George Washingtons Zukunftsgesichte (1777)

 
Quelle: Ein Neudruck eines Zeitungsbeitrags betitelt: »General Washingtons Engelsbesuch«  und »Das Gesicht der Zukunft der Vereinigten Staaten«, — veröffentlicht in der »National Tribune« 1859:

Ich weiß nicht, ob es infolge der Angst meiner Sinne war, oder was, aber diesen Nachmittag, als ich an diesem Tisch saß, eine Depesche vorbereitete, schien mich etwas zu unterbrechen. Als ich aufschaute, erblickte ich mir gegenüberstehend, ein ungewöhnliches wunderschönes weibliches Wesen. So überrascht war ich, weil ich vorher strikte Order gab, mich nicht zu stören, so daß es einige Augenblicke dauerte, bis ich die Sprache wiedergefunden hatte, um sie über den Grund ihrer Anwesenheit zu fragen.

Ein zweites, ein drittes und sogar ein viertes mal wiederholte ich meine Frage, aber erhielt keine Antwort von meinem geheimnisvollen Besucher, außer einem leichten Anheben ihrer Augen. Ich wollte aufstehen, doch der starre Blick des Wesens nagelte mich fest und machte es mir unmöglich, meinen Willen vorher zu äußern. Ich versuchte einmal mehr, sie anzureden, aber ich war unfähig, meine Zunge zu bewegen, ich dachte sogar, sie ist gelähmt. Ein neuer geheimnisvoller, starker, unwiderstehlicher Einfluß ergriff mich. Alles, was ich tun konnte, war starr und leer auf meinen unbekannten Besucher zu blicken.

Allmählich schien sich die Umgebung mit Leuchterscheinungen zu füllen. Alles um mich herum schien sich zu verfeinern, der geheimnisvolle Besucher selbst wurde luftiger und sogar noch klarer als vorher. Ich begann mich wie ein Sterbender zu fühlen, oder vielmehr erfuhr ich die Gefühle, die einem beim Sterben begleiten, wie ich sie mir manchmal vorstellte. Ich dachte nicht, ich bewegte mich nicht, das alles war unmöglich. Ich war mir nur des starren, leeren Blickes auf meinen Begleiter bewußt.

Sogleich hörte ich eine Stimme sagen: »Sohn der Republik, sieh und lerne«, während gleichzeitig mein Besucher seinen Arm ostwärts ausstreckte. Ich erblickte nun einen schweren, weißen Dampf in einiger Entfernung aufsteigen. Dieser vermehrte sich allmählich und ich schaute auf einen seltsamen Schauplatz. Vor mir breiteten sich auf einer großen Fläche alle Länder der Welt aus. Ich sah die Brandungswellen des Atlantiks zwischen Europa und Amerika tosen, und zwischen Amerika und Asien lag der Pazifik. »Sohn der Republik«, sagte die geheimnisvolle Stimme wie vorher, »sieh und lerne«.

In diesem Augenblick erblickte ich ein dunkles, schattenhaftes Etwas, das mitten in der Luft zwischen Europa und Amerika schwebte. Dieses Wesen tauchte mit beiden Händen in den Ozean ein und schöpfte Wasser. Es spritzte mit seiner rechten Hand etwas Wasser über Amerika, während es mit der linken Hand Europa bespritze. Sofort stieg eine dunkle Wolke aus diesen Ländern auf und vereinigte sich mitten auf dem Ozean. Für eine Weile blieb sie stehen und dann bewegte sie sich langsam westwärts, bis sie Amerika einhüllte mit ihrem trüben Schleier. Scharfe Blitze zuckten in ihr in Abständen und ich hörte die Erstickenden stöhnen und Schreie der amerikanischen Menschen.

Ein zweites Mal tauchte der Engel in den Ozean und spritze Wasser aus wie vorher. Die dunkle Wolke war dann verzogen, zurück in den Ozean, in dessen schweren Wellen sie versank. Ein drittes Mal hörte ich die geheimnisvolle Stimme sagen, »Sohn der Republik, sieh und lerne«. Ich blickte über Amerika und sah Städte und Ansiedlungen aufsteigen, eine nach der anderen, bis das ganze Land vom Atlantik bis zum Pazifik damit überzogen war. Wieder hörte ich die geheimnisvolle Stimme sagen: »Sohn der Republik, das Ende des Jahrhunderts kommt, sieh und lerne.«

Dabei drehte der dunkle, schattenhafte Engel sein Gesicht südwärts und von Afrika sah ich einen üblen Geist sich unserem Land annähern. Er huschte langsam über jede Stadt. Die Einwohner bekämpften sich bald selbst gegeneinander. Als ich weiter schaute, sah ich einen hellen Engel, der auf seinem Haupte eine Krone aus Licht trug, auf der das Wort »Union« geschrieben stand. Er trug die amerikanische Flagge, die er zwischen die verschiedenen Nationen stellte und sagte »Erinnert euch, ihr seid Brüder«. Augenblicklich warfen die Bewohner ihre Waffen weg, wurden Freunde und vereinigten sich um die Nationalfahne.

Und wieder hörte ich die geheimnisvolle Stimme sagen: »Sohn der Republik, sieh und lerne«. Danach setzte der dunkle, schattenhafte Engel eine Trompete an seinen Mund und blies drei verschiedene Stöße; und nahm wieder Wasser aus dem Ozean und spritzte es über Europa, Asien und Afrika. Dann vernahmen meine Augen eine furchtbaren Anblick: von jedem dieser Länder entsprangen dicke, schwarze Wolken, die sich zu einer vereinigten. Durch diese Masse glänzte ein dunkles, rotes Licht, in dem ich Horden von bewaffneten Menschen sah, die sich mit der Wolke bewegten, über das Land marschierend und segelnd auf der See nach Amerika, das mit eingeschlossen wurde in die Wolke.

Und dunkel sah ich diese großen Heerscharen das ganze Land verwüsten und die Dörfer und Städte niederbrennen, die vorher aufgestiegen waren. Als meine Ohren den Donner der Kanonen hörten, das Rasseln der Schwerter und die Schreie von Millionen in tödlichem Kampf, hörte ich die geheimnisvolle Stimme wieder sagen: »Sohn der Republik, sieh und lerne.« Als die Stimme das gesagt hatte, erhob der dunkle, schattenhafte Engel seine Trompete noch einmal an seinen Mund und blies einen langen furchtbaren Stoß.

Sogleich schien über mir ein Licht wie von Tausend Sonnen herab und durchdrang und brach Lücken in die dunkle Wolke, die Amerika einschloß. Im selben Augenblick stieg der Engel, bei dem das Wort »Union« über dem Kopf geschrieben stand und der unsere Nationalflagge in Händen hielt, vom Himmel herab, begleitet von Scharen weißer Geister. Diese verbanden sofort die Einwohner von Amerika untereinander und ich sah, daß sie sofort ihren Mut wiederbekamen, schlossen ihre zerbrochenen Reihen und nahmen den Kampf wieder auf.

Wieder, inmitten des furchtbaren Lärms hörte ich die geheimnisvolle Stimme sagen: »Sohn der Republik, sieh und lerne.« Als die Stimme aufhörte, schöpfte der schattenhafte Engel ein letztes Mal Wasser aus dem Ozean und spritzte es über Amerika. Sofort ging die dunkle Wolke zurück, zusammen mit den Heerscharen, die sie brachten. Und die Bewohner des Landes waren siegreich. Dann sah ich noch einmal die Dörfer und Städte aufsteigen, wie vorher, während der helle Engel die hellblaue Flagge, die er mitbrachte, einpflanzte mitten unter ihnen und mit einer lauten Stimme schrie: »Solange die Sterne scheinen und die Himmel Tau auf die Erde hinunterschicken, so lange wird die Union bestehen«. Und er nimmt die Krone von seinem Kopfe und setzt sie auf die Flagge, während die Leute niederknien und Amen sagen.

Dieses Geschehen begann sofort nachzulassen und sich aufzulösen und ich sah schließlich nur noch den aufsteigenden Dampf, den ich zuerst sah. Dieser verschwand auch und ich fand mich wieder mit dem starren Blick auf meinen geheimnisvollen Besucher, der, mit derselben Stimme wie vorher, sagte »Sohn der Republik, was du gesehen hast, bedeutet: drei große Gefahren werden über die Republik kommen. Die größte ist die dritte, die die ganze vereinigte Welt nicht wird bezwingen können. Laß jedes Kind der Republik lernen, seinen Gott zu lieben, sowie sein Land und die Union«. Mit diesen Worten verschwand die Schauung und ich stand auf von meinem Sitz und wußte, daß ich ein Gesicht hatte, daß mir die Geburt, die Entwicklung und das Schicksal der Vereinigten Staaten zeigte.