein Wort der Wahrheit hätte in unserm Herzen keine Aufnahme gefunden. Meine lieben Kinder! Dies schreibe ich euch, damit ihr nicht mehr sündigen sollt. Aber auch für den Fall, dass einer wieder sündigt, haben wir einen, der beim Vater Fürsprache für uns einlegt; es ist Jesus Christus, an dem Gott sein Wohlgefallen hat. Er ist es, der uns von den Folgen der Sünde des Abfalls befreite; doch nicht bloß uns, sondern das ganze Weltall. Den Beweis dafür, dass wir ihn recht erkannt haben, können wir nur dadurch liefern, dass wir seine Lehre treu beobachten. Wenn einer sagt: "Ich habe ihn recht erkannt", - hält sich aber nicht an seine Lehre, so belügt er sich selbst, und die Wahrheit ist bei ihm nicht zu finden. Wer aber sein Wort ausführt, in dem ist wirklich die Liebe Gottes zur Stufe der Vollkommenheit gelangt. Dies ist auch das Merkmal, an dem wir erkennen können, ob wir mit ihm vereint sein werden. Wer sagt, er sei bereits mit ihm vereint, der muss auch denselben Lebenswandel führen, den Jesus geführt hat. Ich schreibe euch, meine Lieben, keine neue Lehre, sondern eine, die schon alt ist und die ihr gleich im Anfang annahmt; diese alte Lehre besteht in Wahrheit, die ihr soeben gehört habt. In gewisser Hinsicht schreibe ich euch eine neue Lehre. Sie lautet: "Was in ihm zur Wahrheit wurde, das gilt auch von euch, nämlich: die Finsternis muss weichen, und der Strahl des wahren Lichtes aufleuchten." Wer nun im Lichte zu sein behauptet und doch Hass gegen seinen Mitmenschen im Herzen trägt, der befindet sich immer noch in der Finsternis. Wer aber seinen Mitmenschen lieb hat, lebt dauernd im Licht, und es besteht für ihn keine Gefahr, zu straucheln. Wer seinen Mitmenschen hasst, lebt in der Finsternis; er tappt im Dunkeln umher, und weiß nicht den rechten Weg zu finden; denn die Dunkelheit hat seine Augen blind gemacht. Euch, meinen Kindern, schreibe ich, weil euch die Sünden um seines Namens willen vergeben werden; und zwar schreibe ich euch Vätern, weil ihr zur Erkenntnis dessen gelangt seid, der als der erste ins Dasein trat. An euch Jünglinge schreibe ich, weil ihr den überwunden habt, der das Verderben in die Welt bringt. Liebet nicht die Welt, noch das, was in der Welt ist. Wer die Welt liebt, der besitzt die Liebe des Vaters nicht; denn alles, was die Welt ihr eigen nennt, - nämlich die körperliche Lust nach sinnlichem Genuss, das Verlangen der Augen nach Besitz und das Großtun mit irdischen Gütern - stammt nicht vom Vater, sondern von der Welt. Es vergeht die Welt mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der wird für alle Zeiten fortbestehen. Liebe Kinder! Die letzte Weltzeit ist angebrochen. Nun habt ihr gehört, dass der Widerchrist kommen soll. Widerchristen sind bereits in Menge vorhanden. Daran erkennen wir, dass die Endzeit angebrochen ist. Aus unserer eigenen Mitte sind diese Widerchristen hervorgegangen: in Wirklichkeit gehörten sie nie zu uns. Hätten sie wirklich zu uns gehört, so wären sie bei uns geblieben. Aber durch sie sollte es allen vor Augen geführt werden, dass nicht alle, die bei uns sind, wirklich zu uns gehören. Ihr jedoch gehört zu denen, welche die geistige Salbung der Wahrheit von dem Heiligen empfingen und daher in die ganze Wahrheit eingeführt sind. Ich habe euch ja auch nicht geschrieben, als ob euch die Wahrheit unbekannt wäre, sondern gerade deshalb, weil ihr sie kennt und weil ihr wisst, dass keine Lüge ihren Ursprung in der Wahrheit haben kann. Wer ist der Lügner, den ich hier meine? Kein anderer als der, welcher leugnet, dass Jesus der Messias ist. Ein solcher ist der Widerchrist und leugnet sowohl den Vater als auch den Sohn; denn jeder, der den Sohn leugnet, erkennt auch nicht den Vater an. Und wer sich zum Sohn bekennt, der ist auch in Gemeinschaft mit dem Vater. Was ihr von Anfang an als Wahrheit in euch aufgenommen habt, das soll auch dauernd in euch bleiben. Wenn die Wahrheit, die ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, dann werdet auch ihr in der Gemeinschaft mit dem Sohne und dem Vater bleiben. Und das ist die Botschaft, die er selbst uns brachte - die Botschaft vom zukünftigen Leben. Das schreibe ich euch im Hinblick auf die, welche euch irreführen möchten. Und was euch betrifft, so bleibt die geistige Salbung der Wahrheit, die ihr von Ihm empfangen habt, dauernd in euch, und ihr bedürft keiner anderweitigen Belehrung; vielmehr belehrt euch dieselbe Salbung über alles, und diese Belehrung ist die Wahrheit und keine Lüge. Und an dem, was sie euch mitgeteilt hat, sollt ihr treu festhalten. Noch einmal wiederhole ich es, meine Kinder: Haltet daran fest! Dann können wir, sobald Christus erscheint, seiner Ankunft getrost entgegensehen, und wir brauchen uns bei seiner Wiederkunft vor ihm nicht zu schämen. Da ihr wisst, dass er das Wohlgefallen Gottes erlangt hat, so seid überzeugt, dass jeder, der die Gott wohlgefälligen Werke verrichtet, ein Kind Gottes ist. Seht, eine wie große Liebe uns der Vater dadurch erwies, dass wir uns wieder Kinder Gottes nennen dürfen und es auch wirklich sind! Und weil die Welt Gott nicht kennen lernte, will sie auch von uns als seinen Kindern nichts wissen. Schon jetzt, meine Lieben, sind wir Kinder Gottes, obschon es nach außen noch nicht sichtbar hervortritt, was diese Kindschaft alles in sich schließen wird. Wir wissen jedoch, dass wir in dem Augenblick, in dem Er unserm Auge sichtbar wird. Ihm ähnlich sein werden und Ihn so sehen werden, wie Er ist. Jeder, der diese Hoffnung auf Ihn setzt, wird sich bemühen, heilig zu werden, weil Er die Heiligkeit selbst ist. Jeder aber, der die Sünde des Abfalls begeht, trennt sich von Gott; denn Abfall ist Trennung. Auch wisst ihr, dass Jesus auf Erden erschien, um die Sünde des Abfalls aus der Welt zu schaffen; denn auf ihm lastet die Sünde des Abfalls nicht. Darum gehört auch der, welcher in der Gemeinschaft mit ihm bleibt, nicht mehr zu den Abgefallenen. Wer jedoch die Sünde des Abfalls begeht, der hatte ihn nie in sich erlebt und nie erkannt. Lasst euch, meine Kinder, von niemand irreführen! Nur wer den Willen Gottes tut, ist Gott wohlgefällig, wie auch Jesus Gott wohlgefällig ist. Wer abfällt, gehört dem Reiche Luzifers an. Der Teufel ist ja der Erste, der abfiel und der Rädelsführer jeglichen Abfalls. Gerade deswegen ist ja der Sohn Gottes auf Erden erschienen, damit er die wieder befreie, die der Teufel durch Verführung zum Abfall an sich gefesselt hatte. Keiner, der aus Gott wiedergeboren ist, begeht die Sünde des Abfalls, weil ein Funke Gottes beständig in ihm bleibt. Er kann sich nicht mehr vollständig von Gott trennen, weil er durch das Band der Wiedergeburt mit Gott verbunden ist. An folgendem Merkmal kann man erkennen, welches die Kinder Gottes und welches die Kinder des Teufels sind, nämlich: einer, der Gott nicht liebt, gehört nicht zu den Kindern Gottes; auch der nicht, der keine Nächstenliebe besitzt. Die erste Lehre, die ihr vernommen habt, lautete: "Wir sollen einander lieben!" Wir sollen nicht einem Kain gleichen, der aus dem Reich des Bösen kam und seinen Bruder erschlug. Und weshalb erschlug er ihn? Seine Werke stammten vom Bösen, die seines Bruders aber von Gott. Darum braucht ihr euch nicht zu wundern, meine Brüder, wenn die Welt euch hasst. Wir wissen ja, dass wir uns aus dem Reich des geistigen Todes herausgearbeitet haben in das Reich des geistigen Lebens, weil wir unsern Nächsten lieben. Wer die Nächstenliebe nicht besitzt, gehört noch dem Reich des geistigen Todes an. Jeder, der seinen Nächsten hasst, ist ein Brudermörder; und ihr wisst, dass kein Brudermörder sich das zukünftige Leben zum bleibenden Besitz erwerben kann. Daran haben wir die wahre Liebe kennen gelernt, dass "Er" sein Leben für uns hingab. Demnach sind auch wir verpflichtet, unser Leben für unsere Mitmenschen hinzugeben. Wenn also einer irdische Güter besitzt und sieht die Not seines Mitmenschen, verschließt aber sein Herz vor ihm, - wie könnte in einem solchen Menschen die Liebe zu Gott wohnen? Denn, meine lieben Kinder, wir sollen die Liebe nicht bloß in schönen Worten auf der Zunge tragen, sondern sie durch die Tat beweisen, wie es uns die göttliche Wahrheit lehrt. Daran werden wir dann auch erkennen können, ob wir bei unserm Tun von der Wahrheit geleitet werden. In diesem Punkte sollen wir mit aller Ehrlichkeit vor Gott eine feste Überzeugung gewinnen. Spricht unser Gewissen uns schuldig, so steht über unserm Gewissen als höherer Richter der allwissende Gott. Spricht unser Gewissen uns aber nicht schuldig, dann können wir voll Zuversicht vor Gott treten, und was wir von ihm erflehen, erlangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und tun, was ihm wohlgefällig ist. Das aber ist sein Gebot, dass wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander so lieben, wie er es uns gelehrt hat. Wer Gottes Gebote hält, bleibt in Gemeinschaft mit Gott und Gott in Gemeinschaft mit ihm. Ob Gott in Gemeinschaft mit uns ist, erkennen wir an der Geisterwelt, die Er uns verliehen hat. Meine Lieben! Schenkt nicht jedem Geist Glauben, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott kommen. Es sind nämlich viele Lügengeister aus der Tiefe heraufgekommen und haben sich über die Welt verbreitet und sprechen durch menschliche Medien. An folgendem könnt ihr erkennen, ob ein Geist von Gott kommt: Bekennt ein Geist, dass Jesus Christus als Mensch auf Erden erschienen ist, so kommt er von Gott; ein Geist aber, der den Glauben an Jesus als den im Fleische erschienenen Herrn zu vernichten sucht, kann nicht von Gott kommen; er ist vielmehr vom Widersacher Christi geschickt. Ihr seid ja darüber belehrt worden, dass solche Geister kommen sollen, und sie treten schon jetzt in der Welt auf. Ihr gehört Gott an, meine Kinder, und habt die Sendboten des Widersachers Christi überwunden; denn der mit euch in Gemeinschaft steht, ist stärker als der, welcher die Herrschaft in der Welt führt. Jene Widersacher gehören der Welt an; darum reden sie durch die Medien auch nur über weltliche Dinge, und die weltlich gesinnten Menschen schenken ihnen Gehör. Wir gehören Gott an; darum hört der Gottesgläubige auf unsere Worte. Wer Gott nicht angehört, der gibt auch nichts auf das, was wir ihm sagen. Das sind also die Merkmale, an denen wir den Geist der Wahrheit von dem Geist der Lüge unterscheiden können. Meine Lieben! Wir wollen einander mit Liebe begegnen; denn die Liebe ist göttlichen Ursprungs, und jeder, der Gott hebt, ist ein Kind Gottes und besitzt den wahren Gottesbegriff. Wem die Liebe fehlt, hat keine Ahnung von dem Wesen Gottes; denn Gott ist Liebe. Dadurch erschien die Liebe Gottes unter uns Menschen, dass Gott seinen Sohn, - den einzigen, den Er selbst ins Dasein gerufen hatte - in die Welt sandte, damit wir durch Ihn das geistige Leben erlangten. Seine Liebe zu uns hat also nicht darin ihren Grund, dass wir Gott zuerst geliebt hätten, sondern Er liebte uns zuerst, und darum sandte er seinen Sohn, damit dieser uns von der Sünde des Abfalls wieder befreien sollte. Meine Lieben! Wenn also die Liebe Gottes zu uns so groß war, so sind auch wir verpflichtet, einander Liebe zu erweisen. Kein Mensch hat Gott jemals gesehen. Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in Gemeinschaft mit uns, und unsere Liebe zu ihm wird dadurch in unserem Herzen erst vollständig. Dass Gott in Gemeinschaft mit uns steht, und wir uns in Gemeinschaft mit ihm befinden, erkennen wir daran, dass Er uns Geister seines Reichen zugeteilt hat. Denn wir sahen es mit eigenen Augen und können es daher bezeugen, dass der Vater seinen Sohn als Retter des Weltalls gesandt hat. Wer Jesus Christus als den Sohn Gottes bekennt, mit dem steht Gott in Gemeinschaft und er mit Gott. Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hegt, und unser ganzes Vertrauen darauf gesetzt. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe verharrt, der bleibt mit Gott verbunden und Gott mit ihm. Unsere Liebe hat dann den höchsten Grad der Vollkommenheit erlangt, wenn wir so weit sind, dass wir jenem Tage, an dem die Entscheidung fällt, mit großem Vertrauen entgegensehen; denn wie Christus fleckenlos und rein in der Welt lebte, so sollen auch wir in derselben Weise in dieser Welt leben. Wo die Liebe herrscht, da kennt man keine Furcht. Hat die Liebe ihren Höhepunkt erreicht, dann schüttelt sie jede Furcht ab. Furcht ist nur dort zu finden, wo Strafe droht. Wer also noch fürchtet, der hat noch nicht die vollkommene Liebe erreicht. Wir lieben Gott, weil Gott uns zuerst seine Liebe erwiesen hat. Einer, der behauptet, Gott zu lieben, aber Hass gegen seinen Mitmenschen im Herzen trägt, der ist ein Lügner. Denn wer seinem Nächsten, den er mit seinen leiblichen Augen sieht, keine Liebe entgegenbringt, wie könnte der fähig sein, Gott zu lieben, den er nicht sieht? Von Gott haben wir das Gebot erhalten, dass jeder, der Gott lieben will, auch seinen Mitmenschen lieben muss. Wer glaubt, dass Jesus der Messias ist, gehört zu den Kindern Gottes; und wer den Vater liebt, der liebt auch dessen Kinder. Daran erkennen wir, ob wir die Kinder Gottes lieben, dass wir Gott selbst lieben und seine Gebote erfüllen. Die wahre Liebe zu Gott besteht nämlich darin, dass wir seine Gebote halten. Seine Gebote sind nicht schwer. Denn alles, was 'Kind Gottes' heißt, überwindet mit Leichtigkeit die Macht der Welt. Was uns den Sieg über die Mächte der Welt verliehen hat, ist unser Glaube. Nur der ist Sieger über die Mächte der Welt, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Jesus Christus kam als der Sohn Gottes unter dem Zeugnis von Wasser und Blut; nicht unter dem Zeugnis des Wassers allein, sondern Wasser und Blut legten Zeugnis für ihn ab. Aber auch der Geist Gottes ist als vollwertiger Zeuge für ihn aufgetreten, weil dieser Geist die Wahrheit selber ist. Demnach haben wir drei Zeugen für ihn: Der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei stimmen in ihrem Zeugnis überein. Ist schon das Zeugnis von Menschen für uns maßgebend, um wie viel höher muss uns da das Zeugnis Gottes stehen! Und ein solches Zeugnis Gottes liegt in den Worten vor uns, mit denen Er über Seinen Sohn sein Zeugnis abgab. Wer also an den Sohn Gottes glaubt, kann sich für seinen Glauben auf das Zeugnis Gottes selbst berufen. Wer aber nicht einmal dem Zeugnis Gottes Glauben schenkt, stempelt Gott zum Lügner. Das tut also auch der, welcher nicht an das Zeugnis glaubt, das Gott von seinem Sohn abgelegt hat. Dieses Zeugnis enthält auch die Wahrheit, dass Gott uns das zukünftige Leben wieder verlieh, und dass dieses Leben nur in Gemeinschaft mit seinem Sohne zu finden ist. Wer also in enger Verbindung mit dem Sohne steht, besitzt auch das geistige Leben. Wem diese Verbindung mit dem Sohne Gottes fehlt, dem fehlt auch das geistige Leben. Dies schrieb ich euch, damit ihr euch bewusst bleibet, dass ihr das jenseitige Leben nur dann erlanget, wenn ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt. Ein großes Gottvertrauen erfüllt unser Herz. Es hat seinen Grund in dem Bewusstsein, dass Er unser Gebet erhört, sobald wir Ihn um etwas bitten, das seinem Willen entspricht. Und wenn wir wissen, dass Er jedes unserer Gebete erhört, so können wir sicher sein, dass wir das von Ihm Erbetene auch wirklich erhalten. Sieht einer seinen Mitmenschen eine Sünde begehen, die nicht zum geistigen Tode des Abfalls führt, so soll er für ihn beten. Dadurch wird er ihm geistige Lebenskraft vermitteln; doch, wie gesagt, nur dann, wenn es sich nicht um eine Sünde handelt, die zum geistigen Tode führt. Eine solche Todsünde gibt es. Diese meine ich also nicht, wenn ich euch die Mahnung gebe, für Sünder zu beten. Alles, was gegen den Willen Gottes verstößt, pflegt man mit 'Sünde' zu bezeichnen; aber es gibt auch eine Sünde, die den geistigen Tod nach sich zieht. Wir wissen jedoch, dass keiner der ein Kind Gottes ist, eine solche Sünde begeht. Seine Kindschaft Gottes bewahrt ihn davor; der Böse ist nicht imstande, Hand an ihn zu legen. Wir wissen, dass wir Gott angehören; dass die Welt jedoch vollständig unter der Gewalt des Bösen steht. Wir wissen ferner, dass der Sohn Gottes zur Erde kam, um uns die rechte Erkenntnis zu vermitteln, damit wir den wahren Gott erkennen. Und wir sind in Verbindung mit dem wahren Gott, da wir in Verbindung mit seinem Sohne Jesus Christus stehen. Denn dieser lehrt die Wahrheit und verleiht himmlisches Leben. Meine Kinder! Haltet euch fern vom Verkehr mit den bösen Geistern! Amen. Als der Älteste sende ich dieses Schreiben der auserwählten Herrin und ihren Kindern, denen ich in wahrer Liebe zugetan bin. Doch nicht bloß ich habe sie lieb, sondern auch alle die, welche zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt sind, - jener Wahrheit, die ihre Wohnstätte unter uns aufgeschlagen hat und mit uns in alle Zukunft vereint bleibt. - Gnade, Erbarmen und Friede werde euch von Gott dem Vater zuteil und vom Herrn Jesus Christus, dem Sohne des Vaters, mit denen ihr durch die Wahrheit und den Frieden verbunden seid. Es war mir eine große Freude, feststellen zu können, dass deine Kinder einen Lebenswandel nach der wahren Lehre führen, so wie es uns der Vater geboten hat. Und nun möchte ich dich, Herrin, bitten, mich an dich mit einer Belehrung wenden zu dürfen, die zwar keine neue Lehre darstellt, sondern die uns als eine der ersten mitgeteilt wurde: nämlich, dass wir einander lieben sollen. Darin zeigt sich die Liebe, dass wir in unserm täglichen Leben Gottes Gebote erfüllen. Das ist sein Hauptgebot, wie ihr ja von Anfang an gehört habt; tut also danach! Viele Truggeister sind in das Weltall hinausgezogen; sie alle leugnen, dass Jesus Christus als Mensch zur Erde kam. Jeder Geist, der das leugnet, ist ein Lügengeist und ein Widersacher Christi. Gebet acht, dass ihr das nicht wieder verliert, was ihr mit vieler Mühe gewonnen habt, sondern dass ihr den vollen Lohn davon erntet. Jeder, der dies außer acht lässt und nicht an der Lehre Christi festhält, der hat seine Verbindung mit Gott gelöst. Wer jedoch treu zur Lehre Christi hält, der steht in Verbindung mit dem Vater und dem Sohne. Kommt einer zu euch und bringt nicht diese Lehre mit, so verweigert ihm den Eintritt in euer Haus und bietet ihm keinen Willkommengruß. Denn wer ihn willkommen heißt, macht sich zum Mitschuldigen an all dem Unheil, das jener anrichtet. Ich hätte euch noch vieles zu schreiben; doch möchte ich es nicht Papier und der Feder anvertrauen. Ich hoffe vielmehr, euch persönlich besuchen zu können. Dann werde ich mich mündlich mit euch aussprechen, damit unsere beiderseitige Freude eine möglichst große sei. Es lassen dich die Kinder deiner auserwählten Schwester herzlich grüßen. - Die Gnade Gottes sei mit euch! Amen. Als der Älteste sende ich diesen Brief an den geliebten Gajus, den ich aufrichtig lieb habe. Mein Lieber, ich wünsche dir vor allem Wohlergehen und körperliche Gesundheit in demselben Maße, wie es dir geistig gut geht. Ich empfand jedes Mal eine große Freude, wenn Brüder bei uns eintrafen und dir das schöne Zeugnis ausstellten, dass du nach der Lehre der Wahrheit lebst, wie dies bei dir ja auch wirklich der Fall ist. Eine größere Freude gibt es für mich nicht, als wenn ich höre, dass meine Kinder nach der wahren Lehre leben. Mein Lieber! Das, was du an deinen Mitbrüdern tatest, obschon sie dir ganz fremd waren, ist ein schöner Beweis für deine Glaubenstreue. Diese haben deiner Nächstenliebe vor der ganzen Gemeinde ein herrliches Zeugnis ausgestellt. Du wirst ein gutes Werk tun, wenn du ihnen die Weiterreise so ermöglichst, wie es der Sache Gottes würdig ist; denn um des Namens Christi willen sind sie ausgezogen und nehmen von Nichtchristen keine Unterstützung an. Wir haben daher die Pflicht, solche Männer zu unterstützen; dadurch helfen wir mit zur Verbreitung der Wahrheit. Ich hatte ein Schreiben an die Gemeinde gerichtet. Aber Diotrephes, der gern die erste Rolle darin spielen möchte, will nichts von uns wissen. Deshalb werde ich bei meiner Ankunft ihm seine Handlungsweise vorhalten, wie er uns mit bösen Reden verdächtigt und, damit noch nicht zufrieden, weder selbst die Brüder gastlich aufnimmt, noch es ändern zu tun gestattet und, die es trotzdem tun wollen, aus der Gemeinde ausschließt. Mein Lieber, ahme du nicht das Böse nach, sondern das Gute. Wer das Gute tut, ist ein Kind Gottes; wer das Böse vollführt, hat keinen wahren Begriff von Gott. Dem Demetrius ist von allen ein rühmliches Zeugnis ausgestellt worden und sogar von dem, der die Wahrheit selbst ist. Auch wir stellen ihm ein solches Zeugnis aus, und du weißt dass unser Zeugnis der Wahrheit entspricht. Ich hätte Dir noch manches mitzuteilen; doch nehme ich davon Abstand, es brieflich zu erledigen. Ich hoffe vielmehr, dich bald zu sehen. Dann können wir uns mündlich über alles unterhalten. Judas, ein Diener Jesu Christi und ein Bruder des Jakobus, sendet dieses Schreiben den Auserwählten, die in der Liebe Gottes des Vaters und in der Treue zu Christus Jesus verharren. - Gottes Erbarmen, Friede und Liebe möge euch immer reichlicher zuteil werden. Meine Lieben! Es ist mein Herzenswunsch, euch über unser gemeinsames Heil zu schreiben. Dabei fühle ich mich gedrungen, die briefliche Mahnung an euch zu richten, für den Glauben zu kämpfen, der ein für allemal den Gottestreuen zuteil geworden ist. Es haben sich nämlich einige Leute bei euch eingeschlichen, für die dasselbe Urteil gilt, das schon in längst vergangenen Zeiten niedergeschrieben wurde: "Gottlose Menschen, welche die uns von Gott erwiesenen Gaben zu einem zügellosen Leben missbrauchen; Leute, die Gott, unsern alleinigen Gebieter, sowie unsern Herrn Jesum Christum leugnen." Ich möchte euch daran erinnern, obwohl ihr das alles schon einmal gehört habt, dass der Herr das Volk Israel aus der Knechtschaft der Ägypter errettete, dann aber die, welche nicht glauben wollten, umkommen ließ; dass er ferner Engel, welche die ihnen übertragenen Herrschaftsrechte nicht innehalten wollten, sondern die Grenzen der ihnen zugewiesenen Machtbezirke überschritten, mit unlöslichen Fesseln an die Finsternis gekettet hat, bis der große Tag kommt, an dem sie sich zum Bessern entscheiden; dass Sodoma und Gomorrha nebst den umliegenden Städten, deren Einwohner in derselben Weise, wie die vorhin erwähnten Leute, Unzucht getrieben hatten und der widernatürlichen Befriedigung nachgegangen waren, als warnende Beispiele dastehen; denn sie haben eine Feuerstrafe zu erdulden, die eine lange Zeitperiode hindurch dauert. Ähnlich beflecken auch diese Träumer ihre Körper, erkennen niemand als Herrn über sich an und lästern hohe himmlische Mächte. Und doch hat der Erzengel Michael nicht einmal gegen den Teufel eine Schmähung auszusprechen gewagt, als er mit diesem um den Leichnam des Mose kämpfte und mit ihm in Wortwechsel geriet. Er sagte bloß: "Der Herr gebe dir den strengen Befehl!" Diese Leute jedoch schmähen alles, was sie nicht kennen. Aber in der Betätigung der niedern Instinkte, die sie mit den stummen Tieren gemein haben, darin wissen sie Bescheid und darin richten sie sich zu Grunde. Wehe ihnen! Sie sind die Wege Kains gegangen und haben sich aus Gewinnsucht in die Verirrungen Bileams verstricken lassen, und infolge einer Auflehnung, gleich der eines Kore, sind sie dem Verderben anheim gefallen. Dies sind die Leute, die bei euren Liebesmahlen als ein Schandfleck für eine solche Feier ohne Scheu mitschmausen und sich dabei als Hirten der Gemeinde aufspielen. Sie gleichen Nebelwolken, die vom Winde dahin getrieben werden; sie gleichen herbstlich kahlen, fruchtlosen, zweimal erstorbenen, entwurzelten Bäumen; sie gleichen wilden Meereswogen, die ihre eigene Schande ausschäumen; sie gleichen Irrsternen, für welche die größte Finsternis eine große Zeitperiode hindurch vorbehalten ist. Innen gelten folgenden Worte, die ein Geist Gottes durch Henoch den siebenten Nachkommen Adams, ausgesprochen hat: "Fürwahr, es kommt der Herr inmitten seiner heiligen Zehntausende, um Gericht über alle zu halten und alle Gottlosen zu strafen für alle Werke ihrer Gottlosigkeit, mit denen sie gefrevelt haben und für alle frechen Reden, welche gottesvergessene Sünder gegen Ihn geführt haben." Es sind dies jene missvergnügten Menschen, die mit ihrem Los nie zufrieden und Sklaven ihrer eigenen Launen sind; Menschen, deren Mund hochfahrende Reden führt, während sie dort, wo es sich um ihren Vorteil handelt, ins Gesicht schmeicheln. Ihr aber, meine Lieben, möget der Worte eingedenk bleiben, welche die Apostel unseres Herrn Jesus Christus früher schon ausgesprochen haben, indem sie sagten: "In der Endzeit werden Spötter auftreten, die nach ihren eigenen Lüsten auf allen Wegen der Gottlosigkeit wandeln. Es sind jene, die Spaltungen verursachen, bloße Sinnenmenschen, die einen heiligen Geist nicht erhalten haben." Doch ihr, meine Lieben, sollt euren geistigen Aufbau vollenden auf der Grundlage eures durch und durch geheiligten Glaubens; betet unter der Leitung eines heiligen Geistes, bleibet fest in der Liebe Gottes und lebet in der Erwartung, dass ihr durch das Erbarmen unseres Herrn Jesus Christus das künftige Leben erlangt. Manche werden von Zweifeln gequält. Habt Mitleid mit ihnen, reißt sie aus diesem Feuer heraus und rettet sie. Andere verdienen ebenfalls euer Mitleid; doch seid dabei auf der Hut und scheut euch, auch nur das Kleid zu berühren, das von ihren Fleischessünden beschmutzt wurde. Der Eine aber kann euch vor allem Straucheln bewahren und euch die Kraft geben, vor seinem in Herrlichkeit erstrahlenden Auge unsträflich und unter Frohlocken zu erscheinen. Ihm, dem alleinigen Gott, der durch unsern Herrn Jesus Christus unser Retter ist, steht die Herrlichkeit und Majestät, die Kraft und Macht zu, wie vor allen Zeiten, so auch jetzt und für alle Zukunft. - Amen. Was hier folgt, ist eine Offenbarung, die von Jesus Christus stammt. Gott ließ sie ihm zuteil werden, damit er seinen Dienern die Ereignisse anzeigen könne, die in schneller Aufeinanderfolge eintreten sollen. Christus sandte nun seinen Engel und teilte sie durch ihn seinem Diener Johannes mit. So wurde dieser ein Zeuge des Heilsplans Gottes, sowohl was das Vergangene als auch was das Zukünftige betrifft, soweit er infolge der Kundgebung Jesu Christi darin einen Einblick erhielt. Glücklich zu preisen ist, der, welcher die Worte dieser Kundgebung Gottes vorliest, sowie diejenigen, welche sie vorlesen hören und ihren Inhalt zu Herzen nehmen. Denn der entscheidende Augenblick ist für jeden gekommen. Johannes entbietet den sieben Gemeinden in Kleinasien seinen Gruß. Gnade sei mit euch und Friede von dem, welcher der Inbegriff alles Seins ist, war und sein wird, - und von den sieben Geistern, die vor seinem Throne stehen, - und von Jesus Christus, dem gottestreuen Zeugen, dem Erstgebornen aus dem Reich der geistig Toten und dem Machthaber über die Könige der Erde. Ihm, der uns liebt und uns durch sein Blut von der Sünde des Abfalls befreite und uns zur Königs- und Priesterwürde im Reiche seines Gottes und Vaters erhob, - ihm sei der Ruhm und die Stärke alle Zeitperioden hindurch! Amen. Seht, er kommt mit seinen Geisterscharen, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, welche ihm jede Schmach angetan hatten; und seinetwegen werden wehklagen alle Geister der irdischen Sphären. Das ist gewiss und wahr. "Ich bin das Alpha und das Omega - der Anfang und das Ende -", spricht Gott der Herr. "Ich bin der Inbegriff alles Seins, war es und werde es für immer sein, - Ich, der alle Macht in sich vereinigt." Ich, euer Bruder Johannes, der ich mit euch teilnehme an den Leiden, aber auch an der Königswürde und der Standhaftigkeit Christi Jesu, - war nach der Insel gebracht worden, die Patmos heißt, weil ich das Wort Gottes verkündigt und für Christus Zeugnis abgelegt hatte. Da - es war an einem Sonntag - wurde mein Geist aus dem Körper entrückt; ich hörte hinter mir eine Stimme, gewaltig stark, wie ein Posaunenton. Sie sprach: "Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es an folgende sieben Gemeinden: Nach Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodicea." Da wandte ich mich um und wollte sehen, was das für eine Stimme sei, die mit mir sprach. Als ich nun umschaute, erblickte ich sieben goldne Leuchter und zwischen den Leuchtern jemand, der einem Menschen glich. Er hatte ein Gewand an, das bis auf die Füße reichte. Um seine Brust trug er einen goldnen Gürtel. Haupt und Haar waren weiß, wie schneeweiße Wolle. Seine Augen glänzten wie Feuerflammen; seine Füße glichen dem Golderz, das im Feuer glühend gemacht ist. Seine Stimme klang wie das Rauschen vieler Wasser. In seiner rechten Hand hielt er sieben Sterne. Aus seinem Mund kam ein zweischneidiges scharfes Schwert hervor; sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, wenn sie mit ihrer ganzen Kraft scheint. Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Da legte er seine Hand auf mich und sagte: "Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte. Auch ich gehörte einst zum Reiche der geistig Toten; aber siehe, jetzt habe ich das geistige Leben für alle Zeiten. Ich habe die Schlüssel des Todesfürsten und seines Totenreiches. Schreibe nun auf, was du sahest und was es bedeutet, sowie das, was dir nachher noch gezeigt wird." "Das geheimnisvolle Bild der sieben Sterne, die du zu meiner Rechten sahest, und der sieben goldnen Leuchter bedeutet folgendes: Die sieben Sterne sind die Apostel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden selbst." "Dem Apostel der Gemeinde in Ephesus schreibe: So spricht der, welcher die sieben Sterne in seiner Rechten hält und zwischen den sieben goldenen Leuchtern wandelt: Ich kenne deine Werke, deine Mühsal und deine Standhaftigkeit. Ich weiß, dass du Schlechtgesinnte nicht ertragen kannst. Du hast die Leute geprüft, die sich fälschlich für Apostel ausgeben, und hast sie als Lügner entlarvt. Du bist standhaft geblieben und hast um meines Namens willen gelitten und doch nicht den Mut verloren. Aber eins habe ich an dir auszusetzen: Du hast in deiner ersten Liebe nachgelassen. Denke nur selbst nach, von welcher Höhe du herabgekommen bist. Ändere dich und zeige dich in deinen Taten wieder so, wie du anfangs warst. Tust du es nicht, dann komme ich dir ganz plötzlich und rücke den Leuchter von seiner Stelle, - wofern du deine Gesinnung nicht änderst. Die Anerkennung muss ich dir allerdings zollen, dass dir das Treiben der Nikolaiten zuwider ist, wie es auch mich anekelt. - Wer ein Ohr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem Baume des Lebens, der im Paradiese meines Gottes steht." "Dem Apostel der Gemeinde in Smyrna schreibe: So spricht der Erste und der Letzte, der zu den geistig Toten hinabstieg und wieder in das Reich des geistigen Lebens zurückkehrte: Ich kenne dein Tun, deine Bedrängnis und deine Armut. In Wirklichkeit aber bist du reich. Ich weiß auch, dass du von denen geschmäht wirst, die sich Juden nennen, aber doch keine wahren Juden sind, sondern eine Synagoge Satans. Fürchte dich nicht vor den Leiden, die dir noch bevorstehen. Siehe, Satan hat vor, einige von euch ins Gefängnis zu werfen, um euch dadurch zum Abfall zu verleiten. Zehn Tage lang werdet ihr diese Drangsal auszuhalten haben. Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir den Siegeskranz des Lebens geben, Wer ein Ohr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem soll eine nochmalige Trennung von Gott erspart bleiben." "Dem Apostel der Gemeinde von Pergamon schreibe: So spricht der, welcher das zweischneidige scharfe Schwert hat: Ich kenne dein Tun und weiß, wo du wohnst, nämlich dort, wo Satan seinen Thron aufgeschlagen hat. Doch du hältst an meinem Namen fest; du hast den Glauben an mich auch in den Tagen meines treuen Zeugen Antipas nicht verleugnet, der in eurer Stadt, der Residenz Satans, ermordet wurde. Doch ich habe einiges an dir zu tadeln. Du hast nämlich Leute in deiner Gemeinde, die den Rat befolgen, den einst Bileam erteilte, als er dem Balak die Weisung gab, die Kinder Israels zur Teilnahme an den Götzenopfern und an der dabei getriebenen Unzucht zu veranlassen und dadurch zur Sünde des Abfalls zu verführen, So hast auch du Anhänger der Nikolaiten in deiner Gemeinde, die Ähnliches lehren. Hier musst du Wandel schaffen: sonst komme ich dir gar bald und werde mit dem Schwert meines Mundes gegen sie kämpfen. - Wer ein Ohr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt: Wer überwindet, dem will ich von dem verborgenen Manna geben; auch will ich ihm einen weißen Stein schenken, auf dem ein neuer Name geschrieben steht: diesen Namen kennt niemand außer dem, der ihn empfängt." "Dem Apostel der Gemeinde in Thyatira schreibe: So spricht der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen, und dessen Füße dem Golderz gleichen: Ich kenne dein Tun, deine Liebe, deinen Glauben, deine Hilfsbereitschaft und deine Standhaftigkeit. Ich weiß, dass in der letzten Zeit deine guten Werke noch zahlreicher sind als im Anfang. Doch den einen Tadel muss ich gegen dich aussprechen, dass du das Weib Isebel zu viel gewähren lässt. Sie gibt vor, ein Medium des Guten zu sein und hält Lehrvorträge, verführt jedoch meine Diener dazu, Götzendienst zu treiben und Götzenopferfleisch zu essen. Ich hatte ihr eine bestimmte Frist zur Umkehr gewährt; aber sie will von ihrem Verkehr mit der niedern Geisterwelt nicht ablassen. Siehe, ich werfe sie aufs Krankenlager und stürze die, welche sich an ihrem Götzendienst beteiligen, in große Trübsal, wofern sie sich nicht von dem Treiben dieser Frau abwenden. Ihre Kinder werde ich sterben lassen. Dann werden alle Gemeinden erkennen, dass ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht. Einem jeden in eurer Gemeinde werde ich vergelten nach seinem Tun. Euch andern aber in Thyatira, die ihr keine Anhänger dieser Lehre seid und nichts wissen wolltet von den sogenannten 'Tiefen Satans' - euch sage ich. Ich werde euch keine weitere Bürde mehr auflegen. Nur haltet fest an dem, was ihr besitzt, bis ich komme." "Wer überwindet und bis zum Ende meine Werke vollbringt, dem will ich Macht über die bösen Geistermächte verleihen; er soll sie mit eisernem Stabe vor sich hertreiben und sie zusammenschlagen, wie man Töpfergeschirr zusammenschlägt. Es ist dieselbe Macht, die ich von meinem Vater empfangen habe. Auch will ich ihm den Morgenstern geben. Wer ein Öhr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt." "Dem Apostel der Gemeinde in Sardes schreibe: So spricht der, welcher die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat: Ich kenne dein Tun. Du hast den Namen, dass du lebest, bist aber tot. Stehe wieder von den Toten auf und gib den übrigen Gemeindegliedern, die auch schon am Sterben sind, neue Kraft. Ich fand, dass dein Tun vor dem Angesichte meines Gottes nicht bestehen konnte. Denke zurück, auf welche Weise du die Heilsbotschaft bekommen und vernommen hast; richte dich danach und ändere deine Gesinnung; willst du aber nicht mehr zum geistigen Leben erwachen, so werde ich kommen, wie ein Dieb. Du sollst nicht erfahren, zu welcher Stunde ich dich überfallen werde. Du hast jedoch einige Gemeindeglieder in Sardes, die ihr Gewand nicht befleckt haben. Diese sollen mit mir in weißen Kleidern einhergehen; denn sie verdienen es." "Wer Sieger bleibt, soll in ein weißes Gewand gekleidet werden; seinen Namen werde ich aus dem Buch des Lebens nicht mehr auslöschen, sondern ihn vor meinem Vater und seinen Engeln bekennen." "Wer ein Ohr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt." "Dem Apostel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: So spricht der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat, - der da öffnet, wo niemand schließen kann, und der da zuschließt, wo niemand öffnen kann: Ich kenne dein Tun. Siehe, ich habe eine Türe vor dir aufgetan, die niemand zu schließen vermag. Zwar besitzest du nur eine geringe Kraft; aber du hieltest doch an meiner Lehre fest und verleugnetest meinen Namen nicht. Siehe, ich werde es folgendermaßen fügen: Leute aus der Synagoge Satans, die sich Juden nennen, es aber nicht sind, - Lügner sind sie - siehe, diese werde ich veranlassen, zu dir zu gehen, sich dir zu Füßen zu werfen und zu erkennen, dass ich dich in mein Herz geschlossen habe. Weil du an meiner Lehre mit aller Standhaftigkeit festhieltest, so will auch ich dich behüten und aus der Stunde der Prüfung erretten, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um alle Bewohner der Erde auf die Probe zu stellen, Ich komme bald. Halte fest, was du hast, damit dir niemand deine Krone raube." "Wer Sieger bleibt, den will ich zu einer Säule im Tempel meines Gottes machen, und er soll seinen Platz dort nie wieder verlieren. Auf seine Stirne will ich den Namen meines Gottes schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes, des Neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herabkommt, von dort, wo mein Gott thront. Auch meinen eigenen Namen, - den neuen, - werde ich auf seine Stirne schreiben." "Wer ein Ohr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt." "Dem Apostel der Gemeinde in Laodicea schreibe: So spricht der, welcher das Amen ist, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Erste von allem, was Gott geschaffen hat: Ich kenne dein Tun. Ich weiß, dass du weder kalt noch warm bist. O wärest du doch entweder kalt oder warm! So aber, wo du lau bist, also weder kalt noch warm, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als dich aus meinem Munde auszuspeien. Du sagst: Ich bin reich, ich selbst habe mir den Reichtum verschafft und habe nichts mehr nötig. Und dabei weißt du nicht, dass gerade du so elend und bemitleidenswert, so arm und blind und nackt bist. Ich rate dir daher: Kaufe dir Gold von mir, das im Feuer geläutert ist, damit du wahrhaft reich werdest. Kaufe dir weiße Kleider, die du anziehen kannst, damit nicht die ganze Welt die Schande deiner Nacktheit sieht; und kaufe die Heilsalbe zum Bestreichen deiner Augen, damit du wieder klar sehen kannst. Ich strafe und züchtige alle, die ich liebe. Zeige also neuen Eifer und ändere dich! Siehe, ich stehe vor der Türe und klopfe an. Wenn jemand auf meine Stimme hört und mir die Türe öffnet, dann will ich bei ihm eintreten und das Mahl mit ihm halten und er mit mir." "Wer den Sieg davon trägt, den will ich mit mir zusammen auf meinem Thron Platz nehmen lassen; denn auch ich habe den Sieg davongetragen und durfte mich zu meinem Vater auf dessen Thron setzen." "Wer ein Ohr dafür hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt." Hierauf schaute ich folgendes Bild: Ich sah, wie eine Türe im Himmel geöffnet wurde, und die Stimme, die ich vorher mit der Stärke eines Posaunentones zu mir hatte sprechen hören, sagte: "Komm hierher, ich will dir zeigen, was künftig sich ereignen muss." Sofort wurde mein Geist dem Körper entrückt. Und siehe, da stand ein Thron im Himmel. Auf dem Throne saß einer; und der da saß, hatte den Glanz eines Jaspis und eines Karneolsteines. Den Thron selbst umgab ein Regenbogen, der wie ein Smaragd strahlte. Rings um den Thron standen vierundzwanzig andere Throne. Auf ihnen sah ich vierundzwanzig Älteste sitzen. Sie waren in weiße Gewänder gekleidet und hatten goldene Kronen auf dem Haupte. Von dem Throne gingen Blitze, Stimmen und Donnerschläge aus. Sieben Feuerfackeln brannten vor dem Throne. Das sind die sieben Geister Gottes. Der Platz vor dem Throne sah sich an, wie ein Meer von Kristallglas. Mitten vor dem Thron standen in einem Kreise vier lebende Wesen, die vorn und hinten mit Augen übersät waren. Das erste Wesen sah aus, wie ein Löwe, das zweite wie ein Stier, das dritte hatte das Gesicht eines Menschen und das vierte glich einem fliegenden Adler, Jedes dieser Wesen hatte sechs Flügel und zwar eins wie das andere, und diese Flügel waren ringsum sowohl von innen als auch von außen mit Augen bedeckt. Ohne Aufhören rufen sie bei Tag und Nacht: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war, der da ist und der da sein wird. Jedes Mal, wenn diese Wesen Preis, Ehre und Dank dem darbringen, der auf dem Throne "sitzt und alle Zeiten hindurch lebt, werfen sich die vierundzwanzig Altesten vor dem nieder, der auf dem Throne sitzt und beten den an, der immerdar lebt, und legen ihre Kronen vor dem Throne nieder und rufen: "Würdig bist du, Herr unser Gott, Preis und Ehre und Macht zu besitzen; denn du hast alles geschaffen. Alles war so, wie du es haben wolltest, und alles wurde nach deinem Willen gestaltet." Dann sah ich in der rechten Hand dessen, der auf dem Throne saß, eine Buchrolle. Sie war inwendig beschrieben und auswendig mit sieben Siegeln versiegelt. Nun sah ich einen gewaltigen Engel. Dieser rief mit lauter Stimme: "Wer ist würdig, das Buch zu öffnen und seine Siegel zu lösen?" Doch weder im Himmel noch auf Erden noch unter der Erde fand sich einer, der das Buch zu öffnen und hinein zu schauen vermochte. Da begann ich laut zu weinen, weil niemand würdig befunden wurde, das Buch zu öffnen und hinein zu schauen, - - - Darauf sah ich in der Mitte zwischen dem Throne und den vier Wesen und in der Mitte der Ältesten ein Lamm stehen. Es sah aus, als wäre es geschlachtet. Es hatte sieben Hörner und sieben Augen; das sind die sieben Geister Gottes, die als Boten Gottes in der ganzen irdischen Schöpfung zu wirken haben. Da ging das Lamm hin und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Throne saß. Als er nun das Buch genommen hatte, fielen die vier Wesen und die vierundzwanzig Altesten vor dem Lamme nieder. Jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Weihrauch, - ein Sinnbild der Gebete der Gottestreuen. Sie sangen ein neues Lied. Es lautete: "Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu brechen; denn du hast dich schlachten lassen und mit deinem Blute Geschöpfe aus allen Stämmen und Sprachen, Völkern und Nationen für Gott losgekauft. Du machtest sie für die Sache unseres Gottes zu Königen und Priestern, und sie sollen herrschen in den irdischen Sphären." Wieder sah ich hin. Da vernahm ich die Stimme von vielen Engeln, die rund um den Thron und die vier Wesen und die Ältesten standen. Ihre Zahl war zehntausend mal tausend. Sie riefen mit lauter Stimme: "Würdig ist das Lamm, das sich hat schlachten lassen, zu empfangen Macht und Reichtum, Weisheit und Kraft, Ehre, Herrlichkeit und Lobpreis!" Und jedes Geschöpf, das im Himmel, auf der Erde, unter der Erde und im Meere ist, ja alles, was darin lebt, hörte ich sagen: "Dem, der auf dem Throne sitzt und dem Lamme, gebühren Lobpreis und Ehre, Herrlichkeit und Macht für alle Zeiten." Und die vier Wesen sagten: "Amen!" Die Ältesten aber fielen nieder und beteten an. Darauf sah ich, wie das Lamm das erste von den sieben Siegeln öffnete, und ich hörte eins von den vier Wesen wie mit Donnerstimme rufen: "Komm und sieh!" Da erblickte ich ein weißes Ross. Ein Reiter saß darauf und hatte einen Bogen. Es wurde ihm ein Siegeskranz gereicht, und er zog dann aus von Sieg zu Sieg. Nun öffnete das Lamm das zweite Siegel, und ich hörte das zweite Wesen rufen: "Komm und sieh!" Da kam ein anderes Ross, ein feuerrotes, zum Vorschein. Auch darauf saß ein Reiter. Ihm wurde die Macht gegeben, den Frieden von der Erde wegzunehmen, damit die Menschen sich gegenseitig hinmordeten. Auch wurde ihm ein Schwert gereicht. Als das Lamm das dritte Siegel löste, hörte ich das dritte Wesen rufen: "Komm und sieh!" Da erschien ein schwarzes Ross. Sein Reiter hielt eine Waage in seiner Hand. Nun hörte ich eine Stimme aus der Mitte der vier Wesen rufen: "Ein Speisemaß Weizen für ein Silberstück; doch dem Öl und Wein sollst du keinen Schäden zufügen." Dann öffnete das Lamm das vierte Siegel, und ich hörte das vierte Wesen laut rufen: "Komm und sieh!" Da sah ich hin und erblickte ein fahles Ross. Darauf saß ein Reiter, der hieß 'Tod'; und die Bewohner des Totenreiches waren in seinem Gefolge. Ihnen wurde die Macht gegeben, den vierten Teil der Erdenbewohner zu töten durch das Schwert, durch Hunger, Pest und durch die wilden Tiere der Erde. Als dann das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die hingemordet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie für das Lamm abgelegt hatten, und an dem sie festhielten. Sie riefen mit lauter Stimme: "Wie lange, o Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, willst du noch warten, bis du das Gericht abhältst und unser Blut an den Erdenbewohnern rächst?" Da wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben und ihnen gesagt, sie möchten sich noch eine kurze Zeit gedulden, bis die Zahl ihrer Mitknechte voll geworden sei und die Zahl ihrer Brüder, die in gleicher Weise hingemordet würden, wie sie. Weiter sah ich, wie das Lamm das sechste Siegel löste. Da entstand ein gewaltiges Erdbeben. Dabei wurde die Sonne schwarz wie ein härenes Sackkleid. Der Vollmond sah aus wie Blut; die Sterne des Himmels fielen zur Erde, wie ein Feigenbaum seine unreifen Früchte abwirft, wenn ihn ein Sturmwind schüttelt. Der Himmel verschwand wie eine Buchrolle, die man zusammenrollt; und alle Berge und Hügel wurden von ihrer Stelle gerückt. Die Könige der Erde, die Würdenträger und Heerführer, die Reichen und Mächtigen, alle Sklaven und Freien verkrochen sich in Höhlen und zwischen Gebirgsfelsen. Den Bergen und Felsen riefen sie zu: "Fallet auf uns und verberget uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Throne sitzt, und vor dem Zorn des Lammes. Denn gekommen ist der große Tag ihres Strafgerichtes. Wer kann da bestehen?" Hierauf sah ich vier Engel an den vier Enden der Erde stehen. Sie hielten die vier Winde der Erde fest, damit kein Wind über das Land, das Meer und irgend einen Baum wehen sollte. Ferner sah ich einen andern Engel von Osten her emporsteigen, der das Siegel des lebendigen Gottes in seiner Hand trug. Er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen die Macht erteilt worden war, Unheil auf dem Land und dem Meere anzurichten: "Richtet kein Unheil auf dem Land und auf dem Meere und an den Bäumen an, bis wir den Dienern unseres Gottes als Kennzeichen ein Siegel auf ihre Stirne gedrückt haben!" Dann vernahm ich die Zahl derer, denen das Siegel aufgedrückt wurde. Die Gesamtzahl der auf diese Weise Gekennzeichneten betrug hundertvierundvierzigtausend; sie gehörten allen Stämmen der Kinder Israels an: Zwölftausend waren aus dem Stamme Juda; zwölftausend aus dem Stamme Ruben; zwölftausend aus dem Stamme Gad; zwölftausend aus dem Stamme Aser; zwölftausend aus dem Stamme Nephtali; zwölftausend aus dem Stamme Manasse; zwölftausend aus dem Stamme Simeon; zwölftausend aus dem Stamme Levi; zwölftausend aus dem Stamme Isascher; zwölftausend aus dem Stamme Sebulon; zwölftausend aus dem Stamme Joseph; zwölftausend aus dem Stamme Benjamin. Hierauf sah ich eine große Menge, die niemand zählen konnte, sie gehörten allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen an. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamme. In weiße Gewänder waren sie gekleidet und hatten Palmzweige in ihren Händen. Sie riefen mit lauter Stimme: "Das Heil ist in der Hand unseres Gottes und. des Lammes!" Und alle Engel standen um den Thron und um die Altesten und die vier Wesen. Sie fielen vor dem Thron auf ihr Angesicht nieder und beteten Gott an, indem sie riefen: "Amen! Preis und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre, Macht und Stärke gebühren unserm Gott immerdar! Amen." Da sagte einer der Ältesten zu mir: "Wer sind wohl die in den weißen Gewändern? Woher sind sie gekommen?" Ich erwiderte: "Herr, du weißt es." Er entgegnete: "Das sind die, welche auf dem Wege durch große Trübsal hindurch ihre Kleider reinigten und im Blute des Lammes weiß machten. Darum dürfen sie vor dem Throne Gottes stehen und ihm Tag und Nacht in seinem Tempel dienen; und der. auf dem Throne sitzt, will bei ihnen wohnen; sie sollen keinen Hunger und keinen Durst mehr spüren; kein Sonnenstrahl soll mehr auf sie niederbrennen und keine Gluthitze sie treffen; denn das Lamm, das gegen die Mitte des Thrones zu seinen Platz hat, wird ihr Hirte sein und sie zu Wasserquellen des Lebens führen. Gott selbst wird alle Tränen von ihren Augen abwischen." Als nun das Lamm das siebente Siegel löste, trat eine Stille im Himmel ein, wohl eine halbe Stunde lang. Ich sah, wie den sieben Engeln, die vor Gott stehen, sieben Posaunen gereicht wurden. Dann kam ein anderer Engel und trat mit einer goldnen Räucherpfanne an den Altar. Es wurde ihm eine große Menge Räucherwerk gegeben, damit er es als Sinnbild der Gebete aller Heiligen auf dem goldnen Altar vor dem Throne opfere. Und die Wolke des Räucherwerkes stieg aus der Hand des Engels als Sinnbild der Gebete der Gottestreuen vor Gott empor. Hierauf nahm der Engel die Räucherpfanne, füllte sie mit glühenden Kohlen vom Altar und schleuderte sie auf die Erde. Da ertönte ein lautes Geschrei; Blitze fuhren nieder und Donnerschläge folgten, und die Erde erbebte. Hierauf machten sich die sieben Engel, welche die sieben Posaunen in ihrer Hand hatten, zum Blasen fertig. Der erste Engel blies. Da entstand Hagel und Feuer, mit Blut vermischt, und wurde auf die Erde geschleudert. Der dritte Teil der Erdoberfläche verbrannte, der dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras brannte nieder. Da blies der zweite Engel. Nun war es, als ob ein großer, feuerglühender Berg ins Meer geschleudert würde. Ein Drittel des Meeres wurde zu Blut, und ein Drittel der im Meere lebenden Geschöpfe fand den Tod, und ein Drittel der Schiffe wurde vernichtet. Nun begann der dritte Engel zu blasen. Da fiel ein großer Stern, der wie eine Fackel brannte, vom Himmel herab und traf den dritten Teil der Flüsse und der Wasserquellen. Der Name des Sternes ist 'Wermut'. Da wurde ein Drittel der Gewässer zu Wermut. Viele Menschen starben von dem Genuss des Wassers, weil es bitter geworden war. Der vierte Engel blies. Da ging eine Erschütterung durch den dritten Teil der Sonne, durch den dritten Teil des Mondes und durch den dritten Teil der Sterne, so dass dieses Drittel von ihnen sich verfinsterte. Der Tag hatte infolgedessen während eines dritten Teiles kein Licht und ebenso die Nacht. Hierauf sah ich einen Adler hoch oben am Himmel fliegen und hörte ihn mit einer gewaltigen Stimme rufen: "Wehe, wehe, wehe den Bewohnern der Erde wegen der Posaunenstöße der drei letzten Engel, die noch blasen werden." Nun blies der fünfte Engel. Da sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war. Ihm wurde der Schlüssel zum Schlund des Abgrundes gegeben. Er öffnete damit den Schlund des Abgrundes. Da stieg Rauch aus dem Schlunde, wie der Rauch eines gewaltigen Ofens. Die Sonne und der ganze Luftkreis wurde durch den Rauch des Schlundes verfinstert. Aus dem Rauch kamen Heuschrecken auf die Erde. Ihnen wurde eine Kraft gegeben, wie sie auf der Erde die Skorpione haben. Sie erhielten jedoch den Befehl, dem Gras der Erde, allem Grün und allen Bäumen keinen Schaden zuzufügen, sondern nur den Menschen, die nicht das Siegel Gottes auf ihrer Stirne trügen. Ferner erhielten sie die Weisung, die Menschen nicht zu töten, sondern sie fünf Monate lang zu quälen. Die Qual, die sie verursachten, ist so, wie ein Mensch von einem Skorpion gestochen wird. In jenen Tagen werden die Menschen den Tod suchen, aber nicht finden. Sie werden sich nach dem Tode sehnen, aber der Tod wird vor ihnen fliehen. Die Heuschrecken sahen wie Rosse aus, die zum Kriege gerüstet sind. Auf ihrem Kopf hatten sie Kronen wie von Gold. Ihre Gesichter glichen denen der Menschen. Sie hatten Haare so lang, wie Frauenhaare, und ihre Zähne waren wie das Gebiss eines Löwen. Sie hatten Brustharnische gleich eisernen Panzern. Das Rauschen ihrer Flügel klang wie das Gerassel von vielen Kriegswagen, wenn deren Rosse zum Kampfe stürmen. Auch haben sie Schwänze und Stacheln, wie Skorpione. In ihren Schwänzen liegt die Kraft, die Menschen fünf Monate lang zu quälen. Als König herrscht über sie der Engel des Abgrundes, der auf Hebräisch 'Abbadon', auf Griechisch 'Apollyon' heißt. Das erste 'Wehe' ist vorüber; es müssen also noch zwei 'Wehe' folgen. Da stieß der sechste Engel in die Posaune. Nun hörte ich von den vier Ecken des goldenen Altares her, der vor Gott steht, eine Stimme. Diese rief dem sechsten Engel, der die Posaune hatte, die Worte zu: "Binde die vier Engel los, die am großen Fluss Euphrat gefesselt sind." Da wurden die vier Engel losgebunden, die auf Stunde und Tag, auf Monat und Jahr in Bereitschaft standen, um den dritten Teil der Menschen zu vernichten. Die Zahl der Scharen des Reiterheeres betrug zweihundert Millionen. Ich vernahm diese Zahl. Und wie ich in meiner Vision sah, hatten die Rosse und ihre Reiter folgendes Aussehen: Sie trugen feuerrote, hyazinthblaue und schwefelgelbe Panzer. Die Köpfe der Rosse waren wie Löwenköpfe. Aus ihrem Maul kam Feuer, Rauch und Schwefel hervor. Durch diese drei Plagen wurde ein Drittel der Menschheit getötet, nämlich durch das Feuer, den Rauch und den Schwefel, der aus ihrem Maul hervorkam. Die Kraft dieser Rosse liegt nämlich in ihrem Maul und in ihrem Schweif. Ihre Schweife sehen wie Schlangen aus und haben Köpfe, mit denen sie Unheil anrichten. Der Rest der Menschheit, der durch diese Plagen nicht ums Leben gekommen war, bekehrte sich trotzdem nicht von seinem schlechten Tun. Er fuhr vielmehr fort, die bösen Geister und deren Bildnisse anzubeten, - Bildnisse, die aus Gold, Silber, Erz, Stein oder Holz angefertigt waren und darum weder sehen, noch hören, noch sich bewegen können. Diese Leute änderten ihre Gesinnung nicht, sondern sie mordeten, trieben Giftmischerei und Unzucht und begingen Diebstähle nach wie vor. Hierauf sah ich einen andern gewaltigen Engel vom Himmel herabkommen, der in eine Wolke gehüllt war. Der Regenbogen war über seinem Haupt; sein Antlitz sah wie die Sonne aus und seine Füße wie Feuersäulen. In seiner Hand hielt er ein kleines geöffnetes Buch. Seinen rechten Fuß setzte er auf das Meer, den linken auf das Land und rief mit lauter Stimme, wie wenn ein Löwe brüllt. Als sein Ruf verklungen war, ließen sieben Donner ihre Stimmen erschallen. Sobald die sieben Donner geredet hatten, wollte ich das Gehörte aufschreiben. Doch da vernahm ich vom Himmel her eine Stimme, die mir zurief: "Versiegele, was die sieben Donner geredet haben und schreibe es nicht auf!" Da hob der Engel, den ich auf dem Meer und auf dem Land hatte stehen sehen, seine rechte Hand zum Himmel empor und schwur bei dem, der in alle Zukunft lebt, der den Himmel erschaffen mit allem, was darin ist und die Erde mit allem, was darauf ist und das Meer mit allem, was es in sich birgt. Und sein Schwur lautete: "Von nun an wird es den Begriff der Zeit nicht mehr geben, sondern in den Tagen, wo die Stimme des siebenten Engels erschallt, mit dem Augenblick, wo er sich anschickt in die Posaune zu stoßen, ist der geheime Heilsplan Gottes zum Abschluss gekommen, den er seinen Knechten, den Propheten, als Freudenbotschaft mitgeteilt hat." Dann redete die Stimme, die ich vom Himmel her gehört hatte, zum zweitenmal zu mir und sprach: "Geh, nimm das geöffnete Büchlein aus der Hand des Engels, der auf dem Meer und auf dem Lande steht!" Da ging ich zu dem Engel und bat ihn, mir das Büchlein zu geben. Er gab mir zur Antwort: "Nimm es und iss es auf! Es wird dir im Magen einen bitteren Geschmack verursachen, aber deinem Munde wird es süß wie Honig sein." Ich nahm das Büchlein aus der Hand des Engels und aß es auf. Und es war mir im Munde süß wie Honig; doch als ich es gegessen hatte, wurde es mir bitter im Magen. Man sagte mir dann: "Es müssen durch dich noch weitere Geisterbotschaften verkündigt werden, die sich auf viele Völker und Nationen, Sprachen und Könige beziehen." Man gab mir dann ein Rohr, ähnlich einer Messrute. Dann trat der Engel zu mir und sagte: "Mache dich daran und miss den Tempel Gottes und den Altar und stelle die Zahl derer fest, die darin anbeten, Den Vorhof außerhalb des Tempels lass weg und miss ihn nicht; denn er wurde den Ungläubigen überlassen. Diese werden die Heilige Stadt zweiundvierzig Monate unter Hohngelächter durchwandern. Meinen zwei Zeugen will ich die Gnade verleihen, zwölfhundertsechzig Tage als Propheten aufzutreten, mit Bußgewändern angetan. Sie sind die beiden Ölbäume und die beiden Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen.5 Wenn sich jemand an ihnen vergreifen will, dann kommt Feuer aus ihrem Munde hervor und verzehrt ihre Feinde. Jeder, der sich an ihnen vergreifen will, muss auf diese Weise umkommen. - - - Diese haben die Macht, den Himmel zu verschließen, damit kein Regen während der Tage fällt, an denen sie als Propheten auftreten. Sie haben ferner die Macht, Wasser in Blut zu verwandeln und die Erde mit jeder Art von Plagen heimzusuchen, so oft sie wollen. Wenn sie dann den vollständigen Beweis für die Wahrheit erbracht haben, wird das Tier aus dem Abgrund heraufsteigen und mit ihnen den Kampf beginnen. Es wird den Sieg über sie davontragen und sie töten. Ihre Leichen wird man auf der Straße der großen Stadt unbegraben liegen lassen. Diese Stadt führt in der Geisterwelt den Namen Sodoma; es ist die Stadt, in der auch unser Herr gekreuzigt wurde. Und Leute aus allen Völkern und Stämmen, Sprachen und Nationen sehen ihre Leichen drei und einen halben Tag daliegen und werden nicht gestatten, dass sie in eine Gruft gelegt werden. Die Bewohner der Erde werden sich über deren Tod freuen; sie werden jubeln und vor Freude einander Geschenke geben; denn diese beiden Propheten hatten den Erdbewohnern Qualen bereitet. Doch nach Verlauf von drei und einem halben Tag kam wieder Lebensgeist von Gott in sie; sie stellten sich wieder auf ihre Füße, und große Furcht befiel alle, die sie sahen. Ich hörte eine laute Stimme vom Himmel her ihnen zurufen: "Kommet hier herauf!" Da fuhren sie in eine Wolke zum Himmel empor, und ihre Feinde sahen ihnen nach. In diesem Augenblick entstand ein gewaltiges Erdbeben. Der zehnte Teil der Stadt stürzte ein und siebentausend führender Persönlichkeiten fanden bei dem Erdbeben den Tod. Da gerieten die Überlebenden in Schrecken und gaben dem Gott des Himmels die Ehre. Das zweite Wehe war vorüber, und das dritte folgte auf dem Fuße. Der siebente Engel stieß in die Posaune. Laute Stimmen erschollen am Himmel, welche riefen: "Die Herrschaft über das Weltall fiel an unsern Herrn und seinen Gesalbten, und er wird König sein immerdar. Amen." Da fielen die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf ihren Thronen sitzen, auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: "Wir danken dir, Herr unser Gott, du Allmächtiger, der du der Inbegriff alles Lebens bist, warst und sein wirst, dass du deine gewaltige Macht wieder an dich genommen und deine volle Herrschaft wieder angetreten hast. Die Ungläubigen waren voll Erbitterung. Aber deine Strafe kam über sie, und der Zeitpunkt trat ein, wo die geistig Toten gerichtet wurden, und wo deine Diener ihren Lohn empfingen, nämlich deine Propheten und Gottestreuen und alle, die deinen Namen verehren, angefangen von den niedrigsten bis zu den höchsten, und dass vernichtet wurden die Verwüster der Erde." Da tat sich der Tempel Gottes im Himmel auf, und die Lade seines Bundes wurde in seinem Tempel sichtbar. Stimmen erschollen, Blitze leuchteten auf und Donnerschläge ertönten und ein gewaltiger Hagel ging nieder. Ein wunderbares Bild erschien am Himmel: Eine Frau, die mit der Sonne bekleidet war, den Mond unter ihren Füßen hatte und einen Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie trug ein Kind unter ihrem Herzen; die Geburtswehen kamen, und sie schrie laut auf unter den Qualen des Gebärens. Dann erschien plötzlich ein anderes Bild am Himmel: Ein großer, feuerroter Drache mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und sieben Kronen auf seinen Köpfen wurde sichtbar. Sein Schweif fegte den dritten Teil der Sterne vom Himmel weg und schleuderte sie auf die Erde. Und der Drache stellte sich vor das Weib, das gebären wollte, um ihr Kind sofort nach der Geburt zu verschlingen. Und sie gebar ein Kind, - einen Sohn - der alle Ungläubigen mit eisernem Stabe weiden sollte. Und ihr Kind wurde zu Gott und seinem Thron entrückt. Da floh die Frau in die Wüste, wo sie eine Stätte hat, die ihr von Gott bereitet wurde, damit man sie dort tausendzweihundertsechzig Tage pflege. Es erhob sich im Himmel ein Kampf. Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und der Drache und seine Engel setzten sich zur Wehr. Doch ihre Kräfte waren nicht groß genug, und es fand sich keine Möglichkeit mehr für sie, irgendeinen Platz im Himmel zu behaupten. So wurde der große Drache, die alte Schlange, die 'Teufel' und 'Satan' heißt, der Verführer des ganzen Weltalls, in die irdischen Sphären geschleudert, und mit ihm wurden auch seine Engel hinabgestürzt. Und ich hörte eine gewaltige Stimme im Himmel rufen: "Jetzt ist erschienen das Heil, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Gewalt seines Gesalbten. Denn gestürzt ist der Ankläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor Gott verklagte. Diese haben durch das Blut des Lammes und durch das Zeugnis, das sie für die Wahrheit ablegten, den Sieg über ihn davongetragen. Sie liebten ihr Leben nicht so, dass sie nicht bereit gewesen wären, für die Wahrheit zu sterben. Darum jubelt, ihr Himmel und ihr alle, die ihr darin wohnt! Wehe aber dir, Erde, und dir, o Meer! Denn der Teufel ist nun zu euch hinabgekommen, voll des Grimmes; denn er weiß, dass seine Zeit bald abgelaufen ist." Als sich nun der Drache auf die Erde geworfen sah, verfolgte er die Frau, die den Knaben geboren hatte. Da wurden der Frau zwei Flügel des großen Adlers gegeben, um in die Wüste an ihre Stätte zu fliegen, wo sie fern von dem Auge der Schlange ein Jahr und zwei Jahre und ein halbes Jahr gepflegt wird. Da spie die Schlange Wasser hinter der Frau her wie einen Strom, um sie mit diesem Strom hinweg zu schwemmen. Doch die Erde kam der Frau zu Hilfe, indem sie ihren Mund auftat und den Strom hinuntertrank, den der Drache aus seinem Rachen ausgespieen hatte. Da geriet der Drache über die Frau in Wut und machte sich daran, Krieg mit den übrigen ihrer Nachkommenschaft zu führen, - jener Nachkommenschaft, welche die Gebote Gottes hält und Zeugnis für Jesus ablegt. Da sah ich aus dem Meer ein Tier aufsteigen. Es hatte zehn Hörner und sieben Köpfe, auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen. Das Tier, das ich sah, glich einem Panther. Seine Tatzen waren die eines Bären und sein Maul wie der Rachen eines Löwen. Der Drache gab ihm seine Macht, seinen Thron und große Gewalt. Einer seiner Köpfe schien mir tödlich verwundet zu sein; doch die Wunde, die den Tod herbeizuführen drohte, wurde wieder geheilt. Die ganze Welt schaute voll Bewunderung auf das Tier. Man erwies dem Drachen die größte Verehrung, weil er dem Tier diese Gewalt verliehen hatte. Auch dem Tier selbst erwies man dieselbe Ehre und sprach: "Wer ist dem Tiere gleich und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen?" Dem Tier wurde die Fähigkeit zuteil, mit seinem Maul hochfahrende Dinge und Lästerworte zu reden. Man erlaubte ihm, dies zweiundvierzig Monate lang zu tun. Es öffnete sein Maul zu Lästerungen, die es gegen den Namen und das Heiligtum Gottes ausstieß, sowie gegen die, welche in dem himmlischen Heiligtum wohnen. Auch wurde ihm die Möglichkeit gegeben gegen die Gottesgläubigen den Kampf aufzunehmen und sie zu besiegen. Es wurde ihm Macht verliehen über alle Stämme und Völker, Sprachen und Nationen. Von den Bewohnern der Erde werden ihm alle diejenigen ihre Verehrung zollen, deren Namen nicht im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, - jenes Lammes, das sich seit Grundlegung der Welt als Schlachtopfer bereitgestellt hatte. Wer ein Ohr dafür hat, der höre: Wer andere in Gefangenschaft führt, muss selbst in Gefangenschaft wandern. Wer mit dem Schwert tötet, muss selbst durch das Schwert umkommen. Hier denke an die Standhaftigkeit und die Glaubenstreue der wahren Gottesverehrer. Nun sah ich ein anderes Tier von der Erde sich erheben. Es hatte zwei Hörner wie ein Widder, redete jedoch wie ein Drache. Es übt die ganze Macht des ersten Tieres vor dessen Augen aus und bringt die Bewohner der Erde dazu, das erste Tier zu verehren, dessen tödliche Wunde geheilt worden war. Auch vollführt es große Zeichen; es ist sogar imstande, vor den Augen der Menschen Feuer vom Himmel herab zu holen. Durch solche Zeichen, die es vor den Augen des ersten Tieres zu tun vermag, führt es die Bewohner der Erde auf Irrwege und veranlasst sie, dem ersten Tier ein Bildnis zu errichten, nämlich dem Tiere, das die Schwertwunde an sich trug und wieder zum Leben kam. Es wurde ihm die Macht gegeben, dem Bilde des ersten Tieres einen Geist zu verleihen, so dass das Bild des Tieres sprach. Es erreichte es, dass alle die, welche dem Bilde nicht ihre Verehrung zollten, umgebracht wurden. Auch bringt es alle, - die Niedern und Hohen, die Reichen wie die Armen, die Freien wie die Sklaven dazu, sich ein Erkennungszeichen auf die rechte Hand oder auf die Stirne zu machen. Und niemand wird kaufen oder verkaufen können, der nicht das Erkennungszeichen an sich hat, das entweder in dem Namen des Tieres oder in der Zahl seines Namens besteht. Um dies zu verstehen, ist Weisheit erforderlich. Wer das rechte Verständnis besitzt, rechne die Zahl des Tieres aus. Die Zahl ist nämlich die eines Menschen und sie beträgt sechshundertsechsundsechzig. Dann sah ich das Lamm auf dem Berge Sion stehen. Bei ihm waren hundertvierundvierzigtausend, die seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihrer Stirne geschrieben hatten. Ich hörte eine Stimme vom Himmel her wie das Dröhnen eines großen Wasserfalles und wie das Rollen eines gewaltigen Donners. Zugleich aber kam die Stimme, die ich hörte, mir vor, wie die Stimme von Harfensängern, die Lieder unter Harfenbegleitung singen. Es klang wie ein neues Lied, das vor dem Thron und den vier Wesen und den Ältesten gesungen wurde. Niemand konnte das Lied singen außer den hundertvierundvierzigtausend, die aus der Zahl der Erdenbewohner erkauft worden waren. Diese sind es, die sich nicht mit Weibern versündigt haben, sondern keusch geblieben sind. Sie folgen dem Lamme, wohin es geht. Sie wurden aus der Menschheit als Erstlingsgabe für Gott und für das Lamm erkauft. In ihrem Munde wurde keine Falschheit gefunden; denn sie sind ohne Makel. Dann sah ich einen andern Engel oben am Himmel fliegen. Er hatte eine Botschaft zu verkündigen, die für eine bestimmte Zeitperiode galt, und zwar bezog sie sich auf alle Nationen und Stämme, Sprachen und Völker. Er rief mit lauter Stimme: "Fürchtet euch, Gott zu beleidigen und gebet ihm die Ehre! Denn die Stunde ist da, wo die Entscheidung fällt. Betet den an, der den Himmel und die Erde, das Meer und die Wasserquellen ins Dasein rief!" Ein anderer, zweiter Engel begleitete ihn. Dieser rief: "Gefallen, ja gefallen ist das große Babylon, das alle Völker von dem Glutwein seines Götzendienstes trinken ließ!" Noch ein anderer Engel folgte ihnen als dritter. Dieser rief mit lauter Stimme: "Wer dem Tier und dessen Bildnis seine Verehrung erweist und dessen Erkennungszeichen an Stirn und Hand anbringen lässt, der soll von dem Zornwein Gottes zu trinken bekommen, der unvermischt im Becher seiner Strafe eingeschenkt ist. Er soll mit Feuer und Schwefel vor den Augen der Engel und des Lammes gepeinigt werden. Der Rauch des Ortes ihrer Qual steigt auf von einer Zeitperiode zur andern. Die Verehrer des Tieres und seines Bildnisses und die das Zeichen seines Namens an sich tragen, finden Tag und Nacht keine Ruhe." In wie ganz anderem Lichte aber steht demgegenüber die Standhaftigkeit der wahren Gottesverehrer, welche Gottes Gebote treu beobachten und festhalten an der Treue zu Jesus. - Und ich hörte eine Stimme vom Himmel her, welche sprach: "Schreibe! Von nun an werden die Toten glücklich zu preisen sein, die in der Gemeinschaft mit dem Herrn aus diesem Leben scheiden. Ja, - spricht der Geist - sie werden ausruhen von ihren Bedrängnissen; denn ihre Werke begleiten sie!" Da sah ich eine weiße Wolke. Auf der Wolke saß einer, der wie ein Mensch aussah. Auf seinem Haupte trug er eine goldne Krone; in seiner Hand hielt er eine scharfe Sichel. Ein anderer Engel kam aus dem Heiligtum hervor und rief dem, der auf der Wolke saß, mit lauter Stimme zu: "Lege deine Sichel an und beginne mit der Ernte! Denn die Erntezeit ist da. Die Ernte der Erde ist überreif!" Nun ließ der, welcher auf der Wolke saß, seine Sichel über die Erde gehen, und die Erde wurde abgeerntet. Dann trat ein anderer Engel aus dem Heiligtum des Himmels hervor. Er hatte gleichfalls eine scharfe Sichel. Und noch ein Engel kam vom Altare her. Er hatte über das Feuer zu gebieten und rief dem, der die scharfe Sichel hatte, mit lauter Stimme zu: "Lege deine scharfe Sichel an und ernte den Ertrag des Weinstockes der Erde ab! Denn seine Weintrauben sind reif geworden!" Da ließ der Engel seine Sichel über die Erde mähen und erntete den Weinstock der Erde ab. Die Trauben warf er in die große Kelter des Strafgerichtes Gottes. Die Kelter wurde draußen vor der Stadt getreten. Blut floss aus der Kelter hervor und stieg bis an die Zügel der Rosse, - zweihundert Meilen weit. Ein anderes großes und wunderbares Zeichen sah ich im Himmel. Es waren sieben Engel, welche die letzten sieben Plagen auszuführen hatten. Denn mit diesen fand die Strafe Gottes ihren Abschluss. Nun sah ich etwas, das einem mit Feuer vermischten Meer von Kristall glich. Die, welche den Sieg über das Tier und sein Bildnis und über die Zahl seines Namens errungen hatten, sah ich an dem kristallenen Meere stehen. Sie hatten Harfen Gottes in der Hand. Sie sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes. Es lautete: "Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr Gott, Allmächtiger! Gerecht und wahrhaft sind deine Wege, du König der Völker! Wer sollte sich nicht fürchten, dich zu beleidigen, und wer sollte deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig. Ja, alle Völker werden kommen und vor dir in Anbetung niedersinken; denn deine Schicksalswege haben sich als gerecht erwiesen!" Darauf schaute ich hin und sah, wie das Heiligtum der Stiftshütte im Himmel sich öffnete und die sieben Engel mit den sieben Plagen aus dem Heiligtum heraustraten. Sie waren in glänzend weiße Leinwand gekleidet und hatten um die Brust goldne Gürtel. Da gab eins von den vier Wesen den sieben Engeln sieben goldne Schalen, die mit den Strafen des in alle Zukunft lebenden Gottes angefüllt waren. Und das Heiligtum füllte sich mit Rauch von der Herrlichkeit Gottes und von seiner Macht. Niemand konnte in das Heiligtum eintreten, bis die sieben Plagen der sieben Engel ihr Ende erreicht hätten. Nun hörte ich eine laute Stimme aus dem Tempel den sieben Engeln zurufen: "Gehet hin und gießet die sieben Schalen der göttlichen Strafe auf die Erde aus!" Da ging der erste hin und goss seine Schale auf die Erde aus. Sofort kamen äußerst bösartige Geschwüre an die Menschen, die das Erkennungszeichen des Tieres trugen und dessen Bildnis verehrten. Dann goss der zweite seine Schale aus und zwar in das Meer. Da wurde das Meer zu Blut und sah aus wie das Blut von Erschlagenen; alle lebenden Wesen im Meere starben. Darauf goss der dritte seine Schale in die Flüsse und Wasserquellen. Auch sie wurden zu Blut. Und ich hörte den Engel der Gewässer sagen: "O Herr, du Heiliger! Du bist und warst stets gerecht, wenn du solche Strafurteile fälltest. Denn Blut von Heiligen und Propheten haben die Schuldigen vergossen; dafür hast du auch ihnen Blut zu trinken gegeben. Das ist ihre verdiente Strafe." Und ich hörte den Engel des Altares sagen: "Ja, allmächtiger Herr und Gott, deine Strafurteile gründen sich auf Wahrheit und entsprechen der Gerechtigkeit." Nun goss der vierte Engel seine Schale auf die Sonne aus. Da wurde ihr die Kraft gegeben, die Menschen durch Feuerglut zu vernichten. Und die Menschen wurden von einer gewaltigen Hitzewelle verzehrt und starben mit einem Fluch gegen den Gott auf ihren Lippen, der die Macht hat, solche Plage zu senden, - anstatt sich zu bekehren und Ihn als ihren Gott anzuerkennen. Der fünfte Engel goss seine Schale auf den Thron des Tieres aus. Da würde dessen Reich verfinstert. Die Menschen zerbissen sich die Zungen vor Schmerz, fuhren jedoch fort, den Gott des Himmels zu lästern wegen der ihnen zugefügten Qual und wegen der Geschwüre an ihrem Leibe, und sie ließen nicht ab von ihrem bösen Lebenswandel. Hierauf goss der sechste Engel seine Schale auf den großen Fluss Euphrat aus. Da trocknete sein Wasser aus, damit den Königen, die vom Osten her heranzogen, der Weg offen stände. Und ich sah aus dem Maul des Drachen und aus dem Maul des Tieres und aus dem Mundes des Lügenpropheten drei unreine Geister in der Gestalt von Fröschen hervorkommen. Sie sind nämlich Geister von Teufeln, die wunderbare Zeichen hervorbringen können. Sie ziehen aus und bemächtigen sich der Könige der ganzen Erde, um sie zum gemeinsamen Kampfe an jenem großen Tage zu veranlassen, an dem der allmächtige Gott gegen sie auftritt. Siehe, Gott kommt dann unerwartet wie ein Dieb. Glücklich zu preisen ist darum, wer da wacht und seine Kleider bereit hält, damit er nicht nackt einher zu gehen braucht und die Leute seine Schande nicht zu sehen bekommen. - Und jene Teufel sammelten die Könige an einem Platze, der auf Hebräisch 'Harmagedon' heißt. Nun goss der siebente Engel seine Schale in die Luft aus. Da erscholl eine laute Stimme aus dem himmlischen Tempel vom Throne her und rief: "Es ist vollbracht!" Es folgten Blitze, begleitet von Rufen und Donnerschlägen. Ein gewaltiges Erdbeben entstand, wie noch keins gewesen war, seit es Menschen auf der Erde gegeben hat - so stark und furchtbar war dieses Erdbeben. Dadurch fiel das große Staatsgebiet auseinander, und es bildeten sich drei Teile. Die Städte der Ungläubigen stürzten ein. Gott vergaß dabei nicht, dem großen Reiche Babylon den Becher des Glutweines seiner Strafe zu reichen. Jede Insel verschwand, und Berge waren nicht mehr zu finden. Ein gewaltiger Hagel mit pfundschweren Stücken fiel vom Himmel auf die Menschen hernieder. Diese aber lästerten Gott wegen der Hagelplage; denn eine solche Plage ist entsetzlich. Hierauf kam einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen hatten, zu mir und sprach: "Komm, ich will dir das Strafgericht zeigen, das an der großen Buhlerin vollzogen wird, die an den vielen Wassern thront, und mit der die Könige der Erde buhlten, und an deren Unzuchtswein die Bewohner der Erde sich berauschten!" Da löste sich mein Geist vom Körper, und der Engel führte mich in eine Wüste. Dort sah ich ein Weib auf einem scharlachroten Tiere sitzen. Dieses Tier war mit gotteslästerlichen Namen über und über bedeckt und hatte sieben Köpfe und zehn Hörner. Das Weib war in Purpur und Scharlach gekleidet und mit Gold, Edelsteinen und Perlen reich. geschmückt. In seiner Hand hielt es einen goldnen Becher, der mit götzendienerischen Gräuel und dem Schmutz der Buhlerei der ganzen Erde angefüllt war. Auf seiner Stirne stand ein Name geschrieben, dessen Bedeutung ein Geheimnis ist. Er lautete: "Babylon die Große - die Mutter der Buhlerinnen und der Gräuel der ganzen Erde." Ich sah das Weib trunken vom Blut der Gottestreuen und vom Blut der Zeugen Jesu. Beim Anblick des Weibes geriet ich in großes Staunen. Da wandte sich der Engel mit den Worten an mich: "Warum bist du so erstaunt? Ich will dir Aufschluss geben über das geheimnisvolle Weib und über das Tier, auf dem es sitzt, und das die sieben Köpfe und die zehn Hörner hat. Das Tier, das du gesehen, war schon früher einmal da, ist aber jetzt nicht mehr zu sehen. Doch wird es wieder aus dem Abgrund emporsteigen und sich auch wieder an den Ort der Verdammnis zurückziehen. Jene Bewohner der Erde, deren Namen nicht verzeichnet stehen in dem Buche des Lebens, das seit Grundlegung des Weltalls geführt wird, werden sich wundern, wenn sie sehen, dass das Tier einmal da war, dann verschwand und dann wieder erscheint. Hier muss Verstand mit Weisheit gepaart sein um dies verstehen zu können. Die sieben Köpfe sind die sieben Hügel, auf denen das Weib thront. Sie bedeuten zugleich sieben Könige. Fünf von ihnen stürzten in den Abgrund. Einer ist noch hier, und der andere ist noch nicht gekommen. Und wenn dieser kommt, dann soll er nur kurze Zeit bleiben. Das Tier, das früher schon einmal da war, jetzt aber verschwunden ist, ist selbst der achte König, gehört jedoch trotzdem zu den sieben und sinkt wieder in die Verdammnis. - Die zehn Hörner, die du sahest, sind zehn Könige, welche die Herrschaft noch nicht empfangen haben. Doch erlangen sie königliche Macht zu gleicher Zeit mit dem Tiere, aber nur für eine Stunde. Sie haben alle die gleiche Gesinnung und stellen alle Mittel ihrer Macht dem Tiere zur Verfügung. Sie werden gegen das Lamm in den Kampf ziehen, aber das Lamm wird sie besiegen. Denn das Lamm ist der Herr der Herren und der König der Könige. Seine Kampfgenossen sind eigens dazu berufen und ausgesucht und gehören zu seinen Getreuen." Dann fuhr der Engel fort: "Die Wasser, an denen du die Buhlerin thronen sahest, sind Völkerschaften, Nationen und Sprachen. Und die zehn Hörner, die du erblicktest, werden im Verein mit dem Tiere die Buhlerin hassen, werden sie berauben und ausplündern und sie nackt ausziehen, werden dann ihr Fleisch verzehren und sie selbst im Feuer verbrennen. Denn Gott hat ihnen den Gedanken eingegeben, seinen eigenen Ratschluss auszuführen und zu diesem Zwecke sich einmütig zu entschließen, ihre Machtmittel so lange dem Tiere zur Verfügung zu stellen, bis die Aussprüche Gottes erfüllt sind. Das Weib, das du sahest, ist die große Machtorganisation, welche die Herrschaft über die Könige der Erde besitzt." Darauf sah ich einen andern Engel vom Himmel herabkommen. Er hatte eine gewaltige Kraft, und die Erde wurde von seinem Glanz hell erleuchtet. Er rief mit mächtiger Stimme: "Gefallen, gefallen ist Babylon - die Große. Sie wurde zu einer Wohnstätte von Teufeln und zu einer Garnison aller unreinen Geister und zu einem Sammelplatz aller schmutzigen und ekelhaften Tiere. Denn vom Glutwein ihrer Unzucht haben alle Ungläubigen getrunken. Die Könige der Erde buhlten mit ihr, und die Kaufleute der Erde wurden durch ihre maßlose Üppigkeit reich." Eine andere Stimme hörte ich vom Himmel her rufen: "Entferne dich von ihr, mein Volk, damit du an ihren Sünden nicht mitschuldig und von den Plagen nicht betroffen wirst, mit der sie heimgesucht wird. Ihre Sünden haben sich ja himmelhoch aufgetürmt, und Gott verlor ihre Freveltaten nicht aus dem Gedächtnis. Zahlet ihr heim, was sie euch angetan und gebet ihr doppelt zurück, was sie euch zugefügt. Den Giftbecher, den sie für euch gemischt hat, den mischt zweimal für sie. In dem Maße, wie sie sich in eitler Ruhmsucht und Schwelgerei überhoben hat, in demselben Maße messt ihr Qual und Leid zu. Weil sie in ihrem Herzen denkt: "Ich throne hier als Königin und bin keine Witwe und werde niemals Trauer erleben" - darum sollen die für sie bestimmten Plagen an einem und demselben Tage über sie hereinbrechen. Es sollen kommen Tod, Trauer und Hungersnot, und schließlich soll sie ganz im Feuer brennen. Denn Gott der Herr, der dieses Urteil über sie gesprochen hat, ist stark genug, es zu vollstrecken. Die Könige der Erde werden dann um sie weinen und wehklagen, wenn sie den Rauch von ihrem Brande sehen. Sie pflegten ja mit ihr zu buhlen und zu schwelgen. Von ferne werden sie stehen bleiben aus Furcht, es möchte ihre Strafe auch sie treffen. Sie werden in die Klageworte ausbrechen: "Wehe, wehe, du große Stadt - du Babylon - du starke Stadt! In einer einzigen Stunde ist das Strafgericht über dich hereingebrochen." - Auch die Kaufleute der Erde weinen und trauern um sie, weil jetzt keiner mehr ihre Waren kauft: Gold- und Silberwaren, Edelsteine und Perlen, feine Leinwand und Purpur, Seide und Scharlach, all das duftende Holz vom Zitronenbaum und alle Geräte von Elfenbein, sowie allerlei Geräte aus kostbarem Holz, aus Erz, Eisen und Marmor; auch Zimt und Salbe, Räucherwerk, Myrrhe und Weihrauch, Wein und Öl, Feinmehl und Weizen, Zugvieh und Schafe, Pferde und Wagen, leibliche und geistige Sklaven. Auch das Obst, wonach du verlangtest, ist dir für immer genommen. Aller Glanz und Flitter ist dir verloren gegangen und wird gewiss nicht mehr zu finden sein. Die Kaufleute, die mit diesen Dingen Handel treiben und an ihr reich geworden waren, werden aus Furcht vor ihrer Strafe weinend und trauernd von ferne stehen bleiben und ausrufen: "Wehe, wehe, du Stadt, du große! Die du dich in feine Leinwand, in Purpur und Scharlach kleidetest und mit Gold, Edelsteinen und Perlen reich geschmückt warst! Ach, dass eine einzige Stunde diesen großen Reichtum vernichtet hat!" Und alle Steuerleute und alle Küstenfahrer, das Schiffsvolk und alle, die auf dem Meere zu tun hatten, standen von ferne, und als sie den Rauch von ihrem Brande sahen, riefen sie laut aus: "Wo ist eine Stadt so groß wie diese?" Sie warfen sich Staub aufs Haupt und riefen unter Weinen und Wehklagen: "Wehe, wehe, du große Stadt, in der alle, die Schiffe auf dem Meer hatten, von ihrem Wohlstand reich geworden sind! In einer einzigen Stunde ist sie verödet!" - Freue dich über sie, o Himmel! Ihr Heiligen, ihr Apostel und Propheten, freuet euch! Denn Gott hat an ihr das Strafgericht vollzogen, dass sie euretwegen verdient hat." Da hob ein starker Engel einen Stein auf, der so groß war, wie ein Mühlstein und schleuderte ihn ins Meer mit den Worten: "So soll mit gewaltigem Schwung die große Stadt Babylon hingeschleudert werden und nicht mehr zu finden sein! Kein Ton von Harfenspielern und Sängern, von Flöten und Trompetenbläsern soll je wieder in dir erklingen! Auch kein Künstler irgendeines Kunstfaches soll noch in deinen Mauern gefunden werden! Kein Geräusch einer Mühle soll fernerhin mehr dann gehört werden! Kein Licht einer Lampe soll mehr in dir scheinen; kein Jubel eines Bräutigams und einer Braut sich darin vernehmen lassen! Denn deine Kaufleute sind die Großen der Erde gewesen, weil alle Völker durch deinen Zauberglanz verblendet wurden. In dir wurde das Blut von Propheten und Gottestreuen und all derer gefunden, die auf der Erde hingemordet worden sind." Hierauf hörte ich einen Schall, wie der laute Jubel einer großen Schar, die im Himmel den Ruf erschallen ließ: "Hallelujah! Das Heil, die Herrlichkeit und die Macht gehören unserm Gott! Seine Strafgerichte sind auf Wahrheit gegründet und entsprechen der Gerechtigkeit! Gerichtet hat er die große Buhlerin, welche die Erde mit ihrer Unzucht ins Verderben stieß und hat das Blut seiner Knechte von ihrer Hand gefordert!" Und zum zweitenmal erscholl ihr Ruf: "Hallelujah! Der Rauch von ihr steigt auf durch viele Zeitperioden hindurch!" Da fielen die vierundzwanzig Ältesten und die vier Wesen nieder und brachten Gott, der auf dem Throne saß, ihre Anbetung dar mit den Worten: "Amen! Hallelujah!" Und eine Stimme erscholl vom Throne her, welche rief: "Lobt unsern Gott, ihr alle seine Knechte und alle, die ihr Ehrfurcht vor ihm habet, - klein und groß!" Dann hörte ich einen Schall. Es klang wie der Jubel großer Scharen und wie das Brausen vieler Wasser und wie das Rollen starker Donner, als sie riefen: "Hallelujah! Der Herr unser Gott, der Allmächtige, - er hat die Herrschaft wieder an sich genommen! Lasst uns fröhlich sein und jubeln und Ihm die Ehre geben! Denn die Hochzeit des Lammes ist gekommen, und seine Braut hat sich bereit gemacht! Ihr ist verliehen worden, sich in glänzend weiße Leinwand zu kleiden!" Die Leinwand bedeutet nämlich das Wohlgefallen, das sich die Gottestreuen bei Gott erworben haben. Dann sagte er zu mir: "Schreibe: Selig zu preisen sind die, welche zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind!" Dann fuhr er fort: "Dies sind wahrhaftige Gottesworte." Da fiel ich ihm zu Füßen, um ihn anzubeten. Er aber sagte zu mir: "Nicht doch! Ich bin ja nur ein Mitknecht von dir und deinen Brüdern, die das Zeugnis Jesu haben. Nur Gott bete an!" Das Zeugnis Jesu hat nämlich der, durch den ein Geist Gottes sich kundgibt. Darauf sah ich den Himmel offen und erblickte ein weißes Ross. Auf ihm saß der Reiter, der den Namen 'der Treue und Wahrhaftige' führte; seine Strafurteile werden nach den Gesetzen der Gerechtigkeit gefällt und nach denselben Gesetzen werden sie ausgeführt. Seine Augen leuchteten wie eine Feuerflamme. Auf seinem Haupte hatte er viele Kronen. Er trug Namen, die in diesen Kronen geschrieben standen. Er allein konnte sie lesen, sonst niemand. Er war mit einem Mantel bekleidet, der in Blut getaucht worden war. Er hieß: 'Das Wort Gottes'. Die himmlischen Heere folgten ihm auf weißen Rossen und waren in glänzend weiße Leinwand gekleidet. Der Hauch seines Mundes gestaltete sich zu einem scharfen Schwert, mit dem er die Feinde Gottes überwinden soll. Er wird sie mit eisernem Stabe vor sich hertreiben, wie ein Hirt seine Herde treibt. Er ist es, der die Kelter tritt, in welcher der Glutwein der Strafgerichte des allmächtigen Gottes bereitet wird. Auf der Hüftseite seines Mantels trug er den Namen geschrieben: 'König der Könige und Herr der Herren'. Dann sah ich einen Engel in der Sonne stehen. Allen Vögeln, die hoch am Himmel flogen, rief er mit lauter Stimme zu: "Kommt hierher! Sammelt euch zu einem großen Mahl Gottes! Ihr sollt Fleisch fressen von Königen, Fleisch von Heerführern, Fleisch von Mächtigen, Fleisch von Rossen und ihren Reitern, Fleisch von Leuten aller Art, von Freien und Sklaven, von Kleinen und Großen!" Dann sah ich das Tier und die Könige der Erde an der Spitze ihrer Heere versammelt, um dem, der auf dem weißen Rosse saß und dessen Heer eine Schlacht zu liefern. In dieser Schlacht wurde das Tier überwältigt und mit ihm der Lügenprophet, der vor dem Tiere die Wunderzeichen gewirkt und diejenigen verführt hatte, die das Erkennungszeichen des Tieres an sich angebracht und dessen Bild angebetet hatten. Beide wurden lebend in den Feuersee geworfen, der von Schwefel brennt. Die übrigen wurden von dem Schwert getötet, das aus dem Munde des Reiters auf dem weißen Ross hervorkam; und alle Vögel sättigten sich an dem Fleisch der Gefallenen. Nun sah ich einen Engel vom Himmel herabkommen, der den Schlüssel zur Unterwelt und eine große Kette in seiner Hand hatte. Er ergriff den Drachen - die alte Schlange - nämlich den Teufel oder Satan, band ihn auf tausend Jahre, warf ihn in die Unterwelt, verschloss den Eingang über ihm und versiegelte den Eingang, damit er die Völker nicht mehr verführen könne, bis die tausend Jahre zu Ende wären. Danach muss er auf kurze Zeit wieder losgelassen werden. Dann sah ich den Thronsessel, auf denen Richter Platz nahmen. Ihnen wurde die Gerichtsbarkeit übertragen. Ferner sah ich die Seelen derer, die wegen ihres Zeugnisses für Jesus und um des Wortes Gottes willen hingerichtet worden waren. Sie hatten das Tier und sein Bild nicht angebetet und das Erkennungszeichen des Tieres an Stirn und Hand nicht angebracht. Sie alle empfingen nun das geistige Leben und herrschten mit Christus die tausend Jahre hindurch. Doch der Rest der geistig Toten kam bis zum Ablauf der tausend Jahre nicht zum geistigen Leben. Das ist die erste geistige Auferstehung. Glücklich zu preisen und heilig ist der, welcher an der ersten Auferstehung teilnehmen kann; über solche übt der Todesfürst nicht zum zweitenmal mehr seine Macht aus; sie werden vielmehr Priester Gottes und Christi sein und während der tausend Jahre als Könige mit ihm herrschen. Sobald die tausend Jahre zu Ende sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis wieder freigelassen; er wird sich aufmachen und die Völker bis zu den vier Enden der Erde verführen - den Gog und den Magog - und sie zum Kampfe sammeln. Ihre Zahl ist groß wie der Sand am Meere. Sie zogen dann auf die Hochebene der Erde hinauf und umzingelten das Heerlager der Gottestreuen und die geliebte Stadt. Da fiel Feuer vom Himmel herab und verzehrte sie. Ihr Verführer, der Teufel, wurde in den See von Feuer und Schwefel geworfen, in dem sich auch das Tier und der Lügenprophet befinden. Dort werden sie Tag und Nacht gepeinigt werden bis in die fernsten Zeitperioden hinein. Dann sah ich einen großen weißen Thron und den, der darauf saß. Vor seinem Angesichte floh die Erde und der irdische Himmel, und es fand sich keine Stätte mehr für sie. Hierauf sah ich die Toten, groß und klein, vor dem Throne stehen. Bücher wurden aufgeschlagen; dann wurde noch ein anderes Buch geöffnet, das die Bezeichnung 'Buch des Lebens' führt. Und die geistig Toten wurden auf Grund der Werke gerichtet, die in den Büchern aufgezeichnet waren. Und das Meer hatte seine Toten herausgeben müssen, die es in sich barg; der Todesfürst und das Totenreich hatten ihre Toten herausgegeben, und jeder Tote wurde nun nach seinen Werken gerichtet. Der Todesfürst und seine Untertanen wurden in den Feuersee geworfen. So kamen sie wiederum an den Platz der geistig Toten, - in den Feuersee. Und jeder, dessen Namen nicht im Buch des Lebens verzeichnet stand, wurde in den Feuersee geworfen. Nun sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der vorige Himmel und die vorige Erde waren vergangen. Auch das Meer war nicht mehr da. Hierauf erblickte ich die heilige Stadt. Sie kam vom Himmel herab, von Gott her und glich einer Braut, die sich zur Vermählung mit ihrem Bräutigam geschmückt hat. Gleichzeitig hörte ich eine laute Stimme vom Throne her rufen: "Das ist die Wohnstätte Gottes unter den Menschen! Er wird unter ihnen wohnen; sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird unter ihnen sein! Abwischen wird er alle Tränen von ihren Augen! Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid, keine Klage, keinen Schmerz; denn zum erstenmal sind alle diese Dinge endgültig vorüber!" Und der, welcher auf dem Throne saß, sprach die Worte: "Siehe, ich mache alles neu!" Dann fuhr er fort: "Schreibe alles nieder! Denn auf diese Worte kannst du dich verlassen; sie sind Wahrheit." Weiter sagte er zu mir: "Ich bin's - Ich, das Alpha und das Omega - der Anfang und das Ende! Dem Durstigen werde ich aus dem Wasserquell des Lebens zu trinken geben! Wer den Sieg davonträgt, soll dies alles als sein Erbteil erlangen! Ich will sein Gott und er soll mein Kind sein! Doch den Feiglingen und Glaubenslosen, den Unreinen und Mördern, den Unzüchtigen und Giftmischern, den Götzendienern und all den Lügnern soll die verdiente Strafe in dem See zuteil werden, der von Feuer und Schwefel brennt! Das bedeutet für sie von neuem den geistigen Tod!" Hierauf kam einer von den sieben Engem, welche die sieben Schalen in der Hand hielten, die mit den letzten sieben Plagen angefüllt waren und sagte zu mir: "Komm her, ich will dir die Braut, die Gattin des Lammes zeigen!" Sofort löste sich mein Geist vom Körper und der Engel führte mich auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, die aus dem Himmel herabkam, von Gott her, geschmückt mit der Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz glich dem des kostbarsten Edelsteins, dem kristallhellen Jaspis. Sie hatte eine große, hohe Mauer und zwölf Tore. Über den Toren standen zwölf Engel. Auf den Toren waren Namen eingezeichnet, welche die Namen der zwölf Stämme Israels darstellten. Drei Tore lagen gegen Osten, drei gegen Norden, drei gegen Süden und drei gegen Westen. Die Mauer der Stadt hatte zwölf Fundamentsteine. Auf ihnen standen die Namen der zwölf Apostel des Lammes. Der mit mir redete, hatte ein goldnes Rohr als Messrute. Damit sollte er die Stadt, ihre Tore und ihre Mauer ausmessen. Die Stadt bildete ein Viereck, ihre Länge war so groß als ihre Breite. So maß er denn die Stadt mit seiner Messrute. Ihre Länge betrug fünfzehnhundert Meilen. Ihre Breite und Höhe hatten dasselbe Maß. Dann maß er ihre Mauer. Sie betrug hundertvierundvierzig Ellen nach menschlichem Maß, und dieses Maß gebrauchte auch der Engel. Das Baumaterial der Mauer bestand aus Jaspis, die Stadt selbst aus Gold, so rein wie durchsichtiges Glas. Die Grundsteine der Stadtmauer waren aus allerlei Edelsteinen hergestellt. Der erste Grundstein bestand aus einem Jaspis, der zweite aus einem Saphir, der dritte aus einem Chalzedon, der vierte aus einem Smaragd, der fünfte aus einem Sardonyr, der sechste aus einem Karneol, der siebente aus einem Chrysolith, der achte aus einem Beryll, der neunte aus einem Topas, der zehnte aus einem Chrysopras, der elfte aus einem Hyazinth und der zwölfte aus einem Amethyst. - Die zwölf Tore waren zwölf Perlen. Jedes von ihnen bestand aus einer einzigen Perle. - Die Straßen der Stadt waren lauteres Gold, so durchsichtig wie reinstes Glas. Einen Tempel sah ich nicht in ihr. Denn Gott der Herr, der Allmächtige, ist ihr Tempel, sowie das Lamm. Auch bedurfte die Stadt zu ihrer Beleuchtung keiner Sonne und keines Mondes. Die Herrlichkeit Gottes spendete ihr das Licht, und ihre Leuchte war das Lamm. Die Volksscharen werden im Lichte dieser Stadt dahinziehen, und die Könige der Erde bringen ihre eigene Pracht und Herrlichkeit in sie hinein. - Die Tore der Stadt werden bei Tage niemals geschlossen werden; denn eine Nacht gibt es dort nicht. - Das, was den Völkern kostbar erscheint, wird man in die Stadt hinein bringen. Doch nie darf etwas Unreines dorthin gelangen, keiner, der dem Götzendienst und der Lüge dient, sondern nur die, welche im Lebensbuch des Lammes verzeichnet stehen. Dann zeigte der Engel mir einen Wasserstrom des Lebens, klar wie Kristall. Er floss aus dem Throne Gottes und des Lammes hervor. In der Mitte der Straßen der Stadt und auf beiden Seiten des Stromes standen Lebensbäume, die zwölf verschiedene Früchte tragen, und zwar jeden Monat eine besondere Frucht. Die Blätter dieser Bäume dienen zur Heilung der Völker. Es wird dort auch nichts mehr geben, worauf ein Fluch lastet. Der Thron Gottes und des Lammes wird darin stehen. Gottes Knechte werden ihrem Herrn dienen und sein Angesicht schauen. Sein Name wird auf ihren Stirnen geschrieben stehen. Da es dort keine Nacht mehr geben wird, so hat man weder Lampenlicht noch Sonnenlicht nötig. Gott der Herr wird ihnen Licht spenden, und sie werden als Könige in alle Zukunft herrschen. Dann sagte der Engel zu mir: "Auf diese Worte kannst du dich verlassen; denn sie sind die Wahrheit. Der Herr und Gott jener Geister, die durch menschliche Werkzeuge sich kundgeben, sandte auch in diesem Falle seinen Engel, um den Dienern Gottes kundzutun, was in schneller Aufeinanderfolge sich ereignen soll. Siehe, ich komme bald! Glücklich zu preisen ist, wer die durch einen Geist Gottes mitgeteilten Worte dieses Buches in seinem Herzen bewahrt." Ich, Johannes, bin es, der dies alles gehört und gesehen hat. Und nachdem ich es gehört und gesehen hatte, fiel ich dem Engel, der mir das alles gezeigt hatte, zu Füßen und wollte ihn anbeten. Der aber sagte zu mir: "Das darfst du nicht! Denn ich bin nur ein Mitknecht von dir und deinen Brüdern, den Propheten, sowie von denen, die an den Worten dieses Buches festhalten. Nur Gott bete an!" Dann fuhr der Engel fort: "Halte die von einem Geiste Gottes dir gegebenen Wahrheiten dieses Buches nicht geheim! Denn die Zeit ihrer Erfüllung ist nahe. Der Sünder mag weiter sündigen, und der Schuldbeladene weiter Schuld auf sich häufen; der Gottestreue soll weiter nach dem Willen Gottes leben und der Anhänger Gottes weiter auf dem Wege zu Gott wandeln! Siehe, ich komme bald und habe den Lohn, den ich zahlen will, bei mir; einem jeden will ich vergelten nach seinen Leistungen." "Ich bin das Alpha und das Omega - der Erste und der Letzte - der Anfang und das Ende. Glücklich zu preisen sind, die ihre Kleider waschen, um ein Anrecht an dem Baume des Lebens zu erlangen und durch die Tore in die Stadt eintreten können." "Draußen bleiben die Hunde und die Giftmischer, die Unzüchtigen und die Mörder, die Götzendiener und alle, welche die Lüge lieben und ausüben." "Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch dies zum Besten der Gemeinden kundzutun. Ich bin die Wurzel und der Wurzelspross des Geschlechtes Davids; ich bin der helle Morgenstern." "Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, soll antworten: Komm! Und wer dürstet, der soll kommen! Und wer Verlangen nach dem Wasser des Lebens trägt, möge kommen; er soll es umsonst haben." "Ich bezeuge jedem, der die von einem Geiste Gottes gesprochenen Worte dieses Buches hört: Wer dem Gesagten etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen hinzufügen, von denen in diesem Buche geschrieben steht. Und wer von den Worten des Geistes Gottes, die in diesem Buche enthalten sind, etwas hinwegnimmt, dem wird Gott seinen Anteil am Baume des Lebens und an der heiligen Stadt wegnehmen, wovon in diesem Buche geschrieben ist." "Es spricht der, welcher die Wahrheit des Inhaltes dieses Buches bezeugt: Ja, ich komme bald!" Amen! Ja, komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit allen Gottestreuen! Amen! id=b-vz-304 lang=de charset=0 short.title=Greber NT 1936 description=Greber NT 1936 version.major=1 version.minor=0 version.date=2017-07-03 publish.date=1936 creator=Hans J. Herbst (joiner194@hotmail.com) about=Greber NT 1936,\
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